Wie aus dem Nichts tauchte die Early-Access-Version des explorativen First-Person-Horror-Adventures 'Layers of Fear' im August 2015 auf und mauserte sich für viele zu einem Geheimtipp. Sich an das berühmt gewordene, unvollendete 'P.T.' anzulehnen und mit ästhetischer Grafik sowie vielversprechendem Storytelling aufzuwarten, war bestimmt kein Nachteil. Allerdings muss ein starker Ersteindruck nicht automatisch in einem tollen Spiel münden und so haben wir uns in die wahnhafte Welt eines Malers gewagt, um die fertige Gruselei im Test auf Herz und Nieren zu prüfen.
Kunst und Besessenheit
Gelingt uns das wahrhaftige Kunstwerk? |
Wir starten gemächlich. Ein Haus wird von einem Mann betreten. Regen trommelt leise im Hintergrund. Die erhaben wirkende Einrichtung deutet auf das viktorianische Zeitalter hin, womöglich spätes 19. Jahrhundert (die Handlung dürfte jedoch in den 1920er-Jahren spielen). Zahllose Portraits an den Wänden verstärken die bedrückende Atmosphäre. Fröhliche Farben sind eine Rarität. Unsere Hauptfigur ist Maler. Er hinkt. Das hat eine medizinische Ursache, aber es ist nicht das, was ihn plagt. Was stimmt nicht mit ihm? Was wurde ihm genommen? An Erfolglosigkeit dürfte es nicht liegen. Seine Kunst ist begehrt, sein Leben teilt er mit einer offenbar erfolgreichen Musikerin und eine Tochter verbindet das Paar. Und trotzdem wirkt er wie besessen, besessen von der Idee ein perfektes, wahrhaftiges Kunstwerk zu erschaffen. Warum? Um diese Frage dreht sich Bloober Teams 'Layers of Fear'.
Hinein ins Delirium
Wie so oft bei explorativen First-Person-Adventures, erstreckt sich die inhaltliche Exposition praktisch über die komplette Spieldauer (geschätzt drei bis vier Stunden). Zu Beginn sind Informationen spärlich gesät. Den Protagonisten und sein Umfeld begreift man im Grunde erst gegen Ende des Spiels. Zahlreiche Erinnerungsstücke und Notizen erlauben bis dahin Einblick in dessen zerrüttete Welt. Die unverbrauchte, recht gute Geschichte zählt - trotz leichter Durchhänger zwischendurch - zu den Stärken des Horror-Dramas und bekommt ein würdiges Ende verpasst. Mehr zu verraten würde den Reiz nehmen. Beschränken wir uns also darauf, das Spielprinzip unter die Lupe zu nehmen.
Dunkle Gänge und alte Gemäuer... eine unangenehme Kombination |
Wer die berühmt gewordene 'P.T.'-Demo gespielt hat (sie ist nicht mehr für die PlayStation 4 erhältlich), kennt den Drill: Wir bewegen uns von Gang zu Gang, Zimmer zu Zimmer. Es gibt kein Zurück. Linearität prägt das Geschehen. Ähnlich wie Hideo Kojimas unvollendeter Geniestreich, setzt 'Layers of Fear' auf eine sich fieberhaft verändernde Umgebung. Nur weil ein Zimmer im ersten Moment heimelig wirkt, muss es das einen Wimpernschlag später nicht immer noch sein. Das Haus gleicht einem bedrohlichen Organismus, der im steten Wandel weilt. Orientierungslosigkeit ist nur eine Frage der Zeit, während man an vielen Türen rüttelt, ehe endlich eine aufgeht und den weiteren Weg weist...
Intensiviert wird die symbolhafte Grusel-Erfahrung nicht zuletzt durch geschickte Licht- und Schatten-Effekte und – ob man das nun mag, oder nicht - Jump-Scares. Es ist aber keineswegs jene Art Horror-Abenteuer, wo die Hauptaufgabe darin besteht, vor einem lästigen Monster davonzulaufen. Es mag ähnliche Momente geben, im narrativen Kontext sind diese aber notwendig und sie bedeuten niemals ein Game over. Insbesondere im letzten Drittel nutzt sich das eigentlich verheißungsvolle Konzept jedoch ab. Es mangelt an neuen furchteinflößenden Elementen, was dem Gesamteindruck schadet.
Exploration mit Rätseln
Wer keine Freude am Erkunden solcher Räumlichkeiten hat, ist fehl am Platz |
'Layers of Fear' begnügt sich immerhin nicht damit, ein reiner Walking-Simulator zu sein. Es fällt in eine ähnliche Schublade wie zum Beispiel 'The Vanishing of Ethan Carter' und bietet explorative Rätselkost, wenn auch auf schwächerem Niveau. Vereinzelt gibt es sogar kleine optionale Aufgaben, die neue Informationen über den Protagonisten eröffnen können, ohne fürs Weiterkommen essentiell zu sein. Aber Vorsicht: manche Trigger können dazu führen, dass optionale Rätsel nicht mehr zugänglich sind, genauso wie beim Verlassen eines Raums nie damit zu rechnen ist, dass die Tür offen bleibt. Ein solcher Trigger könnte selbst das Betrachten eines Einrichtungsgegenstandes sein. Weil automatisch gespeichert wird, ist es nicht immer möglich, einen früheren Spielstand zu laden.
Spätestens in Hälfte zwei geizt das Spielerische mit Überraschungen. Ein Safe erfordert einen Code? Erforschen wir die Umgebung. Irgendwo ist sicher ein passender Hinweis versteckt. Vieles basiert auf diesem Prinzip. Nicht nur einmal sieht man sich genötigt, die finstere Umgebung nach Hotspots abzugrasen, nur um nicht länger festzusitzen. In der Regel ist das in ein paar Minuten erledigt, aber Spaß sieht anders aus. Bei manchen Interaktionspunkten wird zudem nicht so recht deutlich, was es damit überhaupt auf sich hat, welche Rolle sie für die Story spielen. Schade, dass den polnischen Indie-Entwicklern nicht mehr eingefallen ist. 'Layers of Fear' hätte ein Meisterwerk sein können.
Wichtige Gegenstände sind aus der Nähe betrachtbar |
Dass es drei verschiedene Enden gibt, ist ein schwacher Trost, zumal selten das Gefühl vermittelt wird, gezielt Einfluss auf ein konkretes Ergebnis nehmen zu können. Es mag Sinn machen, das Psycho-Drama mehrmals durchzuspielen, weil es zahlreiche Fundstücke gibt, die die narrativen Hintergründe klarer werden lassen. Fundstücke, die leicht zu übersehen sind. Zugleich ist das Gameplay einfach nicht spannend genug und die Geschichte zu linear gestrickt, um vom neuerlichen drogenrauschigen Albtraum profitieren zu können. Somit bleibt das wohl eine Angelegenheit, die vorwiegend für Horror-Fanatiker in Frage kommt.
Wunderbare Grafik und schöne Musik
Eine deutsche Übersetzung gibt es und die ist zufriedenstellend |
Auf technischer Ebene ist 'Layers of Fear' jedenfalls sehr überzeugend gelungen. Die viktorianische Architektur wurde perfekt instrumentalisiert, um für die passende Stimmung zu sorgen. Die Unity-Engine zeigt sich bei der fantasievollen Grafik von ihrer besten Seite. Einschränkend sei aber erwähnt, dass es kaum bewegte Personen zu sehen gibt. Auf eine Visualisierung der Hände des Künstlers wurde nahezu gänzlich verzichtet. Diese bekommt man nicht einmal beim Öffnen der diversen Türen, Schubladen und Schränke zu sehen (mit einer Ausnahme).
Kaum Grund zur Klage bietet ansonsten die englische Vertonung. Es gibt wenige Sprecher, doch die machen ihren Job überzeugend und wer der englischen Sprache nicht mächtig ist, wählt deutsche Untertitel aus. Während sich im musikalischen Bereich das klassisch orientierte Titel-Theme mit einer gefühlvollen Melodie in die Seele brennt, nervt ein anderes Feature, welches v.a. den PS4-Controller der Konsole betrifft. Befindet sich die Hauptfigur in der Nähe eines wichtigen Erinnerungsstücks, ertönt ein lautes Geräusch direkt vom Controller aus und es wird immer lauter, je näher wir sind. Leider passt dieses Geräusch nicht ins akustische Gesamtbild und irritiert aufgrund der etwas zu hohen Lautstärke. Hoffentlich können die Entwickler hier noch etwas nachbessern.
'Layers of Fear' lebt von einer bewegenden Horror-Geschichte und einer wundervoll visualisierten, malerischen Umgebung. Während der Horror mit Fortdauer des Spiels etwas an Kraft verliert, haben diese Elemente mich bis zum Schluss motiviert. Leider zeigt das nicht allzu komplexe explorative Gameplay einige Abnützungserscheinungen und schöpft das Potential nicht aus. Mir drängt sich die Frage auf, ob das düstere Abenteuer nicht womöglich einen Tick zu früh aus dem Early-Access-Ofen gezogen wurde. Wer Grusel-Geschichten zu schätzen weiß, sollte diesen bildgewaltigen Trip aber in jedem Fall riskieren. Gut ist er allemal.
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Layers of Fear
- Entwickler
- Bloober Team SA
- Publisher
- Aspyr
- Release
- 16. Februar 2016
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://blooberteam.com/projects.html
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Layers of Fear im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- Layers of Fear im Epic Store kaufen (Affiliate-Link)
12 Kommentare
- Sind das dann Sackgassen?
Und wie lange dauert die Spielzeit?
Spielzeit siehe Test: 3-4 Stunden
Klar ist es recht eintönig, was spielelemente angeht und rätsel sind so gut wie keine vorhanden.. aber die gab es auch bei P.T nicht und es war trotzdem ein Meilenstein im Horrorgenre. Das Spiel im Dunkeln und mit Kopfhörern spielen ist einfach ein toller, wenn auch kurzer Trip! Mehr davon!!!
ist die gelungen? zufriedenstellend? miserabel? ganz toll?
wäre echt voll lieb, wenn ihr mir dazu eure meinungen/erfahrungen mitteilen würdet.
ich muss das jetzt wohl aufklären, warum ich so doof nach einer übersetzung frage: die übersetzung habe ich nämlich selbst gemacht, ehrenamtliches fanprojekt, könnte man sagen.
jetzt wollte ich einfach einmal wissen, wie sie beim zahlenden publikum ankam - ich habe mich da nämmlich total reingehänngt, zeitgemäße sprache, kunst jargon usw. berücksichtigt.
mir haben es spieler dieses titels auch zu verdanken, dass ihr keine briefe lesen musstet, in dem der künstler irgendwen nach medikamenten fragt, die erstt 60-100 nach der handlung des spies erfunden wurden.
die sprachausgbe finde ich recht gelungen, wobei sie on einem nicht muttersprachler aufgenommen wurde und nicht alle fehler, die ich den devs weitergegeben habe, konnten iiiim final release noch korrigiert werden. aber immerhin die meisten, hoffe ich zumindest.
ich muss gestehen, dass ich das spiel nie durchgespielt habe, aber da könnten auch die 100 stunden übersetzungsarbeit dran schuld sein.
hatte irgendwie nie mehr den drang dazu, herauszufinden, wie die ganzen sätze, die ich übersetzen sollte, im endeffekt zusammengehören. denke, dass ich mir dennoch ein ganz brauchbares bild von der gesamthandlung machen konnte/gemacht habe.
fun fact: für den halloween special raum im keller, ist die deutsche übersetzung die einzige, die zumindest versucht hat, das reim-schema beizubehalten. aber genug geprahlt hier...