Um an den Erfolg von 'Tony Tough' anknüpfen zu können, sucht die italienische Spieleschmiede Prograph Research nun auch für 'Prezzemolo' nach Publishern im Ausland. Wir haben für euch einmal direkt mit dem Chef-Entwickler und leitenden Programmierer von Prograph, Marco Pacifico gesprochen, um uns Klarheit über die zukünftigen Pläne der Unternehmung zu verschaffen. Ebenfalls von unserer Seite aus zur Rede gestellt wurde Kai Fiebig von Crimson Cow, welcher auch schon verantwortlich für die deutsche Lokalisation von Prographs Durchstarter 'Tony Tough' war. Er hat sich 'Prezzemolo' einmal genauer angeschaut und wird uns u.a. einiges über die Stärken und Schwächen des Gardaland-Adventures im folgenden Interview erzählen.
Marco, erzähl uns doch bitte kurz etwas über dich und Prograph Research.
Pacifico: Prograph ist ein kleines italienisches Unternehmen, welches 1998 gegründet wurde. Die ersten realisierten Projekte waren 'Tsunami 2265' und 'Tony Tough'. Letzteres gehört sicherlich zu unseren grössten Erfolgen und ist momentan noch immer im Vertrieb für diverse europäische Länder und für Amerika. Ich bin seit ca. einem Jahr Chef-Entwickler, als auch führender Programmierer von diversen Produktionen, zu welchen auch aktuell als Beispiel 'Street Jam Basketball' für den Gameboy Advance gehört.
Mit 'Tony Tough' hatte Prograph Research einen internationalen Erfolgshit gestartet. Was hat euch dazu bewogen, dieses Adventurespiel zu entwickeln?
Pacifico: 'Tony Tough' ist vor einigen Jahren von einer Gruppe talentierter Jugendlicher ins Leben gerufen worden, welche mit Prograph Research einen gültigen Vertrieb und eine ökonomische Stütze gefunden haben, um ihr Spiel fertig stellen zu können. 'Tony Tough' lehnt sich äusserlich und im "Feeling" an Spielen wie 'Monkey Island' und der 'Larry'-Reihe an, für welche sich Autoren und Programmierer, sowie auch alle Computerspieler seit jeher begeistern können.
Wie seid ihr dazu gekommen, ein Spiel über die Charaktere des 'Gardalands' zu entwickeln?
Pacifico: Das 'Gardaland' ist der grösste Themen-Vergnügungspark in Italien und vor allem berühmt für seine hervorragenden Charaktere, welche sich gut für die Realisierung eines Videospiels eignen. Wir haben unsere Idee den Leuten von Microïds Italia präsentiert und zusammen sind wir dann die Produktion von diesem Adventure angegangen, welches sich nun auch grosser Beliebtheit erfreuen kann.
'Prezzemolo' ist ein 3D-Adventure mit klassischer Point and Klick-Steuerung. Wieso habt ihr für das Spiel eine solche Präsentation gewählt? Werdet ihr in Zukunft auch noch weitere Cartoon-Adventures à la 'Tony Tough' entwickeln?
Pacifico: 'Prezzemolo' ist ein Abenteuerspiel im alten Stil, angepasst an eine neue Technologie und den Charakteristiken der aktuellen Hardware. Ferner wählten wir 3D (anstelle dem 2D wie in 'Tony Tough'), um vor allem flüssige Animationen und detaillierte Protagonisten, sowie eine bessere grafische Leistung zu ermöglichen. Wir haben uns für das klassische Point & Click entschieden, da wir den Zusammenhang mit der Typologie des Genres behalten wollten und keine "Arcade"-Stimmung aufkommen lassen wollten, wie es mit einer Tastatur oder Joystick-Steuerung wohl der Fall gewesen wäre.
Im Moment arbeiten wir an der zweiten Episode für 'Prezzemolo', welches in Italien (wie erwähnt) bereits einen guten Ruf geniesst und ausserdem gehen wir momentan auch einige Ideen für ein neues Grafik-Adventure durch, das sich an die Engine von 'Prezzemolo' anlehnen wird, die in der Zwischenzeit nun ausgebessert wird und jeden Tag neue Features dazu bekommt. Das neue Produkt werden wir bald auch offiziell ankündigen.
Denkt ihr darüber nach, 'Prezzemolo' im Ausland zu vermarkten und (falls) auch dementsprechend zu lokalisieren? Habt ihr mittlerweile einen Publisher finden können?
Pacifico: Im Moment sind wir noch auf der Suche nach lokalen Vertrieben in diversen Nationen, wie wir es auch schon bei 'Tony Tough' getan haben. Eine Lokalisierung ist im Ermessen der Publisher voraussichtlich für jede Sprache geplant. Wir hoffen, dass es uns auch bald gelingt einen deutschen Vertrieb zu finden und das Spiel einer deutschen Lokalisierung zu unterziehen.
Kai, erzähl uns doch kurz etwas über dich und Crimson Cow.
Fiebig: Mein Name ist Kai Fiebig, ich bin 37 Jahre alt und arbeite jetzt schon über ein Jahrzehnt in der Spieleindustrie. Crimson Cow wurde letztes Jahr von Karsten Otto ins Leben gerufen - so ziemlich genau nachdem unser erstes Produkt 'Runaway - A Road Adventure' heraus kam. Karsten verbrachte fast ein Jahr damit, die Lizenz aus der Insolvenzmasse von Dinamic herauszukaufen. Dieses Jahr hat sich ja dann auch der 'Westerner' von Revistronic dazu gesellt, für den wir jetzt schon mehr als 30 Awards verliehen bekommen haben. Im weiteren Verlauf des Jahres kommen dann noch 'Dungeon Lords' ein Rollenspiel von D.W. Bradley, 'Runaway 2' von den Pendulo Studios und ein weiterer Titel dazu. Ach ja, der erste Teil von 'Runaway' wird dann auch noch im 3. Quartal 2004 seinen ersten Auftritt auf der Playstation 2 feiern.
Ihr habt erst kürzlich 'The Westerner' lokalisiert. An welchen Titel arbeitet Crimson Cow momentan?
Fiebig: Momentan arbeiten wir noch immer am 'Westerner', um ein Paar Verbesserungen einzubauen; und dann stecken wir noch in den Vorbereitungen zu 'Dungeon Lords'.
Für eine eventuelle Lokalisation habt ihr euch auch 'Prezzemolo' angesehen. Wie gefällt dir der Titel? Wäre er ein potentieller Kandidat für eine deutschsprachige Lokalisation?
Fiebig: Das stimmt: 'Prezzemolo' hatten wir uns schon angeschaut, und im Prinzip gefällt mir der Titel sehr gut. Das Spiel hat sehr viele Dialoge, lässt auch sehr viel Platz für eine gezielte Charakterausarbeitung, und sehr gute Möglichkeiten, viel Witz mit einzubauen. Ein potentieller Kandidat für Deutschland wäre es schon, doch gibt es eben Punkte, die eine herausragende Anpassung an den deutschen Markt momentan eher unwahrscheinlich machen.
Die Amerikanische Spieleschmieden gehören ja seit längerem nicht mehr zur Referenz für die Entwicklung von Adventurespiele. Wie denkst du über die Newcomer Revistronic und Prograph Research? Dürfen wir von solchen Firmen noch mehr erwarten?
Fiebig: Die Amerikaner gehen zurzeit einen anderen Weg, was wirklich schade ist, da somit ein paar ans Herz gewachsene Charaktere wohl nicht ihre wohlverdienten Fortsetzungen bekommen werden - aber wie das nun mal ist kann man Meinungen ja bekanntlich ändern. Ich denke, was die Newcomer angeht können wir noch viel erwarten, da sie, wie man sieht, wirklich kreativ an dieses Genre herangehen und - selbst wenn es einigen vielleicht auch nicht gefallen wird - mal andere Wege als die bereits ausgetretenen einschlagen. Jedes Genre wird durch eine Mischung aus Innovationen und Altbewährtem am Leben gehalten, warum sollte es bei Adventures anders sein? Wie man deutlich in den letzten Jahren feststellen musste, hat der Mangel an Neuem in diesem Genre fast das Ende bedeutet. Ich denke, beide Firmen werden in Zukunft noch viel von sich hören lassen und einige Leute mit Sicherheit überraschen.
Im Folgenden einige Fragen, die wir Marco Pacifico, wie auch Kai Fiebig gemeinsam stellten:
Worin liegen eurer Meinung nach die Stärken und die Schwächen von 'Prezzemolo'?
Pacifico: 'Prezzemolo' ist für junge Konsumenten (von 5 bis 15 Jahre) gedacht und dies macht ein Produkt für Erwachsene wohl äusserst einfach. Wir nehmen an, dass jeder, der Grafik-Adventures mag, 'Prezzemolo' zu schätzen weiss und wir denken, wir haben sehr gute Arbeit geleistet und eine kleine, virtuelle Welt mit viel Sympathie und Heiterkeit erschaffen.
Fiebig: Wie schon bei 'Tony Tough' liegt die Stärke im Aufbau der Dialoge sowie im Rätsel Design. Hier hat Prograph wieder bewiesen, dass sie etwas davon verstehen. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 'Tony Tough' ist auch im Bereich der Grafik zu vermelden: sie ist sehr liebevoll und detailliert gestaltet worden. Im Bereich der Technik hat sich bei Prograph auch eine Menge getan, denn auch vom technischen Standpunkt braucht sich 'Prezzemolo' nicht zu verstecken und sollte eigentlich jeden Adventurefreund ein freudiges Tränchen vergießen lassen. Bei der Technik handelt es sich um eine Mischung aus 3D-Charakteren und Objekten sowie gerenderten Hintergründen, die nahtlos miteinander verschmelzen. Allerdings muss ich wohl auch zu den subjektiv gesehenen Schwächen Stellung nehmen, was mir schwer fällt, da mir 'Prezzemolo' wirklich gefällt und es wirklich nur einen echten Kritikpunkt gibt. Diese deutliche Schwäche ist die Vermarktbarkeit und das Charakter Design an sich. Es ist zu kindlich, als dass es eine große Gruppe von Käufern ansprechen würde - was zu einem Problem durch die relativ hohen Lokalisationskosten führen würde, da die hierfür erforderlichen Verkäufe höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden können.
In Italien sind die Figuren bekannt wie ein Rudel bunter Hunde, da sie alle aus dem bekanntesten Freizeitpark Italiens stammen. Außerhalb von Italien genießen die Figuren eher einen geringen bis nicht vorhandenen Bekanntheitsgrad. Hier liegt auch das Hauptproblem begraben, da die kindlichen, lizenzierten Charaktere somit außerhalb Italiens keine Relevanz für die Verkäufe oder die Vermarktung haben und das Spiel automatisch in eine Schublade mit Produkten für Kinder ab 6 Jahren eingeordnet wird, und zwar unabhängig von den Dialogen oder der Handlung, denn die sehen die Käufer ja erst einmal nicht. Prograph sollte für eine internationale Vermarktung darüber nachdenken, ob oder besser durch welche Charaktere sie die vorhandenen ersetzen könnten. Es müssen ja keine Piraten oder Cowboys sein, sondern nur ansprechender für eine größere Käuferschicht. Sollten sie diesen Schritt gehen steht einem neuen Adventure-Hit aus Italien wohl nicht mehr allzu viel im Wege.
Wie denkt ihr, steht es momentan um das Adventure-Genre? Glaubt ihr, dass solche Spiele eine Zukunft haben?
Pacifico: Ich glaube, dass die Adventure-Spiele nie gestorben sind und dass sie nun wieder neu aufkommen. Dafür stehen Spiele wie 'Syberia' und der Versuch von LucasArts, erneut ein 'Sam & Max' zu entwickeln – auch wenn dieses letztlich annulliert wurde.
Fiebig: Es steht immer noch nicht gut. Natürlich hat sich wieder etwas getan und einige Steine sind ins Rollen geraten, aber für Euphorie ist es bei Weitem zu früh. Mit Adventures - Stand heute - ist es kompliziert eine Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Hohe Kosten bei der Lokalisation stehen im direkten Zusammenhang zu den eher zurückhaltenden Verkäufen, und die machen eben vieles unmöglich, was dem Genre gerade jetzt helfen würde. Die meisten Publisher schreckt dieser Umstand aus nachvollziehbaren Gründen eher ab. Aber ein wichtiger Aspekt ist, dass eine gleich bleibende Unterstützung des Genres mit qualitativ hochwertigen Titeln gewährleistet bleiben muss, ansonsten wird das Genre wieder in seinen Dornröschenschlaf fallen. Es liegt momentan eher am hohen wirtschaftlichen Risiko, als an einer fehlenden Sympathie seitens der Publisher gegenüber dem Genre.
Der Umkehrschluss ist dann natürlich, dass qualitativ schlechte Spiele dem Genre momentan immens schaden aber durch ihre geringen Produktionskosten wohl eher in größerer Zahl am Markt vertreten sein werden. Die Resonanz der Presse in den letzten Jahren war, was Adventures angeht, auch eher zurückhaltend bis nicht vorhanden, was bei den vielen neuen Käuferschichten nicht gerade für einen hohen Bekanntheitsgrad des Genres gesorgt hat. Die meisten User im Alter von 12 bis 18 Jahren haben noch nicht einmal ein Adventure gespielt und können höchstwahrscheinlich das Genre nicht einmal zuordnen. Wie die Zukunft des Genres aussieht kann ich nicht sagen, aber es ist immerhin schon ein Licht am Horizont zu sehen und ich denke, dass die User immer schön erzählte Geschichten lieben werden - und diese gibt es zurzeit nur im Adventure-Genre. Die Beachtung durch die Presse und die Resonanz der Käufer in den nächsten Monaten wird darüber entscheiden, wie rosig die Zukunft aussehen wird.
Und zu guter Letzt: Erst kürzlich hat LucasArts 29 Mitglieder entlassen und die Produktion zu 'Sam & Max 2' eingestellt. Was haltet ihr davon?
Pacifico: Es gibt viele Gründe ein Projekt zu annullieren und Personal zu entlassen. 'Sam & Max 2' ist ein sehr interessantes Spiel und es ist wirklich schade, dass es eingestellt wurde. Allerdings glaube ich, dass LucasArts seine Position nochmals überdenkt und beschliesst das Spiel trotz allem fertig zu stellen.
Fiebig: Ich denke, dass die 29 entlassenen Lucas Arts Mitarbeiter in irgendeiner Form dem Genre nicht verloren gehen werden, und vielleicht sind gerade sie es, die dem Genre einen gehörigen Schub verpassen werden. Ansonsten will ich mich eigentlich nicht weiter zu dem Thema äußern, da Lucas Arts mit Sicherheit ihre Gründe für diese Entscheidung hatte.
Herzlichen Dank an Marco Pacifico und Kai Fiebig für ihre Teilnahme an dem Interview!
Pacifico: Prograph ist ein kleines italienisches Unternehmen, welches 1998 gegründet wurde. Die ersten realisierten Projekte waren 'Tsunami 2265' und 'Tony Tough'. Letzteres gehört sicherlich zu unseren grössten Erfolgen und ist momentan noch immer im Vertrieb für diverse europäische Länder und für Amerika. Ich bin seit ca. einem Jahr Chef-Entwickler, als auch führender Programmierer von diversen Produktionen, zu welchen auch aktuell als Beispiel 'Street Jam Basketball' für den Gameboy Advance gehört.
Mit 'Tony Tough' hatte Prograph Research einen internationalen Erfolgshit gestartet. Was hat euch dazu bewogen, dieses Adventurespiel zu entwickeln?
Pacifico: 'Tony Tough' ist vor einigen Jahren von einer Gruppe talentierter Jugendlicher ins Leben gerufen worden, welche mit Prograph Research einen gültigen Vertrieb und eine ökonomische Stütze gefunden haben, um ihr Spiel fertig stellen zu können. 'Tony Tough' lehnt sich äusserlich und im "Feeling" an Spielen wie 'Monkey Island' und der 'Larry'-Reihe an, für welche sich Autoren und Programmierer, sowie auch alle Computerspieler seit jeher begeistern können.
Wie seid ihr dazu gekommen, ein Spiel über die Charaktere des 'Gardalands' zu entwickeln?
Pacifico: Das 'Gardaland' ist der grösste Themen-Vergnügungspark in Italien und vor allem berühmt für seine hervorragenden Charaktere, welche sich gut für die Realisierung eines Videospiels eignen. Wir haben unsere Idee den Leuten von Microïds Italia präsentiert und zusammen sind wir dann die Produktion von diesem Adventure angegangen, welches sich nun auch grosser Beliebtheit erfreuen kann.
'Prezzemolo' ist ein 3D-Adventure mit klassischer Point and Klick-Steuerung. Wieso habt ihr für das Spiel eine solche Präsentation gewählt? Werdet ihr in Zukunft auch noch weitere Cartoon-Adventures à la 'Tony Tough' entwickeln?
Pacifico: 'Prezzemolo' ist ein Abenteuerspiel im alten Stil, angepasst an eine neue Technologie und den Charakteristiken der aktuellen Hardware. Ferner wählten wir 3D (anstelle dem 2D wie in 'Tony Tough'), um vor allem flüssige Animationen und detaillierte Protagonisten, sowie eine bessere grafische Leistung zu ermöglichen. Wir haben uns für das klassische Point & Click entschieden, da wir den Zusammenhang mit der Typologie des Genres behalten wollten und keine "Arcade"-Stimmung aufkommen lassen wollten, wie es mit einer Tastatur oder Joystick-Steuerung wohl der Fall gewesen wäre.
Im Moment arbeiten wir an der zweiten Episode für 'Prezzemolo', welches in Italien (wie erwähnt) bereits einen guten Ruf geniesst und ausserdem gehen wir momentan auch einige Ideen für ein neues Grafik-Adventure durch, das sich an die Engine von 'Prezzemolo' anlehnen wird, die in der Zwischenzeit nun ausgebessert wird und jeden Tag neue Features dazu bekommt. Das neue Produkt werden wir bald auch offiziell ankündigen.
Denkt ihr darüber nach, 'Prezzemolo' im Ausland zu vermarkten und (falls) auch dementsprechend zu lokalisieren? Habt ihr mittlerweile einen Publisher finden können?
Pacifico: Im Moment sind wir noch auf der Suche nach lokalen Vertrieben in diversen Nationen, wie wir es auch schon bei 'Tony Tough' getan haben. Eine Lokalisierung ist im Ermessen der Publisher voraussichtlich für jede Sprache geplant. Wir hoffen, dass es uns auch bald gelingt einen deutschen Vertrieb zu finden und das Spiel einer deutschen Lokalisierung zu unterziehen.
Kai, erzähl uns doch kurz etwas über dich und Crimson Cow.
Fiebig: Mein Name ist Kai Fiebig, ich bin 37 Jahre alt und arbeite jetzt schon über ein Jahrzehnt in der Spieleindustrie. Crimson Cow wurde letztes Jahr von Karsten Otto ins Leben gerufen - so ziemlich genau nachdem unser erstes Produkt 'Runaway - A Road Adventure' heraus kam. Karsten verbrachte fast ein Jahr damit, die Lizenz aus der Insolvenzmasse von Dinamic herauszukaufen. Dieses Jahr hat sich ja dann auch der 'Westerner' von Revistronic dazu gesellt, für den wir jetzt schon mehr als 30 Awards verliehen bekommen haben. Im weiteren Verlauf des Jahres kommen dann noch 'Dungeon Lords' ein Rollenspiel von D.W. Bradley, 'Runaway 2' von den Pendulo Studios und ein weiterer Titel dazu. Ach ja, der erste Teil von 'Runaway' wird dann auch noch im 3. Quartal 2004 seinen ersten Auftritt auf der Playstation 2 feiern.
Ihr habt erst kürzlich 'The Westerner' lokalisiert. An welchen Titel arbeitet Crimson Cow momentan?
Fiebig: Momentan arbeiten wir noch immer am 'Westerner', um ein Paar Verbesserungen einzubauen; und dann stecken wir noch in den Vorbereitungen zu 'Dungeon Lords'.
Für eine eventuelle Lokalisation habt ihr euch auch 'Prezzemolo' angesehen. Wie gefällt dir der Titel? Wäre er ein potentieller Kandidat für eine deutschsprachige Lokalisation?
Fiebig: Das stimmt: 'Prezzemolo' hatten wir uns schon angeschaut, und im Prinzip gefällt mir der Titel sehr gut. Das Spiel hat sehr viele Dialoge, lässt auch sehr viel Platz für eine gezielte Charakterausarbeitung, und sehr gute Möglichkeiten, viel Witz mit einzubauen. Ein potentieller Kandidat für Deutschland wäre es schon, doch gibt es eben Punkte, die eine herausragende Anpassung an den deutschen Markt momentan eher unwahrscheinlich machen.
Die Amerikanische Spieleschmieden gehören ja seit längerem nicht mehr zur Referenz für die Entwicklung von Adventurespiele. Wie denkst du über die Newcomer Revistronic und Prograph Research? Dürfen wir von solchen Firmen noch mehr erwarten?
Fiebig: Die Amerikaner gehen zurzeit einen anderen Weg, was wirklich schade ist, da somit ein paar ans Herz gewachsene Charaktere wohl nicht ihre wohlverdienten Fortsetzungen bekommen werden - aber wie das nun mal ist kann man Meinungen ja bekanntlich ändern. Ich denke, was die Newcomer angeht können wir noch viel erwarten, da sie, wie man sieht, wirklich kreativ an dieses Genre herangehen und - selbst wenn es einigen vielleicht auch nicht gefallen wird - mal andere Wege als die bereits ausgetretenen einschlagen. Jedes Genre wird durch eine Mischung aus Innovationen und Altbewährtem am Leben gehalten, warum sollte es bei Adventures anders sein? Wie man deutlich in den letzten Jahren feststellen musste, hat der Mangel an Neuem in diesem Genre fast das Ende bedeutet. Ich denke, beide Firmen werden in Zukunft noch viel von sich hören lassen und einige Leute mit Sicherheit überraschen.
Im Folgenden einige Fragen, die wir Marco Pacifico, wie auch Kai Fiebig gemeinsam stellten:
Worin liegen eurer Meinung nach die Stärken und die Schwächen von 'Prezzemolo'?
Pacifico: 'Prezzemolo' ist für junge Konsumenten (von 5 bis 15 Jahre) gedacht und dies macht ein Produkt für Erwachsene wohl äusserst einfach. Wir nehmen an, dass jeder, der Grafik-Adventures mag, 'Prezzemolo' zu schätzen weiss und wir denken, wir haben sehr gute Arbeit geleistet und eine kleine, virtuelle Welt mit viel Sympathie und Heiterkeit erschaffen.
Fiebig: Wie schon bei 'Tony Tough' liegt die Stärke im Aufbau der Dialoge sowie im Rätsel Design. Hier hat Prograph wieder bewiesen, dass sie etwas davon verstehen. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 'Tony Tough' ist auch im Bereich der Grafik zu vermelden: sie ist sehr liebevoll und detailliert gestaltet worden. Im Bereich der Technik hat sich bei Prograph auch eine Menge getan, denn auch vom technischen Standpunkt braucht sich 'Prezzemolo' nicht zu verstecken und sollte eigentlich jeden Adventurefreund ein freudiges Tränchen vergießen lassen. Bei der Technik handelt es sich um eine Mischung aus 3D-Charakteren und Objekten sowie gerenderten Hintergründen, die nahtlos miteinander verschmelzen. Allerdings muss ich wohl auch zu den subjektiv gesehenen Schwächen Stellung nehmen, was mir schwer fällt, da mir 'Prezzemolo' wirklich gefällt und es wirklich nur einen echten Kritikpunkt gibt. Diese deutliche Schwäche ist die Vermarktbarkeit und das Charakter Design an sich. Es ist zu kindlich, als dass es eine große Gruppe von Käufern ansprechen würde - was zu einem Problem durch die relativ hohen Lokalisationskosten führen würde, da die hierfür erforderlichen Verkäufe höchstwahrscheinlich nicht erreicht werden können.
In Italien sind die Figuren bekannt wie ein Rudel bunter Hunde, da sie alle aus dem bekanntesten Freizeitpark Italiens stammen. Außerhalb von Italien genießen die Figuren eher einen geringen bis nicht vorhandenen Bekanntheitsgrad. Hier liegt auch das Hauptproblem begraben, da die kindlichen, lizenzierten Charaktere somit außerhalb Italiens keine Relevanz für die Verkäufe oder die Vermarktung haben und das Spiel automatisch in eine Schublade mit Produkten für Kinder ab 6 Jahren eingeordnet wird, und zwar unabhängig von den Dialogen oder der Handlung, denn die sehen die Käufer ja erst einmal nicht. Prograph sollte für eine internationale Vermarktung darüber nachdenken, ob oder besser durch welche Charaktere sie die vorhandenen ersetzen könnten. Es müssen ja keine Piraten oder Cowboys sein, sondern nur ansprechender für eine größere Käuferschicht. Sollten sie diesen Schritt gehen steht einem neuen Adventure-Hit aus Italien wohl nicht mehr allzu viel im Wege.
Wie denkt ihr, steht es momentan um das Adventure-Genre? Glaubt ihr, dass solche Spiele eine Zukunft haben?
Pacifico: Ich glaube, dass die Adventure-Spiele nie gestorben sind und dass sie nun wieder neu aufkommen. Dafür stehen Spiele wie 'Syberia' und der Versuch von LucasArts, erneut ein 'Sam & Max' zu entwickeln – auch wenn dieses letztlich annulliert wurde.
Fiebig: Es steht immer noch nicht gut. Natürlich hat sich wieder etwas getan und einige Steine sind ins Rollen geraten, aber für Euphorie ist es bei Weitem zu früh. Mit Adventures - Stand heute - ist es kompliziert eine Wirtschaftlichkeit zu erzielen. Hohe Kosten bei der Lokalisation stehen im direkten Zusammenhang zu den eher zurückhaltenden Verkäufen, und die machen eben vieles unmöglich, was dem Genre gerade jetzt helfen würde. Die meisten Publisher schreckt dieser Umstand aus nachvollziehbaren Gründen eher ab. Aber ein wichtiger Aspekt ist, dass eine gleich bleibende Unterstützung des Genres mit qualitativ hochwertigen Titeln gewährleistet bleiben muss, ansonsten wird das Genre wieder in seinen Dornröschenschlaf fallen. Es liegt momentan eher am hohen wirtschaftlichen Risiko, als an einer fehlenden Sympathie seitens der Publisher gegenüber dem Genre.
Der Umkehrschluss ist dann natürlich, dass qualitativ schlechte Spiele dem Genre momentan immens schaden aber durch ihre geringen Produktionskosten wohl eher in größerer Zahl am Markt vertreten sein werden. Die Resonanz der Presse in den letzten Jahren war, was Adventures angeht, auch eher zurückhaltend bis nicht vorhanden, was bei den vielen neuen Käuferschichten nicht gerade für einen hohen Bekanntheitsgrad des Genres gesorgt hat. Die meisten User im Alter von 12 bis 18 Jahren haben noch nicht einmal ein Adventure gespielt und können höchstwahrscheinlich das Genre nicht einmal zuordnen. Wie die Zukunft des Genres aussieht kann ich nicht sagen, aber es ist immerhin schon ein Licht am Horizont zu sehen und ich denke, dass die User immer schön erzählte Geschichten lieben werden - und diese gibt es zurzeit nur im Adventure-Genre. Die Beachtung durch die Presse und die Resonanz der Käufer in den nächsten Monaten wird darüber entscheiden, wie rosig die Zukunft aussehen wird.
Und zu guter Letzt: Erst kürzlich hat LucasArts 29 Mitglieder entlassen und die Produktion zu 'Sam & Max 2' eingestellt. Was haltet ihr davon?
Pacifico: Es gibt viele Gründe ein Projekt zu annullieren und Personal zu entlassen. 'Sam & Max 2' ist ein sehr interessantes Spiel und es ist wirklich schade, dass es eingestellt wurde. Allerdings glaube ich, dass LucasArts seine Position nochmals überdenkt und beschliesst das Spiel trotz allem fertig zu stellen.
Fiebig: Ich denke, dass die 29 entlassenen Lucas Arts Mitarbeiter in irgendeiner Form dem Genre nicht verloren gehen werden, und vielleicht sind gerade sie es, die dem Genre einen gehörigen Schub verpassen werden. Ansonsten will ich mich eigentlich nicht weiter zu dem Thema äußern, da Lucas Arts mit Sicherheit ihre Gründe für diese Entscheidung hatte.
Herzlichen Dank an Marco Pacifico und Kai Fiebig für ihre Teilnahme an dem Interview!
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Prezzemolo: in una giornata da incubo
- Entwickler
- Prograph Research
- Publisher
- Microïds
- Release
- 2004
- Sprachen
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- Systeme
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- Schlagwort: Interviews
7 Kommentare
Das ist halt eine Sache, wenn sie junge Adventure-Spieler ansprechen wollen(auch wenn ich diesem Alter entspreche ), da wird der Erfolg voraussichtlich schon geringer ausfallen!
koa
koa
Das Spiel kriegst du per Import (überraschend!) billig. Ich hab mir das Spiel zwar hier in der Schweiz zugelegt, grade mal aber (auch inkl. Import-Gebühren) 45 Sfr. (bzw. 30 Euro) geblecht.
Die Demo zeigt vor allem nicht die Dialoge (ausser im Intro kommt ja kein NPC vor), welche eigentlich eine besondere Stärke von Prezzemolo sind.
Was mir allerdings persönlich aufgefallen ist, ist das vieles nur auf italienisch wirklich lustig wirken kann (besonders einige Wortspiele). Die werden wohl oder übel in einer deutschen Lokalisation vergrault werden..