1996 erblickte eine Spielheldin das Licht der Bildschirme, die sich aufgrund ihrer Toughness auszeichnete und – nicht zuletzt aufgrund ihrer Anatomie – zur wohl bekanntesten Action-Adventure Ikone wurde. Viele Spiele und Kinofilme folgten, sogar ein Auftritt im Musikvideo 'Männer sind Schweine' von der Band die Ärzte steht in ihrer Vita. Die Rede ist natürlich von Lara Croft aus 'Tomb Raider'. Nach dem eher untypischen 'Lara Croft and the Guardian of Light' gehen Publisher Square Enix und Entwickler Crystal Dynamics nun zurück zu den Wurzeln der Serie und sogar darüber hinaus: Das elfte Spiel der Serie stellt zugleich einen Neuanfang dar, einen Reboot. Wie dieser gelungen ist, verraten wir in unserem Test.

Eine Seefahrt, die ist lustig…
Zumindest scheint das Team von archetypischen Abenteurern auf dem Schiff Endurance anfangs durchaus Spaß an der Expedition zu haben. Unter der Leitung des TV-Archäologen James Whitman sucht die Mannschaft nach dem sagenumwobenen Inselreich Yamatai. Mit an Bord ist auch die junge Nachwuchs-Archäologin Lara Croft, die nach 21 Tagen erfolgloser Suche vorschlägt, doch einmal das Teufelsmeer anzusteuern und dort nach Yamatai zu suchen. Gegen den Willen von Whitman entscheidet sich der Kapitän der Endurance für Laras Vorschlag. Kurz, nachdem das Schiff ins Teufelsmeer gefahren ist, in dem ähnlich wie im Bermuda-Dreieck immer wieder Schiffe und Flugzeuge verschwinden sollen, zieht ein schwerer Sturm auf und bringt das Schiff zum Kentern. Die Schiffbrüchigen können sich retten und finden sich am Strand einer einsamen Insel wieder. Auch Lara wird angespült, kann ihre Freunde aber nicht erreichen. Stattdessen wird sie niedergeschlagen und findet sich wenig später über Kopf hängend in einer Höhle wieder. Kaum hat sie sich aus der misslichen Lage befreit, wartet schon das nächste Problem auf sie: Ein Verfolger, der ihr eigentlich nur helfen will… Oder etwa nicht? War er es nicht, der sie niedergeschlagen hat? Zweifel und Angst treiben Lara immer weiter durch die verschlungenen Gänge der Höhle, ehe sie sich endlich befreien kann und an einem kleinen Lager eine Rast einlegt. In Sicherheit ist sie deshalb aber noch lange nicht. Da ist es gut, dass sie bald einen Bogen findet, mit dem sie sich zumindest die angreifenden Wölfe vom Leib halten kann. Irgendwann erreicht sie dann auch endlich das Lager ihrer Freunde, doch damit geht der Ärger erst richtig los: Statt Wölfen greifen jetzt Bewohner der Insel an, auch mit Pfeil und Bogen bewaffnet wie Lara. Aber auch mit Macheten, Maschinengewehren, Granaten oder Brandsätzen versuchen sie, das dunkle Geheimnis der Insel vor Lara zu schützen…
Die Entwicklung zur toughen Einzelkämpferin
Ein erster Angst-Moment: Lara ist gefangen und Wölfe greifen an - Aber aus welchem Busch kommt der Angriff? |
Während der rund 15 Stunden, die man mit der Einzelspielerkampagne beschäftigt ist, erleben wir also nicht nur den Tod unzähliger Feinde - auf der kleinen Insel scheinen ganze Armeen verteilt nur auf Lara und ihre Freunde gewartet zu haben. Wir werden auch Zeuge, wie aus einer ängstlichen und eingeschüchterten jungen Frau eine zähe Kriegerin wird, deren Verzweiflung und Mut sie selbst gegen die stärksten Gegner und zahlenmäßig weit überlegene Truppen antreten lässt. Dass diese Entwicklung recht schnell vonstatten geht, mag man mit der der Brutalität des Insellebens entschuldigen, glaubwürdiger wird es dadurch leider nicht. Noch gerade eben hat sich Lara bei einem aus Hunger erlegten Hirsch entschuldigt, dann bricht sie blut- und tränenüberströmt zusammen, nachdem Sie in einer absoluten Notsituation einen Menschen töten musste. Und nur fünf Minuten später schießt sie mit hoher Präzision alles über den Haufen, das ihr vor das Fadenkreuz läuft – freilich ohne Gewissensbisse. Natürlich steht der Name 'Tomb Raider' für eben solche Dinge und es ist auch etwas, das man von dem Spiel erwartet. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn die Schreiber dem Charakter etwas mehr Zeit für die eigene Entwicklung gegönnt hätten.
Quick time, Level-Ups und Rätsel
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Sehr einfache Rätsel finden sich auch im Hauptspiel - Anspruchsvolleres gibt es in versteckten Gräbern |
Ein anderes Element, dass in früheren Abenteuern von Lara Croft wichtig war, tritt im Reboot weiter in den Hintergrund: Die Rätsel. Musste man früher noch oft die Umgebung so manipulieren, dass man weiter kommt, ist das nun im Hauptspiel fast gar nicht mehr der Fall. So richtig in den Genuss von Rätseln kommen Inselforscher nur in den optionalen versteckten Gräbern. Hier wartet immer genau eine Aufgabe auf den Abenteurer: Mal muss mit Gewichten eine Rampe gebaut werden, mal warten Käfige darauf, in die richtige Position gebracht zu werden. Hat man das geschafft, ist zum Teil auch gutes Timing erforderlich, ehe Lara am Ziel ist: Einer goldenen Schatztruhe, die in allen Gräbern zu finden ist und die immer eine erweiterte Karte beinhaltet, auf der dann verschiedene Sammelobjekte markiert sind.
Die geheimen Gräber und Sammelobjekte verschaffen Lara Erfahrungspunkte, die sie in den Lagern in neue Fähigkeiten investieren kann. So wird sie beim Schießen ruhiger, kann länger zielen, sich besser verteidigen oder findet mehr Strandgut. Letzteres ist für Waffenupgrades erforderlich, denn jede Waffe lässt sich verbessern. So kann die Schrotflinte beispielsweise Brandmunition verschießen oder der Bogen wird durch eine neue Sehne wirkungsvoller.
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Am Lager kann Lara ihre Waffen aufrüsten und Fähigkeiten verbessern. |
Untersucht man während des Spielens aufmerksam die Umgebung und lässt Lara alle Strandgutkisten, Artefakte und geheimen Gräber mitnehmen, sorgt das nicht nur für eine längere Spielzeit, sondern auch für eine nahezu voll ausgestattete und komplett ausgebildete Kriegerin vor dem finalen Showdown, der dadurch aber trotzdem noch anspruchsvoll genug ist, was im Übrigen nicht an den Quick Time-Events liegt. Immer wieder verlangt das Spiel von uns die zeitgenaue Betätigung bestimmter Tasten, damit Lara sich nach einem nicht ganz so perfekten Sprung noch festhalten, Hindernisse aus dem Weg räumen oder Gegner mit einem finalen Axthieb um die Ecke bringen kann. Diese Prüfungen sind nicht sonderlich anspruchsvoll, sorgen allerdings dafür, dass man die wirklich schicken Filmsequenzen nicht genießen kann, da man sich zu sehr auf die Quick Time-Grafik konzentriert.
Schicke Lara
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Die Umgebung ist einen Blick wert - auch wenn nicht viel davon heile bleibt. |
Im Vergleich zu den Vorgängern muss man der neuen Lara Croft attestieren, dass sie sehr viel natürlicher aussieht. Vorbei sind die Zeiten, in denen man Angst haben musste, dass die schlanke Abenteurerin aufgrund ihrer Anatomie vornüberkippen könnte. Und nicht nur das. Dank neuer Grafikkarten-Technik sieht auch Laras Frisur realistischer aus, sofern man denn eine Grafikkarte im PC hat, die diese Funktion unterstützt. Aber selbst ohne im Wind flatternde Haarsträhnen sehen Lara und ihre Begleiter einfach toll aus. Mindestens genauso schick ist die Insel, die in ruhigen Momenten immer wieder mit tollen Ausblicken, sehenswerten Tempeln und ansprechend gestalteten Orten aufwartet. Schön ist in diesem Zusammenhang auch die Schnellreisefunktion, dank der Lara zwischen verschiedenen Lagern pendeln kann, ohne den erneuten Fußweg nehmen zu müssen. So kann man während einer Sightseeing Tour auch gleich noch übersehene Sammelgegenstände auflesen oder Gräber auskundschaften.
Ebenfalls lobenswert erwähnt werden soll die deutsche Sprachausgabe: Nora Tschirner macht ihre Sache sehr gut und liefert eine in jeder Situation glaubhafte und passende deutsche Lara Croft ab. Sie klingt dabei sogar noch eine Spur besser als das englische Original.
Die Neuauflage von 'Tomb Raider' versucht sich ein Beispiel an der überaus erfolgreichen 'Uncharted'-Reihe zu nehmen und setzt dafür mehr auf Kämpfe denn auf Rätsel. Im Vergleich mit dem Vorbild fallen die immer wieder eingestreuten, fast sandboxartigen Level auf, in denen Lara große Freiheiten für die Erkundung der Insel hat (wenn denn erst einmal alle Gegner besiegt wurden). Da nahezu überall etwas zu finden ist, macht das Erkunden auch wirklich Spaß. Leider kommen die Rätsel im Vergleich zu den eigenen Vorfahren deutlich zu kurz – Überwiegend findet man sie nur in den geheimen Gräbern. Das ist wirklich schade, denn dadurch fühlt sich das Spiel nicht mehr so richtig an, wie ein „echtes“ 'Tomb Raider' sondern eher wie ein 'Uncharted' – und selbst dort sind die Rätsel besser in die Haupthandlung eingebunden. In Kombination mit der doch sehr schnellen Charakterentwicklung sorgt das dafür, dass das aktuelle 'Tomb Raider' leider kein überragendes Spiel ist. Es ist aber immer noch ein sehr Gutes, das über die gesamte Spielzeit fesselt und unterhalten kann.
Fazit von Matthias Glanznig: Als Adventure-Fan hat mich der 'Tomb Raider' Reboot doch im Zwiespalt zurückgelassen. So viel Story und Charakterentwicklung hatte die Reihe einerseits noch nie. Früh gerät man in Situationen, die auch zu jedem Action Blockbuster hervorragend passen würden. Klar, die Logik ist nicht immer stimmig und vieles kommt einem bekannt vor, aber es geht die Post ab. Lara hat als Figur an Tiefe gewonnen und die Motive der Feinde und Verbündeten werden spätestens dann nachvollziehbarer, wenn man sämtliche Dokumente entdeckt hat. Andererseits sind die Rätsel diesmal stark in den Hintergrund gerückt. Fast alle Aufgaben dieser Art findet man nur bei der Erkundung der Gräber. Die sind wiederum bloß als optionaler Bonus gedacht und für die Story nicht von Relevanz. Auch bedingt durch diese Priorisierung rücken Schießereien und Quicktime Events im Spielverlauf mehr und mehr in den Vordergrund.
Die teilweise Anbiederung an den erfolgreichen AAA-Mainstream - also Spiele wie 'Call of Duty' oder 'Far Cry' - macht diesen Reboot zugänglicher für die breite Masse, es raubt zugleich allerdings etwas vom Charme der Reihe. Oft gibt es nur einen Weg zum Ziel und man fühlt sich bei den akrobatischen Einlagen nicht so frei wie vielleicht gewohnt. Auch die Möglichkeit von Ort zu Ort reisen kennt man von Open World-Spielen, sie wirkt hier jedoch deplatziert. Es mutet falsch an, mal so eben einen Abstecher zu einem Grab am anderen Ende der Insel zu wagen, während wie üblich ein Leben auf dem Spiel steht. Verschnaufpausen vermisst man und das könnte mit ein Grund sein, warum das Spiel im Mittelteil womöglich etwas repetitiv ist. Zudem bietet der einfallslose Multiplayer-Modus bloß austauschbare Shooter-Kost, die sich weder von 'Half Life' und Co. abhebt, noch einen tieferen Bezug zu dem hat, was 'Tomb Raider' eigentlich ausmacht.
Und trotzdem hat mich 'Tomb Raider' mehr als 15 Stunden lang gut unterhalten. Erstklassige Grafik mit viel Liebe zum Detail, dynamische Kameraführung, tolle Präsentation, nette Story und eine höchst engagierte schauspielerische Leistung, wobei auch die deutsche Synchronisation überzeugen kann. Geboten wird ein aufregendes Actionspiel und als solches ist es aus meiner Sicht empfehlenswert, selbst wenn es echte Ballerprofis selten fordern wird. Aus Storyteller Sicht ist es hingegen mit Vorsicht zu genießen.
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Tomb Raider
- Entwickler
- Crystal Dynamics
- Publisher
- Square Enix Ltd.
- Release
- 5. März 2013
- Trailer
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