Bereits im Vorfeld rührte Telltale kräftig die Werbetrommel für sein neues Episodenadventure rund um den etwas schrulligen FBI-Agenten Nelson Tethers. Eine Teaser-Seite wurde ins Leben gerufen und gab Anlass für allerlei wilde Spekulationen, bevor wir die ersten Informationen zum Spiel selbst bekamen. Vor allem die Personalie hinter dem Adventure versprach einiges, denn 'Nelson Tethers: Puzzle Agent' basiert auf den Crickle-Kurzfilmen von Graham Annable, dem ehemaligen Creative Director von Telltale. Das neue Spielkonzept will die Erzählweise eines Adventures mit Denkspielen a la 'Professor Layton' verbinden und soll so auch die Casual-Gamer als neue Zielgruppe von Telltale gewinnen. Ob das Spiel auch für uns ein Rätsel-Spaß war, erfahrt Ihr in unserem Test.

Agent Tethers: Mit großen Kulleraugen der Lösung auf der Spur
Nelson Tethers ist nicht nur einfach ein Agent, nein er ist ein Spezialagent. Im Auftrag einer kleinen Abteilung des FBI löst er Rätsel, angefangen von Kreuzworträtseln bis hin zu Schiebepuzzles. Eine sehr wichtige Arbeit – wie er selbst findet. So sitzt er nun an seinem Schreibtisch, starrt Löcher in die Luft, döst vor sich hin und schläft schließlich ein. Merkwürdige Visionen plagen ihn im Traum. Eine Gestalt steht vor seinem Schreibtisch, schnappt sich einen Stift und trägt etwas in sein Kreuzworträtsel ein. Dann zeigt sie ihm ihr Gesicht. Vor Schreck erwacht Tethers. Ihm entfährt ein markerschütternder Schrei und in wilder Panik zerreißt er eben dieses Kreuzworträtsel. Tja, und wer hätte es gedacht, hier muss nun der Spieler das erste Mal ran und darf das Kreuzworträtsel wieder zusammen flicken. Tethers reißt seine niedlichen Kulleraugen auf und erblickt verdattert ein Wort auf dem zusammengesetzten Papier: Scoggins. Darüber kann er sich leider keine Gedanken machen, denn ein dringender Anruf erreicht ihn. Die Fabrik, die speziell Radiergummis für das Weiße Haus produziert, hat plötzlich die Produktion eingestellt. Nichts geht mehr. Bei einem Auftrag von solcher Brisanz ist Agent Tethers gefragt, der vor Ort ermitteln und das Rätsel lösen soll. Also reist er nach Scoggins (aha!) und will sich die Lage genauer anschauen. Hier trifft er auf die eigenwilligen, verschrobenen und nicht sehr gesprächigen Bewohner des Ortes, die ihm immer wieder Rätsel aufgeben. Wird er den Fall lösen oder sich mit seinem Schneemobil zwischen Ästen und falschen Fährten verirren?
Punkt, Punkt, Komma, Strich
Das Adventure orientiert sich, wie schon erwähnt, an dem Stil der Crickle-Cartoons. Es sieht aus, als wären die 3D-gestalteten Hintergründe und Personen mit einem fetten Bleistift gezeichnet und die Inhalte entsprechend ausgemalt. Dadurch wirken die einzelnen Bilder manchmal etwas unscharf oder verwaschen. Ich hatte auch das Gefühl, das zum Beispiel ein und derselbe Baum immer wieder nebeneinander gesetzt wurden, statt das mehrere Bäume des Waldes gezeichnet wurden. Farblich wirkt das durch gedeckte Farben düster und zaubert so eine geheimnisvolle Atmosphäre.
Mimik und Gestik der Charaktere sind grafisch sehr einfach gehalten, gefallen aber. Überrascht Tethers etwas, werden seine ohnehin schon großen Kulleraugen noch größer. Ängstigt er sich, kneift er seine Augen ganz fest zusammen. Die Auflösung gestaltet sich sehr variabel. Der Spieler kann im Hauptmenü zwischen verschiedenen Auflösungen wählen, je nachdem was er bevorzugt. Ein sehr umfangreiches Hinweis-System für Ratefüchse sowie eine simple Maus-Steuerung lassen darauf schließen, dass das Spiel besonders Gefallen bei Frischlingen des Genres finden soll. Einfacher geht es wirklich nicht mehr. Statt einer Hotspot-Taste klickt der Spieler in der Szene einfach die linke Maustaste und schon erscheinen verschiedene Symbole auf dem Schirm: eine Lupe, wenn etwas untersucht werden muss; eine Sprachblase für einen Dialog mit einer Person und einem Kaugummi-Symbol (dazu später mehr). Da entfällt das lästige Suchen und sofort weiß ich, was ich zu tun habe. Andere adventure-typische Aktionen wie Kombinieren, Ziehen, Drücken etc. entfallen komplett. Es existiert auch kein Inventar, da man außer den Kaugummis nichts sammeln muss. Aber dafür gibt es ein Hauptmenü, symbolisiert durch ein goldenes Puzzle-Teil, das direkt auf dem Bildschirm angezeigt wird. Darüber gelangt der Spieler nicht nur zum Spielmenü für Sound- oder Grafikeinstellungen, Laden oder Speichern, sondern auch zum Tagebuch, das Nelson Tethers mit wichtigen Infos füttert sowie den dicken Rätselordnern, die dem Spieler die bereits gelösten Rätsel anzeigen.
Ihr IQ beträgt...
Tethers plagt sich bei seinen Recherchen und Untersuchungen zum Vorfall ständig mit den seltsamen Bewohnern von Scoggins herum. Er versucht es auf die höfliche Art, stößt aber auf Ignoranz oder Unverständnis. Freundlichkeit bringen die Einheimischen ihm kaum entgegen. Dafür konfrontieren sie ihn aber mit einer Unmenge an Rätseln, die er lösen muss. Vor dem Dialog zückt er seinen Notizblock und da stehen einfach nur Stichpunkte, die der Spieler anklicken muss, um mehr Informationen zu bekommen. Ist der Dialogpunkt beendet, streicht Tethers die Notiz einfach durch. Da die Story durch die Rätsel vorangetrieben wird, stellen hier die Bewohner die Aufgaben im Gespräch. Ist das Rätsel für das Vorankommen wichtig, erscheint ein goldenes Puzzleteil im Dialogbaum, ist das Rätsel optional ein Weißes.
Die Aufgaben erinnern tatsächlich an 'Professor Layton' oder auch an Intelligenztests. Der Spieler muss Kreuzworträtsel zusammensetzen, Punkte verbinden, Linien verfolgen, vergleichen etc. Am Anfang macht das auch noch Spaß, aber ab der Hälfte des Spiel wiederholt sich das Rätselprinzip doch sehr. Das ist insbesondere bei den story-entscheidenden Rätseln der Fall. Diese sind vom Schwierigkeitsgrad sehr viel leichter und schneller zu lösen, als die „freiwilligen“ Aufgaben. Bei denen muss man schon mehr um die Ecke denken oder zum ausgeklügelten Hilfe-System greifen. Dieses funktioniert folgender Maßen: Tethers ist süchtig nach Kaugummi, ohne ihn kann er nicht denken. Also findet der Spieler überall in Scoggins Kaugummis, die irgendwo kleben und die Tethers einsammeln kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob man schon mal im Hotel war und dort alles gesammelt hat. Wenn man an den Ort zurückkehrt, kleben da schon wieder neue Kaugummis. Diese tauscht der Spieler dann einfach in Hinweise um. Aber Achtung: Es gibt nur drei Hinweise pro Rätsel. Allerdings sollte man dann die Rätsel wirklich lösen können. Ich selbst bin nur an einem Rätsel verzweifelt, das auch noch entscheidend war. Dort musste ich herausfinden, wie meine Zimmernummer im Hotel ist. Vorgegeben war ein Code, der aber so merkwürdig war, dass ich trotz der drei Hinweise gefühlte Stunden an diesem verdammten Rätsel fest hing.
Die Rätsel selbst erhält man in Form einer Akte: Seite eins beinhaltet die Aufgabe, natürlich mit Bild. Auf Seite zwei folgt eine ausführliche Beschreibung der Herangehensweise, die bei manchen Puzzles doch erforderlich ist. Zum Beispiel, wenn man Kakerlaken auf bestimmte Art trennen muss. Seite drei enthält das Rätsel, das direkt auch da gelöst werden muss. An der rechten Seite dieses Blattes befindet sich dann auch ein kleines Menü, wo der Spieler noch mal die Anleitung nachlesen oder sich Tipps holen kann. Die Lösung wird mit Hilfe eines roten Stempels bewertet: Akzeptiert oder Abgelehnt. Und die letzte Seite der umfangreichen Rätsel-Akte zeigt dann die Auswertung: Name des Rätsels, verbrauchte Kaugummis, Anzahl der Lösungsversuche. Je nachdem wie gut der Spieler ist, erhält er die Bezeichnung: Top Agent, Exzellent etc. Natürlich kann man sich dann auch noch mal die Lösung ausführlich erklären lassen, falls man doch mal wie wild jede Alternative angeklickt hat.
„Sie sind doch der FBI-Fritze!“
Die Musik riss mich gleich zu Beginn des Spiels mit. Im Büro erinnerte sie so sehr an die vielen Krimiserienklassiker, die ein Privatsender lange Zeit in seinem Nachmittagsprogramm zeigte. Jede Szene ist wirklich mit der passenden Musik unterlegt. Im Diner beispielsweise dröhnt es etwas melancholisch, wie aus einer Jukebox. Auch spannende oder plötzlich überraschende Szenen werden mit passendem Sound versehen, um die Atmosphäre klangvoll abzurunden.
Auch bei den Sprechern hatte man wahrlich ein goldenes Händchen. Tethers Sprecher beherrscht alle Ton- und Stimmvariationen nahezu perfekt. Man erkennt sofort unterschwelligen Humor, Nervosität, Angst oder Langeweile. Der ständige Dialog mit dem örtlichen Sheriff ist ein Highlight des Adventures.
Da lohnt es sich mehr aus dem Piloten zu machen und 'Nelson Tethers: Puzzle Agent' in die Fortsetzung zu schicken, statt in die Rente. Das Spiel überzeugt nicht nur durch seine grafische und musikalische Gestaltung – nein, die Atmosphäre stimmt einfach. Es wird eine tolle Story erzählt, die leider in der zweiten Hälfte Schwächen zeigt und deren Ende doch sehr kurios ist. Selbst beim Abspann hatte ich noch ein riesiges Fragezeichen in den Augen. Bei den Rätseln wäre etwas mehr Kreativität wünschenswert, damit der Spieler eher am Ball bleibt und am Ende nicht nach Schema F einfach nur noch reagiert.
Für Anfänger ein sehr gelungener Einstieg, für Hardcore-Gamer, die gern mehr Gehirnwendungen investieren, eher ein kurzes Vergnügen. Drei bis vier Stunden Spielzeit gibt Telltale selbst an. Für einen Piloten oder eine Episode durchaus akzeptabel.
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Nelson Tethers: Puzzle Agent
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- Astragon
- Release
- 30. Juni 2010
- Webseite
- http://www.telltalegames.com/scogginserasers
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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