Im Jahr 1993 veröffentlichte der Publisher Merit Software das einzige Spiel des texanischen Entwicklerteams Castleworks Gameware: 'Kronolog - The Nazi Paradox', das in Europa auch in angepasster Form als 'Red Hell' erschien. Die Handlung ist in beiden Spielen sehr ähnlich und versetzt uns in das damals noch ferne Jahr 2020. Damit nicht genug, denn die Nazis haben den zweiten Weltkrieg gewonnen und herrschen jetzt auch über die USA und die Sowjetunion. Ansonsten zeigen sich Entwickler bei ihren Ideen für die Zukunft des Planeten überraschend treffsicher. Ob 'Kronolog' darüberhinaus ein lohnenswertes Adventure ist und welche Unterschiede es in der EU-Version gibt, erfahrt Ihr im Klassikertest.
Das Spiel startet mit einem Blick auf die Schlagzeilen der seit dem Krieg vergangenen Jahre und beginnt entsprechend im Jahr 1945, als Nazi-Deutschland eine Atombombe auf Boston abwirft und so die Stadt zerstört. Zuvor hatten sich Agenten des Dritten Reichs Zugang zu einer geheimen Erfindung verschafft: Einer Zeitmaschine. Damit erbeuteten sie die Pläne für die atomaren Waffen und waren so in der Lage, die Alliierten zu besiegen. Wenig später steht nahezu die gesamte ehemals freie Welt unter Hitlers Herrschaft. Einige Jahre später wird er jedoch für verrückt erklärt und von anderen Nazi-Größen ersetzt. Im Jahr 2020 schließlich tobt ein Krieg gegen Japan, das man für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich macht. Doch nicht nur von außen droht eine Gefahr: Eine Untergrundorganisation, die "Unknown" verübt immer wieder Anschläge gegen die Diktatur.
Nein, das ist nicht Donald Trump, sondern Mark Hoffmann, Held von Kronolog.In dieser turbolenten Zeit wird Mark Hoffmann in das Hauptquartier der Nordamerikanischen Demokratischen Allianz, kurz NADA gerufen. Es liegt im ehemaligen Capitol und beherbergt die bürokratische Führungsriege für die amerikanischen Bezirke des Nazi-Reiches. Hoffmann ist Gründer und Chef der Envirotek, einem Unternehmen das sich dem biologischen Umweltschutz verscheieben hat und unter anderem Bakterien entwickelte, die Umweltgifte auflösen können. Hoffmann gehört somit zu den angesehensten Persönlichkeiten und geht bei Entscheidungsträgern und Politikern ein und aus. Niemand ahnt, dass Hoffmann auch der Kopf von "Unknown" ist. Doch immer mehr der Untergrundkämpfer werden enttarnt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch Hoffmann selbst erwischen wird. Es liegt nun an uns Spielern, Mark Hoffmann bei dem Umsturz zu helfen.
Hoffmann Junior steht auf der Todesliste!Im NADA-Hauptquartier stolpert Hoffmann über ein Fax mit dem Foto seines Sohnes darauf. Dieser wurde als Mitglied von "Unknown" enttarnt und schwebt nun in Lebensgefahr - Der Abschussbefehl ist schon erteilt. Vater Hoffmann ist erstaunt und entsetzt zugleich, schließlich wusste er selbst nichts davon, dass sein Sohn sich seiner Terrororganisation angeschlossen hatte. Da diese nur in kleinen Zellen operiert, kennt jedes Mitglied nur wenige andere. Nun drängt die Zeit noch mehr, denn es gilt auch Hoffmann Junior zu retten.
... mit aktuellen Problemen und Errungenschaften
Hoffmann Envirotec hat sich dem Umweltschutz verschriebenIn der 'Kronolog'-Version von 2020 ist die Umwelt nahezu zerstört. Das Nazi-Regime hat den Planeten ohne Rücksicht auf Verluste ausgebeutet und alles auf Kriegsproduktion getrimmt. So wirken einige Technologien wie fliegende Autos zwar sehr fortschrittlich, mit inzwischen giftiger Atemluft, verseuchtem Wasser und chronischer Nahrungsmittelknappheit wurden diese Entwicklungen aber teuer erkauft. Die globale Erwärmung hat Rekordwerte erreicht und sorgt für andauernde und vernichtende Unwetter. Erst kürzlich sorgte ein Tropensturm vor der Küste Alaskas für zerstörte Ölförderplattformen. Als Folge verendeten nahezu alle Fische und Meeresvögel in der Ölpest. Die Regierung feiert dennoch: Die toten Tiere werden nun zu Protein-Konzentrat verarbeitet und dienen so der Ernährung der Gesellschaft. Parallel dazu werden die Meinungen vorgeschrieben, Kritiker der Machtelite verschwinden ebenso schnell wie Umweltaktivisten. Und natürlich hat sich die Regierung auch einen Schuldigen ausgesucht: Japan. Das demokratische und freie Land ist dem Nazi-Reich ein Dorn im Auge. Entsprechend wird den eigenen Untertanen eingetrichtert, dass die Japaner die Umwelt zerstören, das Klima absichtlich aufheizen und auch sonst nur "Fake-News" verbreiten würden. Schließlich weiß nur die Dikatorische Regierung des Nazi-Reichs, was gut für die Menschen ist und feiert gleichzeitig neue Produktionsrekorde auf Kosten der Umwelt. Schließlich müssen Waffen für den Krieg gegen Japan gebaut werden.
Treffsicher zeigen sich Erfindungen wie ein PDA, der mit dem Internet verbunden ist und über den die Einwohner mit durch die Regierung gefilterten Nachrichten sowie Mails versorgt werden. In einer der Nachrichtenmeldungen wundert sich die Regierung über den Trend von Jugendlichen, die im Jahr 2020 mit zerissenen Jeans herumlaufen und das als den neuesten Modeschrei feiern. Es soll eine Untersuchung eingeleitet werden, ob solch Modebewusstsein auf eine Geisteskrankheit schließen lässt...
Eine Reise durch die USA und die Zeit
Ein Schamane erklärt uns die HintergründeHoffmann-Senior erfährt auch bald den Grund hinter dem Engagement seines Sohnes. Dieser hat sich in eine Nachfahrin der Lakona-Indianer verliebt und ihrem Stamm wurden seinerzeit Kristalle entwendet, mit denen die Zeitmaschine betrieben wird. Zudem leidet ihr Stamm unter den Entwicklungen, denn die Regierung hat entschieden, dass sich der gesamte Bundesstaat New-Mexico in dem unter anderem die Lakona leben hervorragend als Sondermüll-Deponie eignet. Und so reisen wir auf geheimen Wegen zunächst ins Labor der NADA, nach Los Alamos und schließlich zurück in das Jahr zu dem die Nazis sich der Zeitmaschine bemächtigen.
Sackgassen und Tode
Wenn Hoffmann einen Eimer nehmen soll, kann das auch schon mal in einer Sackgasse enden.Zum Spielen von 'Kronolog' gehört eine ordentliche Portion Frustresistenz dazu. Wohl nur selten gibt es in einem Spiel so viele unnötige Tode und Sackgassen. Begonnen damit, dass man gleich im ersten Screen einen sehr gut versteckten Lappen einsammeln muss, ohne den man kurz vor dem Ende zwangsläufig scheitern wird, erwarten uns in nahezu jedem Spielabschnitt vergleichbare Fallen. Erschwert wird das durch das begrenzte Inventar, in dem nur 12 Gegenstände Platz finden. Aufräumen ist sehr leicht, ein Papierkorb-Icon findet sich direkt neben den Objekten und so können wir jeden einzelnen Gegenstand wegwerfen. Das Spiel macht zwischen noch benötigten Gegenständen und wirklichem Müll keinen Unterschied. Den Papierkorb benötigen wir nicht nur, wenn das Inventar voll ist. Auch andere Gegenstände müssen wir pünktlich vernichten, damit wir nicht bei einer Kontrolle in Verdacht geraten und erschossen werden.
Das Inventar bleibt nicht lange so leerDas ist aber nur eine Art, wie Hoffman sterben kann. Für den angesehenen Wissenschaftler kann es auch tödlich sein, wenn er zu lange braucht um sich auszuweisen, zur falschen Zeit am falschen Ort ist oder tatsächlich eine mehr oder weniger dumme Aktion ausführen soll. Die verschiedenen Tode werden dann mit einem Textbildschirm erklärt. Blut fließt wenn überhaupt nur bei den Wiedersachern. Nach einem Tod startet das Spiel von vorn und wir dürfen anschließend einen Spielstand laden.
Die Lösungen der Rätsel sind zum Teil auch nicht nachvollziehbar. Die Zeitmaschine muss beispielsweise mit einem Code entschlüsselt werden, der auf einer Skatkarte notiert wurde. Warum nun aber ein Teil dieser Karte in einem Labor von Hoffmanns Gegner versteckt ist und der andere Teil in einem Bienenstock bei Los Alamos im Honig klebt, wissen wohl nur die Entwickler.
Hakelige Steuerung
Einer der vielen TodeFrustresistenz müssen Spieler auch bei der hakeligen Steuerung beweisen. Wir müssen den Spielcharakter in Reichweite der Zielobjekte manövrieren, damit wir damit interagieren können. Steht Hoffman auch nur einen Pixel zu weit weg, bekommen wir entweder einen Hinweis von ihm oder können bestimmte Aktionen nicht durchführen (wie z.B. eine Nahansicht). In der Tiefe stehen uns drei Ebenen zur Verfügung, die man per Mausklick über oder unter den Charakter erreichen kann. So muss Hoffmann auch um Objekte herumgelenkt werden, da er alleine den Weg nicht findet. Besonders bei den zeitkritischen Rätseln sorgt diese Steuerung für zusätzlichen Frust.
Im unteren Bildbereich finden wir vier Interaktionsicons, mit denen wir sprechen, laufen, betrachten oder benutzen dürfen. Das gewählte Icon wird markiert, der Cursor ändert sich nicht. Das gilt übrigens auch fürs Inventar, weswegen man beim Löschen aufpassen sollte. Mittig wird das aktive Inventarobjekt dargestellt, daneben können wir die Spieloptionen öffnen, ins Inventar schauen, unseren PDA betrachten oder eine allgemeine Beschreibung des aktuellen Ortes einholen.
Passable Technik
Auf diesem Screen haben wir die Hakenkreuze sichtbar entfernt. Sie stecken in wirklich jeder Ecke.Mit einer Bildschirmauflösung von 320x200 Bildpunkten zählt 'Kronolog' nicht zu den Grafikwundern seiner Zeit. Die Animationen sind sehr steif und auch für damalige Verhältnisse ruckelig. Einige der über 70 Locations sind wirklich hübsch ausgestaltet, andere fangen eher den grauen Beton- und Bürocharme ein, den man sich von einer Nazi-Diktatur vorstellt. Beachtlich ist die Sprachausgabe, denn alle Dialoge sind komplett vertont. Das war zur Entstehungszeit für ein Diskettenspiel alles andere als üblich. Optisch werden die Gespräche von gefilmten Schauspielern begleitet, was für die Zeit ebenfalls selten ist und den wenigen Figuren zusätzlich Charakter verleiht.
Kopierschutz
Für den Kopierschutz hat man sich etwas Besonderes einfallen lassen.Anfang der 1990er Jahre war es ein notwendiges und oftmals nerviges Übel, inzwischen ist es fast schon Kult: Der Kopierschutz. Auch 'Kronolog' hat ein ganz eigenes System in der Schachtel liegen: Einen NADA-Decoder in Wabenform, an dem fünf durchlöcherte Flügel hängen.
Diese kann man nach Angaben des Spiels zuklappen und findet dann neben durchnummerierten Löchern bestimmte Symbole. Eine witzige Idee, die gut in die Spielwelt passt. Der Erste Einsatz ist dann auch direkt eine Sicherheitsüberprüfung, der sich Hoffmann unterziehen muss. Ansonsten zeigt sich die Packung leider spärlich: Neben den 7 Disketten findet man lediglich die Handbücher darin.
Kronolog vs. Red Hell
In der EU-Version tritt die Sowjetunion an die Stelle der Nazis.Die Grafik von 'Kronolog' wimmelt nur so vor Hakenkreuzen. In wirklich jeder Monitor-Ecke findet sich ein entsprechendes Symbol, dazu natürlich auf den Flaggen oder Uniformen im Spiel. Unsere Screenshots haben wir entsprechend übermalt. Bei der Europäischen Fassung, die unter dem Namen 'Red Hell' veröffentlicht wurde, werden die Nazis durch Russen ersetzt. Entsprechend finden sich Hammer und Sichel auf den Flaggen und Uniformen und die Charaktere bekommen andere Namen. Aus Professor Hoffmann wird Professor Constantine, aus dem Gegenspieler Dr. Großmann wird Dr. Molotow und so weiter. An der Geschichte selbst ändert sich sonst nichts, die Lösungen funktionieren in beiden Fällen, selbst der Kopierschutz ist identisch. Allerdings kann man 'Red Hell' auch auf Deutsch spielen. Dafür wirkt die Geschichte noch etwas mehr an den Haaren herbeigezogen, denn die Sowjetunion gehörte ja auch in der Realität zu den Siegern im zweiten Weltkrieg.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
Sowohl 'Kronolog' als auch das EU-Pendant 'Red Hell' waren keine Kassenschlager, weitere Spiele des Entwicklers gab es nicht. Entsprechend teuer sind heutzutage die wenigen Exemplare. Bei eBay werden gut erhaltene Fassungen ab rund 100 € für 'Red Hell' gehandelt, 'Kronolog' ist sogar noch teurer. Eine andere legale Möglichkeit an das Spiel zu kommen, gibt es derzeit nicht. Wenn man es dann aber bekommen hat, laufen beide Spiele problemlos über den Emulator Dosbox.
Schon wegen seiner teils überraschend aktuellen und interessanten Welt ist 'Kronolog' einen Blick wert. Leider ist diese Welt dann aber auch schon der größte Trumph des Spiels. Punkten kann es ebenfalls mit der (für damalige Verhältnisse sehr guten) Sprachausgabe und teils schicken Grafik. Die Geschichte verhaspelt sich bald und wird dadurch schwer zu durchschauen. Dazu gesellt sich eine Steuerung mit unnötigem Frustpotential, noch unnötigere Sackgassen und unzählige Tode. Daher kann man ohne eine gute Komplettlösung nicht in der Lage sein, das Spiel in den ersten Durchgängen zu beenden. Man merkt dem Spiel einfach an, dass die Entwickler keine Erfahrung im Genre hatten. Für fast alle ist das Adventure auch der einzige Ausflug in eine Spielentwicklung.