Den Namen MicroProse verbinden wir Spieler oft mit Simulationen jeglicher Art, schließlich wurde das Studio mit Titeln wie der Kriegshelikoptersim 'Gunship' oder dem U-Boot Spiel 'Silent Service' berühmt. Nicht zu vergessen auch die Spiele von Firmengründer und Gamedesigner Sid Meier wie 'Civilization' oder 'Railroad Tycoon'. Weniger bekannt sind die drei Adventures, die ebenfalls vom hauseigenen Team MPS Labs entwickelt wurden: 'Rex Nebular', 'Return of the Phantom' und 'Dragonsphere'. Für unseren neuesten Klassikertest haben wir uns die SciFi-Erotik-Knobelei 'Rex Nebular' aus 1992 vorgenommen.
Rex trifft auf seinen Auftraggeber.Stolz präsentiert der Weltraumvagabund und selbsternannter Frauenheld Rex seinem Auftraggeber seine Diebesbeute: Eine kostbare Vase, für die er nun endlich seine Belohnung erhalten will. Schließlich ist unser Raumfahrer eben erst von einem gefährlichen Abenteuer zurück. Bevor Rex nun aber seine Credits bekommt, fragt der Auftraggeber höflich nach dem Befinden unseres Helden. Hätte er das bloß nicht gemacht, denn jetzt holt Rex zu einer langen Erzählung aus, die uns an den Anfang der Keramik-Suche führt: Rex ist mit seinem Raumschiff in der Nähe des Planeten Terra Androgena unterwegs, hier soll besagtes Blumengefäß irgendwo zu finden sein. Noch bevor er sich auf die Landung vorbereiten kann, wird sein Schiff getroffen und stürzt ab. Den Empfang hatte er sich ganz anders vorgestellt.
Nach dem Absturz müssen wir einen Weg aus dem Raumschiff finden.Nachdem wir Rex bei der Befreiung aus den Trümmern seines Schiff geholfen haben, finden wir uns auf der Oberfläche von Androgena wieder und sind erstaunt: Es gibt viele hübsche Frauen, aber keinen einzigen Mann. Ein paar Gespräche später wissen wir von dem tragischen Krieg der Geschlechter, den die Männer verloren haben. Folglich leben hier nur noch Frauen. Zu bestimmten Zwecken gibt es eine Maschine, mit der ausgewählte Personen ihr Geschlecht ändern können. So ein richtiger Mann ist das dann aber trotzdem nicht, wie uns die Amazone auf Nachfrage erklärt. Als Mann ist Rex also bei einigen der Bewohnerinnen sehr begehrt. Andere hingegen wollen ihn lieber umbringen, stellt er doch eine Gefahr für die ansonsten friedliche Damenwelt dar und fällt auf wie der sprichwörtliche Hahn im Korb.
Sierra lässt grüßen
Die Damenwelt macht Jagd auf RexWer nun denkt, dass die einzige Gefahr auf Androgena von den Frauen ausgeht, liegt falsch. So landet Lex schnell im Kochtopf einer Kannibalin, bekommt es mit giftigen Tieren zu tun oder stirbt einen der anderen unzähligen Tode. Wie bei den Sierra-Titeln sieht man das Ableben oftmals nicht kommen. Ein falscher Klick hier oder ein vergessenes Item da - schon kann es aus sein mit dem guten Rex. Da er die Geschichte um die Vase aber überlebt haben muss (schließlich spielen wir ja seine "Erinnerung" an das Abenteuer), setzt uns das Spiel immer wieder kurz vor die tödliche Aktion - Und trotzdem gibt es vier unterschiedliche Enden. Das allein reicht jedoch nicht, um das Spiel beenden zu können: An verschiedenen Stellen verstecken sich Hinweise, die wir nur einmal zu sehen bekommen oder Gegenstände, die wir später nicht mehr erreichen können. So landen wir in einer Sackgasse.
Einige der Planetenbewohnerinnen wollen Rex auf andere Weise 'ans LederNeben den häufig auftretenden Toden haben sich Teile der Entwickler wohl einige Charakterzeichnungen von Sierra abgeschaut. Ein Planet voller Frauen in einem Adventure, bei dem man extra einen "Naughty-Mode" (frei übersetzt also einen "Schmuddelmodus") einschalten kann - Wer denkt da nicht an den guten alten Larry Laffer? Oder bei dem SciFi-Setting mit vielen Gefahren an Roger Wilco aus Space Quest: The Sarien Encounter? Tatsächlich kann 'Rex Nebular' seine Vorbilder nicht verheimlichen. Das MicroProse-Adventure bleibt im Gegensatz zum Sierra-Schürzenjäger trotz eingeschaltetem Naughty-Mode jedoch sehr zahm. Zwar gibt es in einigen Szenen Pixelbrüste zu sehen und die englischen Dialoge liefern einige Anspielungen, wirklich explizit wird es aber nie. Auch Rex' Selbstverständnis als Casanova wird im Spiel zwar immer wieder aufgegriffen, Bedeutung erlangt es nicht.
LucasArts grüßt auch
Es gibt ein kontextsensitives Verbenmenü.Auch beim zweiten großen Adventure-Produzenten LucasArts haben sich die MPS Labs bedient. Schon beim ersten Blick auf die Screenshots fällt die Verbenleiste im unteren Bildbereich auf, in der wir zehn unterschiedliche Möglichkeiten vorfinden. Mittig wird ein scrollbares Inventar angezeigt und daneben sehen wir eine kleine Grafik des aktuell gewählten Objekts. Je nach damaliger Rechenleistung drehte sich das Objekt sogar in einer 3D-Ansicht. Ergänzt wird diese bekannte Steuerung durch zusätzliche Optionen, die im Kontext des Inventargegenstandes stehen. Beispielsweise können wir ein Buch lesen. Andere Gegenstände wie ein Fernglas können eingesetzt oder zerlegt werden. Diese schöne Idee erweitert das Interface durch sinnvolle Optionen, bietet aber auch Möglichkeiten für den humorvolle Fehlversuche.
Gleich drei Schwierigkeitsgrade stehen zur AuswahlNeben der bekannten Steuerung bietet das Adventure auch für damalige Zeit ungewohnten Komfort. Wahlweise kann die Steuerung auf einfach gesetzt werden, wodurch der Cursor automatisch anzeigt, wenn er über einem interessanten Gegenstand steht. Zusätzlich kann die rechte Maustaste wahlfrei mit einem Befehl belegt werden, beispielsweise können wir also per Rechtsklick den "Ansehen" oder den "Öffnen" Befehl ausführen.
Generell setzt MicroProse sehr auf Anpassungsfähigkeit. Uns stehen drei Schwierigkeitsgrade zur Verfügung, die in den leichteren Einstellungen einige Rätsel auslassen. Die schon angesprochene 3D-Ansicht von Objekten können wir ausschalten, ebenso wie die Textanimationen oder andere Grafikoptionen.
Rotosopie-Pixel
Wo wir gerade beim Interface sind: Die Farbgebung und das Muster im Hintergrund passen sich der Umgebung an und wechseln von Grün mit angedeuteten Pflanzen im Dschungel zu Blau mit Fischen, wenn wir mit Rex unter Wasser sind. Eigentlich unnötig, aber ein kleines nettes Detail am Rande.
Im Softwareladen gibt es einige Lacher...Losgelöst davon kann die Grafik mit 320 x 200 Bildpunkten und 256 Farben aus Sicht des Jahres 1992 überzeugen, obwohl es damals schon höhere Auflösungen gab. Sämtliche Charaktere wurden mittels Rotosopie ins Spiel gebracht. Dabei werden Darsteller gefilmt und die Bewegungen Bild für Bild am Computer nachgezeichnet. Ein sehr aufwendiges Verfahren, das aber hohe Qualität verspricht. Die Hintergründe können trotz oftmals hohem Detailgrad leider nicht ganz mithalten. Dafür gibt es viel Abwechslung: Während der Tour über den Planeten erkunden wir zusammen mit Rex geheime Labore, wandern in den Knast und treffen den Widerstand - Ein paar Männer haben den Krieg überlebt und verstecken sich in den runtergekommenen Vierteln einer längst ausgestorbenen Stadt. Dort finden wir auch einen Software-Laden voller Seitenhiebe auf die eigene Firma und die Konkurrenz. Hier zündet der Humor, was nicht immer der Fall ist. Absolut empfehlenswert ist hingegen das von Infocom-Legende Steve Meretzky (u.a. 'Per Anhalter durch die Galaxis', Leather Goddesses of Phobos 1&2 oder die 'Spellcasting'-Reihe) geschriebene Logbuch, das die Vorgeschichte des Spiels erzählt und wie das Handbuch auf Deutsch übersetzt wurde. Selbst wenn man 'Rex Nebular' nicht spielen will, lohnt sich das Lesen. Das Spiel selbst gibt es übrigens nur mit englischen Texten, weswegen der deutschen Spielpackung auch ein englisches Logbuch beiliegt - Es wird für den Kopierschutz benötigt.
Der Kopierschutz erfordert einen Blick ins Handbuch.Nicht so überzeugend ist dann die Geschichte des Spiels, die zwar motivierend beginnt, zum Ende hin aber immer weiter abflaut. Das mag daran liegen, dass wir im letzten Drittel des Spiels uns mehr mit einem Auto durch die Gegend fahren lassen, als das wir rätseln. Apropros Rätsel: Die bestehen in 'Rex Nebular' größtenteils aus klassischen Kombinationsrätseln und sind im hohen Schwierigkeitsgrad teils recht anspruchsvoll. Wir benötigen hier auch einen Zettel und einen Stift (oder ein sehr gutes Gedächtnis), sonst bleiben wir unweigerlich stecken. 1992 war das aber keine Seltenheit. Ein paar Herausforderungen sind zudem zeitkritisch.
Rex Nebular Cheatcodes
Cheaten in Adventures? Geht!Bei Simulationen oder Strategie-Spielen gehören sie dazu: Cheat-Codes mit denen sich die Entwickler das Testen etwas leichter machen und mit denen ungeübte Spieler trotzdem ans Ziel kommen können. In Adventures sind solche Codes selten zu finden. Zwar gibt es Tastenkombinationen zum sofortigen Gewinnen in Monkey Island 1: The Secret of Monkey Island oder zum Austricksen der Alterskontrolle in Leisure Suit Larry: In the Land of the Lounge Lizards. Dabei handelt es sich aber oftmals um kleine Späße, schließlich ist der Cheat-Code des Adventure-Spielers die Komplettlösung. MicroProse konnte aber nicht aus der Haut und so finden sich eine ganze Reihe unterschiedlichster Cheats für das Spiel:
Wenn das Spiel über die Befehlszeile mainmenu -w:1 bis w:4 gestartet wird, bekommen wir die vier unterschiedlichen Enden zu sehen. Hält man im Spiel die Strg-Taste gedrückt und tippt dabei das Wort widepipe ein, wird der ingame-Cheat-Modus aktiv. Neben einiger Gags oder technischer Spielereien können wir Rex an jeden Ort im Spiel teleportieren (Strg + T, gefolgt von der Raumnummer) oder Gegenstände an unseren derzeitigen Standort holen (Strg + O, gefolgt von der Nummer des Objektes).
Verfügbarkeit und Kompatibilität
'Rex Nebular and the Cosmic Gender Bender' gibt es für unter 10 € bei Steam und GOG. Das Adventure lässt sich somit problemlos auf aktuellen Systemen starten. Wer das komplette Retro-Erlebnis will, findet die Diskettenversion um 40 € bei ebay. Dann benötigt man den kostenfreien Emulator DosBox, mit dem das Spiel ohne Schwierigkeiten läuft.
Eigentlich sollte der kosmische Travestit (wie das Spiel wortwörtlich übersetzt heißt) der Auftakt einer Adventure-Reihe werden. Leider blieb es bei dem einen Ausflug in das Universum, denn Potential wäre in der abgedrehten Welt durchaus vorhanden gewesen. Wenn auch die Geschichte speziell zum Ende nachlässt und der Humor nicht immer komplett überzeugt, ist 'Rex Nebular' durchaus einen Blick wert, gute Englisch-Kenntnisse vorausgesetzt. Gerade weil die Entwickler sich bei den Genre-Größen Sierra und LucasArts die Markenzeichen (viele Tode und Verbeninterface) abgekupfert und diese verbessert haben, sofern die zugegebenermaßen etwas aus der Zeit gefallene Handlung nicht abschreckt. So steht Rex nach einem spontanen Ableben immer direkt vor dem Tod wieder auf und Spieler freuen sich über eine kontextbasiert erweiterte Steuerung.
Danke, ich freue mich immer sehr über eure Klassikertests.
Vor allem da ihr es immer wieder schafft, mich an Games zu erinnern an die ich über 20 Jahre lang nicht mehr gedacht habe oder gar Titel wie diesen aufzutreiben von dem ich als Adventurefreak noch nie was gehört habe. Obwohl ich in den 90ern live dabei war
Auch Dragonsphere (sieht interessant aus) kenne ich nicht und Return of the Phantom erst seit kurzem. Kann es sein dass die Microprose Adventures im deutschsprachigem Raum damals nicht viel Aufmerksamkeit bekommen haben?
Schwer zu sagen. Die paar wenigen Adventures die sie gemacht haben, haben in der deutschen Presse eigentlich fast durchwegs polarisiert und waren inhaltlich eher speziell. Angesichts der damaligen Preispolitik ist das dann vermutlich schon auch ein Faktor gewesen.
Ich habe erst letztes Jahr erfahren das es das Spiel überhaupt gibt. Das Ding scheint hier im deutschsprachigen Raum völlig untergegangen zu sein. Mir ging es beim Spielen ähnlich wie dem Autor. Der Anfang war goldig und sehr motivierend, aber zum Ende hin wurde es langweilig und wirkte unfertig. Trotzdem gefällt mir die Prämisse und ich hätte auch Nichts gegen eine Fortsetzung einzuwenden.
3 Kommentare
Vor allem da ihr es immer wieder schafft, mich an Games zu erinnern an die ich über 20 Jahre lang nicht mehr gedacht habe oder gar Titel wie diesen aufzutreiben von dem ich als Adventurefreak noch nie was gehört habe. Obwohl ich in den 90ern live dabei war
Auch Dragonsphere (sieht interessant aus) kenne ich nicht und Return of the Phantom erst seit kurzem. Kann es sein dass die Microprose Adventures im deutschsprachigem Raum damals nicht viel Aufmerksamkeit bekommen haben?