Auf den Verkaufslisten eines bekannten internationalen Internetkaufhauses ist CINGs neustes Spiel für Nintendos Innovativ-Konsole Wii auf Nummer 15 der Action-Spiel Rangliste und auf Nummer 20 in der Liste Adventures & Rollenspiele. Das würde dem Entwicklerhaus nicht gefallen, tut man doch alles um sich mit seinen Werken (außer diesem hier wurden schon 'Hotel Dusk' und 'Another Code' für Nintendo produziert) von dem Adventuregenre abzugrenzen, von Actionspielen ganz zu schweigen. Auch auf der Wikipedia-Website werden die Vorgänger und auch das neuste Spiel als Adventure gehandelt. Aber halt, benutzen wir doch mal das Lupensymbol. Unter dem Titel 'Another Code: R – Die Suche nach der verborgenen Erinnerung' der ja geradezu nach Adventure stinkt, sitzt eine kleine Plakette auf der Verpackung: „Ein bewegender Interaktiver Roman“. Mehr dazu im Test.
Interaktiver Roman?
Ein Mittzwanziger so wie ich wird da vielleicht etwas verwundert schauen. Interaktive Romane, so wurden damals die Abenteuer-Bücher tituliert, in denen man selbst entscheiden konnte, wie der Protagonist verfahren sollte. Wollte man versuchen an der riesenhaften tödlichen schwarzen Mamba vorbei zu schleichen (Fehler!), dann ging es weiter auf Seite 23. Wenn man aber lieber umdrehen und den gleichen Weg zurückgehen wollte, dann musste man auf Seite 135 umblättern. Auf Seite 23 fraß einen dann die Schlange auf während man sich auf Seite 135 noch in Sicherheit wiegen konnte, bevor man dann aber auf Seite 64 endgültig von einem wütenden Gnom erschlagen wurde.
Schiebt man die Disc in seine Wii wird schnell klar, dass sich seit dem einiges getan hat. CINGs interaktiver Roman lässt einen nie in jähe tödliche Fallen tappen, sondern konfrontiert uns mit einer Geschichte um ein Mädchen, das im Camp Lake Juliet versucht eine Beziehung zu seinem entfremdeten Vater wieder aufzubauen und die Mysterien ihrer Vergangenheit zusammen zu puzzeln. Bloß schade, dass der Spieler dabei so gut wie gar nicht mithelfen darf. Wer mehr über das Genre des interaktiven Romans erfahren will, der sollte jetzt weiter lesen. Aufgrund des für die Corner fremden Genres gibt es allerdings am Ende keine Wertung.
Die Jugend von Heute
Ashley Mizuki Robbins könnte das Leben eines normalen 16-jährigen Mädchens führen. Sie strebt eine Karriere als Musikerin an, steht auf Handtaschen die zu ihrem Shirt passen und steht noch viel mehr auf Jungs mit fusseligem Kinnbärtchen. Aber dank ihrer Eltern ist Ashleys Leben leider ziemlich konfus. Die sind nämlich Wissenschaftler und zwar von der Sorte, die die Tochter mal eben für elf Jahre bei der Tante abgeben um wichtigen und geheimen Forschungen die menschliche Erinnerung betreffend auf einer einsamen Insel durchzuführen (Vater) oder für die Forschung sogar mit dem Tod bezahlen müssen (Mutter). Daher wächst Ashley jetzt als Halbweise bei ihrer Tante Jessica auf und versucht ihr Leben so gut wie möglich in den Griff zu bekommen. Aber gerade als alles gut zu laufen scheint, kommt ein Anruf von ihrem Vater, der mittlerweile die Insel verlassen hat und bei der Firma J.C. Valley untergekommen ist. Er will mit ihr ein paar Tage im malerischen Camp Juliet verbringen um so die Bande zwischen Vater und Tochter wieder enger zu knüpfen. Schweren Herzens sagt Ashley ihre Bandprobe ab, packt ihr schickes Köfferchen und macht sich auf den Weg ins Camp, nichtsahnend, dass sich damit Hals über Kopf in ein geheimes Mysterium stürzt.
Another Code: Kein Adventure? Was dann?
'Another Code: R' setzt bewusst großen Wert darauf sich vom Adventure-Genre abzusetzen, da es viele Elemente, die fest zum Genre gehören und die der Spieler erwartet, nicht bedient. Was für Elemente? Vor allem gilt es bei Abenteuer-Spielen um das Entdecken einer Welt. Der Spieler empfindet Freude daran, eine Welt abseits seiner eigenen zu erkunden. Das kann eine bunte Fantasiewelt mit Fabelwesen oder Cartoonfiguren sein, ein mittelalterliches Setting mit Prinzessinnen und Hexen, eine futuristische Großstadt oder aber auch eine uns vertraute Umgebung. Dabei kommt es nicht auf die Exotik des Umfelds sondern um das Entdecken an sich an. Zu einem Abenteuer gehört eben, dass man sein Glück selbst in die Hand nimmt und sich per Mausklick oder Tastendruck frei durch die Gegend manövriert. 'Another Code: R' benutzt eine vollkommen andere Steuerungsweise, die für ein Adventure ungeeignet wäre. Ashley bewegt sich auf vorgegebenen Pfaden nach rechts und links und selbst wenn man mal irgendwo in den Hintergrund oder Vordergrund abbiegen kann, dreht die Kamera, sodass man auf eine äußerst bizarre 2D Darstellung beschränkt ist, die für ein Jump and Run in Ordnung gehen würde, bei einem Adventure aber komplett fehl am Platz wirkt. Wenn Ashley einen Ort betritt, an dem sie sich umgucken darf, ist man auch hier auf ein paar wenige statische Kameraschwenks beschränkt und kann einige Objekte näher heran zoomen. Das vermittelt zwar immer noch kein Gefühl von Freiheit, ist aber der sonderbaren 2D Darstellung definitiv vorzuziehen.
Was aber macht den Aspekt des interaktiven Romans aus (auf der Plakette die die Verpackung ziert, ist das Wort Roman sogar noch einmal fett gedruckt)?
Die Antwort ist simpel: Text. 'Another Code: R' erzählt vor allen Dingen eine Geschichte, an der der Spieler teilhaben darf. Ashley Mizuki Robbins ist ein gewöhnlicher Teenager in einer ungewöhnlichen Situation. Kaum im Camp angekommen, wird ihre Tasche von einer mysteriösen Person geklaut. Plötzliche Flashbacks lassen sie immer wieder an ihre Mutter denken, die vor 13 Jahren schon einmal mit ihr in diesem Camp war. Was ist hier passiert? Der Vater scheint ähnlich erpicht darauf zu sein, Ashleys Erinnerungen zu wecken, verhält sich seiner Tochter gegenüber aber äußerst merkwürdig. Kann man seinen unschuldig wirkenden Absichten eines Vater-Tochter-Camps trauen? Was passierte mit der Villa, die hier vor ein paar Tagen abbrannte? Und wer ist der kleine Junge der immer das Essen aus dem Shop klaut? Fragen über Fragen und eigentlich wollte Ashley doch bloß zur Bandprobe.
Dialoge sind das A und O in 'Another Code: R'. Ganz im Sinne eines klassischen Detektivs redet Ashley mit allen Leute die ihr im Camp begegnen und versucht so peu à peu die Rätsel um Camp Juliet zu lösen. Leider ist der Hauptbestandteil des Spiels auch gleichzeitig eines der größten Mankos. Die Dialoge sind teilweise von unglaublicher Länge. Manchmal benötigt man knapp 15 Minuten um sich durch ein Gespräch zu klicken (vorausgesetzt man liest sich wirklich alles durch) und nur um am Ende festzustellen, dass man danach beinahe genau so schlau ist wie vorher. Zu oft wird zu wenig Inhalt in viel zu viel Text vermittelt. Natürlich muss es auch charakterliche Entwicklung neben der Story geben, aber wirklich viel passiert da nicht. Das Ashley sich ärgert die Bandprobe verpasst zu haben, hat der Spieler nach ein- bis zweimal Erwähnung verstanden, trotzdem wird auf dieser Lappalie weiter herumgeritten. Auch die Verhaltensweise von Ashley ist teilweise etwas dubios. Wer vertraut seine Lebensgeschichte einem fremden Jungen an, der einem nur ein Sack Kohle verkaufen wollte? Die Interaktivität während dieser Gespräche beschränkt sich auf ein absolutes Minimum. Nur selten wird der Spieler aufgefordert sich zwischen mehreren möglichen Antworten oder Reaktion zu entscheiden. Dabei macht die Auswahl keinen Unterschied: die Story verläuft nach Schema F weiter, egal was der Spieler macht. All das vermittelt weder das Gefühl eines Romans, denn dafür ist die Story viel zu dünn, noch das Gefühl eines Spiels, denn dafür sind die Interaktionsmöglichkeiten zu rar.
Das dicke Ende aber kommt zu Schluss: das Spiel besitzt keine Sprachausgabe. Bei so einer Fülle von Dialogen die geschätzte 70% des Spiels ausmachen keine Sprachausgabe zu integrieren grenzt schon ein wenig an Unverschämtheit. So muss sich der Spieler denn durch die Dialoge klicken und sich den gesamten Text auf dem Bildschirm durchlesen. Wohl dem, der einen großen Flachbildfernseher hat, ansonsten würden die Augen das wohl nicht lange mitmachen.
Um die fehlende Sprache zu kompensieren, haben CING viel wert auf Gestik und Mimik gelegt, die den Gefühlszustand des Charakters wiederspiegeln. Das klappt auch meistens sehr gut, dennoch vermisst man die Sprachausgabe schmerzlich. Die teilweise vorhandene Lippenbewegung die auf den Text zu passen scheint, wirft die Frage auf, ob die Entscheidung keine Sprache zu integrieren kurzfristig und unfreiwillig getroffen wurde. „Um in den vollen Genuss dieses Spiels zu kommen, sind Lesekenntnisse erforderlich!“ heißt es auf der Rückseite der Verpackung. Ein nett gemeinter Hinweis, aber ob man von Genuss reden kann?
Was bedeutet „interaktiv“?
Ein wiederkehrendes Thema, das ins Spielgeschehen integriert wurde, ist die Erinnerung. Fotos, Gespräche und andere Dinge können in Ashley Erinnerungen an ihre Mutter auslösen, die sie aktiv nicht mehr abrufen kann. Auch der Spieler wird an einigen Stellen im Spiel dazu aufgefordert sich an bestimmte Situationen zu erinnern. Dann werden ihm meistens drei oder mehr Möglichkeiten zur Auswahl gegeben, zwischen denen er sich entscheiden muss. Entscheidet er sich allerdings falsch, geschieht nichts weiter, als das Ashley diese Auswahl nicht akzeptiert und sich (den Spieler) dazu auffordert noch einmal darüber nachzudenken. Das passiert dann so lange, bis die richtige Auswahl getroffen wurde. Selbst bei den vorhin erwähnten Abenteuer-Büchern hatten Entscheidungen einen größeren Einfluss auf das Spielgeschehen. Warum musste man dieses Feature so obsolet machen?
Die restlichen interaktiven Möglichkeiten die das Spiel bietet, sind, so leid es mir tut das zu sagen, ein Witz. Natürlich muss man sich dabei vor Augen halten, dass 'Another Code: R' kein Adventure ist und daher auch auf den Hauptanspruch den man von einem Adventure hat, das Lösen von Rätseln, keinen großen Wert legt. Aber subtrahiert man die im Spiel vorhandenen Rätsel, was bleibt dann noch interaktives übrig? Das drücken des A-Buttons um die Gespräche voran zu treiben? Das Lesen an sich? Genauso gut könnte ich mir dann ein richtiges Buch nehmen und darin lesen, denn in gewisser Hinsicht ist auch das interaktiv.
Die Item-Politik, die 'Another Code: R' rigoros durchzieht ist ein wichtiger Aspekt, der das Spielgeschehen weniger interaktiv als vielmehr abgespult vom Band erscheinen lässt: mitnehmen darf man bloß, was gerade benötigt wird, nichts anderes. Da liegt ein Streichholzbriefchen im Zelt? Ashley sagt uns zwar, dass darauf ein Bär abgebildet ist, aber einstecken tut sie es nicht. Natürlich könnte man unter logischen Gesichtspunkten argumentieren, dass der Modus Operandi alles einzustecken was man herumliegen sieht totaler Quatsch ist, aber er ist eben ein fester Bestandteil vieler Adventure-Spiele geworden. Der Spieler erkundet seine Umgebung und wenn er etwas findet, dann nimmt er es mit, vielleicht kann man es später ja mal gebrauchen. Das widerspenstige Verhalten Ashleys, dürfte daher oft frustrieren, vor allem wenn man weiß, dass man das Item früher oder später eh aufsammelt. Es ist im Grunde ein weiterer Punkt, der die Figur Ashley vom Spieler distanziert und ihn aus dem Spielgeschehen ausgrenzt anstatt ihn zu integrieren.
Die Rätsel und Aufgaben im Spiel sind meistens Mittel zum Zweck, sprich, sie sind dazu da die Zeit zwischen den Gesprächen zu füllen, anders kann man es nicht beschreiben. Das vom Vater erhaltene Gimmick (das wie eine Wii-Fernbedienung aussieht) ist dazu da den Sensor an Türen auszulösen um sie zu öffnen, darauf kommt man von selbst. Leider muss man das Gimmick erst mal an der Tür selber ausprobieren, bevor Ashley auf die Idee kommt, das Fernbedienung und Sensor besser zusammenpassen als Fernbedienung und Holztür. Versucht man erst den Sensor, passiert gar nichts. Ein anderes Beispiel ist ein Kaugummi-Automat, der nur spezielle Münzen frisst, die man durch das Recyceln von Dosen bekommt. In Daddys Camp findet man eine solche Dose, aber darf der Spieler diese winzige Verknüpfung, was mit der leeren Dose anzufangen ist selber machen? Nö. Ashley weist sofort auf den Recycling-Automaten und der Einfachheit halber auch gleich auf den Kaugummi-Automaten hin, damit man nicht selber nachdenken muss. Manchmal muss man ein Reagenzglas mit der Fernbedienung schütteln, manchmal ein Foto machen, manchmal einen Hund füttern. Nie sind die kleinen Aufgaben auch nur in irgendeiner Weise fordernd oder anspruchsvoll. So wirkt der Mix, der das Spiel 'Another Code: R' ausmacht, unausgereift. Ein bewegender Roman, dessen Story vielleicht eine Zielgruppe von Mädels im Alter von 10 bis 14 anspricht, gepaart mit Aufgaben die sich an Vorschulkinder zu richten scheinen, ist keine Mischung die man als Familientauglich ansehen kann. Im Grunde genommen ist zu bezweifeln, ob sich überhaupt irgendeine Zielgruppe von diesem Konzept überzeugen lässt.
Ein Fazit
'Another Code: R – Die Suche nach der verborgenen Erinnerung' ist kein Adventure, aber auch kein gutes Spiel. Um unterhalten zu werden ist der Anspruch zu niedrig, um abzuspannen sind die ellenlangen Dialoge auf die Dauer zu nervig. Als Buchersatz taugt das Spiel nur bedingt. Die Hauptfigur, Ashley, ist sympathisch, weist aber für einen Charakter in einem interaktiven Roman viel zu wenig Tiefe auf und entwickelt sich auch nicht wirklich weiter. Die Aufmachung mit kleinen Erfindungen, wie das Kamera-Funkgerät-Blackberry das zufällig aussieht wie Nintendos Handheld, oder einem neuen MP3-Player, den Ashleys Vater seiner Tochter schenkt, sowie die angedeutete Romanze mit dem rebellischen Kurt Kobain Klon Tommy und dem wiederkehrenden Thema der kaputten Vater-Tochter Beziehung ist für junge Mädchen ansprechend, wird aber auf Dauer die wenigsten begeistern können. Grafik und Sound werden dabei nett präsentiert, verdienen sich aber beide keinen Orden.
Die fehlende Sprachausgabe, mit Sicherheit das größte Manko, raubt dem Spiel einiges an Stimmung und zwingt den Spieler zum Lesen der Textfluten am Schirm. Ein Erwachsenes Publikum wird mit dem Spiel überhaupt nichts anfangen können, für Kinder mag es bedingt interessant sein, ist aber der Alternative Buch hoffnungslos unterlegen. Storytechnisch auf dem Niveau von Fließband-Literatur á la TKKG (gibt’s die noch?) würde ich meinen Kindern auf jeden Fall viel lieber einen Harry Potter Band in die Hand drücken. Kombiniert mit einem hervorragenden Rätselspiel wie beispielsweise 'Professor Layton' für Nintendos DS ist das in jeder Hinsicht ein besserer Mix aus Videospiel und Roman als CINGs langweiliger Hybrid.
Ein Mittzwanziger so wie ich wird da vielleicht etwas verwundert schauen. Interaktive Romane, so wurden damals die Abenteuer-Bücher tituliert, in denen man selbst entscheiden konnte, wie der Protagonist verfahren sollte. Wollte man versuchen an der riesenhaften tödlichen schwarzen Mamba vorbei zu schleichen (Fehler!), dann ging es weiter auf Seite 23. Wenn man aber lieber umdrehen und den gleichen Weg zurückgehen wollte, dann musste man auf Seite 135 umblättern. Auf Seite 23 fraß einen dann die Schlange auf während man sich auf Seite 135 noch in Sicherheit wiegen konnte, bevor man dann aber auf Seite 64 endgültig von einem wütenden Gnom erschlagen wurde.
Schiebt man die Disc in seine Wii wird schnell klar, dass sich seit dem einiges getan hat. CINGs interaktiver Roman lässt einen nie in jähe tödliche Fallen tappen, sondern konfrontiert uns mit einer Geschichte um ein Mädchen, das im Camp Lake Juliet versucht eine Beziehung zu seinem entfremdeten Vater wieder aufzubauen und die Mysterien ihrer Vergangenheit zusammen zu puzzeln. Bloß schade, dass der Spieler dabei so gut wie gar nicht mithelfen darf. Wer mehr über das Genre des interaktiven Romans erfahren will, der sollte jetzt weiter lesen. Aufgrund des für die Corner fremden Genres gibt es allerdings am Ende keine Wertung.
Die Jugend von Heute
Ashley Mizuki Robbins könnte das Leben eines normalen 16-jährigen Mädchens führen. Sie strebt eine Karriere als Musikerin an, steht auf Handtaschen die zu ihrem Shirt passen und steht noch viel mehr auf Jungs mit fusseligem Kinnbärtchen. Aber dank ihrer Eltern ist Ashleys Leben leider ziemlich konfus. Die sind nämlich Wissenschaftler und zwar von der Sorte, die die Tochter mal eben für elf Jahre bei der Tante abgeben um wichtigen und geheimen Forschungen die menschliche Erinnerung betreffend auf einer einsamen Insel durchzuführen (Vater) oder für die Forschung sogar mit dem Tod bezahlen müssen (Mutter). Daher wächst Ashley jetzt als Halbweise bei ihrer Tante Jessica auf und versucht ihr Leben so gut wie möglich in den Griff zu bekommen. Aber gerade als alles gut zu laufen scheint, kommt ein Anruf von ihrem Vater, der mittlerweile die Insel verlassen hat und bei der Firma J.C. Valley untergekommen ist. Er will mit ihr ein paar Tage im malerischen Camp Juliet verbringen um so die Bande zwischen Vater und Tochter wieder enger zu knüpfen. Schweren Herzens sagt Ashley ihre Bandprobe ab, packt ihr schickes Köfferchen und macht sich auf den Weg ins Camp, nichtsahnend, dass sich damit Hals über Kopf in ein geheimes Mysterium stürzt.
Another Code: Kein Adventure? Was dann?
'Another Code: R' setzt bewusst großen Wert darauf sich vom Adventure-Genre abzusetzen, da es viele Elemente, die fest zum Genre gehören und die der Spieler erwartet, nicht bedient. Was für Elemente? Vor allem gilt es bei Abenteuer-Spielen um das Entdecken einer Welt. Der Spieler empfindet Freude daran, eine Welt abseits seiner eigenen zu erkunden. Das kann eine bunte Fantasiewelt mit Fabelwesen oder Cartoonfiguren sein, ein mittelalterliches Setting mit Prinzessinnen und Hexen, eine futuristische Großstadt oder aber auch eine uns vertraute Umgebung. Dabei kommt es nicht auf die Exotik des Umfelds sondern um das Entdecken an sich an. Zu einem Abenteuer gehört eben, dass man sein Glück selbst in die Hand nimmt und sich per Mausklick oder Tastendruck frei durch die Gegend manövriert. 'Another Code: R' benutzt eine vollkommen andere Steuerungsweise, die für ein Adventure ungeeignet wäre. Ashley bewegt sich auf vorgegebenen Pfaden nach rechts und links und selbst wenn man mal irgendwo in den Hintergrund oder Vordergrund abbiegen kann, dreht die Kamera, sodass man auf eine äußerst bizarre 2D Darstellung beschränkt ist, die für ein Jump and Run in Ordnung gehen würde, bei einem Adventure aber komplett fehl am Platz wirkt. Wenn Ashley einen Ort betritt, an dem sie sich umgucken darf, ist man auch hier auf ein paar wenige statische Kameraschwenks beschränkt und kann einige Objekte näher heran zoomen. Das vermittelt zwar immer noch kein Gefühl von Freiheit, ist aber der sonderbaren 2D Darstellung definitiv vorzuziehen.
Was aber macht den Aspekt des interaktiven Romans aus (auf der Plakette die die Verpackung ziert, ist das Wort Roman sogar noch einmal fett gedruckt)?
Die Antwort ist simpel: Text. 'Another Code: R' erzählt vor allen Dingen eine Geschichte, an der der Spieler teilhaben darf. Ashley Mizuki Robbins ist ein gewöhnlicher Teenager in einer ungewöhnlichen Situation. Kaum im Camp angekommen, wird ihre Tasche von einer mysteriösen Person geklaut. Plötzliche Flashbacks lassen sie immer wieder an ihre Mutter denken, die vor 13 Jahren schon einmal mit ihr in diesem Camp war. Was ist hier passiert? Der Vater scheint ähnlich erpicht darauf zu sein, Ashleys Erinnerungen zu wecken, verhält sich seiner Tochter gegenüber aber äußerst merkwürdig. Kann man seinen unschuldig wirkenden Absichten eines Vater-Tochter-Camps trauen? Was passierte mit der Villa, die hier vor ein paar Tagen abbrannte? Und wer ist der kleine Junge der immer das Essen aus dem Shop klaut? Fragen über Fragen und eigentlich wollte Ashley doch bloß zur Bandprobe.
Dialoge sind das A und O in 'Another Code: R'. Ganz im Sinne eines klassischen Detektivs redet Ashley mit allen Leute die ihr im Camp begegnen und versucht so peu à peu die Rätsel um Camp Juliet zu lösen. Leider ist der Hauptbestandteil des Spiels auch gleichzeitig eines der größten Mankos. Die Dialoge sind teilweise von unglaublicher Länge. Manchmal benötigt man knapp 15 Minuten um sich durch ein Gespräch zu klicken (vorausgesetzt man liest sich wirklich alles durch) und nur um am Ende festzustellen, dass man danach beinahe genau so schlau ist wie vorher. Zu oft wird zu wenig Inhalt in viel zu viel Text vermittelt. Natürlich muss es auch charakterliche Entwicklung neben der Story geben, aber wirklich viel passiert da nicht. Das Ashley sich ärgert die Bandprobe verpasst zu haben, hat der Spieler nach ein- bis zweimal Erwähnung verstanden, trotzdem wird auf dieser Lappalie weiter herumgeritten. Auch die Verhaltensweise von Ashley ist teilweise etwas dubios. Wer vertraut seine Lebensgeschichte einem fremden Jungen an, der einem nur ein Sack Kohle verkaufen wollte? Die Interaktivität während dieser Gespräche beschränkt sich auf ein absolutes Minimum. Nur selten wird der Spieler aufgefordert sich zwischen mehreren möglichen Antworten oder Reaktion zu entscheiden. Dabei macht die Auswahl keinen Unterschied: die Story verläuft nach Schema F weiter, egal was der Spieler macht. All das vermittelt weder das Gefühl eines Romans, denn dafür ist die Story viel zu dünn, noch das Gefühl eines Spiels, denn dafür sind die Interaktionsmöglichkeiten zu rar.
Das dicke Ende aber kommt zu Schluss: das Spiel besitzt keine Sprachausgabe. Bei so einer Fülle von Dialogen die geschätzte 70% des Spiels ausmachen keine Sprachausgabe zu integrieren grenzt schon ein wenig an Unverschämtheit. So muss sich der Spieler denn durch die Dialoge klicken und sich den gesamten Text auf dem Bildschirm durchlesen. Wohl dem, der einen großen Flachbildfernseher hat, ansonsten würden die Augen das wohl nicht lange mitmachen.
Um die fehlende Sprache zu kompensieren, haben CING viel wert auf Gestik und Mimik gelegt, die den Gefühlszustand des Charakters wiederspiegeln. Das klappt auch meistens sehr gut, dennoch vermisst man die Sprachausgabe schmerzlich. Die teilweise vorhandene Lippenbewegung die auf den Text zu passen scheint, wirft die Frage auf, ob die Entscheidung keine Sprache zu integrieren kurzfristig und unfreiwillig getroffen wurde. „Um in den vollen Genuss dieses Spiels zu kommen, sind Lesekenntnisse erforderlich!“ heißt es auf der Rückseite der Verpackung. Ein nett gemeinter Hinweis, aber ob man von Genuss reden kann?
Was bedeutet „interaktiv“?
Ein wiederkehrendes Thema, das ins Spielgeschehen integriert wurde, ist die Erinnerung. Fotos, Gespräche und andere Dinge können in Ashley Erinnerungen an ihre Mutter auslösen, die sie aktiv nicht mehr abrufen kann. Auch der Spieler wird an einigen Stellen im Spiel dazu aufgefordert sich an bestimmte Situationen zu erinnern. Dann werden ihm meistens drei oder mehr Möglichkeiten zur Auswahl gegeben, zwischen denen er sich entscheiden muss. Entscheidet er sich allerdings falsch, geschieht nichts weiter, als das Ashley diese Auswahl nicht akzeptiert und sich (den Spieler) dazu auffordert noch einmal darüber nachzudenken. Das passiert dann so lange, bis die richtige Auswahl getroffen wurde. Selbst bei den vorhin erwähnten Abenteuer-Büchern hatten Entscheidungen einen größeren Einfluss auf das Spielgeschehen. Warum musste man dieses Feature so obsolet machen?
Die restlichen interaktiven Möglichkeiten die das Spiel bietet, sind, so leid es mir tut das zu sagen, ein Witz. Natürlich muss man sich dabei vor Augen halten, dass 'Another Code: R' kein Adventure ist und daher auch auf den Hauptanspruch den man von einem Adventure hat, das Lösen von Rätseln, keinen großen Wert legt. Aber subtrahiert man die im Spiel vorhandenen Rätsel, was bleibt dann noch interaktives übrig? Das drücken des A-Buttons um die Gespräche voran zu treiben? Das Lesen an sich? Genauso gut könnte ich mir dann ein richtiges Buch nehmen und darin lesen, denn in gewisser Hinsicht ist auch das interaktiv.
Die Item-Politik, die 'Another Code: R' rigoros durchzieht ist ein wichtiger Aspekt, der das Spielgeschehen weniger interaktiv als vielmehr abgespult vom Band erscheinen lässt: mitnehmen darf man bloß, was gerade benötigt wird, nichts anderes. Da liegt ein Streichholzbriefchen im Zelt? Ashley sagt uns zwar, dass darauf ein Bär abgebildet ist, aber einstecken tut sie es nicht. Natürlich könnte man unter logischen Gesichtspunkten argumentieren, dass der Modus Operandi alles einzustecken was man herumliegen sieht totaler Quatsch ist, aber er ist eben ein fester Bestandteil vieler Adventure-Spiele geworden. Der Spieler erkundet seine Umgebung und wenn er etwas findet, dann nimmt er es mit, vielleicht kann man es später ja mal gebrauchen. Das widerspenstige Verhalten Ashleys, dürfte daher oft frustrieren, vor allem wenn man weiß, dass man das Item früher oder später eh aufsammelt. Es ist im Grunde ein weiterer Punkt, der die Figur Ashley vom Spieler distanziert und ihn aus dem Spielgeschehen ausgrenzt anstatt ihn zu integrieren.
Die Rätsel und Aufgaben im Spiel sind meistens Mittel zum Zweck, sprich, sie sind dazu da die Zeit zwischen den Gesprächen zu füllen, anders kann man es nicht beschreiben. Das vom Vater erhaltene Gimmick (das wie eine Wii-Fernbedienung aussieht) ist dazu da den Sensor an Türen auszulösen um sie zu öffnen, darauf kommt man von selbst. Leider muss man das Gimmick erst mal an der Tür selber ausprobieren, bevor Ashley auf die Idee kommt, das Fernbedienung und Sensor besser zusammenpassen als Fernbedienung und Holztür. Versucht man erst den Sensor, passiert gar nichts. Ein anderes Beispiel ist ein Kaugummi-Automat, der nur spezielle Münzen frisst, die man durch das Recyceln von Dosen bekommt. In Daddys Camp findet man eine solche Dose, aber darf der Spieler diese winzige Verknüpfung, was mit der leeren Dose anzufangen ist selber machen? Nö. Ashley weist sofort auf den Recycling-Automaten und der Einfachheit halber auch gleich auf den Kaugummi-Automaten hin, damit man nicht selber nachdenken muss. Manchmal muss man ein Reagenzglas mit der Fernbedienung schütteln, manchmal ein Foto machen, manchmal einen Hund füttern. Nie sind die kleinen Aufgaben auch nur in irgendeiner Weise fordernd oder anspruchsvoll. So wirkt der Mix, der das Spiel 'Another Code: R' ausmacht, unausgereift. Ein bewegender Roman, dessen Story vielleicht eine Zielgruppe von Mädels im Alter von 10 bis 14 anspricht, gepaart mit Aufgaben die sich an Vorschulkinder zu richten scheinen, ist keine Mischung die man als Familientauglich ansehen kann. Im Grunde genommen ist zu bezweifeln, ob sich überhaupt irgendeine Zielgruppe von diesem Konzept überzeugen lässt.
Ein Fazit
'Another Code: R – Die Suche nach der verborgenen Erinnerung' ist kein Adventure, aber auch kein gutes Spiel. Um unterhalten zu werden ist der Anspruch zu niedrig, um abzuspannen sind die ellenlangen Dialoge auf die Dauer zu nervig. Als Buchersatz taugt das Spiel nur bedingt. Die Hauptfigur, Ashley, ist sympathisch, weist aber für einen Charakter in einem interaktiven Roman viel zu wenig Tiefe auf und entwickelt sich auch nicht wirklich weiter. Die Aufmachung mit kleinen Erfindungen, wie das Kamera-Funkgerät-Blackberry das zufällig aussieht wie Nintendos Handheld, oder einem neuen MP3-Player, den Ashleys Vater seiner Tochter schenkt, sowie die angedeutete Romanze mit dem rebellischen Kurt Kobain Klon Tommy und dem wiederkehrenden Thema der kaputten Vater-Tochter Beziehung ist für junge Mädchen ansprechend, wird aber auf Dauer die wenigsten begeistern können. Grafik und Sound werden dabei nett präsentiert, verdienen sich aber beide keinen Orden.
Die fehlende Sprachausgabe, mit Sicherheit das größte Manko, raubt dem Spiel einiges an Stimmung und zwingt den Spieler zum Lesen der Textfluten am Schirm. Ein Erwachsenes Publikum wird mit dem Spiel überhaupt nichts anfangen können, für Kinder mag es bedingt interessant sein, ist aber der Alternative Buch hoffnungslos unterlegen. Storytechnisch auf dem Niveau von Fließband-Literatur á la TKKG (gibt’s die noch?) würde ich meinen Kindern auf jeden Fall viel lieber einen Harry Potter Band in die Hand drücken. Kombiniert mit einem hervorragenden Rätselspiel wie beispielsweise 'Professor Layton' für Nintendos DS ist das in jeder Hinsicht ein besserer Mix aus Videospiel und Roman als CINGs langweiliger Hybrid.
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Another Code: R: Die Suche nach der verborgenen Erinnerung
- Entwickler
- CING
- Publisher
- Nintendo
- Release
- 26. Juni 2009
- Webseite
- http://www.nintendo.de/NOE/de_DE/games/wii/another_code_r_-_die_suche_nach_der_verborgenen_erinnerung_12456.html
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