Als Full-Motion-Adventure veröffentlichte Entwickler und Publisher Square Enix das japanische Detektiv- und Mystery-Abenteuer ‘The Centennial Case: A Shijima Story‘. Mit einer Mischung aus Film, Live-Action-Szenen, Ermittlungs- und Beweisführung widmen wir uns der Geschichte der Familie Shijima, die von ungewöhnlichen Unfällen und jahrhundertealten Geheimnissen geprägt ist. Wie es sich spielt, erfahrt Ihr im Test.

Die Kirschblütenzeremonie, die Shijimas und die Unsterblichkeit
Alle 100 Jahre veranstaltet die Familie Shijima auf ihrem Familiensitz nahe des Fuji eine besondere Zeremonie, um das neue Familienoberhaupt zu bestimmen. Diese jahrhundertealte Tradition soll auch in diesem Jahr wieder im Beisein aller Familienmitglieder stattfinden. Überschattet wird sie vom Fund einer Leiche, die seit ca. 100 Jahre unter dem Kirschbaum auf dem Grundstück der Shijimas begraben lag.
Da die Umstände des Leichenfundes genauso ungewöhnlich sind wie die Leiche selbst, beschließt Eiji Shijima der Sache auf den Grund zu gehen und bittet Haruka Kagami und Akari Yamase ihm beim Lösen dieses Falles zu helfen. Als Krimi-Autorin Haruka machen wir uns auf zum Anwesen der Shijimas, sammeln Hinweise und kombinieren uns zur Lösung dieser ungewöhnlichen Geschichte.

Schnell drängt sich folgende Frage auf: Gibt es vielleicht einen Zusammenhang zwischen dem Toten unter dem Kirschbaum und der alle 100 Jahren stattfindenden Kirschblütenzeremonie der Shijimas?
Drama, Baby!
‘The Centennial Case: A Shijima Story‘ ist ein Full-Motion-Adventure. Bereits in den 90er Jahren gewann dieses Genre an Bedeutung. Vielleicht erinnert sich der ein oder die andere noch an ‘The 7th Guest‘ von 1993 oder ‘Phantasmagoria ‘ von 1995. Allerdings kommen die eher trashigen FMV-Spiele der 1990er Jahre nicht mal ansatzweise an die Qualität von ‘The Centennial Case ‘ heran. Die Full-Motion-Sequenzen unserer Geschichte präsentieren sich in bester Film-Qualität und auch die schauspielerische Leistung kann sich durchaus sehen lassen.

Parallelen zu Ace Attorney in Full-Motion

Ab und an dürfen wir selbst entscheiden, wie die Geschichte weitergeht oder auf welche Aspekte sich Haruka gedanklich festlegt. Tatsächlich sind diese Abfragen aber wenig dynamisch und interaktiv, da sich Handlung, Geschichte und Film nicht wirklich beeinflussen lassen. Oft bestimmen wir damit nur Selbstgespräche von Haruka und können keine alternativen Filmsequenzen erzwingen.
Spätestens am Ende einer Episode zieht sich Haruka dann zum Nachdenken in ihren gedanklichen Logikraum zurück und der Film pausiert. Hier können wir auf der rechten Seite das Kapitel schrittweise durchgehen und Schlüsselszenen wiederholt ansehen. Hinweise sind in Form von Sechsecken für uns am Rand verfügbar. Auf der linken Seite stehen die wichtigsten, ungelösten Fragen. Wie ein Puzzle ordnen wir nun die Hinweise den Fragen zu. Dabei können wir uns Hilfe mit sogenannten Gedankenblitzen holen. Besonders schwer ist es aber so oder so nicht. Jede zentrale Frage ist umgeben von einer festgelegten Anzahl leerer Felder, die alle ein bestimmtes Muster tragen. Die Hinweise sind ebenfalls mit Mustern markiert. Jeder Hinweis kann also nur einmal einem bestimmten Platz zugeordnet werden.
Leider fehlt auch hier jegliche Dynamik. In den ersten Episoden überzeugt das Prinzip durch gelungen visuelle Umsetzung und gute ordentliche Darstellung. Spätestens im letzten Kapitel ist die Flut der Hinweise und parallelen Logikräume aber so groß, dass es sehr frustriert, diese stumpfsinnige und unflexible Arbeit zu Ende zu bringen.
Haben Fragen und Hinweis zueinander gefunden, leitet Haruka daraus eine Hypothese ab. Diese wird entweder mit einer passenden Filmsequenz oder einer Animation visualisiert. Aber Achtung: Haruka zieht alle möglichen Schlüsse in Betracht und auch falsche Fährten und unsinnig Hypothesen werden beleuchtet. Es gilt also selbst zu Kombinierung und die richtigen Schlüsse abzuleiten. Haben wir schließlich alle Hinweise beleuchtet, können wir noch einmal alle Hypothesen resümieren. Dann geht es mit der Auflösung als Film weiter. Im Stil von Ace Attorney müssen wir an den passenden Stellen die richtigen Hypothesen auswählen und die Schuldigen dingfest machen.

Gut gelungen ist die filmische Umsetzung von Sackgassen und Harukas Reaktionen auf Einwände ihrer Gegenüber. Mal reagiert sie wütend, mal schmollend, dann wieder unsicher oder bloßgestellt. Ab und zu wird ihr gar mit dem Rauswurf oder Gewalt gedroht. Hier entsteht Dynamik und kurze alternative Filmsequenzen. Wiederholen dürfen wir unsere Entscheidungen danach immer. Dumm ist nur, dass wir automatisch wieder im Logikraum landen und uns zurück zum Film klicken müssen. Wer oft zu falschen Hypothesen kommt, produziert eine Menge zusätzliche Spielzeit und viel Klick-Frustration. Das hätte man besser lösen können.
Wenig Dynamik mit guter Story
Leider ist ‘The Centennial Case: A Shijima Story‘ nicht sehr dynamisch und interaktiv. Das ist sehr Schade, da der Titel wirklich noch mehr Potenzial hat, das ungenutzt bleibt. Dennoch kann das Adventure mit der visuellen Aufarbeitung der Geschichte punkten. Ein Zeitstrahl hilft uns dabei, die Hinweise innerhalb der verschiedenen Epochen und Episoden in die richtige Reihenfolge zu bringen. Die handelnden Personen sind genauso mit Portrait und Beschreibung im Menü zu finden, wie die Umgebungskarten des jeweiligen Kapitels. Erklärungen von wichtigen Begriffen und Hinweisen runden das Drumherum des Gameplay super ab.
Der Film ist schön, die Schauspieler*innen machen einen wirklich guten Job und überzeugen in ihren Rollen. Die Story ist gut aufgebaut und für mich als bekennenden Japan-Drama-Fan großartig gemacht. Apropos: Am besten spielt es sich mit der Orignalvertonung auf Japanisch und deutschen Untertiteln. Eine deutsche Synchronisation gibt es nicht. Als Alternative steht aber noch eine mäßige englische Vertonung zur Auswahl. Am Ende der Story bleiben dann (fast) keine Fragen offen.
Mit 15 bis 20 Stunden bietet ‘The Centennial Case – A Shijima Story‘ eine Menge Spielzeit mit reichlich Film- und Kombinationselementen. Fans von Drama-Serien und Liebhaber japanischer Kultur kommen wirklich ganz auf ihre Kosten. Alle anderen werden sich an den Japan-Drama-Stil des Spiels erst gewöhnen müssen. Eine deutsche Synchronisation bietet das Spiel uns zwar nicht, aber Originalvertonung auf Japanisch oder eine mäßige englische Synchronisation mit deutschen Bildschirmtexten.
Leider hat das Spiel wenig Dynamik. Sowohl die Filmsequenzen als auch der Kombinationsteil lassen keinen Raum dafür. Entscheidungsmöglichkeiten erzeugen keine echten Alternativen Handlungsstränge. Die Puzzle-Mechanik der Logikräume ist zwar übersichtlich, nervt mit zunehmender Komplexität der Handlung aber sehr. Die visuelle Aufarbeitung der Story ist dann wieder richtig gut gelungen. Man kann der Handlung gut folgen. Ich hatte nicht das Gefühl, wichtige Dinge verpasst zu haben, sondern konnte alle Auflösungen gut nachvollziehen.
Das starre Gameplay sorgt stellenweise für große Frustration. Insgesamt raubt die unbewegliche Machart der Kombinationsteile dem Spiel viel Flair, vor allem gegen Ende. Hier wird deutlich, wie wenig Einfluss man eigentlich nehmen kann. Gespielt habe ich trotzdem gerne, nicht zuletzt dank dem hohen narrativen Anteil. Letztlich überzeugt das Spiel durch einen gut produzierten Film, seine Storys und starke Schauspieler*innen.
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The Centennial Case: A Shijima Story
- Entwickler
- h.a.n.d.
- Publisher
- Square Enix Ltd.
- Release
- 12. Mai 2022
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://square-enix-games.com/de_DE/news/the-centennial-case-a-shijima-story
- Sprachen
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- The Centennial Case: A Shijima Story im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
1 Kommentar
Das Spiel sieht auf den ersten Blick so seltsam aus, da wusste ich erst mal gar nicht was ich von halten sollte. Ich liebe Detektivspiele, hab aber bisher noch kein FMV gespielt und auch keine große Japan-Affinität.
Ohne Review hätte ich es links liegen gelassen, so werde ich es wohl mal in einem Sale ausprobieren, könnte mir am Ende doch gefallen.