Postapokalyptische Shooter sind in Mode. Diese Stil-Richtung gibt es schon seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts und bis jetzt hat sie noch immer eine gewisse Faszination. Um den Brachial-Shooter 'Rage 2' von den Avalanche Studios zu beschreiben, heißt es ebenso in der Vergangenheit zu wühlen. Kein anderer Film als 'Mad Max' dient hier als Vorbild. Wild mit Waffen und rostigen Platten zusammengeschweißte Fahrzeuge und ein Hauch von Verrücktheit sind im Ödland normal. Dazu kommen Superkräfte, eine offene Welt und ein Waffenhandling, das sich mit 'Doom' (2016) messen kann. Das klingt ja alles nett, aber warum ist das jetzt ein Storyteller? In den nächsten Absätzen gehen wir für Euch dem auf den Grund.
Die Ranger sind tot. Lang lebe die/der Ranger!
Das sieht doch aus wie ein anderes Spiel von Bethesda? Das ist die Fraktion der Bösen in 'Rage 2'. |
In die Geschichte eingeführt werden wir in einer Weise, die fast vermuten lässt, dass wir doch eines der neuen Spiele der 'Wolfenstein'-Serie installiert haben. General Cross spricht vor Horden einer düsteren Armee. Farbgebung und Hintergrund lassen vermuten, dass wir uns hier in der Zukunft befinden. Sind die Nazis zurück? Es wird zwar von Reinigung des Volkes und Ausmerzen der Schwachen gesprochen, aber es ist der Cyborg General Cross, der Anführer der sogenannten Autorität. Diese scheint geschlagen zu sein, aber die gezeigten Bilder sprechen eine ganz andere Sprache.
Schauplatzwechsel. Wir sind in Vinland und genau diese Autorität greift an. Die sagenumwobenen Ranger, die durch ihre speziellen Anzüge zu Superkräften kommen kämpfen gegen unterschiedlich große Mutanten – menschenähnlich bis zur Größe eines Hochhauses ist hier alles möglich. Vor den Augen von uns (und somit der Protagonistin Walker, das Geschlecht ist wählbar) stirbt einer der Ranger. Prompt zieht sich Walker den Anzug an und die spaßige Mutanten-Hatz beginnt. Es zeigt sich, dass Cross ausgeschaltet werden muss. Die Hauptstory beginnt hier.
Verrücktheit steht im Vordergrund
Das Spiel nimmt mit teilweise plumpem Hau-Drauf-Humor nicht nur sich selbst aufs Korn. |
Postapokalyptische Spiele mit bunten Lichtern und Nebeln gab es doch erst vor kurzem, oder? Schon bei der Präsentation von Bethesdas 'Rage 2' war der Art-Stil frappierend nahe an Ubisofts 'Far Cry: New Dawn'. Beide Spiele sind aber weit voneinander entfernt.
Die offene Welt von 'Rage 2' ist ähnlich überladen mit Points of Interest auf der Karte (d.h. die verschiedenen Punkte für Nebenaufgaben und -beschäftigungen) und die Abwechslung hält sich in Grenzen. Gleichzeitig begegnet Avalanche Studios diesem Problem aber mit offenen Armen und hebt sich dadurch von vielen Genre-Vertretern ab: 'Rage 2' weiß, dass die Story und die Welt nicht ernst genommen werden.
Im Stil der 'Fast & the Furious'-Filme versucht der Shooter stets einen draufzusetzen. Die Story spielt mit Klischees und spricht sie direkt an. Die vierte Wand wird zwar nicht völlig gebrochen, aber man ist stets in der Gewissheit, dass hier Authentizität keine Rolle spielt – es ist ein Spiel und verheimlicht es nicht. In meiner Auffassung ist das ein sehr ehrlicher Zugang. Augenzwinkernd werden zudem diverse Klischees von Shootern und Open-World-Spielen abgearbeitet, ohne das Genre-Rad neu zu erfinden.
Wo die 'Far Cry'-Reihe vermittelt, dass die ernsthafte Story im Mittelpunkt steht, lacht 'Rage 2' laut, gibt mir einen Raketenwerfer und hofft, dass man damit viel Unheil stiftet – und Mutanten zerplatzen lässt, denn das gibt Boni und lässt noch mehr Unheil stiften. Dabei hätte es mit 'Far Cry 3: Blood Dragon' schon einmal ein Spiel im Stile der 1980er-Action-Komödien mit Neon-Farben gegeben.
Gewaltästhetik
Nicht nur der Gewaltgrad ist explizit. Das Design ist zum Teil bizarr bis fragwürdig. |
„Zerplatzen“ deutet stark an, in welche Richtung es in Sachen Brutalität geht, denn die Gewaltästhetik ist kein kleiner Bestandteil. Dieser Aspekt von 'Rage 2' wird nicht jedem zusagen und deswegen die Warnung, dass man sich vorher bewusst sein sollte, dass die Mengen an Blut nur das Geringste sind. Eine noch genauere Beschreibung des Gewaltlevels vermeide ich deswegen an dieser Stelle.
Zum Teil hat es einen gewissen exploitativen Beigeschmack und spielt auch mit realen Fehlbildungen bei Menschen (genauer gesagt Lippen-Kiefer-Gaumensegel-Spalten), die sich bei den „bösen Mutanten“ wiederholen. Für Betroffene gibt es auch hier eine Warnung vor dieser Darstellung im Spiel.
Die offene Welt
Die Weltkarte von 'Rage 2' sieht nur am Anfang so aufgeräumt aus. Gegen Ende ist es ein Meer von Nebenaufgaben. |
Für eine postapokalyptische Welt ist 'Rage 2' erstaunlich abwechslungsreich gelungen. Wüstenszenarien und verlassene Gebäude dominieren und letztere ähneln sich stark. Gleichzeitig gibt es auch eine Art Dschungel, futuristische Komplexe und immer wieder hübsche Aussichten. Die Welt wird dabei nicht nur zu Fuß erkundet, sondern auch mit einem ganzen Fuhrpark von Fahrzeugen. Monster Trucks, Motorräder und Gyrocopter zeigen auf wie vielfältig dieser ist.
Das Fahren gleicht dabei einem Arcade-Rennspiel. Auf ein Gefühl für Bodenhaftung oder Gewicht des Fahrzeugs braucht man erst gar nicht hoffen. Auch hier steht der Spaß im Vordergrund. Das gelingt aber nicht ganz, denn die Shooter-Passagen machen um ein Vielfaches mehr Spaß als das bloße Herumfahren. Glücklicherweise gibt es zwischen den Hauptstädten der Welt eine Schnellreisefunktion.
Dass diverse DLC-Erweiterungen geplant sind, merkt man der Spielwelt sofort an. Schon jetzt ist die Roadmap für 2019 bekannt, die zeigen soll, welche Inhalte noch geplant sind. Neue Waffen, Events und vollständige bezahlbare DLCs mit eigenen Gebieten und eine weiterführende Story-Expansion sind nur ein paar Beispiele.
Ist das jetzt ein guter Storyteller?
Interessante Charaktere werden eingeführt und kommen dann nie wieder vor. Das Storytelling ordnet sich dem Shooter-Gameplay deutlich unter. |
Diese Frage ist relativ schwierig zu beantworten. Die Story ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen, sie ist streng genommen weder spannend, noch sonderlich überraschend. 'Rage 2' macht keinen Hehl daraus und wirft es dem Spieler sogar ins Gesicht. Zum Teil ist das erfrischend. Wenn ein Spiel schon eine schwache Story hat, sollte es wenigstens ehrlich sein und sie als solche präsentieren.
All das erinnert stark an diverse Action-Komödien der 1980er, die auf diese Weise einen gewissen Charme entfalten. Geht man mit der Erwartungshaltung ins Spiel, dass es sich mehr um trashigen Slapstick mit herausragender Shooter-Mechanik handelt, wird man voll auf die Kosten kommen. 'Rage 2' bietet sehr kurzweilige Unterhaltung für Zwischendurch. Von gutem Geschichtenerzählen sind wir hier aber ganz weit weg.
Meine Erwartungshaltung war nicht hoch. Den Vorgänger 'Rage' habe ich nie gespielt und wenig Positives davon gehört. Dann sah der Nachfolger in den Vorpräsentationen fast wie ein Klon von 'Far Cry: New Dawn' aus und setzt, wie viele andere Titel, auf die spektakulär aussehenden Neon-Lichter und Neon-Nebeleffekte. Schon die ersten Minuten von 'Rage 2' zeigten aber, dass es mehr in die Kategorie "Guilty Pleasure" fällt. Gerne schießt man sich durch die Horden und springt wie ein Action-Held von einem Mutanten zum nächsten. Gleichzeitig fühlt man sich wegen der platten Story, dem Gewaltgrad und der Darstellung der Monster etwas schuldig. Wenn es doch nur nicht so viel Spaß machen würde. Trotzdem hier noch einmal die Warnung: die Darstellung der Mutanten und der explizite Gewaltgrad wird einigen sauer aufstoßen. Was ansonsten wirklich hängen blieb, ist die bewusste Herangehensweise, dass Avalanche Studios von Beginn an vermittelt, dass auch sie die Geschichte nicht ernst nehmen. Der von Action-Komödien der 1980er und 1990er vertraute Ansatz funktioniert hier ziemlich gut. Man lacht mit, hat Spaß und freut sich auf den nächsten Slapstick-Gag. Davon können sich viele Spiele etwas abschneiden. Bierernste, schlechte Geschichten braucht niemand.
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Rage 2
- Entwickler
- Avalanche Studios
- Publisher
- Bethesda Softworks
- Release
- 14. Mai 2019
- Trailer
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