Spätestens mit 'To the Moon' (Ende 2011) hat sich Kan Gao in der Adventure-Szene einen Namen gemacht. Trotz deutlicher grafischer Defizite ist es ihm gelungen, nicht wenige Menschen dank einer großartigen Story zu Tränen zu rühren. Allerdings war diese retroeske Mischung aus Visual Novel und Point&Click-Adventure nicht sonderlich interaktiv und von 'A Bird Story' - soviel sei vorweggenommen - sollte man sich diesbezüglich in keinem Fall mehr erhoffen. Kan selbst beschrieb uns sein neues Werk übrigens als einstündige animierte Pixel-Kurzgeschichte mit Interaktivität. Wie sie uns gefallen hat, verraten wir Euch jetzt im Test.
Liebevolle Außenseiter-Geschichte
'A Bird Story' könnte man als kleines Fantasy-Märchen charakterisieren. Inhaltlich mag es in vielen Atemzügen an die Werke des bekannten Zeichentrick-Filmemachers Hayao Miyazaki erinnern. Auch was die teilweise Verschmelzung von Fantasie und Realität anbelangt. Dieser Vergleich sagt viel über die narrative Qualität aus.
Echte Freunde hat der Junge keine. Für ihn sind nahezu alle Menschen wie schwer greifbare Schatten... |
Im Mittelpunkt steht ein verträumter, namenloser Junge mit einer Vorliebe für Papierflieger. Freunde fehlen in seinem Leben und seine Eltern sind meist abwesend. Nirgendwo scheint er dazu zu gehören. Wohl auch deshalb driftet er gerne in eine Traumwelt ab. Eines Tages entdeckt das schüchterne Kind auf dem Heimweg von der Schule einen am Flügel verwundeten Vogel. Er nimmt das kleine Wesen mit zu sich - nun ja, genau genommen versteckt sich der Vogel heimlich im Rücksack. Das vorlaute Tierchen kurbelt die Fantasiewelt des Kindes ab diesem Zeitpunkt an und bringt Farbe in sein Leben. Allmählich entwickelt sich so etwas wie eine Freundschaft. Allerdings vermisst der verletzte Piepmatz das Fliegen. Der Junge versucht zu helfen, ob Träumerei aber genug ist
Nonverbales Spielerlebnis
Das Spiel lebt von berührenden Momenten, die Traum und Wirklichkeit gerne miteinander verschmelzen lassen |
In schätzungsweise 60 bis 80 Minuten erzählt Kan Gao eine warmherzige und berührende Geschichte. Vergleiche mit 'To the Moon' gestalten sich jedoch schwierig, zumal es kaum direkte inhaltliche Parallelen gibt. Allerdings soll es auf das Sequel zu 'To the Moon' einstimmen ('Finding Paradise'), wo wir den Protagonisten erneut antreffen werden. Die Handschrift des Autors ist in jedem Fall klar herauszulesen. Auch diesmal läuft man Gefahr, sich zwischendurch ein Taschentuch holen zu müssen. Wem bereits das Vorgängerspiel zu viel der Emotion war, der sollte 'A Bird Story' somit eher meiden.
Wie die Freundschaft zwischen Vogel und Kind, so verzichtet es auf Worte und signalisiert alles Wesentliche auf nonverbaler Ebene. Benötigt der Junge Nahrung, so deutet die Gedankenblase beispielsweise unmissverständlich per Abbildung darauf hin. Für gewöhnlich klappt das gut. Manche dieser symbolischen Krücken wären jedoch gar nicht notwendig gewesen, da die Handlung ohnehin sehr klar ist. Aus diesem Grund fühlt man sich manchmal doch recht stark vom Spiel dirigiert.
Schöne Musik, streitbare Grafik und geringe Interaktivität
Trotz geringer Interaktivität geht einem der junge Protagonist nahe |
Im Endeffekt bietet 'A Bird Story' genau das, was man sich als Kenner der Werke von Freebird Games erwarten durfte. Es ist ein Spiel, welches man nicht aus Gameplay- oder grafischen Überlegungen heraus kauft, sondern primär wegen der emotionalen, sehr gut erzählten Kurzgeschichte, die zusammen mit der gefühlvollen Musik für eine dichte Atmosphäre sorgt und bis zum Ende bei Laune hält.
Die Interaktivität (die Handhabung passiert via Tastatur und Maus) beschränkt sich meist darauf, die eher kleinen Schauplätze erkunden zu dürfen und die Erzählung durch sehr schlichte Aktionsmöglichkeiten aufzulockern. Zwischendurch basteln wir einen Papierflieger und werfen damit, oder wir lernen und hüpfen frech auf dem Bett der Eltern herum oder wild in eine Regenpfütze hinein. Solche und andere nette interaktive Details tragen viel dazu bei, dass einem der pixelige kleine Schüler binnen kurzer Zeit fest ans Herz wächst. Allerdings hätte es ruhig mehr davon geben können. Suboptimal ist zudem die Tatsache, dass es ein paar Abschnitte gibt, die wir überhaupt nicht steuern können, obwohl es sich vom Spielgefühl her durchaus angeboten hätte. Noch dazu lassen nicht viele Gegenstände eine Interaktion zu und auf Rätsel sollte man ebensowenig hoffen. Unterm Strich fühlt man sich bei 'A Bird Story' weniger als Spieler, denn als Zuseher. Die starke persönliche Geschichte entschädigt dafür jedoch sehr gut.
Mit 'A Bird Story' ist Freebird Games erneut eine schöne, gefühlvolle Kurzgeschichte gelungen. Nicht so komplex wie 'To the Moon', aber deshalb nicht zwangsläufig schlechter und während einer kurzweiligen Stunde ist mir der kleine Pixel-Junge schwer ans Herz gewachsen. Zwar bin ich kein Fan des grafischen Stils, doch trägt die gefühlvolle Musik zusammen mit der Story viel zu einer dennoch berührenden, intensiven Atmosphäre bei. Obendrein wartet 'A Bird Story' mit denkwürdigen Momenten auf, die schon aus dem narrativen Kontext heraus ganz einfach ungemein bewegen können. Grafische sowie spielerische Limitationen verhindern jedoch eine deutlich höhere Wertung. Wer keinen allzu großen Wert auf solche Dinge legt (oder sich mit dem visuellen Stil gut anfreunden kann), der sollte unbedingt einen Blick auf 'A Bird Story' werfen. Inhaltlich ist es jeden Cent wert.
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A Bird Story
- Entwickler
- Freebird Games
- Publisher
- Freebird Games
- Release
- 7. November 2014
- Spielzeit
- 1-2 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://freebirdgames.com/a_bird_story/
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