Ob 'Harry Potter', 'Die Chroniken von Narnia' oder die Realverfilmung des letzten Einhorns - Fantasy und "Zauberlehrlingsgeschichten" sind momentan schwer in Mode. Nur logisch eigentlich, dass sich die französischen Entwickler der Wicked Studios diesem Trend angeschlossen und mit 'Keepsake' nun ein Adventure auf den Markt gebracht haben, das sich thematisch eben genau an diesen großen und umsätzträchtigen Vorbildern orientiert. Ob es mit diesen Vorbildern mithalten kann, ob es nur ein lahmer Abklatsch oder doch ein einfallsreiches und nett erzähltes Adventure ist, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.

Lydia die Zauberschülerin
Erzählt wird die Geschichte von Lydia, eine angehende Zauberschülerin, die sich auf Nichts mehr freut, als sich vor Beginn ihres ersten Tages an der Zaubererakademie Dragonvale mit ihrer besten Kindheitsfreundin Celelste zu treffen. Dass diese die Tochter des Direktors ist, ist natürlich reiner Zufall. Natürlich läuft nicht alles (oder auch nichts) so, wie Lydia es sich vorgestellt und erträumt hatte, denn nicht nur Celeste ist nicht da um sie zu empfangen, sondern scheinbar findet sich in ganz Dragonvale keine einzige Menschenseele.
Und tatsächlich, außer einem sprechenden Wolf und einem fahrenden Händler trifft Lydia auch während des gesamten Spiels keinen einzigen weiteren NPC. Dass nebenher eine herzzerreißende Familiengeschichte in Rückblenden, die Lydia als Visionen erlebt, erzählt wird, bleibt im Hintergrund. Auch der sprechende Wolf hat seine eigene Geschichte zu erzählen und die ist nicht nur klischeebehaftet, sondern auch in erster Linie albern. Der arme, häßliche von seinen Mitschülern gehänselte Junge, der es nicht einmal fertig bringt, einen Verwandlungstrank richtig zu brauen und sich statt in einen Drachen in einen Wolf verwandelt, aber zufälligerweise der einzige Nachkomme der Gründer der Akademie ist... Nicht mehr dazu, gespoilert wurde an dieser Stelle schon genug.
Klick me, Baby!
'Keepsake' ist ein klassiches Adventure mit Point&Click-Interface und 3D-Charakteren vor vorgerenderten Hintergründen, das Spielprinzip erinnert mehr an Spiele wie 'Myst' oder andere Ego-Adventures, die sich an dem "Lonesome Cowboy"-Prinzip orientieren und den Spieler komplett allein, oder wie in Lydias Fall, mit einem mehr oder weniger nervigen Sidekick auszustatten, und sie auf Erkundungstour zu schicken. Das Rätseldesign resultiert im Grunde genommen aus dem Spielprinzip, mangels Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Charakteren bleiben nicht viel mehr als Maschinen und klassische Knobelrätsel, wie z.B. das Labyrinth des Minotaurus'. Dass sich dieses Design ohne Abwechslungsmöglichkeiten durch den kompletten Spielverlauft zieht, macht das ganze nicht zwingend spannender oder spaßiger. Nicht, dass das Training der grauen Zellen minder wichtig oder spannend ist und Knobeleien nicht auch Spaß machen, aber in der Anhäufung und ohne ein entsprechendes Drumherum wird es schnell langweilig. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel ist denn auch eher im oberen Bereich der Skala einzuordnen, jedoch haben sich die Wicked Studios an dieser Stelle eine nette kleine Hilfefunktion einfallen lassen, die dem Spieler nicht nur weiterhilft, wenn es partout nicht mehr geht, sondern ihm - falls gewünscht - auch gleich das ganze Rätsel löst. Wer also besonders gegen Ende den Mut verloren hat, auf das hart verdiente Ende jedoch nicht verzichten möchte, der kann sich die Knobeleien auch automatisch lösen lassen. Zunächst gibt es immer nur kleine Hinweise, die jedoch immer eindeutiger werden, bis sie schließlich die Lösung des Rätsels voll animiert ausführen. An sich ein wirklich nettes Gimmick, man sollte sich jedoch nicht verleiten lassen, sich die Rätsel generell lösen zu lassen, denn abgesehen davon bleibt von 'Keepsake' nur noch der blanke Knochen... und das ist nicht viel.
Zauberhafte Grafik?
Wie so oft lässt sich eigentlich zu der Grafik des Spiels kein eindeutiges Urteil fällen, denn hier wechseln sich zum einen sehr detailliert gestaltete, wirklich tolle Hintergründe, mit einem ziemlich mangelhaften Charakterdesign ab. Besonders an den Animationen haben die Jungs der Wicked Studios richtig gespart. Klar, dass in einer verlassenen Akademie nicht viele Studenten und NPCs zu finden sind und es auch leer wirken soll. Klar auch, dass eine Schule für so viele Studenten entsprechend groß sein muss, allein der Logik wegen. Aber ein besonders interessantes "Map-Design" und ein besonders ansprechender Hintergrund ist das natürlich nicht. Auch die Perspektive in den einzelnen 2.5D-Räumen ist ausgesprochen unglücklich, so dass Ausgänge beispielsweise nicht erkannt werden und das Spiel unglaublich unübersichtlich werden wird, was natürlich wieder durch die schiere Größe der Location nur noch verschlimmert wird. Dass die Kamera teils dynamisch mitschwenkt, leider nur innerhalb eines Raums, ist wiederum ein großes Plus und weist im Grunde genommen auf eine Menge ungenutztes Potential hin. Also wie immer im Sinne von: Hätten die Entwickler mehr Zeit gehabt, hätte sich hier Vieles noch erheblich weiter entwickeln lassen. Auch die Maschinenanimationen, z.B. eine Art Blasebalg, oder auch ein großer Fischteich voller kleiner sich bewegender Fische, implizieren hier eine Menge ungenutztes Potential und bilden somit einen so krassen Gegensatz zum einen zu den unübersichtlichen, toten Szenerien, als auch zu den Charakteren. Auch wenn das Konzept hier vielleicht sehr schön und detailliert gewirkt haben mag, so ist doch die Umsetzung in die 3D-Figur nicht gelungen: Bei keinem Charakter, weder Lydia, noch einer der wenigen anderen Charaktere sind wirklich was für's Auge. Dass besonders Protagonistin Lydia läuft, als habe sie zum Frühstück einen Besen verschluckt, ist beinahe noch erträglich im Vergleich zu den Animatinen von Sidekick Zakk. Sicherlich ist ein Tier, in diesem Fall ein Wolf, schwieriger zu animieren, vor allem mit Hinblick auf das Zusammespiel einzelner Bewegungen und so weiter. Doch auch hier wird deutlich: In den Ansätzen ist zumindest die Fähigkeit, auch so etwas komplexes wie ein lebendiges Tier zu animieren, durchaus vorhanden. Was sich bei 'Keepsake' jedoch deutlich abzeichnet ist hier erneut eine Unausgegorenheit, die viel vom Spielerlebnis nimmt. Ebenso das vollkommene Fehlen von Animationen in den Cut-Scenes, wenn z.B. ein Charakter angesichts einens schweren Schicksalsschlages trotzdem keine Miene verzieht ist das ausgesprochen schlecht gelöst. Besonders im Hinblick auf die andererseits wiederals Highlights zu bezeichnenden, perfekten Maschinenanimationen. Schade, schade, dass man sich hier die entsprechende Zeit nicht genommen hat.
Auf verlorenem Posten
Apropos unausgegoren... Nicht nur an der Grafik lässt sich erkennen, dass hier wahrscheinlich erneut ein Produkt ins kalte Wasser geworfen wurde, bevor ihm jemand wirklich gezeigt hat, wie man schwimmt. Zwar finden sich hier keine großen, technischen Mängel, laufen tut 'Keepsake' einwandfrei, auch Minimieren und Multitasking sind gar kein Thema, aber es sind viele Kleinigkeiten, die sich zu einem permanenten Störfaktor aufaddieren. Permanente Clippingfehler, wo Charaktere teilweise in Wänden oder im Fußboden verschwinden oder durcheinander hindurch clippen, eine schwer regelbare Lautstärke, bei der teilweise die Dialoge extrem laut und die Umgebungsgeräusche extrem leise sind oder sich das ganze plötzlich umkehrt und einem schier die Ohren zum Bluten bringt. Auch unangenehm aufgefallen sind Übersetzungsfehler (oder sehr, sehr einfache Übersetzungen), unpassende und schlecht integrierte Untertitel. Auch die Tatsache, dass sich Dialoge zwar abbrechen lassen, die Animationen dennoch weiter gehen und man dennoch die volle Länge eines Gesprächs hinter sich bringen muss, sind bestenfalls nervig und unterstreichen nur den Gesamteindruck. Schließlich sind es vor allem Kleinigkeiten, die einem findigen Betatester hätten auffallen müssen und die nicht so schwerwiegend sind, dass man sie nicht hätte beheben können, ohne das ganze Spiel neu aufrollen zu müssen.
Auf die Ohren
Wie von Publisher Frogster versprochen hat man sich am Markt orientiert und 'Keepsake' mit eine wirklich ausgesprochen guten Synchro versorgt. Professionelle Sprecher, die einen guten Job dabei machen, die schweren Emotionen, die der kleinen Geschichte ihre Tiefe verleihen, entsprechend darzustellen. Es klingt zwar im Ganzen mehr nach Provinztheater als Hollywood, aber das ist absolut gut gelungen. Auch die Umgebungsgeräusche und der klassisch, entsprechend fantastisch gehaltene Soundtrack sind absolut angepasst an die jeweiligen Szenerien und schaffen eine tolle Atmosphäre, die sich anders als fantastisch nicht bezeichnen lässt. Getrübt wird dies zum einen durch schlechte Aussteuerung und Abmischung (wie bereits oben erwähnt), als auch durch schreckliche Soundeffekte. Das Knarren einer Tür oder das Schnüffeln von Sidekick Zakk sind zum Beispiel wirklich, wirklich richtig daneben (Tipp: nicht mit Headset spielen). In Kombination mit der schicken Aufklappbox auf deren Innenseite sich der ursprüngliche Brief von Celeste an Lydia wiederfindet, wurde 'Keepsake' also von Publisher Frogster mit einem netten Paket für Deutschland ausgestattet.
Als Adventurespieler ist man ja dieser Tage wirklich einigen Kummer gewöhnt: Man hat gelernt auf atemberaubende Grafik zu verzichten, wie sie die Shooter-Fans alle Nase lang immer wieder vorgelegt bekommen. Angesichts schöner Grafik verzichten wir auch mit Tränen der Schmerzen in den Augen auf eine angenehme, sinnvolle Steuerung, und so lässt sich die Liste endlos weiter führen. Aber zwei Dinge sind uns Adventurespielern heilig: Story und Rätsel! Wir spielen gerne alte Spiele mit gräßlichen krebserregenden Pixelgrafiken, wenn wir eine spannende Geschichte erzählt bekommen und jede Menge gut eingebundene, abwechslungsreiche Rätsel lösen dürfen. Und 'Keepsake'... nun, krebserregend ist die Grafik natürlich nicht, wirklich schön anzusehen... vielleicht, aber der totale Hammer ist sie bei Weitem nicht. Die Steuerung: lauft, klassich und gut. Das Audio-Erlebnis, auf das unsere verwöhnten Ohren auch nur ungern verzichten: hat Schwächen, aber keine allzu schwerwiegenden, die einem die Ohren bluten ließen. Rätsel und Story: Sind da... Man kann 'Keepsake' nicht abstreiten, dass eine sehr emotionale und wirklich nette Geschichte erzählt wird, andererseits geht sie angesichts der Spiellänge absolut unter und die meiste Zeit rennt man von A nach B um dort irgendein Maschinenrätsel zu lösen ohne wirklich einen tieferen Sinn dahinter zu entdecken. Und gleich zwei Rätsel nach Art des "Labyrinth des Minotaurus" sind einfach nur lahm. Sicherlich gibt es auch Rezensenten, denen so etwas Spaß macht - mir nicht. Knobeln gerne, aber nicht vollkommen zusammenhangslos eine Knobelei nach der Anderen, so dass man das Gefühl hat, man erledigt Bandarbeit. Dementsprechend meine Empfehlung: Wer Knobeleien und "Einsame Wolf"-Geschichten mag sollte auf jeden Fall zugreifen, denn er wird auf jeden Fall mit um die 20 Stunden Spielspaß belohnt. Wer lieber storybasierte Adventures mit storybasierten Rätseln haben möchte, möge sich nach etwas Anderem umgucken.
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Keepsake
- Entwickler
- Wicked Studios
- Publisher
- Frogster Interactive
- Release
- 2005
- Spielzeit
- 20 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.keepsake-game.de
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Keepsake bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
3 Kommentare
schade, es sah nach einem potentiell guten spiel aus (und das wird ihm ja auch von pippo bescheinigt).
allerdings finde ich dann eine bewertung von 74% irgendwie unpassend. das ist ja schon fast im oberern viertel...
Ulrika hat den Test geschrieben.
sorry ulrika