Was im Vorfeld zu Compulsion Games 'Contrast' zu vernehmen war, klang verheißungsvoll: Das Setting bedient sich einer unverbrauchten Mischung aus Varieté und Illusionen, getragen von atmosphärischer Jazz-Musik. Ein hervorstechendes Gameplay-Element ist diesmal übrigens der Wechsel zwischen Licht und Schatten. Es mag kaum verwundern, dass Focus Interactive ('Das Testament des Sherlock Holmes', 'Crimes and Punishments') vor wenigen Monaten als Publisher dieses Indie-Abenteuers gewonnen wurde. Ob 'Contrast' den saftigen Vorschusslorbeeren gerecht wird, nehmen wir für Euch im Review unter die Lupe.

Ein Mädchen auf der Suche nach dem Vater
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Wenn es nach ihrer Mutter geht, sollte die junge Didi jetzt im Bett bleiben... |
Die junge Didi lebt in einer entfremdeten Welt, in der Menschen nur noch als Schatten existieren und zwar alle, mit Ausnahme von eben diesem Mädchen und ihrer mysteriösen Begleiterin Dawn, die in eine reine Schattenform wechseln und dann sogar mit der Schattenwelt interagieren kann. Diese Gabe ist für das Kind elementar bei der Suche nach dem Vater. Zwar kann sie mit den Schattenwesen kommunizieren, doch abgesehen davon, ist ihr Handlungsspielraum begrenzt und vieles ist für das Kind unerreichbar, nicht aber für ihre Helferin.
Die große Liebe ihrer Mutter Kat heißt Johnny. Sein Hang Dinge zu vermasseln und den falschen Leuten Geld zu schulden, brockt ihm mitunter knochenbrecherische Probleme ein. Für eine Familie stellt sein Lebensstil ein Risiko dar. Trotzdem vermisst ihn Didi und so setzen wir alles daran, Johnny klammheimlich bei seinem neuesten Projekt zu unterstützen: Ein Varieté-Zirkus rund um den berühmten Illusionisten Vincenzo als Hauptattraktion. Mit einem Erfolg will er Kat endlich von sich überzeugen und beweisen, dass er sich geändert hat und zugleich seine Schulden begleichen. Auf dem Weg dorthin sind freilich einige Fehler auszubügeln, denn der Gute ist wahrlich nicht vom Glück verfolgt. Dabei erfährt das Mädchen aber etwas über ihre Eltern, was sie vorher nicht wusste und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
Der Mensch als Schatten seiner Selbst
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Sängerin Kat hat Johnny ganz ordentlich den Kopf verdreht |
Das im fantasievollen Setting von 'Contrast' jede Menge Symbolik steckt, ist leicht zu erraten. Jene Menschen, die nur noch in den Schatten leben, vereint, dass sie sich selbst verloren haben und scheinbar alles für Karriere und Geld tun. Kat will als Sängerin berühmt werden, Johnny sich mit seinem Zirkus endlich beweisen und der Illusionist Vincenzo hat für ein Privatleben überhaupt keinen Platz und ist voll auf seine Geräte und Tricks fokussiert. In dieser Welt lebt Didi und so mag es wenig verwundern, dass sie sich endlich eine richtige Familie wünscht. Viel mehr zum Inhalt soll an dieser Stelle aber nicht gespoilert werden.
Untypischerweise lässt Compulsion Games den Spieler nicht in die Rolle der eigentlichen Protagonistin schlüpfen. Stattdessen verkörpern wir Dawn, die dem Mädchen als Helferin tatkräftig zur Seite steht. Dieser narrative Kniff bringt Nachteile mit sich: Wir agieren primär als ausführende Kraft und folgen den Anweisungen des Mädchens. Welche Motivation dem blinden Gehorsam zugrunde liegt, bleibt lange unklar. Für mehr Identifikation mit der Akteurin wäre es wahrscheinlich hilfreich gewesen, auch ihre Rolle greifbarer zu vermitteln. Erst am Ende wartet Klarheit. Trotz erzähltechnischer Schwächen bleibt die Geschichte recht interessant, zumal Didis Beweggründe klar und nachvollziehbar sind und man Unglücksvogel Johnny nicht einfach im Stich lassen möchte.
Hybrider Genre-Mix
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In ihrer Schattenform, kann Dawn sich entlang von Schatten laufen |
Aus diversen Genres (Action-Adventure, Plattformer, Adventure...) pickt 'Contrast' sich etwas heraus. Wenn auch nicht im klassischen Sinne, so ist es durchaus auch als Adventure verstehbar. In den vier, fünf Stunden Spielzeit, ordnet sich das Gameplay der Story unter und wird durch einige kleine Rätseleinlagen angereichert. Jump-and-Run-Einlagen drängen sich erst gegen Ende stärker in den Vordergrund und sind ansonsten wenig fordernd. Gesteuert wird die Spielfigur Dawn direkt mittels Gamepad oder alternativ via Tastatur plus Maus. Die Steuerung gestaltet sich unkompliziert und ist schnell verstanden. Leider ist sie manchmal etwas ungenau. Im Spiel selbst können wir springen, interagieren, Gegenstände tragen, in eine Schattenform wechseln und in dieser Form sogar dünne Schatten durchbrechen. Die Weite der Sprünge lässt sich kaum gezielt regulieren.
Schatten, Märchen und Maschinen
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Benutzbare Objekte sind leicht zu erkennen |
Generell sind die Aufgaben leicht bis durchschnittlich schwer zu lösen. Positiv fallen die Schatten-Rätsel auf, auf die wir im Verlauf der Handlung häufig treffen und die das Herz des Spiels prägen. Steht Dawn nahe an einer beleuchteten Wand, kann sie in ihre reine Schattenform wechseln. So kann sie sogar über Schatten laufen und schwer erreichbare Orte erreichen. Damit das gelingt, müssen wir die Schatten manchmal aber ein wenig adaptieren. Zu diesem Zweck sind mitunter Objekte neu zu positionieren, die nahe an einer relevanten Lichtquelle stehen. Mit einigen dieser Aufgaben verbringen wir zuweilen schon ein paar Minuten, selbst wenn sie nie sonderlich schwer sind.
In die Kategorie “Undurchdacht“ fallen hingegen zwei Kisten-Puzzles: Kisten kommen in 'Contrast' primär als Gewicht für Druckmechanismen zum Einsatz, was manchmal dahingehend ad absurdum geführt wird, da andere Gegenstände im Raum wären, die theoretisch denselben Effekt hätten und unkomplizierter zu erreichen wären. Abgesehen von logischen Defiziten sind diese Aufgaben wenigstens recht unterhaltsam, mit einer Ausnahme: Im dritten Abschnitt soll einmal der Schatten einer Kiste auf eine höhere Plattform katapultiert werden, was eher nur durch zufälliges Probieren klappt, zumal der Scheinwerfer sich eigentlich nicht schnell genug bewegt, um so einen Effekt plausibel zu kreieren.
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Hier spielen wir ein Märchen nach |
Obligatorisch sind hin und wieder natürlich auch Geräte zu reparieren und aktivieren, was bei 'Contrast' leider primär auf das wenig komplexe Finden und Benutzen von Hotspots hinausläuft. Ein Inventar fehlt zwar, doch können wir vereinzelt Objekte immerhin tragen und dann mit anderen Elementen kombinieren. Besonders unterhaltsam ist wiederum eine Passage, die sich spielerisch an Plattformern wie 'Limbo' orientiert: in einem Schatten-Theater im Zirkus spielen wir in 2D-Jump-and-Run-Manier ein unterhaltsames Märchen nach, während ein Erzähler das Geschehen und unsere Aktionen kommentiert und humorvolle Bemerkungen parat hält (letzteres erinnert ein wenig an 'Bastion').
Umsetzung mit Licht und Schatten
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Didi hat einen neuen "Job" für uns |
Im Umgang mit Zielen offenbart 'Contrast' eine weitere Baustelle. Nicht etwa, weil man davon nicht genug bekommen würde. Nein. Von Didi erhalten wir Aufforderungen dieses und jenes zu tun. Für Personen mit löchrigem Gedächtnis wird das Ziel obendrein noch dauerhaft schriftlich eingeblendet. In der ersten Hälfte sind die meisten Anweisungen eng gefasst und so fühlt man sich gerade in dieser Phase mitunter zu sehr dirigiert. Erst danach ist man zunehmend auf sich gestellt. Schade, dass die Entwickler nicht eher die Intuition der Spieler walten lassen. Negativ fällt zudem das automatische Speichersystem auf: Zwischendurch zu Sterben ist kein Problem (in solchen Fällen findet man sich Sekunden vor dem Unglücksfall wieder im Spiel), doch liegen die Speicherpunkte hin und wieder erstaunlich weit auseinander. Unangenehm kann das im dritten und letzten Kapitel werden, wo praktisch im gesamten Leuchtturm nicht zwischengespeichert wird. Wer hier einen Neustart wagt, verliert mitunter einige Minuten an Zeit. Völlig frei von Bugs der unangenehmeren Sorte war das Spiel auf unserem Testcomputer ebensowenig. Ab und zu verhedderte sich Dawn und lief nicht mehr weiter.
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Mal sehen, ob wir dem lieben Kind zum Glück verhelfen können... |
Ansonsten ist die technische Umsetzung in Summe aber sehr positiv gelungen: Die fantasievollen 3D-Schauplätze sind stark visualisiert und die Animationen sehr in Ordnung. Atmosphärisch gesehen ist das von den 1920er Jahren inspirierte Indie-Abenteuer überzeugend und die einzelnen Kapitel sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Über eine, wie fast immer bei Spielen mit der Unreal Engine, ausbaufähige Mimik sollte man freilich hinwegsehen. Gelungen ist zudem der angenehm unaufdringliche Jazz-Soundtrack und auch die englische Sprachausgabe leistet gute Arbeit (selbst die Sprecherin der kleinen Didi kann in dieser Rolle überzeugen), wobei sich die deutsche Lokalisierung auf Untertitel beschränkt.
'Contrast' zählt zu jener Kategorie von Spielen, die unter ihren hohen Möglichkeiten bleiben. Das symbolische Setting, die atmosphärische Visualisierung gepaart mit gelungener Jazz-Musik, der Einsatz von Schatten als tragendes Gameplay-Element... ja, all das gibt einiges her. Leider stößt man ansonsten auf Ecken und Kanten, die ein sehr gutes Spiel verhindern: Weder ist das Speichersystem glücklich gelöst, noch schmecken die vielen engen Zielvorgaben und ein paar Rätsel hätten durchdachter sein können. Auch die Steuerung fällt manchmal durch Ungenauigkeit auf. Dennoch kann 'Contrast' in Summe vier, fünf Stunden lang recht gut unterhalten, auch weil das Spielprinzip unverbraucht und Didis Story im Kern menschlich und greifbar ist. Allerdings drängt sich erzähltechnisch die Frage auf, ob es wirklich die beste Entscheidung war, den Spieler diesmal nicht in die Rolle der Protagonistin zu stecken. Klar steckt eine Idee dahinter und bestimmt keine schlechte, aber es macht einfach nicht soviel Spaß, eine substanzlose Person zu spielen, über die man erst am Ende etwas erfährt. Ja, die Geschichte ist trotzdem ansprechend, aber da wäre mehr möglich gewesen.
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Contrast
- Entwickler
- Compulsion Games
- Publisher
- Focus Home Interactive
- Release
- 15. November 2013
- Spielzeit
- 5 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://contrastgame.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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