Ein Aufschrei ging kürzlich durch Presse und Foren, als herauskam, dass Atari Guerilla-Taktiken für die Driv3r-Kampagne verwendete. Opium fürs Volk in Form von Lobeshymnen sollen die gewieften PR-Söldner des Publishers in die Foren gestreut haben, um die recht lauen Tests des Titels auszugleichen. Sogar spiegel.de begab sich in die Niederungen der Games-Berichterstattung und widmete dem Thema einen Beitrag.
Warum greifen so gut wie alle Publisher zu solchen Methoden? In Pressemitteilungen und PR-Texten ist es ja nicht unbedingt schlau, einen neuen Titel als Gottes Geschenk an die Menschheit zu preisen. Das stößt oft auf unwillige Trotzreaktionen der Games-Journalisten, die sich denken: „Jaja, schon klar, labert nur...“ und die fragwürdigen Ergüsse sofort in Ablage P verschieben. Oder bei der Bewertung des Titels erst recht mit gewetzten Messern dasitzen und akribisch nach Fehlern suchen, weil ihnen der Ton der immer gleichen Pressemitteilungen auf den Senkel geht. Ich behaupte: Je schwülstiger eine Pressemitteilung, desto befriedigter der Games-Journalist, wenn er im Test ihre Unrichtigkeit darstellen kann. Weshalb schlaue PR-Leute und Publisher auf eher zurückhaltende Meldungen und subtiles Anpreisen setzen.
Dass man dem Verkäufer die Lobhudelei über sein Produkt nicht abnimmt, liegt auf der Hand. Dem Käufer, dem zufriedenen Kunden, nimmt man das Lob aber ab. Hier bietet die Anonymität des Internets eine Riesenchance für die Publisher und PR-Strategen: Unter dem Deckmantel harmloser Accounts können sie in den Foren ihre Spiele bewerben, bis der Arzt kommt. Geschickte PR-Leute benutzen dabei mehrere Accounts und spielen sich in den Beiträgen die Bälle auch noch selbst zu.
Ein Beispiel: User „Firewind 1976“ fragt im Forum: „Wie ist Spiel XY denn so? Habt ihr schon was davon gehört?“, worauf User „Angeldust123“ antwortet: „Ja, kenne ich, total genial, ist wie ZZ, würde ich mir unbedingt holen an Deiner Stelle.“ Wobei sich hinter beiden Usern der gleiche PR-Mensch verbirgt. Selbst amazon-Bewertungen werden so gesteuert, obwohl amazon die IPs manchmal überprüft und Beiträge, die nicht koscher sind, auch wieder löscht. In den Foren entstehen so oft ganze Threads mit vielen Beiträgen und Diskussionen, die zumindest anfänglich künstlich erzeugt wurden. Auf die gleiche Weise werden Konkurrenzprodukte auch schlecht geredet. Das merkt man in den Foren oft an Threads, die inhaltlich nur darauf aus sind, zu stänkern, ohne Probleme des Spiels wirklich beim Namen zu nennen. Natürlich kann ein Publisher niemals offen über das Produkt eines anderen lästern – hier hat er inkognito die Möglichkeit, es so richtig grunzen zu lassen.
Dabei gibt es einen einfachen Schutz vor solchen Einflüsterungen: Die Games-Journalisten, die sich wie gesagt von Lobeshymnen meistens nicht beeinflussen lassen – und den eigenen, gesunden Menschenverstand, der gerade bei der Nutzung von Foren im Internet sowieso immer hellwach sein sollte.
Wer steckt hinter Mr. X?
Mr. X ist ein langjähriger Szeneinsider und unterhält gute Kontakte zur Presse, als auch zu Publishern und Entwicklern. An dieser Stelle wird er zwar keine Staatsgeheimnisse ausplaudern, jedoch einige durchaus interessante Details über aktuelle Geschehnisse preis geben. Mr. X schreibt in regelmäßigen Abständen exklusiv für die Adventure Corner.