„Großartige Spiele müssen nicht groß sein“ lautet der Wahlspruch des Wiener Indie-Entwicklers Mi'pu'mi – ein Anspruch, dem man natürlich auf den Zahn fühlen möchte. Mit der ersten Episode des vierteiligen Adventures 'The Lion's Song' legt das 25-köpfige Team ein ambitioniertes Projekt vor. Versprochen wird eine Geschichte über persönliche innere Konflikte und Kämpfe, über Ehrgeiz, außergewöhnliches Talent, zwischenmenschliche Beziehungen und über Inspiration. Wir haben die erste Episode, 'Silence', getestet. Auf eine Wertung haben wir wie bei Episodenspielen üblich verzichtet, die Gesamtwertung folgt am Ende der letzten Episode.

-> den vollständigen Test zu allen Episoden findet Ihr hier
Spiel' mir ein Lied...
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Ein hilfreiches Angebot. |
Die erste Episode des im Österreich des frühen 20. Jahrhunderts angesiedelten Adventures handelt von der jungen Komponistin Wilma, die, bevor wir sie kennenlernen, bereits mit einer eigenen Komposition reüssieren konnte, was ihr ersten Ruhm eingebracht hat. Ihr ehrgeiziger Professor (und potenzieller Liebhaber Arthur) möchte auf diesem Ruhm aufbauen und drängt Wilma, sich in der Abgeschiedenheit einer Berghütte ihrer neuesten Komposition zu widmen – ein Angebot, das Wilma etwas widerwillig, aber denoch annimmt.
Die Aufgabe des Spielers ist es, Wilma in der Abgeschiedenheit der Alpen dabei zu helfen, ihre Komposition zu beenden und ihre Inspiration wieder zu finden bzw. den kreativen Prozess anzukurbeln. Dabei müssen äußere Ablenkungen, wie das Ticken einer Uhr, das Knarzen im Gebälk oder der Dauerregen ausgeblendet werden. Immer wieder müssen Entscheidungen getroffen werden, die, so wird uns jedenfalls versprochen, sich auf die gesamte Geschichte von 'The Lion's Song' auswirken werden – also auch auf die noch ausstehenden drei Episoden, die übrigens jeweils mit unterschiedlichen Hauptfiguren gespielt werden. Zentral ist in Episode 1 auch die Frage, was die Hauptfigur, in dem Fall Wilma, eigentlich will. Albträume, die sie mit ihren inneren Konflikten konfrontieren, spielen dabei eine wichtige Rolle.
Minimalistische Grafik, schöne Musik
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Minimalistische Alpen. |
Minimalismus dürfte das Gebot der Stunde gewesen sein, als man sich an 'The Lion's Song' gemacht hat. Die Grafik ist auf das Wesentliche reduziert und kokettiert mit dem Pixellook der 1990er, das Ganze ist in Ocker-, Beige-, Rot-, Schwarz-, Weiß- und Brauntönen gehalten - also alles andere als bunt und durchaus gewöhnungsbedürftig. Beim Sound gibt man sich ebenfalls reduziert: Eine Sprachausgabe ist nicht vorhanden, dafür eine sehr schöne Geräuschkulisse, die u.a. prasselnden Regen, Donner, das Ticken einer Uhr, das Knarzen im Gebälk, das Quietschen einer Lampe oder auch Applaus umfasst. Gut gelungen ist die musikalische Untermalung, was bei einer Episode, in deren Mittelpunkt eine von der Inspiration verlassene Komponistin steht, auch angebracht ist. Soundtechnisch gibt es also nichts zu meckern, die fehlende Sprachausgabe kann man einem Indie-Entwickler mit zwei zugedrückten Augen verzeihen.
Gameplay? Brauchen wir nicht!
Dialoge laufen aufgrund der fehlenden Sprachausgabe ausschließlich über Textinserts ab, wobei man als Spieler hin und wieder die Möglichkeit hat, zwischen mehreren Antworten zu wählen. Die meiste Zeit klickt man jedoch einfach weiter, nachdem man den jeweiligen Text gelesen hat. Bei der Verschriftlichung der Dialoge wurde versucht, das typische Wiener Deutsch – auch bekannt als „Schönbrunner Deutsch“ - einzufangen, was aber nur bedingt gelungen ist, etwa, wenn Wilma erklärt „Ich hab ang'fangen“. Ärgerlich fand ich, dass die Dialoge voller falsch gesetzter Kommas sind. Das mag anderen Spielern vielleicht nicht auffallen, und es stört jetzt auch nicht unbedingt den Spielfluss. Dennoch bleibt ein leicht negativer Eindruck zurück.
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Gameplay? Och nö. Wilma sitzt lieber rum und wartet auf Inspiration. |
Das Gameplay – nennen wir es mal großzügig so – setzt die minimalistische Linie fort: Wir klicken auf den Bildschirm, wodurch die Dialoge in Gang gesetzt bzw. weitergeführt werden, hin und wieder können Gegenstände angeklickt werden, und ab und zu wabern Textpassagen vor unseren Augen. Bei Klick darauf öffnen sich meist zusätzliche Dialogoptionen. Spielerisch gibt es so gut wie nichts zu tun, von einem Schwierigkeitsgrad kann auch keine Rede sein. Die Macher haben sich ausschließlich darauf konzentriert, Wilmas Geschichte zu erzählen. Da es keine Rätsel gibt, wir uns auch nicht frei bewegen können, sondern größtenteils an einem Ort verweilen, ist Wilmas Geschichte relativ schnell erzählt, wobei offen gelassen wird, ob sie am Ende den erwünschten Erfolg erzielt oder nicht. Das, so verspricht Mi'pu'mi, erfahren wir erst, wenn wir alle vier Episoden durchgespielt haben.

Die erste Episode von 'The Lion's Song' lässt mich ehrlich gesagt etwas ratlos zurück. Ich habe selten ein Spiel gespielt, das derart reduziert daherkommt und sich auf das Allernötigste beschränkt. Wer geglaubt hat, weniger Gameplay als bei Telltale oder in 'Dreamfall Chapters' geht nicht, wird hier eines Besseren belehrt – wobei diese drastische Reduktion auf das Nötigste nicht unbedingt schlecht sein muss, aber das wird sich wohl erst in den nächsten Episoden zeigen. Wie sich Wilmas Geschichte in die Gesamtstory einfügt und wie die insgesamt vier Episoden zu einem Ganzen verbunden werden sollen, wird jedenfalls noch interessant. Auch die Frage, inwiefern sich die Entscheidungen auf die übrigen Episoden auswirken, steht derweil noch offen im Raum. Mit gerade einmal 45 Minuten ist Episode 1 sehr kurz geraten, was nicht zuletzt dem Minimalismus geschuldet ist. Der Grafikstil ist gewöhnungsbedürftig, die Musik- und Geräuschkulisse dagegen hervorragend gelungen. Musik und Geräusche sind es auch, die Atmosphäre erzeugen. Es wird sich zeigen, ob das ausreicht.
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The Lion's Song
- Entwickler
- Mipumi Games
- Publisher
- Mipumi Games
- Release
- Komplette Staffel: 13.07.17
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://thelionssong.tumblr.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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