'Dude, Where is My Beer' richtet sich klar an Fans des klassischen Point&Click-Adventures, v.a. an jene mit einer Vorliebe für Bier. Dabei werden einige aktuellere Trends auf die Schippe genommen und das Entwicklerduo Arik Zurabian und Edo Brenes beweist einen recht eigenen Humor, der sich von einigen anderen Spielen dieser Art abhebt. Mehr dazu im Test.

Kein Pilsner in Oslo?

Mehr zur recht simpel gestrickten Story wollen wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen. Viele Gags drehen sich um aktuellere Trends - veganes Essen, Hippies, Craftbier mit seltsamen Namen, sowie Coffeeshops in denen der Kunde die meiste Arbeit hat und dann trotzdem noch bezahlen muss, und vieles mehr - oft bewusst stark überzeichnet dargestellt. Das Entwickler-Duo Arik Zurabian und Edo Brenes beweist einen recht eigenen Humor, wobei manche Ansichten der Hauptfigur eventuell polarisieren könnten.
Sehr klassisches Point&Click-Gameplay mit einem Twist
Den Geist der frühen 1990er merkt man spätestens am altbewährten Verb-Interface: Öffnen, Schliessen, Anschauen, Ziehen und so weiter. Ehe wir mit der Umgebung interagieren können, wählen wir eines der Verben aus. Die Steuerung funktioniert via Maus. Optional sind die einzelnen Verben freilich auch via Tastaturbefehl aktivierbar, um Zeit zu sparen.

Rechts am Bildschirm wird der Alkoholspiegel der Spielfigur angezeigt. Mit genug Alkohol im Blut können wir z.B. eine Mülltonne durchsuchen oder kaputte Babyflaschen vom Boden aufheben. Nach einem Bier ist er ein paar Minuten lang leicht angeheitert. Sind es zwei Bier binnen kurzer Zeit, dann fällt die Wirkung etwas stärker aus. Normalerweise will die Spielfigur dann nicht gleich noch eine Flasche (erst sobald die Betrunkenheit wieder sinkt). Dennoch würde ich 'Dude, Where is My Beer' nun wirklich keinem ehemaligen Alkoholiker zeigen wollen.
Viel Herumgelaufe

Wer eine Unterhaltung führen will und kurz vorher nüchtern wird, aber kein Bier im Inventar hat, der muss erst wieder in die nächste Bar. Am Anfang ist die Notwendigkeit des Alkoholkonsums amüsant, doch das Gameplay-Gimmick nutzt sich bald ab und ist später eher ein Klotz am Point&Drink-Bein.
Eine In-Game-Map fehlt abgesehen davon, wodurch bei grob geschätzt drei bis vier Stunden Spielzeit (je nachdem, wie einem die Logik mancher Rätsel gelegen kommt) etwas längere Laufwege möglich sind. Insbesondere dann, wenn man mal etwas übersehen hat und wieder zurück muss. Weil die Spielwelt halbwegs überschaubar ist, ist das nicht allzu dramatisch. Trotzdem zieht es sich gegen Ende ein wenig in die Länge.
In der Umgebung ist einiges anklickbar, was zu witzigen Momenten führen kann. Zugleich halten sich die Items pro Schauplatz im sehr überschaubaren Rahmen und teilweise muss man gründlich hinsehen, um fündig zu werden, sonst steht die Story schnell einmal komplett still.
Mitunter sehr eigenwillige Logik
Eine In-Game-To-Do-Liste wäre praktisch gewesen für etwas mehr Struktur. Die Aufgaben sind nicht immer klar. Natürlich kann man an dieser Stelle argumentieren, dass das nicht dem klassischen Geist entspräche, doch das wird jeder für sich entscheiden. Die Rätsel sind ihrerseits mitunter ein bisschen zu abgehoben und umständlich. Hilfreiches Feedback ist eher Mangelware. Drei Schwierigkeitsgrade sind im Menü auswählbar, der Effekt hält sich aber in Grenzen. Wenigstens haben die Entwickler auf Steam eine Lösung zur Verfügung gestellt.

Diese Art von schräger Logik (all das ist kein Einzelfall) wird nicht jedem Spieler zusagen. Es könnte selbstverständlich auch Spieler geben, die damit gut klar kommen.
Schöne 2D-Grafik und ein feiner Soundtrack
Optisch gibt es an 'Dude, Where is My Beer' nichts auszusetzen. Der stimmige 2D-Comicstil ist detailreich und markant gelungen. Zwischendurch fährt ein Radfahrer an uns Vorbei oder die Strassenbahn fährt die Strasse entlang. Ist unser Protagonist gerade selbst auf der Strasse, weicht er selbstständig aus. Klar, die Animationen könnten noch etwas flüssiger sein, aber für ein Indie-Adventure gibt es nicht wirklich etwas auszusetzen.
In der Spielwelt gibt es zudem einige optionale Dinge zu entdecken, wie etwa eine nackte Frau in einem Wohnhaus und andere Kleinigkeiten. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn mit Fortdauer der Geschichte mehr zusätzliche Ereignisse dazugekommen wären. So hat man den Großteil vermutlich in den ersten 30 Minuten gesehen.

Was im akustischen Bereich fehlt ist eine Sprachausgabe: Da das Spiel via Indiegogo lediglich eine sehr geringe Crowdfunding-Summe bekommen hat, ist es nicht verwunderlich, dass das Budget nicht dafür gereicht haben dürfte. Gleiches gilt für weitere Übersetzungen. Bislang ist ausschliesslich eine englische Fassung verfügbar.
Die Begeisterung der Entwickler fürs klassische Point&Click-Genre ist vom Start weg spürbar. Der liebevolle 2D-Artstyle überzeugt, es gibt einiges zu erkunden und die Musik bietet einen hörenswerten Mix. Auch im Humorbereich musste ich mehrfach schmunzeln, obgleich einige Gags für Bier-Verweigerer wie mich nicht gar so gut zünden wollen.
Gestört hat mich hingegen das Gamedesign - hier gibt es viel Luft nach oben. Für meinen Geschmack sind die Itemkombinationen teils zu sonderbar und das Spiel kommuniziert nicht immer klar, worauf es hinaus will. Das ewige Hin- und Hergelaufe hätte man zudem ruhig per In-Game-Karte abkürzen können. Dass die Spielfigur für nahezu jede Aktion einen Alkoholspiegel braucht, ist zu Beginn amüsant, auf Dauer aber ein unnötiger Zwischenschritt.
Das Ende kann halbwegs für sich stehen, doch im Grunde wird bloß ein kleiner Teil eines weitaus größeren Abenteuers erzählt. 'Dude, Where is My Beer' wird seine Fans finden, es hat aber definitiv Eigenschaften, an denen man sich sehr stoßen kann. Wer keine großen Ansprüche an die Story stellt, den Humor mag und kein Problem mit komischer Logik hat, der könnte hier trotzdem richtig liegen. Ich bin zumindest gespannt auf das nächste Abenteuer!
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Dude, Where Is My Beer?
- Release
- 5. November 2020
- Spielzeit
- Um die 3-4 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.dudewhereismybeer.com
- Art
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Independent
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