Mit dem Episoden-Spiel 'Guardians of the Galaxy' hat sich Telltale erneut auf Comic-Terrain begeben und in relativ kurzen Abständen insgesamt fünf Folgen veröffentlicht, erfreulicherweise ohne gröbere technische Probleme. Wir haben uns natürlich nicht zweimal bitten lassen und das rasante Abenteuer rund um Star-Lord, Gamora, Drax, Groot und Rocket auf Herz und Nieren für Euch getestet.
Von lila Schurken und Ewigen Schmieden
Eines vorweg: Es schadet nicht, wenn man vor Spielbeginn zumindest den ersten 'Guardians'-Film gesehen hat, da dieser die nötigen Hintergrundinformationen liefert und erklärt, wie diese völlig konträren Charaktere überhaupt zusammengefunden haben und wie sie auf die zugegebenermaßen auf den ersten Blick absurde Idee gekommen sind, als Team die Galaxie zu schützen.
Man kann das fiese Lachen direkt hören, oder? |
Die Handlung setzt mit der Jagd auf den Superschurken Thanos ein. Der ist groß, lila und zeichnet sich durch äußerst schlechte Laune aus sowie, wie könnte es auch anders sein, durch unstillbare Machtgier. Dieser lila Koloss ist hinter einem mysteriösen Artefakt her, der „Schmiede der Ewigkeit“, deren Kräfte im Lauf der Handlung zunächst nur angedeutet und dann ziemlich eindrucksvoll demonstriert werden.
Weil die Guardians gerade nichts Besseres zu tun haben und speziell Drax noch eine Rechnung mit Thanos offen hat, dürfen wir, ehe wir uns um das Artefakt kümmern, zu Beginn also gleich mal gegen den Oberschurken antreten und uns mit ihm um die „Schmiede der Ewigkeit“ prügeln. Das ist nur der Auftakt für eine gut geschriebene, flott inszenierte und stellenweise sehr rasant erzählte Geschichte, die bei aller Action weder auf den Humor noch auf ihre Figuren vergisst. So erhalten wir in jeder der fünf Episoden spannende Einblicke in die Vergangenheit der ungleichen Weggefährten. Das hilft uns einerseits dabei, die jeweilige Figur besser zu verstehen. Andererseits fallen manche Entscheidungen etwas leichter, wenn wir wissen, was die betreffende Figur bereits durchgemacht hat.
Rückblenden wie diese sind wichtig für die Story. |
Durch die sorgfältige Zeichnung der Charaktere wird einiges an Konfliktpotenzial eingearbeitet, was die Geschichte umso spannender macht und sie von einer bloßen „Die Guten müssen die Galaxie vor den Bösen retten“-Story abhebt. Denn jeder Guardian hat sein Päckchen zu tragen, und der Zusammenhalt der ungleichen Truppe wird mehr als einmal auf die Probe gestellt. Durch die Konflikte zwischen den Guardians ergeben sich immer wieder unerwartete Wendungen; die Geschichte entwickelt sich dann in eine Richtung, mit der man so nicht gerechnet hat. Auch die Entscheidungen fühlen sich durch die gekonnte Inszenierung „echter“ an, bedeutungsschwerer, obwohl sie in der Regel wenig bis keine Auswirkungen auf den grundsätzlichen Handlungsverlauf haben.
Bestimmte Punkte der Geschichte sind wie gewohnt fix vorgegeben, an diesen lässt sich auch nicht rütteln. Dennoch fragt man sich unweigerlich, ob die Ausgangssituation zu Beginn der fünften Episode anders wäre, hätte man sich in Episode 3 anders entschieden. Und Spaß hat man so oder so. Selten hat Telltale eine so durchdachte, gut geschriebene und humorvolle Geschichte vorgelegt, die von der ersten bis zur letzten Minute das Niveau und den Spieler mühelos bei der Stange hält.
Optik in höchster Qualität, rockiger Soundtrack
Optisch wird einiges geboten. |
In Sachen Grafik kann man 'Guardians of the Galaxy' keinen Vorwurf macht. Wer über eine entsprechend leistungsstarke Grafikkarte verfügt, sollte unbedingt mit höchster Grafikqualität spielen. Das empfiehlt sich womöglich auch aus technischen Gründen: Ab einem bestimmten Punkt in Episode 4 ist das Spiel auf manchen Computern lediglich mit höchsten Einstellungen spielbar. Behält man die Standard-Settings mit niedriger Qualität bei, dann friert das Abenteuer ein und lässt sich nicht beenden.
Unabhängig davon machen die Guardians selbst auf niedriger Stufe ordentlich was her. Die Charaktere sind gut getroffen; Raumschiffe, eine Bar, verschiedene Tempel, Höhlen und andere Schauplätze sehen umwerfend gut aus. Lediglich Kantenflimmern zwischendurch kann bei schwächeren Grafikkarten die schicke Optik trüben.
Auch die Sprecher sind gewohnt gut, und das durch die Bank. Wie immer gibt es lediglich eine englische Sprachausgabe, dazu deutsche Untertitel. Diese sind stellenweise nicht richtig übersetzt bzw. wurden im Deutschen teilweise ganze Sätze eingefügt, die im Englischen gar nicht gesprochen werden. Das ist jetzt nicht sonderlich störend, da es weder die Handlung noch das Spielerlebnis nachhaltig beeinflusst. Es fällt aber unangenehm auf und müsste einfach nicht sein. Vereinzelt hatte ich auch Grafikfehler der Sorte „Hand greift durch Gegenstand hindurch anstatt ihn zu benutzen“ bzw. kam es auch ein-, zweimal vor, dass der Kopf einer Figur halb durchsichtig war.
Wo wir noch beim Sound sind: Der fetzige Soundtrack macht richtig Laune, Rockmusik ist unser fast ständiger Begleiter. Dazu gesellen sich ruhigere Stücke sowie hervorragend umgesetzte Hintergrundgeräusche, egal ob im Kampf, in der Bar oder beim Absturz unseres Raumschiffs. Um zu unterstreichen, wie wichtig die Musik speziell für Star-Lord ist, haben sich die Entwickler außerdem den Spaß erlaubt, die einzelnen Kapitel sowie die Achievements mit Titeln bekannter Rockklassiker zu versehen – es gibt unter anderem „Dark Side of the Moon“, „Creatures of the Night“ oder auch „A Kind of Magic“, Referenzen, die mit dem jeweiligen Kapitel zwar meistens nichts zu tun haben, die aber den Rockfan freuen werden, einfach, weil sie durchdacht sind und Peters Begeisterung für Musik gekonnt aufgreifen.
Vom Fliegen und Kämpfen
Geballer im All. Gibt's was Schöneres? |
Das Gameplay wurde wie gehabt auf ein Minimum reduziert, am PC haben wir die Wahl zwischen der bewährten Kombination Tastatur/Maus und dem Controller. Die Quick Time Events sind noch einfacher zu bewältigen als das sonst der Fall ist, hauptsächlich, weil sie langsamer ablaufen und man etwas mehr Zeit hat, um die richtige Taste zu drücken. Dabei reagiert das Spiel in der Regel auf den leisesten Tastendruck, was ein flüssiges Spielen ermöglicht. Selten müssen wir auf eine Taste einhämmern, um weiterzukommen, lediglich an ein, zwei Stellen kann es unter Umständen brenzlig werden, wenn wir nicht schnell genug reagieren.
Beibehalten wurden Quick Time Events, für die zwei Tasten gleichzeitig benötigt werden. Das sorgt ebenso für Abwechslung wie einige Guardians-spezifische Neuerungen. Namentlich die Möglichkeit, mit Peter alias Star-Lord dank seiner Düsenstiefel herumzufliegen macht eine Menge Spaß und fügt sich wunderbar ins Spiel ein. Dazu können wir mit den beiden Maustasten aus vollen Rohren feuern, wenn es die Situation erfordert. Ist Peter alleine unterwegs, kann er sich via Funk mit den übrigen Guardians unterhalten. Durch einen Druck auf die Shift-Taste öffnet sich dann links ein Menü, in dem wir auswählen können, mit welchem unserer Gefährten wir sprechen wollen. Nicht immer sind alle verfügbar, oft können wir nur mit einer Person reden.
Eine im wahrsten Sinn des Wortes ätzende Aufgabe. |
Schließlich benötigen wir zum Spielen auch noch die Strg-Taste. Sie erlaubt es uns, zu sehen, was sich an einem Ort vor unserer Ankunft zugetragen hat, sodass wir die Aktivitäten unserer Gegner rekonstruieren und nachstellen können. Dieses nützliche Tool kommt vor allem in der zweiten und dritten Episode zum Einsatz. Dazu können wir umherwandern und Dinge untersuchen; an manchen Stellen müssen wir die anderen Guardians explizit um Hilfe bitten, wobei uns meist die Wahl bleibt, wen wir fragen wollen. Teamwork ist dabei vor allem in den Kämpfen wichtig, wobei das Spiel automatisch von einem Guardian zum nächsten wechselt, was den Eindruck eines sehr dynamischen Kampfes vermittelt. Es gibt übrigens auch Stellen, an denen es „Game over“ heißt, wenn wir nicht aufpassen oder zu langsam sind. Diese sind allerdings rar gesät, sodass sich der Frust über wiederholtes Sterben in sehr engen Grenzen hält bzw. gar nicht erst aufkommt.
Die Erwartungen, die Telltale mit dem gelungenen Auftakt zu 'Guardians of the Galaxy' im April dieses Jahres geweckt hat, wurden voll und ganz erfüllt. Die Handlung hat sich ab der ersten Minute rasant entwickelt, die spielbaren Hintergrundgeschichten der einzelnen Charaktere und das Konfliktpotenzial, das diese widersprüchlichen Figuren entwickeln, wirkt sich direkt auf die Geschichte aus. Das Gameplay wird durch neue Elemente etwas aufgelockert und gestaltet sich so etwas abwechslungsreicher als sonst, bleibt aber gewohnt minimalistisch. Die gut geschriebene Geschichte, die schicke Optik, die wie immer hervorragenden Sprecher und der lässige Soundtrack lassen einen problemlos darüber hinwegsehen. Mit einer Spielzeit von gut neun Stunden passt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Und die Marvel-typische kurze Szene am Ende lässt auf eine hoffentlich ebenso gute zweite Staffel hoffen.
-
Guardians of the Galaxy - The Telltale Series
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- Telltale Games
- Release
- Episodisch: 18.04.17
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Spielzeit
- 9 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Guardians of the Galaxy - The Telltale Series bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)