Mit 'Double Vision' ist das vierte von insgesamt fünf Spielen in Telltales neuem Episoden-Adventure 'Back to the Future' erschienen. In regelmäßigem Abstand gab es seit Dezember 2010 für Fans des Genres und Fans der Serie gleichermaßen Nachschub und wenn im Juni der letzte Teil der ersten Staffel erscheint, ist das fiktive Universum einer der beliebtesten Film-Trilogien aller Zeiten um eine komplett neue Geschichte bereichert. Viele Elemente aus den Köpfen der beiden Film-Väter Bob Gale und Robert Zemeckis sind auch in den Computerspielen zu finden. Haupt- und Nebencharaktere wurden größtenteils mit bekannten Figuren aus der Vorlage besetzt, die Sprecher entweder mit den Originalstimmen (Christopher Lloyd als Doc Brown, Claudia Wells als Jennifer Parker) oder doch zumindest mit frappant ähnlichen Stimmen (AJ LoCascio als Marty McFly) gecastet. Es wurde viel unternommen, um dem Adventure ein Vibe zu verpassen, das den Spieler an die Filme erinnern sollte. Deswegen fühlen sich die Kamerafahrten durch die dreidimensionale Welt der Spiele an wie Steadycam- und Craneshots. Deswegen wurde minutiös darauf geachtet, dass die Musik im Spiel, ganz wie im Film, benutzt wird, um das Spiel größer und aufregender erscheinen zu lassen, als es tatsächlich ist. Aber ein Videospiel ist kein Film. Selbst wenn die Grenzen beider Medien schon seit längerer Zeit immer mehr verschwimmen. Und nach drei mehr oder weniger enttäuschenden Teilen, ist es mit dem Erscheinen der vierten Episode vielleicht fast schon zu spät, um das Ruder noch herum zu reißen. Unsere Staffel-Wertung folgt im Test zur letzten Episode.

Große Erwartungen
Okay, die Installation von Double Vision auf meinem Mac hat schon mal reibungslos geklappt. Das ist bei der Serie keine Selbstverständlichkeit. Warum fällt es mir jetzt so schwer das Spiel zu starten? Warum (ja, traurigerweise ist es wirklich so) habe ich überhaupt keinen Bock die vierte Episode von Martys und Docs neuem Abenteuer zu spielen? Vielleicht einfach deswegen, weil es mir keinen Spaß macht zum vierten Mal einen frustrierten Text über zwei Helden meiner Kindheit zu schreiben.
Als der erste Teil von 'Back to the Future' einen Tester brauchte, habe ich glaube ich verdammt schnell „Hier!“ geschrien. Wer würde denn als Kind der 90er bei dieser Kombo nicht Großes erwarten, mal ehrlich. Eine der geilsten Film-Trilogien aller Zeiten, verpackt in das Genre, was (neben Jump 'n' Runs) meine Faszination für Videospiele geweckt hat. Die vielen Abenteuer und Rätsel, Twists, verschlungenen Erzählstränge, bunten Charaktere und schon längst Kult gewordenen Oneliner sind allesamt exzellentes Futter für ein Grafik-Adventure. Aber schon nach den ersten zwei Stunden war ich etwas ernüchtert was meine anfängliche Begeisterung betraf. Es machte ganz den Anschein, als ob Telltale bei aller Liebe und allem Respekt, die sie der Filmvorlage entgegen gebracht haben, den zentralen Punkt eines Videospiels einfach vergessen hatten: das Gameplay. Es ist wirklich toll Marty und Doc wieder zu haben, aber wenn ich meinen Rechner anschmeiße und ein Spiel installiere, dann will ich spielen. Wenn ich einen Film schauen will, dann setz ich mich aufs Sofa und werfe eine DVD ein.
Und Telltale hat wirklich vieles richtig gemacht. Der erste Auftritt von Biff Tannen zum Beispiel, in seinem widerlichen Trainingsanzug, ist spitze. Aber warum kann ich bitte keine Gegenstände in meinem Menü kombinieren? Das ist doch ein total wichtiger Punkt bei Adventure-Spielen. Überhaupt gibt es nur knapp ein Dutzend Gegenstände insgesamt, die ich im Laufe der ersten drei Spiele einsammle. Warum so geizig? Als Teil eins nach ein paar Stunden vorbei war, war ich zwar nicht am Boden zerstört, aber trotzdem ein wenig enttäuscht.
Schaltet morgen wieder ein
'Double Vision' – erinnert mich ein bisschen an Doubleback, der ZZ Top Song, der im dritten Film quasi als das Pendant zu „Power of Love“ im ersten Film funktionieren sollte. Irgendwie hat das aber nicht so geklappt. Oder kriegt ihr noch die Melodie zusammen? So, immerhin habe ich jetzt das Spiel gestartet. Zeitleitung ein, Fluxkompensator fluxuiert. Los geht’s. Mir graut irgendwie vor dem ersten Rätsel. Ein total wichtiger Punkt der schon in der ersten Episode zu kurz kam. Und irgendwie wurde es mit der zweiten und dritten Episode auch nicht besser, sondern eher schlechter. Es ist lobenswert viel Wert auf eine gute Story zu legen, aber erstens haut einen die Story bis jetzt auch nicht so wirklich aus den Socken, und zweitens ersetzt auch die abgefahrenste Story nicht die intelligenten Knobeleien. Warum spiele ich denn sonst ein Adventure?
Was dem Spiel ebenfalls nicht bekommt, ist die Unterteilung in Episoden. Und zwar deshalb nicht, weil Telltale im Gegensatz zu anderen Episoden-Adventures wie 'Sam & Max' und 'Tales of Monkey Island' sich nicht konsequent genug die Mühe gemacht haben, eine Geschichte pro Episode zu erzählen. Am härtesten trifft das den dritten Teil, weswegen meine Hand auch gerade in banger Vorahnung auf der Maus zittert. Der dritte Teil ist so lächerlich kurz und existiert im Grunde nur, um einen Plotpoint in der Geschichte zu installieren. Emmet und Edna sind verheiratet und Edna ist böse. Das ganze Überwachungsstaat-Hokuspokus drum herum ist oberflächlich und spielt kaum eine Rolle. Ich meine, was soll das? Das Spiel fängt an und kurz danach kommt auch schon der Cliffhanger. In den japanischen Fußball-Zeichentrickserien von damals passierte mehr und die brauchten fast 15 Minuten um von einer Seite des Spielfelds auf die andere zu rennen. Diese „Schaltet morgen wieder ein“- Philosophie funktioniert einfach nicht, wenn es pro Monat nur eine Episode gibt, die nach 2 bis 3 Stunden vorbei ist.
Es ist nie zu spät
Ich spiele jetzt seit einer halben Stunde und der erste Teil von Episode vier scheint vorbei zu sein. Erst muss man mit Marty aus seiner Zelle ausbrechen und dann den Doc befreien. Endlich geht’s raus aus dem alternativen Hill Valley der Achtziger, das auch wirklich so gut wie keinen Charme hatte. Schade, dass ich die angenehm rotzige Punk-Jennifer, die das Setup genauso ätzend fand wie ich, dalassen musste. Aber die Pflicht ruft und deswegen sitze ich mit Doc in der Zeitmaschine zurück in die Dreißiger. Die Mission ist klar: Doc darf sich niemals in Edna verlieben. Stattdessen muss er sich einen Frankenstein-Film im Kino anschauen. Das triggert nämlich die brennende Leidenschaft mit der sich Doc der Wissenschaft verschreibt. Aber der DeLorean hat leider Schaden genommen und spuckt mich und Doc ein paar Monate zu spät auf dem Zeitstrahl aus. Emmet und Edna sind leider schon unzertrennlich. Oder sind sie es? Marty, in den Filmen ganz der Kuppler, muss nun genau das Gegenteil bewerkstelligen: die beiden Turteltauben müssen getrennt werden. Und langsam, ganz langsam, scheint das Spiel die Kurve zu kriegen.
Warum ist das so? Anfangs kann ich es selber nicht genau beschreiben, aber letztendlich kann man ganz platt behaupten, dass in 'Double Vision' einfach alles besser wird: die Rätsel werden ein wenig komplexer und es gibt einfach mehr davon. Es gibt genug Charaktere, um ein klein wenig tiefer in die Spielwelt einzutauchen (in Episode 3 war davon nichts zu spüren). Die ganze Episode ist um einiges länger und die Geschichte wird zum ersten Mal wirklich interessant. Es ist eben nicht genug damit getan, möglichst viele bekannte Charaktere, welche die Fans in den Filmen liebgewonnen haben, in ein Adventure-Game zu stopfen und zu hoffen, dass der Rest irgendwie von selbst läuft. Die Charaktere müssen im Spiel ihren eigenen Zweck erfüllen und gleichzeitig den Vibe transportieren, den man aus dem Film kennt und der sie ausmacht. Was nützt es mir, wenn Martys Mama in Teil 3 auftaucht und an der Flasche hängt? Der Charakter ist so platt, man muss sich fast daran gewöhnen eindimensional zu denken. Ein Charakterzug macht eben noch keinen Charakter.
Und in Teil 4 funktioniert es auf einmal, denn zum ersten Mal geht das Spiel tiefer. Die Beziehung zwischen Doc und Edna entwickelt sich zu einer vielschichtigen Tragödie. Der Junge Doc ist zum ersten Mal verliebt und weiß nicht, was die Frau seines Herzens in seiner Zukunft mit ihm anstellen wird. Der alte Doc ist um diese Erfahrung reicher und sieht sich nun mit der Dame konfrontiert, die ihm sowohl Herz als auch Verstand rauben wird. Nur: ist die Edna aus der Vergangenheit dieselbe Person wie Edna aus der Zukunft? Ist ihr Schicksal vordefiniert und ihre Entwicklung zum Bösewicht unausweichlich? Und ist Martys Bemühen, die beiden Personen durch Lügen und Intrigen auseinanderzureißen, überhaupt noch zu rechtfertigen? Die Story schlägt philosophische Töne an und hat auf der ganzen Linie Erfolg, denn als Spieler kommt man nicht umhin sich schlecht in seiner Haut zu fühlen, wenn man hinter dem jungen verliebten Doc seine Beziehung langsam aber sicher zerstört. Der Zuckerguss obendrauf ist der Cliffhanger, der zum ersten Mal die Möglichkeit einer echten Feindschaft zwischen Doc und Marty eröffnet und auf einen düsteren und verhängnisvollen fünften Teil deutet.
So, Spiel vorbei. Der Abspann läuft und ich fühle mich unterhalten. Ich hatte Spaß beim Spielen, beim Rätseln, hab die Story genossen. Die Spielzeit schätze ich auf etwa vier Stunden. Aber es kommt einem länger vor. Und jetzt? Was soll ich vom fünften Teil erwarten? Werfe ich alle Zweifel über Bord und vergesse die enttäuschenden ersten drei Episoden? Wird der fünfte Teil alles erfüllen, was der vierte verspricht? Soll ich tatsächlich mit großen Erwartungen auf das Ende von 'Back to the Future' hinfiebern? Natürlich nicht. Das wäre töricht. Große Erwartungen waren ein Grund warum das Episoden-Adventure von Anfang an nicht richtig schmecken wollte. Wer den Spielern ein Spiel häppchenweise präsentiert, der muss darauf achten, dass alle Teile gut schmecken. Ein furioser Nachtisch nützt nichts, wenn Salat, Suppe und Hauptspeise fade schmeckten und nicht mehr ganz warm waren. Wenn ich das Spiel in vielen Jahren ganz vielleicht noch einmal anfange und in einem Guss spiele, dann mag die Erfahrung vielleicht eine komplett andere sein. So warte ich auf den fünften Teil und bin vorsichtig optimistisch. Sehr, sehr vorsichtig.
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Zurück in die Zukunft - Das Spiel: Back to the Future - The Game
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- Deep Silver
- Release
- 20. April 2012
- Webseite
- http://www.telltalegames.com/bttf
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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