Das späte Ende des Versailler (Un)Friedensvertrages (1919)
Verfasst: 01.10.2010, 19:08
Wir feiern am diesjährigen 3. Oktober nicht nur den Tag der deutschen Einheit, sondern auch das Ende der Reperationszahlungen an die Siegermächte des ersten Weltkrieges (1914-1918). Damit wird ein Schlusstrich unter den Unfriedensvertrag, dem Diktatfrieden von Versailles gelegt, der eine formale Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des ersten Weltkrieges vorgeschrieben hatte. Wer sich mit Geschichte auskennt, der weiß, das diese Anschuldigung eine historische Lüge ist und nicht den damaligen Tatsachen entspricht. Dennoch musste Deutschland aufgrund von Versailles furchtbar büßen. Das Land wurde in der Folge von den Siegermächten finanziell ausgebeutet und teilweise sogar besetzt gehalten (Rheinland von franz. und belg. Truppen). Die Folge waren Massenverarmung, verhungerte Kinder, die Weimarer Hyperinflation und ein Parlament, das aus vielen zersplitterten Parteien (Mehrparteien-System) bestand und ohne fehlende 5-Prozentklausel defakto auch nur ungenügend Regierungsfähig war. Begünstigt durch die Weltwirtschaftskrise in 1929 kamen dann die Nazis schrittweise an die Macht. Man kann daher mit Fug und Recht behaupten, dass der Versailler Vertrag für den Ausbruch des zweiten Weltkrieges maßgeblich verantwortlich war, weil man Deutschland in den 20er Jahren wirtschaftlich erdrosselte und dadurch die Menschen in die Arme der Leute trieb, die Brot, Arbeit und ein neues, nationales Selbstbewusstsein versprachen. Konkret Hitler und die NSDAP. Wer also verstehen will, warum es zum zweiten Weltkrieg gekommen ist, der muss sich Versailles und seine Folgen, die sog. Zwischenkriegszeit 1919 bis 1939 defakto näher anschauen. Das wird in der Schule nur bedingt getan, weil man sich ja nicht eingestehen möchte, dass die damaligen Siegermächte von 1919 alles andere, aber keine Weisenknaben waren. Diese hatten genauso viel Dreck am Stecken und waren allesamt mit Freude und Elan dabei, als es 1914 galt seine imperialistischen Machtgelüste durch einen Krieg zu befriedigen. Aber wie so oft schreiben die Sieger die Geschichte und schwärzen dabei die Weste des unterlegenen Gegners schwärzer, als die eigene. 

28.09.10|
Erster Weltkrieg
Deutschlands Reparationen laufen aus
96 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges verfallen Sonntag die letzten Schulden Deutschlands aus dieser „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts".
Von Sven Felix Kellerhoff
Ein guter Schuldner zahlt – schon um seiner Kreditwürdigkeit willen. Doch irgendwann verfallen alle finanziellen Forderungen. Mit dem 20. Jahrestag der Wiedervereinigung kommt jetzt der Stichtag für die umstrittensten Schulden der deutschen Zeitgeschichte: die Reparationen als Folge des Ersten Weltkrieges, der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, wie der US-Diplomat George F. Kennan häufig schrieb.
Seit 1990 bedient die Bundesrepublik nämlich wieder Zinsen und Tilgung auf Anleihen, die eine direkte Folgen des Ersten Weltkrieges sind; es handelt sich überwiegend um Ansprüche privater Investoren. Als direkte Folge des einst heftig umstrittenen Artikels 231 im Versailler Friedensvertrag, der dem Deutschen Reich allein verantwortlich für den Kriegsausbruch im August 1914 machte, hatte die Weimarer Republik Entschädigungen in zunächst nicht genau festgelegter Höhe anerkannt. Erst 1924 kam es zu einer Regelung, die nach dem amerikanischen Chefunterhändler als Dawes-Plan bekannt wurde; ein zweiter, deutlich reduzierter Zahlungsplan wurde 1929 nach Dawes’ Mitarbeiter Owen D. Young benannt.
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Dawes und Young wussten, dass nur eine funktionierende Ökonomie in der Lage sein würde, Wiedergutmachungsleistungen in nennenswertem Umfang zu leisten. Daher sahen beide Pläne vor, dass die deutsche Regierung einerseits jährlich eine bis 2,5 Milliarden Reichsmark aus dem Steueraufkommen an die Siegermächte des Weltkrieges überweisen sollte. Hinzukommen sollten aber internationale Anleihen zugunsten der deutschen Wirtschaft, um deren Wachstum zu finanzieren und so letztlich zu einer sicheren, regelmäßigen Zahlung beizutragen. Die sogenannte Dawes-Anleihe betrug knapp vier Milliarden Reichsmark (800 Millionen Goldmark) zu einem Zinssatz von sieben Prozent, die Young-Anleihe umfasste etwas weniger als 1,5 Milliarden Reichsmark (300 Millionen Goldmark) zu günstigeren 5,5 Prozent. Vor allem institutionelle Investoren, aber auch Privatanleger sicherten sich diese Wertpapiere.
Hitler stellt Tilgung der Anleihen ein
Trotz der Weltwirtschaftskrise, die mit einer schweren Finanzmarktkrise an der Wall Street 1929 begonnen hatte, wurde die Young-Anleihe gut gezeichnet. Immerhin war der Vertragspartner ein ganzes Land. Doch schon Anfang Februar 1933 erwies sich das als Fehlkalkulation. Die eben ernannte Regierung Hitler stellte die Tilgung der Anleihen völlig ein und auch von den Zinsen wurde nur ein Bruchteil bezahlt. Aufmerksame Investoren hätten sich das denken können, denn immerhin hatte sich die NSDAP mit Polemik gegen den Young-Plan Wahlkampfthema nicht zurück gehalten.
Als 1949 das Grundgesetz in Kraft trat und damit die Bundesrepublik entstand, gehörte es zu den Grundentscheidungen der Politik, formell die Nachfolge des untergegangenen Deutschen Reiches anzutreten. Theodor Heuss, Konrad Adenauer und andere Spitzenvertreter der neuen Demokratie wollten sich nicht aus der Verantwortung stehlen, wie es die DDR tat. Dazu zählten auch die Auslandschulden, allerdings bei weitem nicht zum vollen Nennwert. Das war auch im Interesse der Gläubiger, denn der junge westdeutsche Staat durfte finanziell nicht ausbluten, wenn er ein starker Partner der freiheitlichen Allianz im Systemkonflikt mit den kommunistischen Diktaturen werden sollte.
Als Verhandlungsführer der Bundesregierung beim Londoner Schuldenabkommen trat Hermann Josef Abs auf, der einflussreichste deutsche Bankier dieses Jahrhunderts. Der Bundesrepublik wurden zwar zahlreiche Schulden erlassen, aber am Ende blieben doch Ansprüche von knapp 30 Milliarden D-Mark. Einvernehmlich mit 70 Gläubiger-Staaten verabredete die deutsche Delegation sehr günstigen Rückzahlungsmodalitäte. Dazu gehörte auch die Tilgung der Dawes- und Young-Anleihescheine, für die das Bundesfinanzministerium bis 1980 umgerechnet etwa 670 Millionen Euro bezahlte.
Nicht bedient aber wurden, einem Zugeständnis an Abs folgend, die Zinsen für zwei Anleihen, die zwischen Kriegsende und Beginn der Verhandlungen über das Schuldenabkommen aufgelaufen waren, also von 1945 bis 1952. Sie sollten nach einer Wiedervereinigung Deutschlands fällig werden – was schon Anfang der 50er-Jahre soviel hieß wie: ad kalendas graecas. In den 80er-Jahren erschienen die bedienten Originalzertifikate als Anteilscheine wertlos, da mit einer Wiedervereinigung noch im 20. Jahrhundert niemand mehr rechnete. Einige wanderten als historische Wertpapiere, interessant höchstens noch für Sammler, durch viele Hände. Wer allerdings einen Stapel davon günstig kaufte, hatte Glück: Mit der deutschen Einheit 1990 trat die weitgehend vergessene Klausel des Londoner Schuldenabkommens wieder in Kraft.
Bundesrepublik zahlt jährlich Zinsen und Tilgung
Diese Schulden sollten bezahlt werden – anders als bei den prinzipiell ebenfalls möglichen Reparationsforderungen gegen Deutschland für den Zweiten Weltkrieg, die auf die Zeit nach Abschluss eines Friedensvertrages verschoben wurden, der aber nie geschlossen wurde, weil „an seine Stelle“ der Zwei-plus-Vier-Vertrag trat. Daher bekommen seit 1990 die Inhaber von Dawes- und Young-Anleihescheinen jährlich Zins und Tilgung. Insgesamt ging es im Jahr der Einheit noch um eine Summe von umgerechnet rund 125 Millionen Euro. Sie hätte problemlos auch auf einen Schlag bezahlt werden können – es hätte sich eher um einen kleinen Posten gemessen an den Gesamtaufwendungen für die Einheit. Da aber im Londoner Schuldenabkommen eine 20-jährige Tilgung mit fortlaufenden Zinszahlungen zugesagt war, erfüllte die Bundesrepublik diese Ansprüche und zahlt seither jährlich Zinsen und Tilgung.
Mit dem 20. Jahrestag der Wiedervereinigung läuft diese Regelung jetzt ab. Knapp 200 Millionen Euro wurden an die Anteilseigner gezahlt, etwa 90 Prozent der ausgegeben Papiere wurden bedient. Die übrigen sind vermutlich verloren gegangen. Ab dem 3. Oktober 2010 müssen Ansprüche aus diesen Anleihen nach gültiger Rechtslage nicht mehr bedient werden. Doch eher ist damit zu rechnen, dass auch nachträgliche gestellte Ansprüche noch bedient werden – schließlich will die Bundesrepublik nicht als säumiger Zahler dastehen, vor allem, wo es um vergleichsweise kleine Summen von vielleicht noch 20 Millionen Euro geht.
http://www.welt.de/channels-extern/ipad ... n-aus.html
Hätte unsere Regierung Eier in der Hose, wäre man auf diese Reperationen gar nicht mehr eingegangen und hätte sie wie Hitler damals auch, einfach eingestellt. Zumal die damaligen Halter ja inzwischen sowieso in die ewigen Jagdgründe eingegangen sind und die Nachkriegsgeneration sowieso nichts mehr mit diesem furchtbaren Krieg zu tun hat.etzte Zahlungen: Das späte Ende des Versailler Vertrags
Am 3. Oktober sind die letzten deutschen Reparationszahlungen für den 1919 geschlossenen Friedensvertrag fällig. Damit lässt das wiedervereinigte Deutschland die Schrecken der Vergangenheit hinter sich, ohne sie zu vergessen.Warum der politisch brisante Vertrag sich bis heute finanziell auswirkt.
von Thomas Hanke
Die Vertreter der Alliierten am Rande der Verhandlungen für den Vertrag von Versailles, der den Ersten Weltkrieg formell beendete. Die "großen Vier" von links nach rechts: David Lloyd George (Großbritannien), Vittorio Orlando (Italien), Georges Clemenceau (Frankreich) und Woodrow Wilson (USA). Quelle: apLupe
Am kommenden Sonntag enden die Zahlungen für den Versailler Vertrag. Die meisten Deutschen dürften davon nichts wissen, schließlich ist der Friedensvertrag von 1919 ein längst abgeschlossenes Kapitel. Mit den schädlichen Folgen seiner äußerst harten Reparationsforderungen für die junge Weimarer Republik befassen sich allenfalls noch die Historiker.
Aber eben doch nicht sie allein, sondern auch das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen - mit dem man auch nicht jeden Tag zu tun hat. Das Amt brachte jetzt eine Zahlung von 70 Mio. Euro für eine Bundes-Schuldverschreibung auf den Weg. Mit dieser Tilgung sind die noch verbliebenen Auslandsschulden des Deutschen Reiches abgelöst, die auf die Reparationen zurückgingen.
Zugegeben, es kostet etwas Überwindung, zu glauben, dass die Bundesrepublik noch 2010 für finanzielle Forderungen aus einem Vertrag von 1919 einsteht, der seit Jahren auch international als ein politisches Fiasko gilt. Die erdrückenden Bedingungen des in einem Eisenbahnwagen unterzeichneten Vertrags waren ein Teil des Weges in die Nazi-Diktatur, weil sie der extremen Rechten die Agitation gegen die junge Republik von Weimar mit Begriffen wie "Erfüllungspolitiker" und "Schandvertrag" erleichterte.
Nur: Manche Anleihe hat ein Leben, das länger währt als politische Intentionen. Mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 hat sich die junge Bundesrepublik mit den West-Allierten und weiteren Staaten verständigt, wie die Auslandsschulden des Deutschen Reichs und Preußens behandelt werden sollten. Die waren während des Zweiten Weltkriegs nicht mehr bedient worden.
Es ging dabei unter anderem auch um die Dawes- und Young-Anleihen, zwei Bonds, mit denen den Deutschen in den 20er-Jahren die Reparationszahlungen durch zeitliche Streckung etwas erleichtert werden sollten. In den Jahren nach 1953 wurden die Forderungen im Einzelnen geprüft und mit neuen Anleihen beglichen, deren letzte 1984 fällig war.
Aber das ist nicht die ganze Geschichte. Denn auch nach dem Londoner Abkommen blieben noch Zinszahlungen offen, die zwischen 1945 und 1952 nicht erfolgt waren. Für diese Beträge hatten die deutschen Unterhändler eine geschickte Regelung getroffen: Sie sollten erst beglichen werden, wenn Deutschland wiedervereint sei. Damals hieß das so viel wie: am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Anders als von vielen erwartet stellte sich dieser Tag aber doch ein, und zwar am 3. Oktober 1990. Penibel wie sie ist, legte die Bundesschuldenverwaltung unmittelbar nach der Wiedervereinigung eine neue Anleihe auf - Zins: magere drei Prozent - mit der die noch offenen Zinszahlungen auf die alten Anleihen aus Reparationszeiten abgegolten wurden. Deshalb endet der Versailler Vertrag exakt 20 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Eigentlich ist es schade, dass so wenig Aufhebens darum gemacht wird: Plastischer kann man kaum deutlich machen, dass das wiedervereinigte Deutschland die Schrecken der Vergangenheit hinter sich lässt, ohne sie zu vergessen.
http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... gs;2664931