2006 erschien die Urfassung zu 'The Shivah' und markierte den Startschuss für Dave Gilberts Spieleschmiede Wadjet Eye Games. Seine religiöse Überzeugung war zwar nie ein Geheimnis, doch keines seiner Spiele hat so deutlich den jüdischen Glauben ins Zentrum gerückt, wie 'The Shivah'. Etwa sieben Jahre später schickt er den New Yorker Rabbi Russell Stone nochmal ins detektivische Gefecht, diesmal mit einer Schönheitskorrektur. Ob das Adventure allerdings auch heute noch einen Blick wert ist, verrät Euch unser Test.

Ein Geschenk Gottes?
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Die Polizei informiert den Rabbi über das Erbe und den schweren Mordverdacht |
Russell Stone ist ein konservativer Rabbi mit strengen Werten. Kaum jemand genügt seinen hohen Anforderungen und so ist er ein sehr einsamer Mensch. Ähnlich traurig sieht es in seiner Synagoge aus, in der fast alle Mitglieder von seiner pessimistischen Sichtweise vertrieben wurden. Ohne sie fehlt es aber an Geld in der Kasse und die Schulden häufen sich. Aus heiterem Himmel vererbt ihm eines Tages ein gewisser Jack Lauder 10.000 Dollar. Eine zynische Fügung des Schicksals? Rabbi Stone selbst hatte den Mann und seine indische Lebensgefährtin nämlich vor vielen Jahren der Synagoge verwiesen. Warum ausgerechnet er ihm Geld geben sollte, ist ihm zunächst ein Rätsel. Noch dazu macht ihn dieser hohe Betrag zu einem Hauptverdächtigen in einem Mordfall, denn Lauders Ableben war kein Natürliches. Der Geistliche will der Sache nun detektivisch auf den Grund gehen und so kommt die Geschichte ins Rollen...
Zeit der Trauer
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Recherche am PC macht einen wesentlichen Teil der Ermittlungen aus |
Der Begriff "Shivah" bezeichnet die jüdische Trauerwoche nach einem Begräbnis. Just in diese Zeit fällt nämlich die Tragödie um Jack Lauder. Anfangs nutzt der Rabbi diesen religiösen Anlass noch als Vorwand, um Antworten zu bekommen. Bald dämmert ihm aber, dass er manches verhindern hätte können. Zugleich trägt jene hinduistische Gottheit den Namen Shiva, die für Zerstörung und Schöpfung steht. Genau diese Dualität schwingt durch die Handlung dieses recht ungewöhnlichen Point-and-Click-Adventures und manifestiert sich im Konflikt zwischen Stone, Lauder und seiner Frau Rajshree. Im Zuge unserer Aufklärungen zum Mordfall, begibt sich unsere Hauptfigur nun auf einen Weg der Läuterung. Abhängig von den im Spiel getroffenen Entscheidungen, wartet am Ende der Tod der Spielfigur bei Scheitern, sowie ein tragisches, oder positives erfolgreiches Ende. Natürlich funktioniert die Handlung nicht mit allen Entscheidungen gleich gut, doch dieser Aspekt wurde recht ordentlich gelöst. Mit Russell Stone ist Dave Gilbert ein vielschichtiger, dreidimensionaler Protagonist gelungen, der noch dazu eine interessante Entwicklung durchlebt. Wenn man der Geschichte etwas vorwerfen muss, dann dass sie viel länger und umfangreicher hätte sein können. Das große Finale kommt deutlich verfrüht und nach zwei, vielleicht sogar drei Stunden sind die Credits erreicht. Schade, denn das Potential wurde hier nicht ausgeschöpft!
Innovative Rätsel und Entscheidungen
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Hinweise können ausgewählt und miteinander kombiniert werden |
'The Shivah' wird in klassischer Point-and-Click-Manier gesteuert. Mit der Maus können wir Dinge ansehen oder benutzen, beziehungsweise mit Personen kommunizieren. Wir können diesmal allerdings keine Gegenstände an uns nehmen. Zwar gäbe es ein Inventar, doch die Objekte hier sind primär als Informationsquelle gedacht. Aus diesem Grund fehlen klassische kombinatorische Aufgaben, was zunächst vielleicht ungewohnt ist. Das ist wohl mit ein Grund, warum wir an den meisten Schauplätzen nur wenig tun können. Ansonsten wird aber sehr viel vorweg genommen, was nach 2006 beispielsweise von 'Resonance' und 'Primordia' aufgegriffen, weitergeformt und verbessert wurde.
Die diversen Herausforderungen sind gut nachvollziehbar und nicht sehr schwer zu lösen. Im Spiel existiert ein eigenes Inventar für gefundene Hinweise. Diese können hier miteinander benutzt werden, wodurch mitunter neue Erkenntnisse entstehen. Leider wird dieses ansich interessante Element im Verlauf der Handlung immer seltener aufgegriffen. Häufig ist zudem der Einsatz von PC-Terminals gefragt, sei es nun zum Lesen von Mails, oder zur Suche nach Namen und Adressen. Eine automatische Tagebuchfunktion fehlt, weshalb es hilfreich sein kann, einen Zettel für Notizen parat zu halten. Leider erhalten wir meist nur zu den für die Handlung relevanten Namen konkrete Suchergebnisse. Abgesehen davon spielen Entscheidungen eine tragende Rolle. Wie gehe ich in ein Gespräch mit der Frau eines Verstorbenen hinein, lasse ich jemanden am Leben? In den relevanten Situationen hat man immer mehrere Chancen, um die passende Strategie zum Ziel zu finden. Und ja, es gibt im Verlauf der Handlung tatsächlich vereinzelt Entscheidungen, die gravierende Auswirkungen auf den Ausgang haben. Im Finale von 'The Shivah' wartet übrigens ein verbales Prügelduell, welches Adventure-Fans wahrscheinlich an 'Monkey Island' erinnern wird.
Trotz technischem Upgrade noch nicht überzeugend
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Woher kennen wir die junge Frau links? |
Weniger rosig fällt das Urteil zur technischen Seite aus. Natürlich sieht der stark überarbeitete 2D-Retro-Look von 'The Shivah' in der Neuauflage um Ecken besser und detaillierter aus. Klar wirkt sich das positiv auf die recht interessante Atmosphäre aus. An 'Resonance' oder auch 'Primordia' reicht es freilich nicht heran. Die Animationen könnten unter anderem flüssiger sein und das visuelle Niveau der Pixel-Hintergründe schwankt doch etwas. Nett gelungen ist wiederum der veränderte Soundtrack, der sich aber im Hintergrund hält und klangtechnisch verbesserungswürdig ist. Abgesehen davon war es sicherlich nicht die beste Entscheidung, die Sprachausgabe der Vorlage direkt zu übernehmen. Die Aufnahmen bleiben zumindest qualitativ weit unter dem Niveau aktuellerer Titel von Wadjet Eye Games. Übrigens wird wie gewohnt nur eine englische Sprachausgabe mit englischen Untertiteln geboten. Mit einer deutschen Fassung ist vorläufig nicht zu rechnen.
Trotz visuellem Upgrade sollte man sich von 'The Shivah - Kosher Edition' keine technischen Wunder erwarten. Das Besondere am Original war aber ohnehin immer schon die spielerische Ebene, sowie das unverbrauchte narrative Setting. Lange bevor Telltale mit Leben-oder-Tod-Entscheidungen zu Fesseln begann, gab es sie bei diesem Retro-Adventure bereits. Leider ist die eigentlich spannende Story mit zwei, drei Stunden auffällig kurz geraten und das Finale eilt überhastet herbei. Schade, dass dieses Remake nicht auch hier ansetzt. Immerhin geht 'The Shivah' aber deutlich mehr spielerische Wagnisse ein, als die meisten Genre-Konkurrenten und wer die Vorlage noch nicht kennt, kann getrost zuschlagen. Für alle anderen lohnt sich die Anschaffung wahrscheinlich nur bedingt.
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The Shivah: Kosher Edition
- Entwickler
- Wadjet Eye Games
- Publisher
- Wadjet Eye Games
- Release
- 21. November 2013
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.wadjeteyegames.com/games/the-shivah/
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4 Kommentare
Klar, dafür kostet's auch nicht die Welt, aber wenn Zeit/Mittel fehlen, um der Geschichte einen gescheiten Handlungsbogen zu verpassen, ändern da auch Preis und ansonsten gelungene Umsetzung nichts dran.
Zeitabschätzungen sind bei Adventures generell schwierig. Letztlich gehen die Werte hier üblicherweise weit auseinander. Bei 'Memoria' gab es z.B. Leute die in etwa 7,5 Stunden durchrauschten, während andere sogar die doppelte Zeit benötigten. Wem der spielerische Ansatz von Wadjet Eye Games sehr gelegen kommt, der kann so gesehen sicherlich deutlich schneller sein und mit einer Stunde zählst du definitiv zu den Flottesten
Mit etwas mehr "Mitte" wäre das ein Superadventure gewesen, denn alles andere hat meiner Meinung nach gut gepasst so.