Mit der Enhanced Edition spendiert CD Projekt RED ein neues, cineastisches Intro, das an den Titel des Spiels, 'Assassin of Kings', anknüpft. In über vier Minuten wird in furiosen Bildern geschildert, wie Antagonist Letho König Demawend, Herrscher von Aedirn, buchstäblich einen Kopf kürzer macht. Nach dem Intro kann ein neues Spiel gestartet werden, wobei man die Wahl hat, ob man seinen alten Spielstand aus dem ersten 'Witcher' importieren möchte oder nicht. Seit dem zweiten Patch steht außerdem ein optionales Tutorial zur Verfügung, das nicht nur eine gute Einführung in die Spielmechanik gibt, sondern auch den Schwierigkeitsgrad für den Spieler bestimmt, je nachdem, wie gut er sich eben schlägt. Der eigentliche Prolog führt uns nach Temerien ins Jahr 1271 und knüpft direkt an den ersten 'Witcher'-Teil an. Ein Monat ist vergangen, seit Geralt König Foltest das Leben gerettet hat. Seither ist der Hexer vom Monsterjäger zum königlichen Beschützer aufgestiegen, eine Rolle, um die er sich nicht gerade reißt.

Intrigen im Pontar-Tal
Bei Spielbeginn sieht die Sache für Geralt jedoch erst mal weniger rosig aus, denn er macht gerade Urlaub auf Staatskosten. Was ist geschehen, dass der tapfere Recke im Kerker schmoren muss? Nicht nur dem Spieler brennt diese Frage unter den Nägeln, sondern auch dem königstreuen Vernon Roche, der Geralt verhört. Dabei greift CD Projekt RED zu einem alten Storytelling-Kniff, denn statt ein langes Set-Up in Form einer weiteren Cutscene zu präsentieren, kommt der gesamte Prolog als spielbare Rückblende daher. Der Spieler wird somit gleich ins kalte Wasser geworfen und findet sich mitten in einem Scharmützel wieder. Da Foltest gerade Krieg gegen die aufständigen La Valettes führt, blieb Geralt als Leibwächter nichts anderes übrig, als sich dem Heer ebenfalls anzuschließen. An seiner Seite befindet sich Triss Merigold, die ihrerseits königliche Beraterin ist. Nach und nach wird sowohl dem Spieler als auch Roche das Ausmaß der Ereignisse enthüllt, die schließlich zu Geralts Verhaftung führten. Der Prolog endet dementsprechend mit einem ziemlichen Knall. Wer nie eins der Bücher gelesen oder auch den ersten Teil nicht gespielt hat, tut gut daran, Tagebucheinträge zu lesen, in denen Charaktere und Orte ausführlicher erläutert werden. Denn schnell wird klar, dass 'The Witcher 2' eine recht komplexes Konstruktion aus Handlungssträngen und Biografien aufweist.Im weiteren Verlauf des Spiels setzt Geralt alles daran, Letho zu finden, der wie er ein Hexer ist. Sein Weg führt ihn dabei durch das strategisch günstig liegende Pontar-Tal. Nicht verwunderlich also, dass mehrere politische Gruppierungen im Clinch darüber liegen, wer Herr im Tal ist. Bei all den politischen Machtkämpfen bleiben diverse Randgruppen wie Elfen und Zwerge natürlich auf der Strecke. Die Scoiaꞌtel, eine Rebellenfraktion, erhalten daher immer mehr Zuwachs. Dabei erstreckt sich vor dem Spieler die aus Teil 1 gewohnte, verkommene Welt für Erwachsene, in der es nicht immer leicht fällt, Bündnisse einzugehen. Kein Charakter ist wirklich gut oder böse, aber die meisten sind auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Die Sprache ist mitunter recht derb und auch mit Sexszenen wird freizügig umgegangen, ohne jedoch auf plumpes Pornoniveau zu rutschen. Die Sammelkarten aus dem ersten Teil gehören übrigens der Geschichte an.
Für Geralt heißt es jedenfalls menschliche und zwergische Siedlungen zu erkunden, malerische Wälder und Gebirge zu durchstreifen und sich in alte Ruinen und Stollen hinabzuwagen, bevor er sein Ziel erreicht. Zwischenzeitlich landet er sogar auf einem Boot. An einigen Stellen beeinflussen die Entscheidungen, die man trifft, das Spielgeschehen so deutlich, dass man komplett unterschiedliche Level spielt. Den Machern ist damit ein guter Schritt in Richtung nicht lineares Storytelling gelungen. Als untergeordnetes Thema werden Motive der mysteriösen ꞌWilden Jagdꞌ sowie Geralts Amnesie behandelt, beides bekannte Themen aus dem ersten 'Witcher'. Die im düsteren Comiclook gestalteten Zwischensequenzen helfen unter Umständen dabei, eigene Gedächtnislücken zu füllen, wenn man versucht, sich die Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Abgesehen von einer dichten und atmosphärischen Geschichte, punktet 'The Witcher 2' durch eine grafisch so überzeugend gestaltete, mittelalterliche Welt, dass man schon mal einen Moment stehen bleibt, nur um sich im Spiel umzusehen.
Ein Fest für die Augen
Die Grafik ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Kleidungen besitzen Nieten, Ösen, Bänder und variieren deutlich je nach Charakter und Stand. Räume sind hübsch dekoriert und bei Landschaften hat man auf kleine Extras wie Moosflechten an Bäumen oder Steinen gesetzt. Mit am Schönsten sehen jedoch die Lichteffekte aus, die insbesondere in wäldlichen Gegenden für einen realistischen Eindruck sorgen, wenn vereinzelt Sonne durchs Blätterwerk fällt. Die Bewegungen im Kampf sind absolut flüssig. Auch die Lippensynchronität funktioniert gut, allerdings hätten etwas mehr Emotionen den Gesichtern nicht geschadet, doch dies ist zugegebener Maßen ein wenig pingelig. Auf dem PC wird eine individuelle Bildschirmauflösung ermöglicht, bei der man aus einer Bandbreite von 640 x 480 bis 1440 x 900 Pixeln wählen kann. Ebenso lassen sich das Seitenverhältnis festlegen, die Höhe der Texturen, Schattenqualität oder Tiefenschärfe, um nur einige der Einstellungsmöglichkeiten zu nennen. Optisch kann sich 'The Witcher 2' auf jeden Fall sehen lassen. Soviel Augenschmaus hat allerdings durchaus seinen Preis. Den fordert das Spiel in Form von Rechenleistung ein. Wer ein altersschwaches Modell sein Eigen nennt, sollte darüber nachdenken, aufzurüsten oder mit einer niedrigen Auflösung zu leben, denn das Spiel kann schnell zu einer Ruckelorgie werden. Während man im ersten Teil noch auf die von BioWare entwickelte Aurora-Engine setzte, hat CD Projekt RED nun eine eigene Engine entwickelt, die nicht nur leistungsstärker ist, sondern darüber hinaus noch weitere Vorteile bietet: Temerien ist nicht länger von Klonen bevölkert, sondern NPCs werden durch ein Zufallsprinzip neu zusammengesetzt. Außerdem verfügt Geralt nun über eine größere Bewegungsfreiheit. Zu seinem neuen Repertoire gehören jetzt zum Beispiel Klettern oder Springen. Doch es wurde nicht nur an Geralts Bewegungen geschraubt, auch das Kampfsystem wurde komplett überarbeitet.
Neues Spiel, neues Kampfsystem
Die Verkettung von Angriffen und das damit einhergehende, zeitlich genau abgepasste Klicken aus Teil 1 ist einem innovativeren System gewichen. Ein Klick mit der linken Maustaste bedeutet nun einen schnellen Hieb, während ein Rechtsklick Geralt einen starken Hieb ausführen lässt. Gesteuert wird mit den W,A,S,D-Tasten, während man mit der E-Taste Angriffe blockieren kann. Gegner lassen sich mit ALT markieren, sodass sich der Hexer im Getümmel mit mehreren Gegenspielern nur auf die angegebene Person oder Kreatur konzentriert. Allerdings ist dies manchmal etwas hakelig, denn gerade, wenn Geralt mit einer Überzahl an Feinden konfrontiert wird, ist einem manchmal der freie Blick auf den Widersacher verstellt, den man gerne markieren würde. Außerdem kann die Kamera schon mal hinter einem Baum oder Ähnlichem verschwinden, was gerade in der Hitze des Gefechts recht ungelegen kommt. Verglichen mit dem Vorgänger ist das Kampfsystem daher schneller und actionlastiger, mitunter aber auch unübersichtlicher. Die offensichtlichste Änderung ist die Benutzung der Tränke. Geralt kann nun nicht mehr mitten im Kampf einen Heiltrank schlürfen, sondern der Spieler muss sich vor dem Kampf überlegen, was für ein Gebräu der Hexer zu sich nehmen soll. Tränke kann man nämlich nur noch im Meditationsmodus zuweisen, und der lässt sich mitten im Kampf nicht mehr aufrufen. Einerseits kann man argumentieren, dass so ein gewisser Realitätsanspruch gegeben ist. Denn wer hat schon die Zeit zwischen zwei Schwerthieben eine Phiole zu leeren? Andererseits nervt es auch ein wenig, speziell bei Endgegnern, bei denen die Wirkung der Tränke nachlässt, lange bevor der Kampf zu Ende ist. Neu hinzugekommen ist allerdings das Werfen von Messern oder Bomben sowie das Aufstellen von Fallen. Wer hier mit etwas Planung vorgeht, statt einfach nur ꞌimmer draufꞌ zu hauen, ist klar im Vorteil. Geblieben sind Geralt das Stahl- und das Silberschwert. Das Erstere kommt am häufigsten bei humanoiden Gegnern zum Einsatz, während er mit dem Letzteren gegen Monster zu Felde zieht. So oder so macht es sich bezahlt, schon früh den Charakter auf einen bestimmten Schwerpunkt hin zu steigern.
Talentbaum und CharakterentwicklungDer Talentbaum wurde ebenfalls einer Generalüberholung unterzogen. Vom alten Layout ist man abgewichen und hat die Verteilung von Bronze,- Silber,- oder Goldtalenten aufgegeben. Stattdessen kann der Spieler nun relativ frei einen von den vier möglichen Talentbäumen steigern: Hexerausbildung, Schwertkampf, Alchemie und Magie. Zutaten für alchemistische Tränke oder Öle sammelt Geralt in der freien Natur oder knöpft sie seinen Gegnern ab. Zu Spielbeginn steht einem allerdings erst mal nur die Hexerausbildung zur Verfügung. Erst, wenn man hier sechs Talente verbraten hat, werden auch die anderen Talentbäume freigeschaltet. Steigert man ein Talent zum zweiten Mal, so erhöhen sich die durch ihm gewährten Boni. Mehr als zwei Punkte pro Talent zu verteilen ist nicht vorgesehen. Stattdessen lassen sich einige Talente noch weiter durch den Einsatz von Mutagenen verbessern. Hat man einmal ein Mutagen für ein Talent festgelegt, kann man es nicht wieder rückgängig machen, also ist auch hier etwas Planung gefragt. 'The Witcher 2' schafft damit einen anderen Anspruch als zum Beispiel ꞌHack-und-Slayꞌ-Rollenspiele. Alles in allem macht der Charakter hübsch was her, sobald man am Ende eines Talentbaums angekommen ist. Das letzte Talent des Schwertkampf-Baumes gewährt Geralt auf der zweiten Stufe zum Beispiel neben den Aufwertungen durch Mutagene auch + 10 auf kritische Effekte, + 10 auf Resistenzen und – besonders nett - + 10 auf die Spezialfertigkeit Adrenalin. Geralt kann nun im Kampf durch seine Schwerthiebe Adrenalin erzeugen, das durch die X-Taste freigesetzt wird. Adrenalinstöße sind nicht nur besonders effektiv gegen mehrere Gegner, sondern warten auch mit gut gelungen Animation auf, die Geralt herumwirbeln lassen wie … nun ja, einen echten Schwertkämpferprofi. Ebenfalls gut gelungen sind spezielle Fähigkeiten, die nur in Dialogen zum Einsatz kommen, wie Einschüchtern, Überreden oder den Gesprächspartner durch das Axii-Zeichen überzeugen. Bei 'The Witcher 2' werden Fähigkeiten nicht nur für den bloßen Kampf gesteigert, was immer nett ist. Schade nur, dass eine Option wie „Schlösser knacken“ fehlt.
Sprache und Sound
Auf akustischer Ebene gibt es nichts zu beanstanden. Krähen krächzen, Grillen zirpen und herumstehende Stadtbewohner unterhalten sich miteinander. Die Soundeffekte sind genau so passend, wie der eigentliche Soundtrack, der je nach Lokation variiert und nie aufdringlich ist. Die Rollen sind mit professionellen Sprechern besetzt, die ihre Sache gut machen. Allerdings wurde Geralts Rolle nun mit Markus Pfeiffer besetzt, während er in der Enhanced Edition des ersten Teils noch von Oliver Siebeck gesprochen wurde. Spielt man die beiden Teilen hintereinander ist dies natürlich etwas gewöhnungsbedürftig. Dessen ungeachtet kommt Geralt auch in 'The Witcher 2' gut rüber. Er redet zwar nur dann, wenn es nötig ist, dafür aber immer mit einer ordentlichen Prise Zynismus. Wer trotz der gelungenen Lokalisation nicht richtig glücklich wird mit der deutschen Sprachfassung, kann auf Englisch umstellen.
Enhanced EditionMit der Enhanced Edition hat man sich nicht lumpen lassen: Als Hardcopy liegen ihr eine Weltkarte und ein Quest-Handbuch bei sowie ein Soundtrack auf CD. Neue Quests winken im dritten Akt, der bisher gegenüber den anderen Akten kürzer ausgefallen ist. Unter anderem wird das Schicksal der La Valette-Kinder aufgeklärt. Außerdem wurden dem Spiel weitere Gebiete und Charaktere hinzugefügt. Neben dem eingangs bereits erwähnten Intro gibt es ferner noch mehr neue Cutscenes zu sehen, zum Beispiel für den Epilog. Besitzer des Original-Spiels können aufatmen, da sie per Download kostenlos ihre Version auf die Enhanced Edition aktualisieren können. Ein bisschen Geduld – oder eine schnelle Internetleitung – braucht man dabei schon, denn das Update ist stolze zehn Gigabyte groß.

Kommen wir zuerst zu den positiven Aspekten: Bei 'The Witcher 2' hat CD Projekt RED noch mal aus dem Vollen geschöpft. Gegenüber dem Vorgänger hat sich das Spiel eindeutig gesteigert. Die Grafik gehört zurzeit noch immer zu den Besten, die ein Rollenspiel zu bieten hat, und ist sehr detailliert, was zum Beispiel insbesondere an den Nieten, Schnallen und Ösen der Kleidung gut zur Geltung kommt. Schöne Lichteffekte sorgen dafür, dass man auch einfach mal gerne stehenbleibt, nur, um sich umzusehen. Eine spannende Geschichte mit der ein- oder anderen überraschenden Wendung, gut geschriebenen Dialogen und einer gelungenen Vertonung runden die Sache ab. Das nicht lineare Storytelling führt tatsächlich zu unterschiedlichen Leveln, bevor die Handlungsstränge wieder zusammenlaufen, und bietet nach wie vor eine Geschichte, die sich eher an Erwachsene richtet. Allerdings fallen die Entscheidungen, die man trifft, in Bezug auf die Hauptstory dann auch wieder nicht so wahnsinnig stark ins Gewicht. Zu den kleinen Schattenseiten zählte außerdem das Kampfsystem, das nicht zu hundert Prozent überzeugen konnte, da es auf dem PC manchmal zu unübersichtlich zugeht, und sich Gegner nicht immer wie gewollt anpeilen lassen. Alles in allem bietet 'The Witcher 2' aber auf jeden Fall an die 35 – 45 Stunden Spielspaß, die es wert sind, dass man seine Zeit hier investiert. Was man für dafür bekommt ist eine überzeugende, düstere Rollenspielwelt. Wir freuen uns schon auf Teil 3.
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The Witcher 2: Assassins of Kings
- Entwickler
- CD Projekt
- Publisher
- CD Projekt
- Release
- 17. Mai 2011
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.thewitcher.com/
- Sprachen
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- Systeme
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