Für sein erstes Fantasy-Rollenspiel gründete der polnische Publisher CD Projekt extra sein eigenes Entwicklerstudio, CD Projekt RED. Vier Jahre war besagtes Spiel dann in der Mache, bis es CD Projekt und Atari mit vereinten Kräften endlich im Jahr 2007 auf den Markt brachten. Mit Geralt von Riva schickten sie einen eher untypischen Helden ins Rennen: Weiße Haare, Reptilienaugen und Narben im Gesicht, eine Schönheit ist der 'Witcher' sicher nicht. Wieso er dennoch jede Frau herumkriegt, bleibt wohl Hexergeheimnis. Die Hauptfigur, die auf den Büchern des polnischen Autors Andrzej Sapkowski basiert, verdient sich sein tägliches Brot damit, Ungeheuer zu töten. Dabei durchstreift sie eine raue und verkommene Welt für Erwachsene. In 'The Witcher' wird geflucht, gelogen, gevögelt und natürlich viel gekämpft. Nach einiger Kritik an der ersten Version lieferten uns die Entwickler mit der 'Enhanced Edition' eine Neuauflage, die sich sehen lassen kann.

In der Hexerfestung geht es hoch her
Das Spiel beginnt mit einem grandiosen Intro. Eine mittelalterliche Burg am Wasser, das in der untergehenden Sonne glitzert, erscheint. Dazu erklingt das Voice-Over eines Erzählers, der vom Hexer Geralt von Riva berichtet, einem professionellen Ungeheuertöter. Kurze Zeit später wird klar, dass Geralt sein Handwerk gelernt hat: Ein filmreifes Intro schildet den langen, spektakulären Kampf zwischen Geralt und einer Striege, einer Frau, die durch einen Fluch in ein Monster verwandelt wurde. Einen Schnitt und einen Zeitsprung später läuft Geralt verwundet im strömenden Regen über ein Feld, bis Freunde ihn aufgabeln und zur Festung Kaer Mohen bringen, dem Ort, an dem alle Hexer ausgebildet werden. Dumm nur, dass sich Geralt an überhaupt nichts erinnern kann. Viel Zeit, um sein Gedächtnis aufzufrischen, bleibt ihm auch nicht. Kaum, dass er sich von seinen Verletzungen erholt hat, wird Kaer Mohen angegriffen. Die Angreifer nennen sich „Salamandra“ und werden vom dubiosen „Professor“ und dem Magier Azar Javed angeführt, die es aufs Labor der Festung abgesehen hat. Denn hier lagern Geheimnisse über Mutagene, die den Hexern erst ihre Kraft und Fähigkeiten geben. Kein Wunder also, dass die wenigen Hexer, die noch auf Kaer Mohen leben, mächtig verstimmt sind, als es dem Professor gelingt, mit diesen wertvollen Informationen das Weite zu suchen. Sie zerschlagen sich und Geralt zieht in den Süden des Landes in die Hauptstadt Wyzima, um dort Nachforschungen über die Salamandra und ihre Anführer anzustellen. Dabei gerät er immer wieder zwischen die Fronten der Scoia’tel, einer Rebellengruppe von Elfen und Zwergen, die gegen wachsende Diskriminierung ankämpfen, und dem Orden der Flammenrose, einer Ritterorganisation, der dem Schutz der Menschen dient.
Geralts Welt
Die Welt der Hexer ist düster. Lug und Trug prägen das tägliche Bild und Minderheiten wie Elfe, Zwerge und natürlich Hexer werden zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Geralt ist nicht der typische Rollenspielheld mit moralischen Wertvorstellungen, sondern ein Zyniker. Als er bei einem Empfang mit lauter wichtigen Persönlichkeiten gefragt wird, wie es ihm gefällt, entgegnet er zum Beispiel: „Vorzüglich. Nicht genügend Essen, kein Sitzplatz und überall leeres Gefasel.“ So stapft er von Kapitel zu Kapitel, während sich eine vielschichtige Geschichte mit interessanten Wendungen vor dem Spieler entfaltet. Dabei sind Entscheidungen immer wieder ein wichtiges Spielprinzip. Stellt sich Geralt zum Beispiel auf die Seite der Hexe, die von einem wütenden Mob Dorfbewohner gelyncht werden soll, oder hilft er lieber den Dörflern, der Hexe ihrem Schicksal zuzuführen? Nicht immer fallen die Entscheidungen leicht. Während die Dörfler an Kindesentführung, Vergewaltigung und Mord beteiligt sind, hat die Hexe gegen Bezahlung Tränke gebraut, die ihnen bei ihren Taten geholfen haben. Niemand ist also wirklich unschuldig. Die wahren Ungeheuer zu erkennen ist nicht immer einfach und ein Thema, das wiederholt im Spiel eingesetzt wird. Oft bleibt ein bitterer Nachgeschmack, denn man hat nur die Wahl zwischen dem kleineren von zwei Übeln. Aber gerade macht das Spiel so interessant.Ein großer Pluspunkt ist außerdem das bunte Treiben in Wyzima und im Umland. Bürger gehen ihrem Tagesablauf nach oder stellen sich unter, sobald es zu regnen beginnt, und lästern darüber, dass die Wäsche der Nachbarin nass wird. Obwohl die Hauptstadt flächenmäßig nicht besonders groß ist, ist es daher trotzdem ein Vergnügen, durch die Gassen zu huschen. Die mittelalterlichen Häuser wirken, also ob sie mit viel Mühe recherchiert worden sind. In Minispielen kann sich Geralt ein paar Groschen, Verzeihung, Orens hinzuverdienen und versuchen, seine Gegner im Faustkampf oder beim Würfelspiel zu besiegen. Auch die Umgebung ist abwechslungsreich und mit Liebe zum Detail gestaltet worden: Vögel fliegen hoch, wenn Geralt in sie hineinläuft, und Frösche springen quakend durch das sumpfige Gras. Wer sich allerdings auf eine offene und frei erkundbare Welt freut, wird enttäuscht. Geralts Weg ist im wahrsten Sinne des Wortes vorgegeben. Da kann es schon mal passieren, dass ein Strauch zum unüberwindbaren Hindernis für den ansonsten tapferen Monsterjäger wird. Neue Locations müssen auch neu geladen werden. Geralt kann also vom Sumpf aus die Höhle nicht ohne Ladebildschirm betreten. Die ursprünglich langen Ladezeiten fallen in der Enhanced Edition zum Glück deutlich kürzer aus. Alles in allem ist die Gestaltung der Welt mit all ihrer Verkommenheit eine runde Sache.
Auf in den Kampf
Rund ist auch der Talentbaum. Genauer gesagt halbkreisförmig. Attribute, Magie und Schwertkampf sind hier untereinander angeordnet. Jedes dieser Menüs beinhaltet ein Untermenü mit Fertigkeiten zum Freischalten. „Kräuterkunde“ kann Geralt z. B. nur ab einer bestimmten Intelligenzstufe erlernen. Die einzelnen Talente sind dann noch mal in die verschiedenen Klassen Bronze, Silber und Gold unterteilt. Zu Beginn gibt es beim Levelaufstieg nur bronzene Talentpunkte, später kommen Silber- und Goldtalente hinzu. Zu beachten ist allerdings, dass die Anzahl an Talenten begrenzt ist und man nicht alle Aufwertungen abstauben kann. Der Charakteraufbau sollte daher ein wenig geplant werden.Im Kampf stehen dem Hexer zwei unterschiedliche Schwerter zur Verfügung: Ein Stahlschwert, das bei Menschen zum Einsatz kommt, Ungeheuer jedoch nicht verletzen kann, und ein Hexerschwert, mit dem Geralt die Reihen der Ghule, Vampire und Co. dezimiert. Dabei kann sich Geralt mit drei verschiedenen Kampfstilen ins Gefecht stürzen. Der eigentliche Kampf besteht aus Quicktime-Events. Immer, wenn das Symbol eines flammenden Schwertes erscheint, gilt es, die Maustaste zu drücken. Drückt man richtig, verkettet Geralt seine Angriffe. Ist man zu langsam, wird der Angriff unterbrochen. Die Sache hat jedoch einen Haken: Die Reaktionszeit beträgt immer noch zu lange, obwohl auch hieran geschraubt wurde. Will man zwischen den einzelnen Kampfstilen umschalten oder Magie wirken, dauert es häufig einen Moment, bis die Befehle umgesetzt werden. In der Zwischenzeit kassiert Geralt natürlich Hiebe, die nicht sein müssten. Der Kampf läuft zwar flüssiger ab, hat aber immer noch seine Macken.
Holla, die Waldfee
Eine der wichtigsten Neuerungen der 'Enhanced Edition' ist die komplett neu vertonte, deutsche Sprachausgabe, bei der die Stimmen für die Figuren nun viel passender klingen. Geralts Stimme ist tiefer und hört sich erwachsener an. Betonungen, insbesondere bei den NPCs, sind nun stimmiger. Zugegeben, manchmal erkennt man schon, dass Schauspieler für mehrere Rollen „recycelt“ wurden, aber dieser Effekt tritt nicht so stark auf, dass er den Spielspaß trübt. Wer mag, kann außerdem Sprache und Untertitel für sein persönliches Spielerlebnis aus zehn verschiedenen Sprachfassungen zusammenstellen und kombinieren. Es sollte also für jeden Geschmack etwas dabei sein. Lippensynchronität fehlt trotz der Überarbeitung an einigen Stellen noch immer.Um etwas Abwechslung in die zuvor steife Welt der NPCs zu bringen, sind 200 neue Dialog-Animationen hinzugekommen und neue Texturen. Die Charaktermodelle hat man allerdings beibehalten. Dennoch: Vor der Enhanced Edition hatte man noch den Eindruck, Temerien würde von Klonen bevölkert. Dieses Gefühl wird nun abgeschwächt. Ebenfalls überarbeitet wurde das Inventar. Da es nun für alchemistische Zutaten eine eigene Tasche gibt, ist es viel übersichtlicher geworden. Zwei kurze, neue Abenteuer und die bereits erwähnten verbesserten Ladezeiten werden dem Spieler außerdem geboten. Bugs wurden behoben. Wer die erste Fassung von 'The Witcher' bereits besitzt, kann sich die 'Enhanced Edition' ganz einfach als Patch von der offiziellen Homepage herunterladen. Alte Spielstände bleiben erhalten. Apropos Spielstände: Jedes Mal, wenn die Quicksave-Taste gedrückt oder automatisch gespeichert wird, wird ein neuer Slot belegt. Wer also einen nervösen „Speicherfinger“ hat, muss mit einigen Gigabyte an Daten rechnen. Immerhin lässt sich die Autosave-Funktion deaktivieren.

Ganz klar für den „Witcher” spricht die düstere Atmosphäre. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen und keine tugendhaften Helden sind darauf aus, die Welt zu retten. Es gibt Faustkämpfe und Wettsaufen. Sogar Sex ist möglich, wobei Geralts amouröse Abenteuer nicht immer einen narrativen Faden aufweisen und manchmal etwas aus der Luft gegriffen sind. Entscheidungen zu treffen, die Konsequenzen nach sich ziehen, machen einen großen Reiz des Spiels aus. Kämpfe sind schön animiert und Geralt dabei zuzusehen, wie er gekonnt Schwertstreiche ausführt, Gegner umpustet oder über sie hinweg einen Salto macht, übt eine gewisse Faszination aus. Wenn da nicht das Kampfsystem wäre, bei dem es buchstäblich etwas hakt, und was mich zu Flüchen verleitete, die wohl jedem Seemann die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Die Story hat Tiefgang und ist wohl eine der Besten in Rollenspielen, doch leider zieht sich das zweite Kapitel und raubt einem den Enthusiasmus. Zum Glück kriegt CD Projekt RED dann aber doch noch die berühmte Kurve. Lobenswert ist die detailreiche Spielwelt, die nicht nur mit Tag- und Nachtwechsel und einem Wettersystem aufwartet, sondern Tiere und Menschen zeigt, die auf den Helden reagieren. Die neue Sprachfassung schlägt die alte um Längen und sorgt nun für eine stimmigere Atmosphäre. Trotz der genannten Störfaktoren ist 'The Witcher – Enhanced Edition' ein Spiel, bei dem man getrost zulangen kann, denn es zieht einen schnell in seinen Bann und bleibt in Erinnerung. Wenn da mal keine Magie am Werk ist …
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The Witcher
- Entwickler
- CD Projekt
- Publisher
- Atari
- Release
- 26. Oktober 2007
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.thewitcher.com/the-witcher/1/
- Sprachen
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- Systeme
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