'Encodya' ist der Name eines klassischen Point&Click-Adventures von Chaosmonger Studio und wird am PC von Assemble Entertainment vertrieben. Das estnische Entwicklerteam hat 2019 mit der Entwicklung begonnen und zuvor recht unterschiedliche Videos produziert. Im ersten interaktiven Spiel bekommen wir es nun mit einem dystopischen Cyberpunk-Setting zu tun, wo ein korrupter Bürgermeister sich mit einem schlagfertigen Waisenmädchen anlegt. Ob und für wen sich das Abenteuer lohnen könnte, das verraten wir Euch im Review.
![Encodya - Review Encodya - Review](https://www.adventurecorner.de/_thumbs/images/EncodyaScreens/encodya-screenshot-6_w1110.jpg)
Neo Berlin 2062
Tina, ein neunjähriges Waisenkind, schlägt sich in Neo Berlin ohne Eltern durchs Leben. Ihre Mutter lebt nicht mehr und von ihrem Vater gibt es seit Jahren kein Lebenszeichen. Den Luxus einer Wohnung mit vier Wänden hat sie schon lange nicht mehr. Stattdessen lebt sie in diversen provisorischen Dachunterkünften und muss sich irgendwie vor Kälte und Regen schützen. Hin und wieder findet sie in Mülleimern Nahrung und andere praktische Gegenstände.
![Tina muss ohne Eltern auskommen, Roboter SAM-53 hilft ihr dabei Tina muss ohne Eltern auskommen, Roboter SAM-53 hilft ihr dabei](https://www.adventurecorner.de/_thumbs/images/EncodyaScreens/20210122172343-1_w320.jpg)
Neo Berlin ist zweifellos kein gutes Pflaster für Kinder. Die Stadt wird nur mehr von Konzernen gesteuert und Bürgermeister Rumpf denkt auch nur an sein eigenes Wohl. Immer mehr Bewohner verlieren sich lieber in einer virtuellen Welt als sich der tristen Realität zu stellen. Angesichts der immer breiter werdenden Ignoranz ist es umso verwunderlicher, dass die Polizei eines Tages auf der Suche nach Tina ist. Allerdings nicht, um sie von der Straße zu holen. Vielmehr hat das plötzliche Interesse mit einer geheimnisvollen Botschaft an Tina zu tun, die den Plänen des Bürgermeisters einen kräftigen Strich durch die Rechnung machen könnte. Warum das so ist, und welche Rolle Encodya dabei spielt, das wollen wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen.
Interessantes Setup...
Grundsätzlich wirkt das Cyberpunk-Setting unverbraucht und man kann sich in die schwierige Situation der jungen Hauptfigur gut hineinversetzen. Roboterbeschützer SAM-53 ist sympathisch und auch er ist jederzeit steuerbar. Für manche Aufgaben ist Tina eher geeignet (z.B. auch bei NPCs, die etwas gegen intelligente Maschinen haben, oder bei Aktivitäten, die eventuell... nun ja... nicht ganz legal sind), für andere wechselt man besser zum Roboter (der u.a. schwere Objekte eher tragen kann und sich mit technischen Begriffen deutlich besser auskennt).
![Der Bösewicht bedient die typischen Klischees und ist erstaunlich eindimensional Der Bösewicht bedient die typischen Klischees und ist erstaunlich eindimensional](https://www.adventurecorner.de/_thumbs/images/EncodyaScreens/20210125162623-1_w320.jpg)
Die Story stößt sich mitunter leider am umständlichen Gamedesign und den manchmal zu übertrieben überzeichneten Nebenfiguren. Der Drahtseilakt zwischen Comedy und Drama geht manchmal auf Kosten der Immersion. Beispielsweise ist es doch ein wenig irritierend, dass der Bürgermeister von Neo Berlin mit einem sonderbaren französisch klingenden Dialekt spricht und wie die Karikatur eines Klischee-Bösewichts agiert. Gerade beim Gegenspieler hätte ich mir mehr Tiefe erhofft. Die vielen Botengänge und Hotspot-Suchereien tun dem Storytelling ebenso wenig gut. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Botengänge und Hotspot-Suchereien
'Encodya' orientiert sich spielerisch und von der Tonalität her u.a. an den alten LucasArts-Klassikern. Gerade beim Rätseldesign kann es den Vorbildern aber selten das Wasser reichen. Meist beruht die Schwierigkeit lediglich darin, sämtliche Objekte zu finden, was mitunter mühsam ist. Wer den leichten Schwierigkeitsgrad wählt, der kann die zähe Suche immerhin per Hotspot-Anzeige abkürzen. Wer es auf die harte Tour braucht, der muss ohne solche Hilfestellungen auskommen. Das ist freilich der einzige nennenswerte Unterschied zwischen den beiden Modi.
![Zwar gibt es viele NPCs, doch die bleiben selten in Erinnerung Zwar gibt es viele NPCs, doch die bleiben selten in Erinnerung](https://www.adventurecorner.de/_thumbs/images/EncodyaScreens/20210122145518-1_w320.jpg)
Oder Tina soll im denkbar ungünstigsten Moment die Umgebung nach mehreren Beeren absuchen (was an Pixelhunting grenzt). Wenn man auf mehreren Schauplätzen Steine im Hintergrund sieht, die keine Hotspots sind und irgendwo dazwischen ist ein Stein plötzlich doch ein Hotspot, dann ist das etwas lästig. Nebenbei gibt es nur teilweise eine Karte zum Abkürzen der Laufwege, was ebenfalls in zähes Herumgelaufe ausarten kann, v.a. wenn man einmal einen Hotspot übersieht. Im letzten Drittel tritt gerade diese Problematik gehäuft auf.
Im Einzelfall kann man solche Momente als witzige Anspielung aufs Genre gelten, wenn das jedoch zu gehäuft vorkommt und zwischendurch die Komplexität fehlt, tun sich die Entwickler für meinen Geschmack keinen Gefallen damit. Auch bei den Nebencharakteren wird viel verschenkt. Die sind überwiegend nur dazu da, um Tina etwas zu geben. Ehe sie ansatzweise interessant werden, verschwinden sie wieder von der Bildfläche.
Grafisch sehr ordentlich
Bei der 2.5D-Comic-Grafik hat Chaosmonger Studio prima Arbeit geleistet. Die Schauplätze sind detailliert und lebhaft gelungen. Der markante Artstyle ist stimmig. Zahlreiche Passanten spazieren vorbei (der eine oder andere wird Euch vielleicht bekannt vorkommen) und selbst Tageszeit und Wetter bleiben nicht immer gleich (diese Veränderungen sind jedoch nur an die Story gekoppelt).
![Schwierigkeitsgrade in Adventures haben sich nie wirklich durchsetzen können. Encodya zeigt warum. Schwierigkeitsgrade in Adventures haben sich nie wirklich durchsetzen können. Encodya zeigt warum.](https://www.adventurecorner.de/_thumbs/images/EncodyaScreens/20210122003453-1_w320.jpg)
Ähnlich nett ist die nette elektronische Musik, die recht gut zum Cyberpunk-Thema passt. Im Hinblick auf die englische Sprachausgabe wechselt das Niveau aber – die wichtigen Charaktere wurden in der Regel solide vertont (abgesehen vom sonderbar klingenden Bösewicht), bei den Nebenfiguren gibt es wiederum kleine Aussetzer. An den deutschen Untertiteln gibt es nichts auszusetzen. Wenig Grund zur Klage bietet zuletzt auch die typische Point&Click-Steuerung (per Maus). Gestört hat uns hier lediglich, dass die Ausgänge manchmal leicht zu übersehen sind.
Optisch ist 'Encodya' richtig charmant gelungen, die junge Hauptfigur hat eine interessante Vorgeschichte und das Setting ist für Point&Click-Adventures noch relativ unverbraucht. Leider hat mich das Gamedesign in Summe nicht überzeugt. Für mich sind es einfach zu viele Botengänge und lästige Hotspot-Suchereien. Echtes Nachdenken kommt dabei zu kurz.
Klar, auf leichter Stufe fallen die Macken weniger dramatisch ins Gewicht. Trotzdem wurde selbst die Story nicht überzeugend genug umgesetzt, um über spielerische Macken hinwegzusehen. Gegen Ende wirkt die Geschichte immer beliebiger und das Ende ist doch etwas zu bequem geraten.
'Encodya' hat zweifellos vielversprechende Ansätze, aber es ist in dieser Form nicht ausgereift. Dennoch wird passable Kost für Zwischendurch geboten und Genre-Fans können bei Interesse einen Blick riskieren.
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Encodya: Robot will protect you
- Entwickler
- Chaosmonger Studio
- Publisher
- Assemble Entertainment
- Release
- 26. Januar 2021
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Sprachen
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- Stichwörter
- Encodya im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
1 Kommentar
Inzwischen liefert ein kleiner Titel aus Spanien ein frühes Highlight.
Das Genre ist noch immer für Überraschungen gut.
Schade, dass Encodya so dermaßen altbackenes und schwaches Rätseldesign hat