Das neue Spiel von Buka Entertainment entführt den Spieler in eine Kleinstadt, die scheinbar dem Untergang geweiht ist – Ein tödlicher Virus bedroht alles Leben. Um dieser Gefahr zu entkommen schicken uns die russischen Entwickler in eine Mischung aus Action-Adventure und Rollenspiel. Ob dieses Konzept aufgeht, erfahrt Ihr in unserem Test.
Alleine in der Stadt
In der namenlosen Kleinstadt herrscht Chaos. Eine unbekannte Seuche infiziert immer größere Teile der Bevölkerung. Die Regierung geht mit aller Gewalt gegen die Infizierten vor. Mitten in diesem Chaos kommen die drei Charaktere des Spiels an, von denen man sich zu Beginn einen aussuchen kann: Der Mediziner Daniel Dankowski, der auf Einladung eines Kollegen in der Stadt seine Forschungen über den Tod weiterführen will. Der Seher Artemi Burakh, dessen Vater im Sterben liegt und der sein Erbe antreten soll und eine Heilerin die nach ihren verschwundenen Kindern sucht. Jede Figur erlebt das Spiel aus einer eigenen Sicht, trifft andere Personen und muss andere Rätsel und Gefahren meistern. Während des Spiels verknüpfen sich die Handlungen der Drei miteinander. Nebenbei muss noch die eine oder andere Intrige verhindert, Sabotageakte aufgeklärt und die Machtfrage in der Stadt gelöst werden. Dabei darf man natürlich auch nicht vergessen, regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen und einer Infektion durch richtige Medikamente entgegen zu wirken, bis man dann am Ende die todbringende Krankheit besiegen kann. Doch bis es soweit ist, ist es ein langer und vor allem weiter Weg.
Ein treuer und wichtiger Begleiter auf diesen Wegen ist die Karte, die man jederzeit einblenden lassen kann. Auf dieser Karte sind alle Gebäude der Stadt verzeichnet, die aktuelle Position des Spielers wird durch einen Pfeil dargestellt. Damit man wichtige Gebäude schneller finden kann, werden diese rot eingefärbt. Es werden auch alle Gebäude markiert, die für die aktuell zu erledigenden Aufgaben von Bedeutung sind. Wie wichtig diese Karte ist merkt man immer dann, wenn man sich wieder verlaufen hat oder zum wiederholten Male in eine Sackgasse gelaufen ist - und davon gibt es in 'Pathologic' eine Menge. Immer wieder kommt es vor, dass man weite Umwege in Kauf nehmen muss, um von A nach B zu kommen weil irgendein Zaun den direkten Weg versperrt. Übrigens ist es nicht unbedingt so, dass man sich besser auskennt, wenn man länger spielt. Dafür sehen sich die Gebäude in der Stadt zu ähnlich.
Auf den ersten Blick wirkt die Stadt belebt, strahlt aber dennoch eine bedrückende Atmosphäre aus. Das schaffen die Entwickler gewollt durch die Farbgebung und ungewollt durch die doch eher nüchterne Grafik, die nicht wirklich zeitgemäß erscheint. So sehen sich viele Häuser zum verwechseln ähnlich und auch die übrige Landschaftsgestaltung bringt kaum Abwechslung ins Spiel. Die Wohnungen der Hauptcharaktere hingegen sind exzelent gestaltet und mit vielen kleinen Details verziert. Leider sehen sich auch die Einwohner der Stadt sehr ähnlich. Doch damit nicht genug: Die "Klone" haben auch alle das Gleiche zu sagen. Die Figuren bewegen sich sehr steif und das eine oder andere Polygon mehr hätte sicher auch hier nicht geschadet.
Einen Unterschied stellen wieder die für das Spiel wichtigen Figuren dar, die sich meist nur in ihren Häusern aufhalten. Verwickelt man eine dieser Figuren in ein Gespräch, blendet das Spiel neben den Antwortmöglichkeiten ein Foto der Figur ein und man stellt fest, dass sich der Charakter im Spiel und das Foto doch sehr ähneln. Diese Gespräche mit den Hauptcharakteren sind das Wichtigste im ganzen Spiel. Denn oft gibt es hier die Hinweise, was als nächstes zu tun ist oder wer einem nun weiter hilft. Leider bedeutet auch jedes Gespräch wieder einen weiten Weg zum nächsten Gesprächspartner. Es scheint fast so, als ob die Charaktere festgewachsen sind und sich selbst nicht aus den Häusern begeben können. Rätsel im klassischen Sinn gibt es eigentlich nicht, die Aufgabe des Spielers ist es, immer den richtigen Gesprächspartner zu finden, im Gespräch die richtige Antwort zu wählen (wählt man eine falsche Antwort, erhält man vielleicht nicht die Information, was als nächstes zu tun ist) und die Wege zwischen zwei Gesprächspartnern möglichst gesund zu überstehen.
Die Welt ist schlecht
Zu Beginn eines jeden Tages gibt es eine Hauptaufgabe, die bis spätestens Mitternacht gelöst sein muss, ansonsten stirbt die Figur. Leider muss man auch diese Hauptaufgabe erst einmal finden. Im Laufe des Tages bekommt der Spieler Briefe von den Charakteren, die ein paar Informationen beinhalten. Leider kann man anhand der Briefe noch nicht erkennen, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenaufgabe handelt. Die Nebenaufgaben müssen nicht gelöst werden, bringen aber oft einen Bonus in Form von Münzen. Um eine Aufgabe anzunehmen muss man meistens zu der Person laufen, die diesen Brief geschickt hat. Hier gibt es weitere Informationen über den Auftrag. Hat man die Tagesaufgabe gefunden, wird im Tagebuch ein entsprechender Eintrag angelegt, in dem man die weiteren Ziele erfährt. Nun geht es daran, diese Ziele der Reihenfolge entsprechend abzuarbeiten.
Die Geschichte wird durch die Haupt- und Nebenaufgaben vorangebracht. Durch die Briefe, Tagebucheinträge und Gespräche erfährt man nach und nach immer mehr über die Stadt und ihre Bewohner, die alle irgendein dunkles Geheimnis zu haben scheinen. Die Gespräche selbst können sehr lang werden, denn die Bewohner geben oft und gern lange Sätze von sich. Leider gibt es aber fast keine Sprachausgabe. Spricht man einen Bewohner an, so hört man ihn zwar einen kurzen Satz sprechen, der jedoch nichts mit dem Gespräch selbst zu tun hat. Das Gespräch findet nur über Textausgabe am Bildschirm statt. Solange das Gespräch dauert, kann man im oberen Bildschirmdrittel alles Gesprochene noch einmal nachlesen. So entgeht keine wichtige Information. Bekommt man im Laufe der Unterhaltung eine Aufgabe, wird der entsprechende Eintrag im Tagebuch und in der Karte gemacht. Eine typische Aufgabe aus 'Pathologic' sieht dann so aus: In einem Gespräch bekommt man den Auftrag, ein Gebäude zu untersuchen. Also läuft man von der Mitte der Stadt in den Randbereich, wo das Gebäude steht. Davor steht eine Wache und man erfährt, dass das Gebäude verschlossen ist. Der Schlüssel ist bei einem Mann, der in der Nähe einer Ruine wartet. Leider steht diese Ruine in einem infizierten Bereich am anderen Ende der Stadt. Also muss zuerst ein entsprechender Schutzanzug gekauft werden (sofern man denn genug Geld hat). Danach geht es quer durch die Stadt zu dem Mann, der den Schlüssel während eines Gesprächs herausgibt. Also zurück zum Gebäude. Wie war das noch? Ach ja, quer durch die Stadt. Diese weiten Wege sind eines der Probleme von 'Pathologic'. Denn wie schon oben erwähnt verläuft man sich oft und es gibt auf den Wegen auch nicht viel zu sehen. Von einem Ende der Stadt zum anderen braucht man rund eine Stunde Spielzeit oder 5 bis 10 Minuten. Je nachdem, ob man in einen Kampf verwickelt wird oder noch was einkaufen geht. Einkaufen kann man natürlich nur dann, wenn man genug Geld hat. Das liegt in 'Pathologic' nicht nur sprichwörtlich auf der Straße: Wenn man durch die Straßen oder Gärten läuft findet man immer mal wieder etwas Kleingeld. Oft handelt es sich um 3-6 Münzen. Ein Brot kostet aufgrund der Knappheit von unverseuchter Nahrung um die 800 Münzen, von Medizin oder Schutzkleidung mal ganz zu schweigen. Und diese Knappheit macht das Spiel auch noch ein ganzes Stück schwerer als es ohnehin schon ist.
Die wirklichen Probleme liegen nämlich nicht in den Rätseln sondern in der Frage: Wie überlebe ich diesen Tag? Dafür sind die Rollenspielelemente von 'Pathologic' verantwortlich. Es gibt verschiedene Werte, auf die man achten muss. Kommt ein Wert zu weit vom Ideal ab, hat das immer negative Auswirkungen. Es gibt die Werte Ruf, Gesundheit, Erschöpfung, Hunger, Infektion und Immunität. Hat man einen schlechten Ruf, wird man öfter angegriffen, erreicht die Erschöpfung 100%, stirbt man. Diese Werte führen auch dazu, dass man sich nicht ewig auf den Straßen aufhalten kann. Irgendwann muss man schlafen, um sich zu erholen. Täglich mindestens 6 Stunden braucht die Figur zum überleben. Nimmt man dann noch Medikamente, nimmt die Erschöpfung stark zu und man braucht noch mehr Schlaf. Mindestens einmal am Tag muss man auch etwas essen. Die Nahrungsmittel sind allerdings eventuell verseucht, so dass man sich genau überlegen muss, was man zu sich nimmt. All diese Elemente machen das Spiel unnötig kompliziert.
Vom Arzt zum Killer
Wird man in einen Kampf verwickelt, kommt die dritte Spielgattung hinzu: Wir befinden uns nun in einem Ego-Shooter. Dabei ist das Zielen gar nicht mal so schwer. Wichtig ist nur, dass man eine gute Waffe hat, die den Gegner schon auf eine große Distanz außer Gefecht setzt. Im Nahkampf sind dem Spieler so ziemlich alle Gegner haushoch überlegen. Noch dazu können die Gegner rennen. Man selbst bewegt sich nur mit einer einheitlichen Geschwindigkeit durch die Stadt, weglaufen geht also nicht. Bei so einem Gefecht wird nicht nur eine eventuell angelegte Schutzkleidung beschädigt, auch die Waffe nutzt sich ab und sollte umgehend repariert werden, denn auch hier gilt: nur was 100% in Ordnung ist bringt wirklich Erfolg. Warum man jedoch schon nach wenigen Schuss die Waffe reparieren lassen muss, werden wohl nur die Entwickler wissen.
Die Verpackung verspricht ein nicht lineares Gameplay. Zu einem Teil stimmt das sicher auch: Der Spieler selbst entscheidet, ob und wann er welche Aufgabe durchführt. Dabei kann man auch mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Am Ende eines jeden Tages muss jedoch unbedingt die Hauptaufgabe gelöst worden sein, ansonsten ist das Spiel vorbei.
Von der technischen Seite aus gesehen ist das Spiel, das auf zwei CDs ausgeliefert wird, nichts Besonderes. Die Grafik wirkt altbacken, Sprachausgabe gibt es nur als kleine Schnipsel und die langen Wege nerven fast noch mehr als die Rollenspiel-Elemente, bei denen man auf alle möglichen Werte achten muss.
Gib mir Zeit
In letzter Zeit wurde bei vielen Spielen eine zu kurze Spielzeit bemängelt. Bei 'Pathologic' ist es eher das Gegenteil. Die Spielzeit liegt weit über den mittlerweile üblichen 20 Stunden. Pro Charakter braucht man geschätzte 30 bis 40 Stunden, wenn man nur die Hauptaufgaben löst. Da jeder Charakter eine eigene Story erlebt, hat man eine hohe Motivation, das Spiel ein weiteres Mal zu spielen.
„Ein Simulator für menschliches Verhalten unter dem Einfluss einer Pandemie“ soll 'Pathologic' sein, wenn man dem Handbuch glaubt. Das kann man auf jeden Fall so unterschreiben, denn es ist kein richtiges Adventure. Dafür fehlen einfach die üblichen Adventure-Einlagen wie z.B. Kombinationsrätsel. Ebenso ist es kein Rollenspiel oder Ego-Shooter. Trotzdem geht der mutige Genremix auf. 'Pathologic' überzeugt vor allem durch die Atmosphäre und die Geschichte, die den Spieler in eine recht seltsame Welt entführt. Trotz der nicht mehr zeitgemäßen Präsentation und nicht weniger Schwachstellen ist 'Pathologic' mal etwas Anderes und vereint die Genres Adventure und Rollenspiel genau so weit, dass jeder seinen Spass daran haben kann. Wer aber ein klassisches Adventure erwartet, liegt bei dem Spiel falsch.
-
Pathologic
- Entwickler
- Ice-Pick Lodge
- Publisher
- Frogster Interactive
- Release
- 20. April 2006
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Pathologic bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)