Das Indie-Spiel 'Solo' aus dem spanischen Hause Team Gotham wird uns als introspektives Puzzle-Adventure angepriesen, in dem es um die Liebe geht. Dabei soll der Spieler dazu animiert werden, sein eigenes Liebesleben etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und zu reflektieren. Unterstützt wird das Ganze von einer knuffigen 3D-Grafik. Ob uns das Spiel in Summe überzeugen konnte, erfahrt Ihr wie gewohnt im Test.

Alles nur aus Liebe
Zu Beginn fordert das Spiel uns auf, das Geschlecht des Avatars festzulegen, mit dem wir die Welt von 'Solo' erkunden wollen. Wir können dabei zwischen männlich, weiblich und einem dritten Geschlecht wählen. Dasselbe gilt für die Antwort auf die Frage, welches Geschlecht unser bevorzugter Partner haben sollte. Dann will das Spiel auch noch von uns wissen, welchen Beziehungsstatus wir gerade haben und wie der Name unseres Lieblingsmenschen lautet, sofern ein solcher vorhanden ist. Das erweckt den Eindruck, dass das Spielerlebnis mehr oder weniger maßgeschneidert sein wird, und teilweise ist es das auch. Dazu komme ich aber noch.
Wenig später heißt es: Segel setzen. Wir machen uns in einem kleinen Segelboot auf zu einem Archipel, wo wir auf die geisterhafte Erscheinung unseres Lieblingsmenschen treffen und gleich mal mit der Aufgabe konfrontiert werden, ein schlafendes Totem aufzuwecken. Das tun wir mit Hilfe eines ebenfalls zu aktivierenden Mini-Leuchtturms, der dann einen Lichtstrahl auf das Totem schickt und so als eine Art Wecker fungiert. Das Totem stellt uns anschließend eine Frage zur Liebe bzw. zu unserer Einstellung zu Beziehungen, und das sind die Stellen, an denen die Antworten – wir können immer aus drei Optionen wählen – den weiteren Spielverlauf zumindest ein wenig beeinflussen. Denn der geisterhafte Partner, der auf jeder Insel wartet, bezieht sich direkt auf die Antwort, die wir dem Totem zuletzt gegeben haben und konfrontiert uns mit einer weiteren Frage, wobei uns hier allerdings jede Interaktionsmöglichkeit fehlt. Heißt: Wir können ihm oder ihr nicht antworten, sondern müssen die Feststellung oder auch den Vorwurf über uns ergehen lassen, ohne die Möglichkeit einer Rechtfertigung.
Die Handlung von 'Solo' ist relativ mager. Wir tun letztlich nicht viel mehr, als drei Archipel zu durchstreifen und Fragen über die Liebe und Beziehungen zu beantworten. Das Endergebnis hängt davon ab, welchen Beziehungsstatus man gerade hat und wie man diese Fragen beantwortet hat. Mehr Story ist da nicht, mehr braucht es allerdings auch nicht. Die Idee, den tatsächlichen Beziehungsstatus des Spielers und seine Einstellungen zu Liebe und Beziehungen als Basis für die Geschichte zu wählen, funktioniert außerordentlich gut, ist auch mal was Neues und bietet auch zumindest auf Story-Ebene durch die unterschiedlichen Antworten einen Wiederspielwert. Ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Story und Puzzles hätte dem Puzzle-Abenteuer jedoch gut getan, doch dazu später mehr.
Putzige Grafik, minimalistischer Sound
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Klarer Pluspunkt: die putzige Grafik. |
Die Optik von 'Solo' lässt sich wohl am besten als „putzig“ bezeichnen. Die Inselgruppen, die Charaktere, Pflanzen und Tiere sind von einer Knuffigkeit, die Ihresgleichen sucht. Direkt verliebt habe ich mich in einen kleinen pinken Elefanten mit einem Hut auf dem Kopf. Überhaupt fand ich die Tierwelt sehr gelungen. Auch unser Avatar ist knuffig, unser kleines Segelboot trägt den Namen unseres Lieblingsmenschen (sofern vorhanden), auf den Inseln stehen Glocken, die wir läuten können, sowie kleine Statuen und hin und wieder auch eine Schaukel, die wir auch benutzen können. Dazu glänzt 'Solo' mit einer Farbenpracht, die sich ebenfalls sehen lassen kann.
Wem es zu bunt ist, der kann auch auf einen Schwarz-Weiß-Modus umstellen – wie das geht, erkläre ich weiter unten im Abschnitt Gameplay. Außerdem kann man es regnen lassen, falls einem die Szenerie zu fröhlich ist. Auch dazu komme ich noch.
Die Musik pendelt zwischen sanften Gitarren- und Flötenklängen, Hintergrundgeräusche beschränken sich in der Regel auf Meeresrauschen oder das Fiepen der putzigen Tiere, denen wir begegnen. Eine Sprachausgabe fehlt. Bei der Installation des Spiels können wir aber wählen, ob wir die Texte auf Englisch, Spanisch oder Chinesisch angezeigt bekommen wollen.
Verschieb' mal die Kiste da oder: Ich hab' ein Déjà-vu
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Mit Hilfe von Kisten bahnen wir uns den Weg durch die Inselwelt. |
Ich gebe es an dieser Stelle unumwunden zu: Ich mochte das Gameplay von 'Solo' nicht sonderlich, was vermutlich auch an meiner sehr eingeschränkten Erfahrung mit Puzzle-Platformern liegt. Zu Beginn gestaltet sich ja alles noch ganz einfach – wir müssen auf der ersten Insel nur vom Mini-Leuchtturm zum Totem gelangen und tun das, indem wir einfach hingehen.
Je weiter wir uns über die Inselgruppen vorarbeiten, umso kniffliger wird die Angelegenheit. Um von A nach B zu gelangen (in der Regel vom Leuchtturm zum Totem bzw. vice versa), stehen uns Kisten zur Verfügung. Diese haben unterschiedliche Funktionen – manche können z.B. Wasser umleiten, andere wiederum fungieren als Ventilatoren, wieder andere haben ausfahrbare Brücken installiert, ein weiterer Typus hat an allen Seiten Saugnäpfe –, können gedreht werden und sind essenziell, wenn man sich den Weg durch die drei Archipel bahnen möchte. Mal müssen wir mehrere Kisten aufeinanderstapeln, um zum Ziel zu kommen, mal müssen wir abenteuerliche Konstruktionen bauen, und sehr oft müssen wir mit den zur Verfügung stehenden Kisten so viel Höhe aufbauen, dass wir mit unserem Fallschirm auf die andere Seite gelangen. Kurz: Wir beschäftigen uns mit sehr, sehr vielen Kisten. Wirklich SEHR vielen Kisten.
Auch die optionalen Nebenaufgaben sind davon nicht ausgenommen: Wollen wir z.B. zwei hummelartige Tierchen, Shiters genannt, die durch eine Schlucht voneinander getrennt sind, zusammenführen, müssen wir die vorhandenen Kisten entsprechend einsetzen. Wenn wir Wert darauf legen, dass die Pflanzen auf einer Insel ordentlich bewässert werden, kommen ebenfalls Kisten zum Einsatz. Dabei ist die Anzahl der Kisten pro Inselabschnitt immer begrenzt, und man kann keine Kiste von einem Areal ins andere mitnehmen, sondern muss mit dem arbeiten, was man hat.
Dazu kommen Aufgaben, in denen wir mit Hilfe von Kisten bestimmte Schattenformen erzeugen müssen, um auf die andere Seite zu gelangen. Dirigiert werden die Kisten übrigens mit einem Zauberstab. Dieser ermöglicht uns, auch weiter entfernte Kisten hochzuheben und heranzuholen. Zudem können wir die Objekte drehen und wenden, bis sie in der Position sind, in der wir sie brauchen. Das funktioniert in der Regel besser, als die Teile per Hand aufzuheben und an Ort und Stelle zu platzieren, einfach, weil der Zauberstab, wenn er nicht gerade wie wild in der Gegend herumwabert, unterm Strich dann doch präziser ist.
Zwischendurch auch innovative Ideen
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Die Inselwelt gibt's wahlweise auch monochrom. |
Dazu gesellen sich sehr schöne und innovative Ideen, die zumindest etwas Abwechslung in die fast durchgehende Kistenschieberei gebracht haben. So kann man mit Hilfe seiner Gitarre dafür sorgen, dass sich das Wetter von sonnig zu gewittrig und wieder retour ändert – vorausgesetzt, man hat das dafür benötigte Notenblatt gefunden. Außerdem lässt sich die Optik insofern ändern, als ein bestimmtes Lied, auf der Gitarre gespielt, sämtliche Farben verblassen lässt. Das Spiel erscheint dann in Schwarz-Weiß- und Grautönen.
Die Entwickler haben hier offensichtlich darauf geachtet, dass Menschen, die zum Zeitpunkt des Spielens in ihrer Beziehung nicht glücklich oder gerade unglücklich Single sind, dieser Stimmung auch Ausdruck verleihen können, indem sie das Spiel optisch anpassen. Das ist eine sehr schöne Idee, die ich in dieser Form noch nie gesehen habe und die auch sehr gut umgesetzt wurde. Dazu hat man im Inventar eine Kamera, mit der man Fotos und Selfies machen kann, die man wiederum direkt auf Twitter teilen kann - auch das eine nette und originelle Idee, die ich allerdings kaum genutzt habe, weil ich irgendwann leider den Punkt erreicht hatte, an dem ich nur noch die Hauptaufgaben und damit das Spiel hinter mich bringen wollte.
Ich fand ja die Kistenschieberei in 'Baphomets Fluch 3' schon nervtötend, aber wer glaubt, dass das damals übertrieben war, der sollte ruhig mal einen Blick auf 'Solo' werfen. Man kann das nämlich durchaus noch toppen, und „Déjà-Vu“ ist tatsächlich ein zu schwacher Ausdruck für diese Kistenorgie. Abgesehen davon bin ich mehr als einmal an der ungenauen Steuerung verzweifelt.
Auch die Steuerung ist sehr ausbaufähig
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Das Eigenleben der Kamera verdeckt mitunter den Avatar. |
Die Steuerung via Tastatur und Maus ist stellenweise sehr unpräzise und hakelig. Gut, das Spiel weist einen fairerweise gleich zu Beginn darauf hin, dass es für Gamepads optimiert ist und man unbedingt mit einem solchen spielen sollte. „Ach was, das kann ja nicht so schlimm sein“, dachte ich mir und nahm das Spiel zunächst mit Tastatur und Maus in Angriff. Keine zwei Stunden später habe ich genervt mein XBox360-Gamepad hervorgekramt und eingestöpselt, nur um zunächst erfreut festzustellen: Hurra, es wird prompt erkannt. Nach ein paar Minuten war aber klar: Einige Tasten – dummerweise genau jene, mit denen man die Kisten drehen kann – reagierten einfach nicht, obwohl sie in anderen Spielen tadellos funktionieren. Ein Blick in die Steam-Foren zeigte: Einerseits hängt sich der Controller auf, wenn man einen Screenshot mit der Taste F12 macht. Andererseits gibt es Programme wie XInput oder DirectInput, die zwar unauffällig im Hintergrund laufen, ein einwandfreies Funktionieren des Controllers jedoch zumindest bei 'Solo' verunmöglichen. Blöd nur, dass weder besagte Programme im Hintergrund liefen noch ich dauernd Screenshots gemacht habe. Nun gut. Versuchen wir es eben mit zwei weiteren Controllern. Einer hat gar nicht reagiert, beim zweiten hatte ich dasselbe Problem wie mit dem XBox-Gamepad: Die beiden Tasten zum Drehen der Kisten haben nicht reagiert. Zwar kann man im Optionsmenü testen, ob die gewünschte Steuerung funktioniert, aber das nützt halt relativ wenig, wenn's dann im Spiel selbst nicht klappt.
Also zurück zu Tastatur und Maus, wenn auch zähneknirschend. Denn hier hat sich teilweise das Problem ergeben, dass die Kisten wild in der Gegend herumgeflogen sind und sich nicht korrekt platzieren ließen, während mein Avatar sich wie ein Derwisch um die eigene Achse gedreht hat. Wenigstens das hat sich leicht beheben lassen: Man schraubt einfach ein wenig an den Grafikoptionen und stellt den Detailreichtum etwas runter (was der knuffigen Optik keinerlei Abbruch tut). Dann hat man zwar noch immer das Problem – und zwar egal, mit welcher Steuerungsoption -, dass die Kamera teilweise den Avatar und das, was er grade macht, verdeckt, einfach, weil sie mitunter wild rotiert und zoomt, ohne dass man das will. Dann kann es auch passieren, dass die Spielfigur – die in solchen Fällen immerhin noch als dunkle Silhouette selbst durch Wände hindurch sichtbar ist – irgendwo hinunter plumpst. Wenn es das Spiel besonders gut mit einem meint, landet man im Wasser und darf herumschwimmen, um zu einer rettenden Leiter zu gelangen. Denn selbst dort, wo das Ufer an sich niedrig genug wäre, können wir nicht ohne Hilfsmittel aus dem Wasser gelangen.
Mit der Zeit gewöhnt man sich einigermaßen daran, aber wirklicher Spielspaß wollte angesichts der repetitiven Aufgaben und der teils hakeligen Steuerung irgendwann einfach nicht mehr aufkommen. Was anfangs noch ganz witzig ist und auch eine willkommene Herausforderung darstellt, sorgt mit der Zeit für zunehmenden Frust und wachsende Unlust, egal, wie viele verschiedene Kistensorten und Kombinationsmöglichkeiten geboten werden. Der Umstand, dass man oft sehr kreativ sein und ums Eck denken muss, ist dabei allerdings ein Pluspunkt, und auch die Tatsache, dass es selten nur einen richtigen Lösungsweg gibt, muss man positiv hervorheben.
Eigentlich ist 'Solo' ein niedlicher Puzzle-Platformer, der auch Spaß machen könnte, wären da nicht die Probleme mit der Steuerung und die unfassbare Redundanz, was die Aufgaben angeht. Was ich allerdings durch das Spiel gelernt habe: Es gibt zig Möglichkeiten, Kisten zu positionieren, und es gibt selten nur den einen richtigen Weg. Die Grafik fand ich jedoch bezaubernd, und auch die Idee, das eigene Liebesleben in den Vordergrund zu stellen bzw. zu reflektieren, hat mir gut gefallen. Die damit verknüpften Fragen haben mir teilweise wirklich zu denken gegeben, und manchmal fiel es mir gar nicht so leicht, sie zu beantworten. Auch der Aspekt, dass der Partner quasi als geisterhafte Erscheinung stets präsent ist und Antworten bzw. Einstellungen hinterfragt, war gelungen.
Leider hat mich das weitere Gameplay enttäuscht. Zu repetitiv die Aufgaben, zu ungenau die Steuerung, zu erratisch die Kamerabewegungen, und viel zu viele Kisten. Möglich, dass die Entwickler das Gameplay bewusst auf die Kistenaufgaben reduziert haben; bei einem Platformer wäre das ja nichts Ungewöhnliches. Nur: Oft ist man so lange mit der Platzierung von allen möglichen Kisten beschäftigt, dass die Geschichte in den Hintergrund rückt. Das überlagert auch so manche gute und originelle Idee wie etwa die Möglichkeit, die Optik der eigenen Stimmung anzupassen. Je länger ich mich mit einem Puzzle abgemüht und je öfter mein Avatar einen Kistenturm neu aufbauen musste, weil wegen der ungenauen Steuerung wieder was schiefgegangen war, umso stärker haben Freude und Interesse am Spiel nachgelassen. Dafür baut sich so Spielzeit auf – ich war zwölf Stunden beschäftigt, die durchschnittliche Spieldauer liegt laut den Entwicklern bei vier Stunden. Die Grundidee von 'Solo' finde ich nach wie vor faszinierend. Ich hätte mir nur eine etwas bessere Ausführung gewünscht.
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Solo: An introspective puzzle adventure
- Entwickler
- Team Gotham
- Publisher
- Team Gotham
- Release
- 26. April 2018
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.teamgothammadrid.com/
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