Das schwedische Entwicklerstudio Gaming Corps wählte für sein Adventure 'The Descandant' ein postapokalyptisches Szenario: In vielleicht nicht all zu ferner Zukunft ist die Erde durch Klimawandel und Hungerkatastrophen beinahe vollständig zerstört. Um die verbleidenden Ressourcen entbrennt ein neuer Weltkrieg zwischen den stärksten Nationen, durch den allerdings der größte Teil der Menschheit ausgelöscht wird. Nur etwa 4000 Auserwählte überleben die Katastrophe in unterirdischen Bunkern. Hier werden sie mittels Kryotechnik konserviert, um den Planeten zu einem späteren Zeitpunkt wieder zu bevölkern. Sie sind die Nachfahren (descendants) der Menschheit. Jahrhunderte später, als sich der Planet von der Katastrophe zu erholen beginnt, werden die Bunker schließlich wieder geöffnet. Alle Bunker, bis auf „Ark-01“.

Hausmeister der besonderen Art
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In 'The Descendant' spielt man zwei unterschiedliche Figuren. |
Damit der Betrieb in den unterirdischen Bunkern reibungslos abläuft, gibt es Hausmeister. Bei Störungen werden sie vorzeitig aus ihrem Kälteschlaf geweckt, um nach dem Rechten zu sehen. In 'The Descendant' spielt man zwei von ihnen: Donnie und Mia. Donnie wird in der Gegenwart zur Ark-01 geschickt, um zu untersuchen, warum sich der Bunker nicht wie geplant geöffnet hat. Mia wiederum ist in der Vergangenheit für die Wartung des Bunkers verantwortlich. Das Spiel läuft also auf zwei Zeitebenen ab. Schlappe drei Jahre, nachdem der Kälteschlaf begonnen hat, wird Mia auch schon geweckt, weil sich erste Probleme ankündigen. Entscheidungen, die man im Spiel trifft, sollen das Schicksal von Ark-01 maßgeblich mitbestimmen.
Keine echten Neuerungen in Sicht
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Andere Charaktere erinnern sich daran, wie man mit ihnen umgeht. |
Wer Spiele des kalifornischen Entwicklers Telltale Games kennt, wird schnell mit 'The Descendant' vertraut sein, da die Anleihen sehr stark sind. Bei Dialogen hat man zum Beispiel nur eine gewisse Zeit, um eine aus mehreren Antwortmöglichkeiten auszuwählen, bevor das Spiel für einen entscheidet. Es wird sogar „Charakter XY will remember that“ angezeigt. Möchte man ein Ventil oder eine klemmende Tür öffnen, muss man wiederholt die E-Taste drücken. Der wesentliche Unterschied liegt in der Point-&-Click-Steuerung, die hier für etwas mehr Adventure-Feeling sorgt.
Am unteren linken Bildschirmrand wird ein kleines Inventar angezeigt. Gegenstände, die dort hineinwandern, werden meistens sofort wieder eingesetzt. Das Inventar lässt sich nicht aufrufen, sondern dient eher dem Verständnis, dass man auch wirklich gerade einen bestimmten Gegenstand eingesteckt hat. Spieler, die gerne Utensilien aufeinander anwenden, kommen also nicht auf ihre Kosten. Überhaupt kann man in der Spielumgebung kaum Objekte miteinander kombinieren, da einem die Arbeit vom Spiel abgenommen wird. Zu Beginn wird Donnie zum Beispiel der Weg durch eine Stahltür versperrt. Um sie zu öffnen, muss er einen Generator mit Benzin nachfüllen und eine verrostete Abdeckung aufbrechen, hinter der sich ein Schaltkreis befindet. Ein Benzinkanister und auch eine Brechstange sind schnell gefunden. Mit beiden Gegenständen kehrt Donnie zum Generator zurück. Es reicht nun, ein Mal auf den Generator zu klicken, dann wird der Benzinkanister automatisch aus dem Inventar entfernt und benutzt.
Solide Animationen, gelungene Vertonung
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Die Erscheinungsbilder sind ganz gut gelungen. |
Auch die Animationen sind an dieser Stelle sehr minimalistisch gehalten. Das Bild wechselt von einem still stehenden Generator zu einem, der plötzlich brummt und leicht vibriert. Man sieht also nicht, wie Donnie das Benzin einfüllt. Die Figuren sind wiederum ganz gut gelungen, auch wenn Gestik und Mimik manchmal nicht ganz so flüssig sind. Es ist verständlich, wenn gerade kleinere Studios nicht das Personal haben, um akribisch jede kleine Animation umzusetzen und daher schon mal den einfacheren Weg einschlagen und Animationen aussparen. So sehr fällt es dann auch nicht ins Gewicht, dass man nicht die volle Bandbreite zu sehen bekommt. Mehr stört da schon, dass dem Spieler wie oben erwähnt viele Aktionen einfach abgenommen werden. Gut gelungen ist hingegen die Sprachausgabe. Alle Figuren sind passend besetzt und auch an Betonung und Stimmlage gibt es nichts auszusetzen. Der Vollständigkeit halber sei jedoch darauf hingewiesen, dass es eine englische Sprachausgabe mit englischen und deutschen Untertiteln gibt.
Noch linearer als ein Buch
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Das Spiel hält auch einige klassische Puzzles bereit. |
Überhaupt ist das Gameplay sehr linear. Man muss zum Beispiel im Heizungskeller heißen Dampf abstellen, damit man den dahinter liegenden Korridor betreten kann. Den Dampf sieht man natürlich schon weitem, aber man kann nichts tun. Erst, wenn man dicht genug heran ist und das Spiel einem sagt, dass man den Dampf abstellen muss, werden die entsprechenden Interaktionspunkte freigeschaltet. Man kann also nicht im Vorbeigehen mit Gegenständen interagieren oder Objekte einsammeln, was zu einigem Hin- und Her führt. Des Öfteren müssen Maschinen repariert werden, wobei Ventile, Zahnräder oder Filter zum Einsatz kommen, die man in der Umgebung aufstöbern muss. Im Grunde genommen wird der Bildschirm wiederholt nach Hotspots abgesucht. Es gibt einige klassische Puzzles wie Kabel, die wieder richtig miteinander verbunden werden müssen, aber die Lösung ist stets sehr einfach. Freunde der Knobelei werden in Handumdrehen die Aufgaben lösen.
Anmerkung April 2020: das Spiel ist inzwischen komplett und die erste Episode u.a. kostenlos bei Steam spielbar.
Nachdem nun die erste Episode abgeschlossen ist, bleibt ein leicht schaler Geschmack zurück. Das Gameplay schränkt den Spieler durch seine starke Linearität sehr ein. Die Entwickler verlassen sich anscheinend auch sehr auf bewährte Telltale-Techniken und kombinieren diese mit einer Point-&-Click-Steuerung sowie einigen Puzzlen. Das Ergebnis reißt einen nicht gerade vom Hocker. Positiv anzumerken sind jedoch eine gelungene Sprachausgabe und eine gute Story. Die ist tatsächlich spannend und nimmt auch noch an Fahrt auf. Schade nur, dass die erste Episode bereits nach etwas über einer Stunde vorbei war. Trotz aller Kritik möchte ich gerne wissen, wie es weiter geht.
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The Descendant
- Entwickler
- Gaming Corps
- Publisher
- Microïds
- Release
- Episodisch: 24.03.16
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://descendantgame.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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