11 Jahre ist es her, dass Chris Jones und Aaron Conners –in Form von 'Tex Murphy: Overseer'- ihr letztes Ausrufezeichen im Adventure-Genre setzten. Umso größer die Erwartungen, als sich die beiden hochdekorierten Veteranen der Spieleindustrie mit ihrem Indie-Studio Big Finish Games endgültig zurückmeldeten. Seit dem siebten Mai hat das Warten nun endgültig ein Ende und 'Three Cards to Midnight' steht im Netz als Download bereit. Resultierend aus aktuellen Adventure-Entwicklungen und dem Ziel, eine breitere Masse an potentiellen Spielern anzusprechen, wundert es nicht, dass sich auch Jones und Conners dem stark in Mode gekommenen Trend anschließen und nun einen Hybrid-Titel auf die Beine stellen. Doch einfach auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, damit ist es für die beiden Herren lange nicht getan. Schon in ihrer Access Software-Zeit umwehte die beiden ein gewisser Revoluzzer-Ruf und so ist es nicht unbedingt eine Überraschung, dass 'Three Cards to Midnight' einen gänzlich eigenen Ansatz wählt: Ein Spiel auf dem Casual-Markt, welches davon lebt, eine filmreife wie erwachsene Geschichte zu erzählen, und alle anderen Elemente als organischer Unterboden dieser Story unterzuordnen. In wie fern der Low Budget-Titel dies am Ende wirklich in die Tat umsetzt, ob Aaron Conners dabei seinem Ruf als brillanter Schreiber erneut gerecht wird und wie sich das Ganze eigentlich spielt, erfahrt Ihr in unserem Artikel, der aus später erläuterten Gründen zwar mit einem Story-Award, aber ohne Prozentwertung enden wird.

Was um aller Welt ist nur geschehen, fragt sich Jess Silloway als sie in einem ihr unbekannten Raum zu sich kommt und sämtliche Erinnerungen der jüngsten Vergangenheit verschwunden sind. Ihr gegenüber sitzt ein Mann, an den sie sich ebenfalls nicht erinnern kann, der ihr mitteilt, ihr sei etwas zugestoßen, dessen Wurzeln womöglich weit bis vor das Einsetzen der Amnesie zurückgehen. Er beschwört sie, dass die Zeit, die ihr bleibt um hinter die Geschehnisse zu kommen, rapide heruntertickt (aus zu diesem Zeitpunkt nicht genannten Gründen) und er ihr helfen könne, ihre Erinnerungen zurückzubringen.
Anhand von Tarotkarten, die der Unbekannte vor Jess ausbreitet, von denen jede eine spezifische Bedeutung im Bezug auf individuelle Erinnerungen hat, soll sich Jess Stück für Stück an einzelne Momente herantasten und die beiden zusammen das Puzzle ergründen, bevor es zu spät ist. Die erste Erinnerung, die Jess zu Beginn der Sitzung rekonstruieren kann, ist die, an eine Reise zu den Florida Keys, zum Boot ihrer wohlhabenden Eltern. Nur, dass ihre Eltern wie vom Erdboden verschwunden sind. Eine merkwürdige Notiz ihrer Mutter bringt Jess zum Entschluss, Nachforschungen anzustellen, für die sie die Hilfe des Privatdetektivs Merryman in Anspruch nimmt, unwissend ob sie ihm trauen kann.
Direkt zu Beginn ihrer Ermittlungen bringen die beiden dann unglaubliches ans Tageslicht: Die Erkenntnis, dass Jess in Wirklichkeit adoptiert gewesen ist, und ihr eigentlicher Vater Devin Tellus seit einem bestialischen Verbrechen in einer Nervenheilanstalt vor sich hinvegetiert. Umgeben von dramatischen Ereignissen wird schnell klar, dass der Schlüssel auf die meisten Fragen in der Geschichte ihrer wirklichen Familie zu suchen ist, doch ist dies erst der Beginn einer traumatischen Reise zurück in die Vergangenheit. Im Verlaufe der Geschichte wird Jess nicht nur etliche einzelne Fragmente zu einem großen Ganzen zusammensetzen können und herausfinden, wer ihr unbekannter Helfer ist, sondern auch eine Wahl treffen müssen, von der Leben oder Tod der Jess Silloway abhängen.
Adventure? Casual-Game? Was denn jetzt?
Sagen wir es mal so, in einem Lexikoneintrag zum Begriff „storybasiertes Spiel“ würde 'Three Cards to Midnight' wie die Faust aufs Auge als Definition passen, denn Jones und Conners lassen ihren Ankündigungen Taten folgen und befassen sich in erster Linie mit dem Erzählen einer professionellen Mystery/Noir-Geschichte, die auf den ersten Blick eher einem Film aus den fünfziger Jahren ähnelt als einem typischen Computerspiel. Und auch wenn die die verschachtelte Story des Spiels, die sich in etlichen Cut-Scenes Stück für Stück aufblättert, den größten Teil an Adventure-Veröffentlichung der letzten Jahre nass macht: Nein, es ist kein (!) klassisches Adventure, es ist sogar noch weiter davon entfernt als andere Hybride.
Am Ende sorgt dies dafür, dass keinerlei Prozentwertung, und die damit verbundene Relation zu anderen Titeln unserer Datenbank, diesem Spiel gerecht werden würde. Ebenso wäre es allerdings extrem oberflächlich, das Spiel einfach als Wimmelbildspiel abzutun, da wir hier eine völlig andere Gesamtausrichtung haben. Hier ist die Story der Star und für alles, das wir tun, gibt es einen konkreten Sinn, der im Endeffekt mit dem Ziel verbunden ist, tiefer in die mysteriöse Geschichte von Jess Silloway abzutauchen, anders als in den meisten Casual-Games, in denen wir einfach als Beschäftigungstherapie den Bildschirm abklicken. Die eigentlichen Rätsel hingegen, gleichen durchaus den Logik-Puzzles aus der 'Pandora Akte' und 'Overseer', nur, dass sie dort eben als Unterstützung für Unmengen an Inventar und Dialog-Rätseln gedient haben, was hier nicht der Fall ist.
Das Spielprinzip
Doch der Reihe nach: Das Spiel ist in sieben Kapitel unterteilt (+ Intro-Abschnitt und Finale), die stets nach dem gleichen Muster ablaufen. Zu Beginn jeden Kapitels werden drei neue Tarotkarten aufgedeckt, die alle einem Ort und an ihn gebundene Erinnerungen zugeordnet sind. Diese drei Karten pro Kapitel decken wir im Übrigen in beliebiger Reihenfolge auf, so, dass die Abfolge, in der wir die jeweils drei Locations pro Kapitel aufsuchen, von uns abhängt. Zu jedem Ort bittet Jess´ undurchsichtiger Helfer sie darum, Stichwörter zu nennen, die sie mit diesem Schauplatz in Verbindung bringt und sich in Gedanken an diesen Ort zu begeben. Und hier kommt nun anhand dieser Stichwörter ein bekanntes Element von Hidden Object-Spielen zum Tragen, wenn auch in abgewandelter Form.
Jeder Ort, den wir im Laufe des Spiels besuchen, ist voll von Gegenständen, die wir versuchen müssen, unseren Stichwörtern zuzuordnen, um eine konkrete Erinnerung zu eben jenen Stichwörtern zu erhalten. Pro Ort können dies maximal vier Wörter sein, zu jedem werden eine Reihe von leeren Feldern angezeigt. Auf dem Bildschirm müssen wir nun unter den vielen Objekten Gegenstände anklicken, die mit unserem jeweiligen Stichwort in dem Sinne in Verbindung stehen, dass das Stichwort plus ein anklickbarer Gegenstand ein eigenes Wort ergeben. Als Beispiel: An einem Ort hat Jess die Assoziation Mond (bzw. Moon) genannt, klicken wir nun auf ein Honigglas, erhalten wir das Wort Honeymoon. Haben wir ein paar solcher Verbindungen zu einem Begriff hergestellt und unsere zuerst leeren Felder gefüllt, erfolgt in Form einer Cut-Scene ein Flashback, der mit dem Ort, an dem wir uns befinden, zu tun hat. So schalten wir pro Schauplatz in der Regel jeweils drei Flashbacks frei.
Sämtliche Flashbacks können wir uns nach einem Kapitel in einer Gesamtübersicht erneut ansehen. Zusätzlich bietet dieses Menü die Chance, eine kurze Inhaltszusammenfassung zu den einzelnen Kapiteln zu lesen, die Möglichkeit, die "Stand-Alone"-Rätsel auf Wunsch erneut spielen, oder sich mit den Bedeutungen der Tarot-Karten (auf die wir gleich noch zu sprechen kommen) auseinanderzusetzen. Im Bezug auf die Wortassoziationen sei gesagt, dass durchaus sehr gute Englischkenntnisse vorausgesetzt werden, da einem viele Begrifflichkeiten dieses Spielelements nicht durch Schul-Englisch geläufig sein werden.
Tatsächlich dürfte kaum ein deutscher Spieler nicht zeitweise dann Sprachprobleme bekommen, wenn es sich bei den Wortassoziationen um ausschließlich in den USA verbreitete Ausdrücke handelt. Was nicht heißt, dass diese Passagen nicht trotzdem zu meistern wären, aber auch um der verschachtelten Story mit vollem Genuss folgen zu können, sind erweiterte Englisch-Kenntnisse nicht gerade von Nachteil. Etwas erschwerend kommt hinzu, dass es einige Objekte gibt, bei denen nicht unbedingt klar ist, um was für Gegenstände es sich eigentlich handelt. So, dass zumindest mitunter ein wenig Trial and Error nicht auszuschließen ist, unabhängig von den Sprachkenntnissen des individuellen Spielers. Nebenbei gibt es ohnehin manch einen Fall, in dem einem die ein oder andere Wort-Kombination nicht unbedingt einleuchtend erscheint.
Nach dem wir – wie eben beschrieben- innerhalb einer Location alle Flashbacks aktiviert haben, wartet zusätzlich oft ein klassisches, in die Handlung eingebettetes, Rätsel auf uns. Nachdem wir uns zum Beispiel in einer Nervenheilanstalt umgesehen haben, betritt Jess heimlich den Raum eines Arztes und entdeckt eine codierte Nachricht auf seinem Tisch, die wir nun entschlüsseln müssen. Abgesehen von diesen Rätseln an einigen Locations wird uns in der Regel auch zum Ende eines Kapitels eine Aufgabe erteilt, die aus aktuellen Storyvorgängen resultiert. Bei diesen Rätseln kann es sich -neben eben genanntem Beispiel- unter anderem auch um das Entziffern eines alten Runensystems handeln, das Zusammensetzen eines zerrissenen Fotos, oder eine Aufgabe, in dem Sternzeichen auf ein unbekanntes Zuordnungs-Modell platziert werden müssen.
Mit etwas Nachdenken lassen sich die meisten (!) dieser Einlagen ohne Frust bewältigen, auch wenn hier anders als in Hybrid-Titeln wie 'Casebook' erfreulicherweise etwas mehr Hirnschmalz vorausgesetzt wird. Klar ist auch, dass sich die zwei einzigen Spielelemente fortwährend wiederholen, was 'Three Cards to Midnight' einen Strick hätte drehen können, wenn das Herzstück des Spiels, also die Story, nicht dermaßen stark wäre und das Gameplay nicht so organisch in die Handlung verwoben wäre. Durch letzteren Umstand kann -auf der Suche nach weiteren inhaltlichen Details- eine immense Motivation bei den Rätsellösungen entstehen, aber in wie fern Spieler mit dem repetitiven Gameplay umgehen, liegt am Ende an der Ausrichtung der einzelnen Spieler. Gehört der Plot und ein filmreifes Erlebnis für sie nicht zu den Prioritäten, ist dies sicherlich nicht ihr Spiel und die Verzahnung von Handlung und Spielmechnanik wird ihnen nicht mehr viel bringen.
Spielmodi
Bereits seit 'Under a Killing Moon' setzt das Duo aus Salt Lake City auf variable Schwierigkeitsstufen und die Möglichkeit von Hinweisen, die das Weiterkommen erleichtern. Dieses Modell wird nun auch in 'Three Cards to Midnight' weiterverfolgt. Zu Beginn des Spiels erstellt der Spieler ein Profil, in dem er zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen kann. Diese wirken sich konkret hauptsächlich auf die Wortassoziations-Passagen aus. So müssen wir im Easy Modus unseren Stichwörtern weniger Gegenstände zuordnen als im normalen Modus. Im höchsten Schwierigkeitsgrad kommen dann noch zusätzliche Gegenstände hinzu, die in den beiden anderen Modi generell nicht zu finden sind.
In jedem Schwierigkeitsgrad dürfen wir uns eine bestimmte Anzahl an falschen Objekten leisten, die wir anklicken, bevor wir die Durchsuchung neu beginnen müssen, was im einfachen Schwierigkeitslevel logischerweise sehr viel seltener vorkommen wird. Außerdem stehen uns pro Location Hinweise zur Verfügung, die uns –je nach Spielmodus- entweder drei oder zwei richtige Gegenstände anzeigen. Außerdem sei auch erwähnt, dass wir für jeden richtigen Gegenstand Punkte erhalten, für Fehlversuche und Hinweise gibt es hingegen Abzüge. Gleiches gilt für die eigentlichen Rätsel des Spiels, die auf Wunsch auch übersprungen werden können.
Da wie erwähnt jeder Ort eine Tarotkarte repräsentiert, wird jeder Karte im Laufe des Spiels ein Wert zugeordnet, der ausschließlich mit unserem spielerischen Erfolg zusammenhängt. So werden die Punkte nach einem erfolgreich absolvierten Abschnitt am Ende zusammengerechnet und in eine Sternewertung umgerechnet. Dadurch können die Tarotkarten am Ende einen Wert zwischen einem und vier Sternen erreichen, wobei sie mit vier Sternen ihr volles Machtpotential erreichen.
Vor dem Finale des Spiels wird Jess dazu aufgefordert, sich für zwei, der im Laufe des Spiels vorgekommenen, Tarotkarten (deren Bedeutung man sich jederzeit durchlesen kann) zu entscheiden. Die verschiedenen Fähigkeiten der einzelnen Karten legen mehrere unterschiedliche Endsequenzen fest und besiegeln das Schicksal von Jess auf verschiedene Arten und Weisen. Allerdings spielt es nur eine untergeordnete Rolle, wie viele Sterne die Tarotkarten am Ende haben, denn hauptsächlich ist das, was eine spezielle Karte repräsentiert, im Bezug auf das Ende von Bedeutung. So müssen sich Spieler mit schlechten Sternewertungen nicht sorgen, nur einen schlechten Ausgang erleben zu können.
Zwischen Zweckmäßigkeit und brillanter Farbgebung
Der Erkenntnis von Roberta Williams, dass Computerspiele mit Grafik besser aus sehen als ohne, muss logischerweise in heutigen Zeiten auch 'Three Cards to Midnight' folgen und das tut es, ohne Technik-Fetischisten zu verwöhnen, dafür aber mit Effektivität. Grafische Wunderdinge wird von einer solchen Low Budget-Produktion ohnehin niemand erwarten und so kommen die eigentlichen Spielpassagen dann auch mit recht spartanischen, eher tristen 2D-Umgebungsgrafiken daher. Zumindest sind die Wortassoziations-Passagen aber nicht zu 100 Prozent statisch, wofür das ein oder andere bewegliche Element sorgt. Während wir das Auto von Detektiv Merryman erkunden, kommt uns zum Beispiel ein Auto entgegen, dessen Scheinwerfer die Regenbeschlagenen Scheiben von Merrymans Auto für Sekunden in ein weiß-violettes Lichtermeer hüllen. In einem Motel hingegen, das zuvor Tatort eines grausigen Mordes wurde, können wir einen Schatten am Fenster vorbeischleichen sehen. Nicht berauschend, nicht spektakulär, aber für ein interaktives Story-Medium mit sehr geringem Budget ok.
Positiv fällt auf, dass die Entwickler ein Händchen für atmosphärische Farbtöne bewiesen haben, die sehr gut zur Stimmung des Spiels passen. Dies macht sich primär in den Cut-Scenes bemerkbar. Während sich Jess auf dem Boot ihrer Eltern in den Florida Keys befindet, wird der Mond von einem gespenstisch-violetten Licht umgeben. In der vielleicht gruseligsten Szene des Spiels sehen wir eine Albtraum-artige Sequenz, in der in schemenhaft-gruseligen Bildern das Bild zuerst komplett in schwarz-rot getaucht ist, dann von schwarz-violett in schwarz-orange übergeht. In einer wieder anderen Szene, die in einem Hotelzimmer in Las Vegas spielt, haben wir Ausblick auf eine atmosphärische Decke von endlos-hellen Stadt-Lichtern, über der Unheil verkündend ein in schwarz und dunkelblau getauchter Himmel ragt. Über optischen Stil – für den sicherlich besonders Film Noir-Freunde empfänglich sein dürften- verfügt dieser Titel also trotz aller technischen Limitierungen durchaus. Dies macht sich auch in den sehr ansprechenden Menüs und im Design der Tarot-Karten bemerkbar, die stets das Gefühl verstärken, sich in einem übernatürlichen Psycho-Thriller aus den 50gern zu befinden.
Für die in einem recht kleinen Fenster ablaufenden Cut-Scenes gilt des Öfteren, dass diese so gestaltet worden sind, dass nicht mehr an Details in ihnen zu sehen sind als nötig. Dies fällt zum Beispiel in einigen Szenen auf, in denen permanent sehr nah an den Hauptcharakter gefahren wird, um nicht jedes Mal eine volle Umgebung darstellen zu müssen. Wirklich negativ fällt dieser Aspekt allerdings nicht auf, da die Cut-Scenes den Sinn haben, eine Geschichte zu erzählen, was sie auch exzellent erreichen. Negativer fällt dann schon das bereits erwähnte, recht kleine Video-Fenster aus. So etwas muss im Jahre 2009 nicht unbedingt sein! Auch wenn es der großen Spannung keinen wirklichen Abbruch tut, wäre dies also definitiv ein Punkt, den man im Sequel 'Three Cards to Dead Time' unbedingt ausmerzen sollte! Was die Darstellungsqualität der Render-Charaktere angeht, unterscheiden sie sich in den Cut-Scenes zum Teil deutlich. Während Jess (primär ihr Gesicht) realistisch genug animiert wurde, um nach einem wirklich glaubwürdigen menschlichen Wesen auszusehen, wirken andere Charaktere und ihre Konturen –wie etwa Detektiv Merryman- recht klobig und in ihren Mimiken deutlich weniger natürlich als Jess Silloway. Hier hätte also durchaus noch etwas Feintuning betrieben werden dürfen. Bewegungsanimationen fallen ebenfalls eher behäbig und zweckmäßig aus, ohne dabei aber wirklich störend zu wirken.
Ein akustischer Genuss mit einigen Deja Vus
Spricht man über den Sound von 'Three Cards to Midnight', spricht man definitiv über eine der absoluten Parade-Disziplinen des Spiels. Trotz geringem Budget haben sich Big Finish nicht lumpen lassen und eine absolut professionelle Sprecherriege zusammengestellt, von der die zwingend benötigte Glaubwürdigkeit der Charaktere extrem profitiert. Hauptfigur Jess Silloway ist durch ihre sehr gelungene inhaltliche Ausarbeitung so oder so schon ein sehr überzeugender Hauptcharakter, aber gerade durch die Leistung der Synchronsprecherin wirkt Jess absolut real und es entsteht eine Bindung zu dieser sympathisch-tragischen Figur, deren Emotionen nie gekünstelt wirken. Ebenfalls einen hervorragenden Job macht Jess´ mysteriöser Helfer, der versucht spezifische Erinnerungen zu provozieren und sich dabei nicht minder glaubwürdig anhört wie Jess Silloway, was sozusagen für einen fortwährenden Dialog auf Augenhöhe sorgt.
Interessant für 'Tex Murphy'-Fans ist jedoch besonders das Detail, dass Chris „The Voice“ Jones (alias 'Tex Murphy') selbst eine nicht unbedeutende Rolle im Spiel einnimmt und dem Privatdetektiv (wie sollte es anders sein) Merryman seine markante Stimme leiht. Auch wenn sich dieser Detektiv gänzlich von Tex Murphy unterscheidet, weiß jeder Fan der Reihe, was für ein exzellenter Sprecher sich hinter Jones versteckt und auch dieses Mal schüttelt er den Beweis dafür locker und lässig aus der Hüfte. Davon abgesehen hat es sich auch die andere Hälfte des kreativen Duos –Aaron Conners- nicht nehmen lassen, zumindest eine kleinere Rolle zu übernehmen, die von Jess´ Freund Daniel.
Stellen wir die Sprecher beiseite und konzentrieren uns auf andere akustische Belange von 'Three Cards to Midnight', fällt das Lob keinen Deut geringer aus. Musik und Soundeffekte haben enormen Einfluss auf die fesselnd-intensive Atmosphäre des Spiels, die zumeist eine sehr bedrohliche Note trägt. Beim Soundtrack bietet sich 'Tex Murphy'-Freunden ein weiteres Deja Vu, denn niemand geringer als Matt Heider, der die 'Pandora Akte'und 'Overseer'-Soundtracks zu verantworten hat, ist für die Musik des Spiels zuständig. Stark angelehnt an übernatürliche Schauer-Filme aus den Fünfzigern (und natürlich den Film Noir), drückt Heider hier ganz gewaltig aufs düstere Atmosphäre-Pedal und liefert der fesselnden Storyentwicklung den angemessenen Unterboden. Zu selbigem tragen auch sämtliche weiteren Sounds im Spiel bei, seien es die Umgebungsgeräusche der Kulissen (sowohl in den Cut-Scenes als auch in den spielbaren Teilen) oder im speziellen Soundeffekte, die ganz gezielt zum Spannungsaufbau betrieben werden. Von genau platzierten, mysteriösen Geräuschen und Effekten über unheimlich verzerrte Stimmen, bedrohlichem Gewitter bis zu einem trostlosen Regenguss, hier können sich Freunde gepflegt-schauriger Atmosphäre nicht beschweren. Erstaunlich ist dabei, dass ein gewisses, ungutes Gefühl in der Magengegend dabei sogar in den Hidden-Object-Passagen entsteht, was man so nicht unbedingt erwarten würde. Am Ende aber ein guter Indikator dafür, wie organisch sämtliche Einzelbausteine des Spiels ineinander verwoben wurden, um ein stimmiges Ganzes zu ergeben.
Aufbruchstimmung?
Es ist endgültig an der Zeit sich an die „neue Hybrid-Verwandschaft“ zu gewöhnen, zumal wir erst am Beginn dieser Entwicklung stehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Punkt, dass es sich bei 'Emerald City Confidential' und 'Three Cards to Midnight' um zwei der wohl inhaltlich gelungensten Titel seit längerem handelt- beide ihres Zeichens Hybrid-Titel, wenn auch 'Emerald City Confidential' weitaus näher am Adventure-Genre anzusiedeln ist und somit auch leichter für das Adventure Corner-Wertungssystem zu erfassen. 'Three Cards to Midnight' hilft hingegen dem erwachsenen Teil der Hybrid- Gattung aus den Kinderschuhen und hebt ihn mit seinem ungewöhnlichen Ansatz, diese Plattform in erster Linie als exzessives Erzählmedium zu nutzen, auf einen neuen Level. So kann Jones´ und Conners´ Comeback am Ende durchaus eine Initialzündung für Storytelling auf dem Casual-Markt einleiten- zumindest, in sofern der Casual-Markt auf dieses Modell anspringt. Doch gerade dem klassischen Adventure-Genre sollte der Umstand zu Denken geben, dass dieses Spiel in Sachen Plotdynamik, erwachsenem, interaktivem Storytelling und Spannung den Großteil an vollwertigen Genre-Spielen deutlich hinter sich lässt. Einen kleinen Wehmutstropfen stellt allerdings ein am Ende ins Spiel kommender Charakter dar, der –trotz Kurzauftritt- von enormer Bedeutung ist, mit seiner überdreht Karikatur-artigen Darstellung aber so gar nicht zum restlichen Ton des Spiels passen will. Außerdem sorgt der Umstand, dass in diesem knapp 6-stündigen Spiel mehr Inhalt steckt als in vielen 15-stündigen Adventures, dafür, dass die Geschichte immer sehr auf den Punkt gerichtet ist und es anders als in der über 30-stündigen 'Pandora Akte' natürlich nicht die Zeit gibt, Dinge behutsam und langsam aufzubauen, was sich allerdings zu keinem Zeitpunkt als Nachteil erweist.
Bezugsquelle
Für gerade mal 20 Dollar (knapp 15 Euro) steht 'Three Cards to Midnight' auf der offiziellen Seite des Spiels zum Download bereit.
Fazit:
Auch wenn 'Three Cards to Midnight' kein Adventure ist, polarisiert und völlig zwischen den Stühlen steht: Für das, was es ist, ist dieser Titel ebenso innovativ wie qualitativ hochwertig. Denn am Ende geht das Konzept von Big Finish Games 1:1 auf und dank der exzellenten Story, grandiosem Sound und schaurig-schöner Stimmung wird auch das –völlig in die Handlung verwobene- Casual-Gameplay zu einer unterhaltsamen (wenn auch sich fortlaufend wiederholenden) Beschäftigung, der auch die zweckmäßige Optik keinen Abbruch tut. Größere Video-Fenster sollten beim nächsten Mal allerdings bitte unbedingt zum guten Ton gehören, wenn nicht gewünscht ist, dass Adventure und Casual-Gamer die Optiker der Welt reich machen! Auch mit mehr Abwechslung in Puncto Gameplay könnten Big Finish Games oder Nachahmer dieses neue Gerüst sicher in Zukunft noch weiter verfeinern. Am Ende mögen klassische Adventure-Spieler, für die nicht der Plot das Wichtigste ist, anhand des Gameplays sicher nicht unbedingt glücklich mit 'Three Cards to Midnight' werden, vielleicht mögen sie dieses Spiel sogar verdammen. Gleiches gilt für Leute, die um jeden Preis ein hochwertiges technologisches Gerüst in einem Spiel sehen wollen, doch denen dürfte sich die Ideologie hinter diesem Spiels ohnehin nicht erschließen. Unentschlossene sollten diesem ungewöhnlichen Titel allerdings unbedingt eine Chance geben, lassen sie sich auf das Konzept ein, werden sie zu großen Teilen in 'Three Cards to Midnight' versinken wie in einem guten Buch, denn ähnlich spannend waren in den letzten Jahren definitiv die wenigsten „richtigen“ Adventures. Während der Nachfolger 'Three Cards to Dead Time' bereits in Arbeit ist und noch dieses Jahr erscheinen soll, schließen wir die aktuelle Bestandsaufnahme mit einem „Willkommen zurück“ an zwei absolute Adventure-Größen, einem Award für ausgezeichnetes Storytelling und dem Hinweis, dass sich Freunde interaktiver (erwachsener) Geschichten diesen Titel nicht durch die Lappen gehen lassen sollten!

Direkt zu Beginn ihrer Ermittlungen bringen die beiden dann unglaubliches ans Tageslicht: Die Erkenntnis, dass Jess in Wirklichkeit adoptiert gewesen ist, und ihr eigentlicher Vater Devin Tellus seit einem bestialischen Verbrechen in einer Nervenheilanstalt vor sich hinvegetiert. Umgeben von dramatischen Ereignissen wird schnell klar, dass der Schlüssel auf die meisten Fragen in der Geschichte ihrer wirklichen Familie zu suchen ist, doch ist dies erst der Beginn einer traumatischen Reise zurück in die Vergangenheit. Im Verlaufe der Geschichte wird Jess nicht nur etliche einzelne Fragmente zu einem großen Ganzen zusammensetzen können und herausfinden, wer ihr unbekannter Helfer ist, sondern auch eine Wahl treffen müssen, von der Leben oder Tod der Jess Silloway abhängen.
Adventure? Casual-Game? Was denn jetzt?
Sagen wir es mal so, in einem Lexikoneintrag zum Begriff „storybasiertes Spiel“ würde 'Three Cards to Midnight' wie die Faust aufs Auge als Definition passen, denn Jones und Conners lassen ihren Ankündigungen Taten folgen und befassen sich in erster Linie mit dem Erzählen einer professionellen Mystery/Noir-Geschichte, die auf den ersten Blick eher einem Film aus den fünfziger Jahren ähnelt als einem typischen Computerspiel. Und auch wenn die die verschachtelte Story des Spiels, die sich in etlichen Cut-Scenes Stück für Stück aufblättert, den größten Teil an Adventure-Veröffentlichung der letzten Jahre nass macht: Nein, es ist kein (!) klassisches Adventure, es ist sogar noch weiter davon entfernt als andere Hybride.

Das Spielprinzip
Doch der Reihe nach: Das Spiel ist in sieben Kapitel unterteilt (+ Intro-Abschnitt und Finale), die stets nach dem gleichen Muster ablaufen. Zu Beginn jeden Kapitels werden drei neue Tarotkarten aufgedeckt, die alle einem Ort und an ihn gebundene Erinnerungen zugeordnet sind. Diese drei Karten pro Kapitel decken wir im Übrigen in beliebiger Reihenfolge auf, so, dass die Abfolge, in der wir die jeweils drei Locations pro Kapitel aufsuchen, von uns abhängt. Zu jedem Ort bittet Jess´ undurchsichtiger Helfer sie darum, Stichwörter zu nennen, die sie mit diesem Schauplatz in Verbindung bringt und sich in Gedanken an diesen Ort zu begeben. Und hier kommt nun anhand dieser Stichwörter ein bekanntes Element von Hidden Object-Spielen zum Tragen, wenn auch in abgewandelter Form.
Jeder Ort, den wir im Laufe des Spiels besuchen, ist voll von Gegenständen, die wir versuchen müssen, unseren Stichwörtern zuzuordnen, um eine konkrete Erinnerung zu eben jenen Stichwörtern zu erhalten. Pro Ort können dies maximal vier Wörter sein, zu jedem werden eine Reihe von leeren Feldern angezeigt. Auf dem Bildschirm müssen wir nun unter den vielen Objekten Gegenstände anklicken, die mit unserem jeweiligen Stichwort in dem Sinne in Verbindung stehen, dass das Stichwort plus ein anklickbarer Gegenstand ein eigenes Wort ergeben. Als Beispiel: An einem Ort hat Jess die Assoziation Mond (bzw. Moon) genannt, klicken wir nun auf ein Honigglas, erhalten wir das Wort Honeymoon. Haben wir ein paar solcher Verbindungen zu einem Begriff hergestellt und unsere zuerst leeren Felder gefüllt, erfolgt in Form einer Cut-Scene ein Flashback, der mit dem Ort, an dem wir uns befinden, zu tun hat. So schalten wir pro Schauplatz in der Regel jeweils drei Flashbacks frei.

Tatsächlich dürfte kaum ein deutscher Spieler nicht zeitweise dann Sprachprobleme bekommen, wenn es sich bei den Wortassoziationen um ausschließlich in den USA verbreitete Ausdrücke handelt. Was nicht heißt, dass diese Passagen nicht trotzdem zu meistern wären, aber auch um der verschachtelten Story mit vollem Genuss folgen zu können, sind erweiterte Englisch-Kenntnisse nicht gerade von Nachteil. Etwas erschwerend kommt hinzu, dass es einige Objekte gibt, bei denen nicht unbedingt klar ist, um was für Gegenstände es sich eigentlich handelt. So, dass zumindest mitunter ein wenig Trial and Error nicht auszuschließen ist, unabhängig von den Sprachkenntnissen des individuellen Spielers. Nebenbei gibt es ohnehin manch einen Fall, in dem einem die ein oder andere Wort-Kombination nicht unbedingt einleuchtend erscheint.
Nach dem wir – wie eben beschrieben- innerhalb einer Location alle Flashbacks aktiviert haben, wartet zusätzlich oft ein klassisches, in die Handlung eingebettetes, Rätsel auf uns. Nachdem wir uns zum Beispiel in einer Nervenheilanstalt umgesehen haben, betritt Jess heimlich den Raum eines Arztes und entdeckt eine codierte Nachricht auf seinem Tisch, die wir nun entschlüsseln müssen. Abgesehen von diesen Rätseln an einigen Locations wird uns in der Regel auch zum Ende eines Kapitels eine Aufgabe erteilt, die aus aktuellen Storyvorgängen resultiert. Bei diesen Rätseln kann es sich -neben eben genanntem Beispiel- unter anderem auch um das Entziffern eines alten Runensystems handeln, das Zusammensetzen eines zerrissenen Fotos, oder eine Aufgabe, in dem Sternzeichen auf ein unbekanntes Zuordnungs-Modell platziert werden müssen.

Spielmodi
Bereits seit 'Under a Killing Moon' setzt das Duo aus Salt Lake City auf variable Schwierigkeitsstufen und die Möglichkeit von Hinweisen, die das Weiterkommen erleichtern. Dieses Modell wird nun auch in 'Three Cards to Midnight' weiterverfolgt. Zu Beginn des Spiels erstellt der Spieler ein Profil, in dem er zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen kann. Diese wirken sich konkret hauptsächlich auf die Wortassoziations-Passagen aus. So müssen wir im Easy Modus unseren Stichwörtern weniger Gegenstände zuordnen als im normalen Modus. Im höchsten Schwierigkeitsgrad kommen dann noch zusätzliche Gegenstände hinzu, die in den beiden anderen Modi generell nicht zu finden sind.
In jedem Schwierigkeitsgrad dürfen wir uns eine bestimmte Anzahl an falschen Objekten leisten, die wir anklicken, bevor wir die Durchsuchung neu beginnen müssen, was im einfachen Schwierigkeitslevel logischerweise sehr viel seltener vorkommen wird. Außerdem stehen uns pro Location Hinweise zur Verfügung, die uns –je nach Spielmodus- entweder drei oder zwei richtige Gegenstände anzeigen. Außerdem sei auch erwähnt, dass wir für jeden richtigen Gegenstand Punkte erhalten, für Fehlversuche und Hinweise gibt es hingegen Abzüge. Gleiches gilt für die eigentlichen Rätsel des Spiels, die auf Wunsch auch übersprungen werden können.
Da wie erwähnt jeder Ort eine Tarotkarte repräsentiert, wird jeder Karte im Laufe des Spiels ein Wert zugeordnet, der ausschließlich mit unserem spielerischen Erfolg zusammenhängt. So werden die Punkte nach einem erfolgreich absolvierten Abschnitt am Ende zusammengerechnet und in eine Sternewertung umgerechnet. Dadurch können die Tarotkarten am Ende einen Wert zwischen einem und vier Sternen erreichen, wobei sie mit vier Sternen ihr volles Machtpotential erreichen.
Vor dem Finale des Spiels wird Jess dazu aufgefordert, sich für zwei, der im Laufe des Spiels vorgekommenen, Tarotkarten (deren Bedeutung man sich jederzeit durchlesen kann) zu entscheiden. Die verschiedenen Fähigkeiten der einzelnen Karten legen mehrere unterschiedliche Endsequenzen fest und besiegeln das Schicksal von Jess auf verschiedene Arten und Weisen. Allerdings spielt es nur eine untergeordnete Rolle, wie viele Sterne die Tarotkarten am Ende haben, denn hauptsächlich ist das, was eine spezielle Karte repräsentiert, im Bezug auf das Ende von Bedeutung. So müssen sich Spieler mit schlechten Sternewertungen nicht sorgen, nur einen schlechten Ausgang erleben zu können.
Zwischen Zweckmäßigkeit und brillanter Farbgebung

Positiv fällt auf, dass die Entwickler ein Händchen für atmosphärische Farbtöne bewiesen haben, die sehr gut zur Stimmung des Spiels passen. Dies macht sich primär in den Cut-Scenes bemerkbar. Während sich Jess auf dem Boot ihrer Eltern in den Florida Keys befindet, wird der Mond von einem gespenstisch-violetten Licht umgeben. In der vielleicht gruseligsten Szene des Spiels sehen wir eine Albtraum-artige Sequenz, in der in schemenhaft-gruseligen Bildern das Bild zuerst komplett in schwarz-rot getaucht ist, dann von schwarz-violett in schwarz-orange übergeht. In einer wieder anderen Szene, die in einem Hotelzimmer in Las Vegas spielt, haben wir Ausblick auf eine atmosphärische Decke von endlos-hellen Stadt-Lichtern, über der Unheil verkündend ein in schwarz und dunkelblau getauchter Himmel ragt. Über optischen Stil – für den sicherlich besonders Film Noir-Freunde empfänglich sein dürften- verfügt dieser Titel also trotz aller technischen Limitierungen durchaus. Dies macht sich auch in den sehr ansprechenden Menüs und im Design der Tarot-Karten bemerkbar, die stets das Gefühl verstärken, sich in einem übernatürlichen Psycho-Thriller aus den 50gern zu befinden.
Für die in einem recht kleinen Fenster ablaufenden Cut-Scenes gilt des Öfteren, dass diese so gestaltet worden sind, dass nicht mehr an Details in ihnen zu sehen sind als nötig. Dies fällt zum Beispiel in einigen Szenen auf, in denen permanent sehr nah an den Hauptcharakter gefahren wird, um nicht jedes Mal eine volle Umgebung darstellen zu müssen. Wirklich negativ fällt dieser Aspekt allerdings nicht auf, da die Cut-Scenes den Sinn haben, eine Geschichte zu erzählen, was sie auch exzellent erreichen. Negativer fällt dann schon das bereits erwähnte, recht kleine Video-Fenster aus. So etwas muss im Jahre 2009 nicht unbedingt sein! Auch wenn es der großen Spannung keinen wirklichen Abbruch tut, wäre dies also definitiv ein Punkt, den man im Sequel 'Three Cards to Dead Time' unbedingt ausmerzen sollte! Was die Darstellungsqualität der Render-Charaktere angeht, unterscheiden sie sich in den Cut-Scenes zum Teil deutlich. Während Jess (primär ihr Gesicht) realistisch genug animiert wurde, um nach einem wirklich glaubwürdigen menschlichen Wesen auszusehen, wirken andere Charaktere und ihre Konturen –wie etwa Detektiv Merryman- recht klobig und in ihren Mimiken deutlich weniger natürlich als Jess Silloway. Hier hätte also durchaus noch etwas Feintuning betrieben werden dürfen. Bewegungsanimationen fallen ebenfalls eher behäbig und zweckmäßig aus, ohne dabei aber wirklich störend zu wirken.
Ein akustischer Genuss mit einigen Deja Vus
Spricht man über den Sound von 'Three Cards to Midnight', spricht man definitiv über eine der absoluten Parade-Disziplinen des Spiels. Trotz geringem Budget haben sich Big Finish nicht lumpen lassen und eine absolut professionelle Sprecherriege zusammengestellt, von der die zwingend benötigte Glaubwürdigkeit der Charaktere extrem profitiert. Hauptfigur Jess Silloway ist durch ihre sehr gelungene inhaltliche Ausarbeitung so oder so schon ein sehr überzeugender Hauptcharakter, aber gerade durch die Leistung der Synchronsprecherin wirkt Jess absolut real und es entsteht eine Bindung zu dieser sympathisch-tragischen Figur, deren Emotionen nie gekünstelt wirken. Ebenfalls einen hervorragenden Job macht Jess´ mysteriöser Helfer, der versucht spezifische Erinnerungen zu provozieren und sich dabei nicht minder glaubwürdig anhört wie Jess Silloway, was sozusagen für einen fortwährenden Dialog auf Augenhöhe sorgt.

Stellen wir die Sprecher beiseite und konzentrieren uns auf andere akustische Belange von 'Three Cards to Midnight', fällt das Lob keinen Deut geringer aus. Musik und Soundeffekte haben enormen Einfluss auf die fesselnd-intensive Atmosphäre des Spiels, die zumeist eine sehr bedrohliche Note trägt. Beim Soundtrack bietet sich 'Tex Murphy'-Freunden ein weiteres Deja Vu, denn niemand geringer als Matt Heider, der die 'Pandora Akte'und 'Overseer'-Soundtracks zu verantworten hat, ist für die Musik des Spiels zuständig. Stark angelehnt an übernatürliche Schauer-Filme aus den Fünfzigern (und natürlich den Film Noir), drückt Heider hier ganz gewaltig aufs düstere Atmosphäre-Pedal und liefert der fesselnden Storyentwicklung den angemessenen Unterboden. Zu selbigem tragen auch sämtliche weiteren Sounds im Spiel bei, seien es die Umgebungsgeräusche der Kulissen (sowohl in den Cut-Scenes als auch in den spielbaren Teilen) oder im speziellen Soundeffekte, die ganz gezielt zum Spannungsaufbau betrieben werden. Von genau platzierten, mysteriösen Geräuschen und Effekten über unheimlich verzerrte Stimmen, bedrohlichem Gewitter bis zu einem trostlosen Regenguss, hier können sich Freunde gepflegt-schauriger Atmosphäre nicht beschweren. Erstaunlich ist dabei, dass ein gewisses, ungutes Gefühl in der Magengegend dabei sogar in den Hidden-Object-Passagen entsteht, was man so nicht unbedingt erwarten würde. Am Ende aber ein guter Indikator dafür, wie organisch sämtliche Einzelbausteine des Spiels ineinander verwoben wurden, um ein stimmiges Ganzes zu ergeben.
Aufbruchstimmung?
Es ist endgültig an der Zeit sich an die „neue Hybrid-Verwandschaft“ zu gewöhnen, zumal wir erst am Beginn dieser Entwicklung stehen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Punkt, dass es sich bei 'Emerald City Confidential' und 'Three Cards to Midnight' um zwei der wohl inhaltlich gelungensten Titel seit längerem handelt- beide ihres Zeichens Hybrid-Titel, wenn auch 'Emerald City Confidential' weitaus näher am Adventure-Genre anzusiedeln ist und somit auch leichter für das Adventure Corner-Wertungssystem zu erfassen. 'Three Cards to Midnight' hilft hingegen dem erwachsenen Teil der Hybrid- Gattung aus den Kinderschuhen und hebt ihn mit seinem ungewöhnlichen Ansatz, diese Plattform in erster Linie als exzessives Erzählmedium zu nutzen, auf einen neuen Level. So kann Jones´ und Conners´ Comeback am Ende durchaus eine Initialzündung für Storytelling auf dem Casual-Markt einleiten- zumindest, in sofern der Casual-Markt auf dieses Modell anspringt. Doch gerade dem klassischen Adventure-Genre sollte der Umstand zu Denken geben, dass dieses Spiel in Sachen Plotdynamik, erwachsenem, interaktivem Storytelling und Spannung den Großteil an vollwertigen Genre-Spielen deutlich hinter sich lässt. Einen kleinen Wehmutstropfen stellt allerdings ein am Ende ins Spiel kommender Charakter dar, der –trotz Kurzauftritt- von enormer Bedeutung ist, mit seiner überdreht Karikatur-artigen Darstellung aber so gar nicht zum restlichen Ton des Spiels passen will. Außerdem sorgt der Umstand, dass in diesem knapp 6-stündigen Spiel mehr Inhalt steckt als in vielen 15-stündigen Adventures, dafür, dass die Geschichte immer sehr auf den Punkt gerichtet ist und es anders als in der über 30-stündigen 'Pandora Akte' natürlich nicht die Zeit gibt, Dinge behutsam und langsam aufzubauen, was sich allerdings zu keinem Zeitpunkt als Nachteil erweist.
Bezugsquelle
Für gerade mal 20 Dollar (knapp 15 Euro) steht 'Three Cards to Midnight' auf der offiziellen Seite des Spiels zum Download bereit.
Fazit:
Auch wenn 'Three Cards to Midnight' kein Adventure ist, polarisiert und völlig zwischen den Stühlen steht: Für das, was es ist, ist dieser Titel ebenso innovativ wie qualitativ hochwertig. Denn am Ende geht das Konzept von Big Finish Games 1:1 auf und dank der exzellenten Story, grandiosem Sound und schaurig-schöner Stimmung wird auch das –völlig in die Handlung verwobene- Casual-Gameplay zu einer unterhaltsamen (wenn auch sich fortlaufend wiederholenden) Beschäftigung, der auch die zweckmäßige Optik keinen Abbruch tut. Größere Video-Fenster sollten beim nächsten Mal allerdings bitte unbedingt zum guten Ton gehören, wenn nicht gewünscht ist, dass Adventure und Casual-Gamer die Optiker der Welt reich machen! Auch mit mehr Abwechslung in Puncto Gameplay könnten Big Finish Games oder Nachahmer dieses neue Gerüst sicher in Zukunft noch weiter verfeinern. Am Ende mögen klassische Adventure-Spieler, für die nicht der Plot das Wichtigste ist, anhand des Gameplays sicher nicht unbedingt glücklich mit 'Three Cards to Midnight' werden, vielleicht mögen sie dieses Spiel sogar verdammen. Gleiches gilt für Leute, die um jeden Preis ein hochwertiges technologisches Gerüst in einem Spiel sehen wollen, doch denen dürfte sich die Ideologie hinter diesem Spiels ohnehin nicht erschließen. Unentschlossene sollten diesem ungewöhnlichen Titel allerdings unbedingt eine Chance geben, lassen sie sich auf das Konzept ein, werden sie zu großen Teilen in 'Three Cards to Midnight' versinken wie in einem guten Buch, denn ähnlich spannend waren in den letzten Jahren definitiv die wenigsten „richtigen“ Adventures. Während der Nachfolger 'Three Cards to Dead Time' bereits in Arbeit ist und noch dieses Jahr erscheinen soll, schließen wir die aktuelle Bestandsaufnahme mit einem „Willkommen zurück“ an zwei absolute Adventure-Größen, einem Award für ausgezeichnetes Storytelling und dem Hinweis, dass sich Freunde interaktiver (erwachsener) Geschichten diesen Titel nicht durch die Lappen gehen lassen sollten!
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Three Cards to Midnight
- Entwickler
- Big Finish
- Release
- 8. Mai 2009
- Sprachen
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- Systeme
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