2011 hat Kent Hudson (u.a. beteiligt an kostspieligen Projekten wie 'Bioshock 2') mit der Arbeit an seiner Indie-Kreation 'The Novelist' begonnen und zwei Jahre später ist das experimentelle Werk als digitaler Download erhältlich. Die Geschichte dreht sich um familiäre Konflikte, die Suche nach Kompromissen und die Konfrontation mit den Konsequenzen der getroffenen Entscheidungen. Welche Qualitäten dieses ungewöhnliche Adventure im Detail aufweist, haben wir uns für Euch im Test angesehen.
Ein neuer Anfang?
Einzug in ein neues Zuhause... |
Noch besteht Hoffnung für die Ehe von Dan und Linda und sei es nur zum Wohl ihres Sohns Tommy. Der Grundstein für einen Neuanfang soll in einem idyllischen Ferienhaus gelegt werden. Das es mit einem Ortswechsel nicht getan ist, wird jedoch spätestens dann deutlich, wenn sich alte Konfliktherde erneut aufbrechen: Als Schriftsteller hat Dan seit Monaten keinen brauchbaren Absatz produziert und diese Blockade zwingt ihn in die Defensive. Das Rückzugsverhalten ihres Lebensgefährten lässt die versierte Malerin Linda zusehends an ihrer Ehe zweifeln. Auch sie strebt hohe Ziele mit ihrer Kunst an und versucht sich darauf zu konzentrieren. Zwischen den Stühlen sitzt der kleine Tommy, den die schwierige Situation natürlich nicht kalt lässt und dem es schwerfällt, eine Verbindung zu seinen Eltern aufzubauen. Aufbauend auf dieser angespannten Konstellation entfaltet Orthogonal Games eine sehr nachdenklich erzählte Geschichte.
Drei Menschen, drei Bedürfnisse, ein Geist
Dan und Linda geben ihrer Beziehung eine letzte Chance |
Die wesentliche Stärke von 'The Novelist' ruht auf einem lebensnahen Szenario mit sehr greifbaren Charakteren, in die man sich - dank Notizen, Briefen, Zeichnungen und Erinnerungen - gut hineinversetzen kann. Im narrativen Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit man seinem Traum nachgehen und gleichzeitig die Beziehung zu geliebten Menschen aufrechterhalten kann. Die Antwort hängt letztlich auch von den im Spiel getroffenen Entscheidungen ab. Um das familiäre Zusammenleben in produktive Bahnen zu lenken, braucht es Kompromisse und just an dieser Stelle ist der Spieler gefragt. Diesmal übernehmen wir die Rolle eines Geistes, der über das Ferienhaus wacht. In dieser paranormalen Form können wir nicht bloß von Lampen Besitz ergreifen, Menschen belauschen oder in privaten Sachen schnüffeln. Nein, wir können auch in Erinnerungen eindringen, Gedanken lesen und dafür sorgen, dass entweder das Bedürfnis einer Person Durchsetzung findet oder ein Kompromiss zwischen zwei Anliegen in die Wege geleitet wird. Wie produktiv oder destruktiv der von uns gewählte Ansatz ist, zeigt sich in den folgenden Kapiteln. Aber wie auch immer wir uns entscheiden, wenigstens eine Person kommt immer zu kurz. Obwohl wir es hier mit einem Geist zu tun haben, hat 'The Novelist' nichts mit einem Horror-Spiel gemein und fällt eher in die Kategorie Drama.
Die tägliche Routine
Hier erleben wir die Erinnerung eines Familienmitglieds |
In jedem Kapitel der melancholischen Handlung wartet im Prinzip derselbe spielerische Ablauf: Nachts können wir die Familienmitglieder im Schlaf belauschen und tagsüber machen wir uns daran persönliche Briefe, Zeichnungen und sonstige Hinweise zu finden, die überall im Haus versteckt sind. Daneben stöbern wir in den Erinnerungen jeder Person. Haben wir alle drei Erinnerungen sowie drei persönliche Dinge zu jeder Person gefunden, können wir anhand eines Blicks in die individuelle Gedankenwelt das jeweils dringlichste Bedürfnis in Erfahrung bringen: Angenommen Tommy will einen Schulfreund bei sich übernachten lassen, sein Vater will mit jemandem angeln gehen und Linda möchte Zeit mit Dan verbringen. Nun gilt es die Wohnung nach Objekten zu durchsuchen, die einen dieser Wünsche zum Ausdruck bringen oder einen Kompromiss zwischen zwei Bedürfnissen ermöglichen (da das Haus nicht sonderlich groß ist, gestaltet sich dieses Unterfangen nicht sonderlich schwer). Letzteres ist wohl der mit Abstand interessanteste spielerische Aspekt. In den folgenden zwei, maximal drei Stunden Spielzeit wiederholt sich der ansonsten repetitive Ansatz immer wieder und lässt leider jede Abwechslung missen. Das ist auch insofern schade, als der Ansatz eigentlich richtig spannend wäre. In der vorliegenden Form wirkt er allerdings noch sehr unausgereift und lädt nicht dazu ein, 'The Novelist' öfter durchzuspielen.
Zwei verschiedenen Spielmodi
Zu Beginn des Spiels wählen wir einen von zwei Spielmodi |
Spielbar ist 'The Novelist' auf zwei Arten: Im sogenannten Story-Modus dürfen wir ungestört durch das Haus geistern und in Ruhe alles Wissenswerte durchforsten, ohne von den Bewohnern registriert zu werden. Optional wird allerdings auch ein Stealth-Modus angeboten, der sich lediglich in einem Aspekt unterscheidet: Wir müssen stets darauf achten, die Familienmitglieder in keinster Weise zu erschrecken und dürfen deshalb nie frontal auf sie zugehen (oder versehentlich in sie hineinlaufen - sie bewegen sich recht frei durch das Haus). Leider werden Fehler schnell damit bestraft, dass wir zur Ausgangsposition zurückversetzt werden, was Spielfluss kostet und zur Story überhaupt nichts beiträgt. Zudem nutzt sich dieser Spielart sehr schnell ab, weil sie kaum Varianten zulässt. Am besten funktioniert 'The Novelist' somit im Story-Modus. Hier kann die Geschichte – trotz spielerischer Mängel - deutlich mehr Erzähltempo entwickeln und die Charaktere kommen vergleichsweise besser zur Geltung.
Schlichte technische Umsetzung
Anhand solcher Notizen erfahren wir mehr, über einzelne Personen |
Technisch bewegt sich 'The Novelist' auf einem durchschnittlichen Niveau. Die 3D-Optik ist zwar recht gewöhnungsbedürftig, wird stilistisch dafür aber konsequent durchgezogen und hat durchaus ihren Charme. Das bei diesem Indie-Projekt ein denkbar kleines Team am Werk war (im Kernteam sind drei Personen), lässt sich jedoch nicht verhehlen. So beschränken sich die meisten Eindrücke auf das Innere des kleinen Ferienhauses, wodurch man früh fast alles gesehen hat. Musikalisch ist 'The Novelist' ansonsten dezent und minimalistisch, ohne sehr zur Geltung zu kommen. Wichtige Texte wurden dafür aber recht gekonnt mit englischer Sprachausgabe vertont, einige andere kommen ohne aus. Eine deutsche Fassung gibt es noch nicht. Die Steuerung passiert mittels Tastatur und Maus und verzichtet auf Gamepad-Support. Wegen der simplen Handhabung arrangiert man sich auch mit dieser Eigenheit bald. Leider gibt es lediglich einen Speicherstand und wer zwischendurch im anderen Spiel-Modus spielen möchte, kann das nicht tun, ohne den kompletten Spielfortschritt zu verlieren. Was letzteres angeht, bleibt die Hoffnung auf ein Update, das hier Abhilfe schaffen könnte.
'The Novelist' hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: So greifbar die Charaktere auch sein mögen, so sehr man sich in die familiäre Konstellation hineinversetzen kann und so spannend das Konzept im Ansatz auch ist... die spielerische Umsetzung ist unausgegoren! Derselbe Ablauf wiederholt sich immer wieder – Erinnerung durchforsten, persönliche Hinweise finden, das jeweilige Bedürfnis herausfinden und eine Lösung finden. Diese Gameplay-Monotonie raubt dem Spiel viel an Dynamik und Freiheit und verleiht einen sehr künstlichen Beigeschmack. Schade ist zudem, dass stets bekannt ist, wieviele Hinweise noch zu entdecken sind und dass man die jeweiligen Bedürfnisse ausgehend vom vorhandenen Wissen nicht selbst erraten darf. Und dennoch, schon die Idee zu 'The Novelist' ist interessant genug, um einen Blick darauf zu werfen. Vielleicht wird sich ein zukünftiges Adventure ja von diesem experimentellen Werk inspirieren lassen, wer weiß!
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The Novelist
- Entwickler
- Orthogonal Games
- Publisher
- Orthogonal Games
- Release
- 10. Dezember 2013
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.thenovelistgame.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- The Novelist im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
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