Beim erstmaligen Lesen der Inhaltsangabe zum Point&Click-Adventure 'Agatha Knife' fragt man sich vermutlich, ob bei der Übersetzung etwas schiefgegangen sei: Ein Mädchen mit Schlafstörungen, das mit Tieren sprechen kann und diese mit Leidenschaft aufschlitzt, beschließt aus der Not heraus, eine Religion zu gründen: Carnivorism. Was genau das sein soll und ob dieses abgefahrene Werk von Mango Protocol eine Empfehlung verdient, das sehen wir uns im Review genauer an.

Pleitegeier über dem Metzgerladen
Agatha Knife ist sieben Jahre alt. Sie wohnt im Hinterzimmer der Metzgerei ihrer Mutter, wo das Mädchen seiner wahren Berufung nachgeht: Sie sorgt dafür, dass täglich genug Frischfleisch auf dem Tresen landet. Agatha liebt es, Zeit mit den von der Farm gelieferten Tieren zu verbringen (sie kann mit ihnen sogar sprechen) und sie liebt es, diese später zu essen. Einen Widerspruch erkennt sie keinen. Dass diese Geschöpfe panisch reagieren, sobald sie enthusiastisch das Messer auspackt, bereitet dem sonderbaren Mädchen jedoch schlaflose Nächte.
![]() |
Agatha hat Tiere zum Fressen gern... im wahrsten Sinne |
Verschärfend kommt hinzu, dass die Kundschaft fernbleibt. Angesichts der immer größer werdenden finanziellen Sorgen wird Agatha von ihrer Mutter in die Kirche gezerrt. Kann Gott die Metzgerei vielleicht retten? Die rotzfreche Protagonistin hält nichts davon, wird jedoch bald auf eine Idee gebracht: Carnivorism. Was das sein soll? Eine frei erfundene Religion, die Tieren das Zerstückeltwerden schmackhaft machen soll. Natürlich sind auf dem Weg zur Gründung diverse Herausforderungen zu bewältigen, damit Carnivorism nach etwa vier bis sechs Stunden Spielzeit endlich auf die Probe gestellt werden kann.
Bis dahin wartet das Point&Click-Adventure mit viel Humor und skurrilen Einfällen auf, die bis zum Schluss das gute Niveau halten können. Und ja, es gibt es ein richtiges Ende.
Spin-Off-Prequel zu 'MechaNika'
Wer 'MechaNika' kennt, das letzte Adventure von Mango Protocol, dem sind sowohl Teile der Spielwelt vertraut, als auch die Protagonistin, die dort eine Nebenrolle hat. Der absurde Humor und die kindliche Erzählperspektive treffen ebenfalls in dieselbe Kerbe. Die Ereignisse in 'Agatha Knife' sind vorher angesiedelt und haben inhaltlich nichts damit zu tun. Dennoch schadet es nicht, 'MechaNika' zu kennen, da die Spielwelt dort mehr zur Geltung kommt. Das kann bei der Orientierung helfen und man wundert sich auch nicht mehr, warum Nika zwischendurch betrunken im Bett liegt.
![]() |
Ein paar Charaktere aus 'MechaNika' trifft man auch diesmal wieder |
Positiv ist anzumerken, dass sich die Entwickler bei 'Agatha Knife' einiger Kritikpunkte beim Vorgänger angenommen haben. Das Gameplay ist runder und die kurzweilige Geschichte hält bis zum Ende bei Laune. Die minderjährige Metzgerin erweist sich zudem als die deutlich witzigere Spielfigur. Zu kritisieren ist, dass die Dialoge teilweise unnötig ausarten. Da der Spieler selbst bestimmt, wie lange der Text eingeblendet wird, kann man sich per Maustaste schnell durch jene Dialogabschnitte klicken, die einen nicht interessieren.
Diese Art von Grafik und Humor polarisiert zwangsläufig. Religion wird fröhlich durch den Kakao gezogen, kleine Kinder gehen fragwürdigen Hobbies nach und der erste Impuls ist wahrscheinlich, Agathas Mutter bei der Polizei anzuzeigen. Wer bei den bisherigen Zeilen kein gutes Gefühl hat, der sollte es besser bleiben lassen. Wer hingegen neugierig geworden ist oder den Humor von 'South Park' und 'Edna bricht aus' mochte, der hat gute Chancen, an der richtigen Adresse zu sein.
Kurzweiliges Gameplay
Im spielerischen Bereich wird typische Point&Click-Kost geboten. Es gibt ein Inventar, in dem sich diverse Gegenstände ansammeln. Die kann man nicht miteinander im Inventar kombinieren, aber dafür mit der Umgebung. Für gewöhnlich laufen die Aufgaben im Spiel darauf hinaus, die passende Ansprechstation für ein Problem zu finden. Jemand benötigt ein Buch? Sehen wir uns mal in der Bücherei um. Die Löwen im Zoo sind unzufrieden? Vielleicht weiß jemand mehr über sie. Es empfiehlt sich, sich zu Beginn gründlich in der Umgebung umzusehen. Adventure-Fans machen das ohnehin automatisch.
![]() |
In der Umgebung gibt es nette Details |
Eine In-Game-Karte mit Schnellreisefunktion fehlt, was teils mit unnötigen Laufwegen einhergeht. Der Ärger hält sich insofern in Grenzen, als die Spielwelt überschaubar ist. Im Zentrum steht der Humor und die Geschichte, nicht die spielerische Herausforderung. Man hält sich selten lange mit etwas auf. Nur gegen Ende werden die Rätsel etwas komplexer. Zwei-, dreimal mussten wir ein bisschen länger nachdenken. Die Suche nach einem legendären Buch mit Geek-Geheimnissen ist beispielsweise positiv hervorzuheben.
Kindliche Grafik und automatische Speicherfunktion
Die Hintergründe erinnern an Kinderzeichnungen, was angesichts der jungen Hauptfigur passend ist. Für Kinder ist 'Agatha Knife' allerdings nicht geeignet, das sei an dieser Stelle betont. In der Umgebung entdeckt man nette Details mit schlichten Animationen, die die Umgebung angenehm beleben: Auf der Straße unterhalten sich Frauen vor dem Supermarkt, ein paar Meter weiter wird Basketball gespielt. Versuchen wir einen lesenden Jungen in der Bibliothek anzuquatschen, sieht er uns empört an und zeigt auf ein Bibliotheksschild mit dem Kürzel STFU. Der Soundtrack trällert unterdessen passabel vor sich hin, er lässt jedoch das geringe Budget spüren. Sprachausgabe sollte man sich nicht erhoffen. Deutsche Untertitel wurden im Mai nachgereicht. Eine Auswahl lassen uns die Entwickler bei der Schriftart: Hier gibt es eine kindlich wirkende Schreibschrift und eine leichter zu lesende Variante.
![]() |
Oft gibt es mehrere Aktionsmöglichkeiten mit Gegenständen und Personen |
Eine Hotspot-Anzeige fehlt zwar, relevante Gegenstände macht man aber leicht mit freiem Auge ausfindig. Wer in der Umgebung auf einen Hotspot klickt, dem stehen oft mehrere Aktionsmöglichkeiten zur Auswahl (z.B. sehen, sprechen, benutzen). Dabei erfüllt die einfach gehaltene Point&Click-Steuerung ihren Job zufriedenstellend. Per Doppelklick läuft die Protagoniston, was für gewöhnlich die einzige Möglichkeit ist, um schneller von A nach B zu gelangen. Gespeichert wird zumeist automatisch beim Betreten eines neuen Bereichs. Es gibt auch eine manuelle Speicherfunktion - leider nur mit einem einzigen Speicherstand.
Eins muss klar sein: Der ungewöhnliche Humor von 'Agatha Knife' wird nicht jedem schmecken. Religion wird durch den Kakao gezogen und ein 7-jähriges Mädchen wohnt im Hinterzimmer der Metzgerin und schlachtet mit Leidenschaft Tiere ab. Wer mit solchen und anderen Absurditäten kein Problem hat, auf den wartet ein unterhaltsames Gag-Feuerwerk. Die lebensfrohe Naivität, mit der diese originelle Geschichte erzählt wird, ist sehr erfrischend. Selbst in spielerischer Hinsicht hält 'Agatha Knife' anständig bei Laune, ohne viel abzuverlangen. Kritisierbar ist das Fehlen einer Karte samt Schnellreisemöglichkeit. Zudem ist es von Vorteil, 'MechaNika' gespielt zu haben. Man darf jedenfalls gespannt sein, was das katalanische Indie-Studio als Nächstes in Angriff nimmt. An kreativen Ideen scheint es nicht zu mangeln.
-
Agatha Knife
- Entwickler
- Mango Protocol
- Publisher
- Mango Protocol
- Release
- 27. April 2017
- Spielzeit
- 10 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.mangoprotocol.com/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Agatha Knife im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)