Früher, in der „guten, alten Zeit“, als der Commodore 64 noch das Maß der Dinge war und PCs erstens extrem teuer und zweitens nur zum Arbeiten gedacht waren, sorgte ein Spiel dafür, dass Spieler reihenweise fluchten – unlösbar schien der Fall, mit dem Sir Charles Foxworth im Adventure 'Mörder auf dem Mississippi' konfrontiert wurde. Wir haben uns den Brotkasten aus dem Keller geholt, das Spiel aus dem Jahre 1986 noch einmal angeschaut und sogar durchgespielt. Warum das damals nicht möglich war und welche Kuriositäten das Abenteuer um einen Mord auf einem Raddampfer noch bereit hält, verraten wir in unserem Klassikertest.

Ein milder Tag im Juni…
An Bord des Raddampfers S.S. Delta Princess, Richtung New Orleans, befindet sich Sir Charles Foxworth, der bekannte Detektiv, unter den Passagieren. Zusammen mit seinem Diener Regis unternimmt er eine Entdeckungsreise (1. Klasse) auf den weiten Wassern des Mississippi-Flusses.
Eine warme Bö lässt die Wimpel an Deck flattern. Der Motor schnauft leise und beruhigend. Alles ist ruhig in der kleinen, abgeschlossenen Welt des Schiffs. Wer würde schon so etwas wie Mord an einem solchen Tag vernuten?
Mit diesen Worten beginnt das Adventure 'Mörder auf dem Mississippi' und damit eines der frustrierensten Spiele seiner Gattung. Doch ehe der smarte Detektiv und sein Diener die Ermittlungen aufnehmen und Spieler reihenweise in den Frust schicken können, muss der Tote erst einmal entdeckt werden, denn natürlich vermuten auch Sir Charles Foxworth und sein Diener Regis keinen Mordfall.
Stattdessen planen sie, in den drei Tagen, die das Schiff noch bis New Orleans benötigt, neue Bekanntschaften zu machen. Also spazieren die beiden über das Deck und klopfen hier und da an die Kabinentüren. Natürlich wird jede unverschlossene Tür geöffnet – schließlich ist so ein Detektiv neugierig. Hinter einer dieser Türen schläft einer. Zumindest glaubt Regis das. Der Meisterdetektiv erfasst aber blitzschnell, das man vor dem Opfer eines Verbrechens steht – nicht zuletzt aufgrund der großen Blutlache, die sich aus dem Kopf ergießt. Schließlich erkennt auch Regis, das hier nicht mehr viel zu retten ist, und ermahnt uns „M’Lord, gehen Sie vorsichtiger mit der Leiche um“. Der eilends herbeigerufene Kapitän fürchtet natürlich um den guten Ruf seines Schiffs und bittet uns deshalb um Hilfe bei der Aufklärung. Von ihm erhalten wir auch den Namen des Opfers: Raleigh Cartwright III. Von nun an bleiben uns drei Tage, um den Täter zu ermitteln, ehe mit New Orleans der nächste Hafen angesteuert wird, denn eines ist klar: Der Mörder ist unter den acht Passagieren des Schiffs zu suchen…
Brauchen Sie den Notizblock?
Da sie jetzt auch einen guten Grund haben, die anderen Passagiere auszuhorchen, machen sich Charles und Regis erneut auf die Tour und fragen die Verdächtigen nach anderen Passagieren und dem Opfer. Schnell wird klar, dass wohl jeder irgendeinen Grund gehabt hätte, Cartwright nach dem Leben zu trachten. Das macht die Ermittlungen nicht wirklich leichter. Wie gut, dass Diener Regis einen Notizblock mit sich herumträgt, auf dem der Spieler einzelne Zitate der Passagiere notieren kann. Diese Notizen können dann wiederum anderen Passagieren vorgetragen werden, um sie unter Druck zu setzen oder an neue Informationen zu kommen. Und natürlich ist es auch nicht möglich, ohne Notizen den Mörder zu überführen. Als kleinen Service stellen wir in den Kommentaren zu diesem Test die für die Lösung des Spiels richtigen Sätze vor (natürlich als Spoiler markiert, wer selbst raten möchte, darf also trotzdem gefahrlos die Kommentarfunktion nutzen).
Das Problem mit dem Notizblock ist lediglich, dass nur eine Textzeile für Aufzeichnungen zur Verfügung steht und der Spieler nun vor der Aufgabe steht, einen halbwegs sinnvollen Satz aus dem gesagten Zusammenzuklicken. Dazu können aus der gesamten Aussage einzelne Worte gewählt werden. Wählt man die falschen aus, war’s das: Die übrigen Passagiere verstehen nicht, was wir ihnen mitteilen wollen. Das führt dann dazu, dass Sätze wie „Stoker wollte nicht sagen, wo der nächste Halt ist“ nicht akzeptiert werden. Stattdessen muss der Satz in einem besonders abstrakten Beispiel „Stoker nicht sagen wo nächste Halt sei“ lauten. Sicher – man kann noch einen Sinn erkennen, seltsam klingt der Satz dennoch. Neben einigen Notizen, die für die Lösung des Falles wichtig sind, können wir auch zusätzliche Informationen über andere Charaktere herausbekommen. Bevor sich Charles Foxworth ins Verhör stürzt, sollte der Spieler übrigens abgespeichert haben, denn die Charaktere wiederholen sich grundsätzlich nie. Folglich bleibt dem Spieler nur eine Chance, die richtigen Worte auszuwählen. Ohne Komplettlösung reinstes Try & Error.
M’Lord, Sie haben ein Messer im Kopf... M’Lord?
Wie schon erwähnt, sind nicht alle Kabinentüren von Anfang an offen. Ein ordentlicher Detektiv muss aber natürlich trotzdem jeden Winkel des Schiffs nach Hinweisen oder Gegenständen untersuchen. Wie gut, dass der Kapitän uns den Schiffsmechaniker Henry Stoker zur Seite stellt, der auf Anforderung alle Türen für uns öffnet. Natürlich immer nur eine Tür, so dass der Detektiv und sein Diener Stoker jedes Mal erst im Maschinenraum abholen müssen. Ist die gewünschte Tür dann endlich offen, betreten Foxworth und Regis die Kabine automatisch und verlangen dem Spieler oftmals eine gute Reaktion ab: Der Ruf des Schiffes scheint deutlich besser als sein Zustand zu sein, denn in fast jeder der freien Kabinen fallen Balken von der Decke und erschlagen Sir Charles, zumindest, sofern der Spieler nicht sofort wieder aus der Kabine gestürzt ist. Vielleicht fliegt aber auch ein von Geisterhand geworfenes Messer auf den Detektiv zu und bleibt in der Nase des brillanten Kopfes stecken. Oder es passiert nichts und wir überleben das Betreten der Kabine. Doch selbst dann warten noch tödliche Fallen: Viel zu oft tritt man auf eine morsche Stelle und stürzt ab. Natürlich ebenfalls mit fatalen Folgen für den Detektiv. Auch hier lautet also das Motto: Save early, save often! Wer das Speichern einmal vergessen hat und von einer Planke erschlagen wurde, kann sich aber einen Bug zunutze machen und versuchen, den nun unsichtbaren Detektiv per Joystick aus der Kabine zu manövrieren. Gelingt das, erleben wir eine erstaunliche Auferstehung, denn Sir Charles Foxworth steht wieder lebend auf dem Deck der S.S. Delta Princess.
Überlebt unser Ermittlerduo aber das Betreten einer Kabine, geht die eigentliche Detektiv-Arbeit los. Die kärglich eingerichteten Unterkünfte, die meist nur aus einem Tisch, einem Bild und einem Bett bestehen, verstecken hinter der Einrichtung so manch interessanten Gegenstand. Da warten Revolver, Geschossteile oder Wattebäusche auf ihre Entdeckung. Bei jedem gefundenen Objekt dürfen wir entscheiden, ob es Regis mitnehmen soll oder ob es an Ort und Stelle verbleiben soll – was eigentlich nie Sinn macht, da alle Gegenstände für die Lösung des Falls benötigt werden. Eingesammelte Indizien finden sich dann im kleinen Inventar wieder, wo sie betrachtet werden können („Donnerwetter, Regis. Ein guter Fund!“ „Ja, M’Lord. Ein Wattebausch!“). Für eine genauere Untersuchung oder als schlichtes Lager steht in der eigenen Kabine (mit Etagenbett!) ein Koffer bereit. Dort können und müssen die Indizien auch miteinander kombiniert werden.
Nachdem man ungefähr drei Stunden mit Gesprächen, dem Ausweichen vor Planken und dem Sammeln von Indizien verbracht hat, bricht die Nacht über dem Mississippi herein und alle Passagiere begeben sich ins Bett. So auch Foxworth und Regis. Am nächsten Morgen gehen die Untersuchungen dann weiter. Hat man nach rund neun Stunden noch immer keinen Verdächtigen überführt, ist das Spiel vorbei, denn der Hafen von New Orleans ist erreicht und alle Verdächtigen verlassen das Schiff. Es ist aber auch möglich, den Fall bereits am ersten Tag komplett zu lösen, ohne auf wichtige Story-Elemente zu verzichten. Bietet die an Agatha Christie-Krimis erinnernde Geschichte als solche noch eine recht spannende Mörderjagd, ist das Ende der absolute Tiefpunkt. Nicht die Aufklärung, sondern wie mit dem Täter umgegangen wird treibt jedem Detektiv die Wutröte ins Gesicht. Nur nicht Sir Charles Foxworth.
Joystick trifft grandiose Grafik
Auch, wenn es heute höchstens noch ein Schmunzeln verursachen dürfte, gehörte die Grafik von 'Mörder auf dem Mississippi' 1986 zum Besten, was es auf dem C64 gab. Bis zu dem Spiel waren Adventures überwiegend textbasiert, direkte Steuerung zählte zu den Ausnahmen und Befehle mussten eingetippt werden. Ein Jahr vor 'Maniac Mansion', das in der Regel als Erfinder der reinen Maus- oder Joysticksteuerung in Adventures genannt wird, verzichtete der Activision-Titel bereits komplett auf Tastatursteuerung. Per Joystick steuert der Spieler den berühmten Detektiv über das Schiff, wird an Treppen von Regis gefragt, ob man die Treppe hinauf oder hinuntergehen möchte und kann darauf ebenfalls nur mit dem Joystick antworten. Auch die Multiple-Choice Dialoge lassen sich per Joystick steuern. Für die humorvolle Übersetzung ins Deutsche zeichnete sich übrigens ein gewisser Boris Schneider verantwortlich, der später einige LucasArts-Adventures übersetzte. Die deutschen Texte von 'Mörder auf dem Mississippi' bastelte er per Hex-Editor direkt in das Spiel und lieferte damit eine der ersten Übersetzungen überhaupt ab.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
'Mörder auf dem Mississippi' wurde in Deutsch und Englisch auf dem Commodore C64 und Apple II veröffentlicht. Ausschließlich japanische Versionen erschienen für MSX und NES. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass man das Spiel mit Glück noch hin und wieder in Online-Auktionshäusern oder auf Flohmärkten entdecken kann. Zumindest die C64-Version kann über etwas Kabelbastelei mit einem entsprechenden VC1541c-Diskettenlaufwerk auch am PC gespielt werden, sofern man einen der als Freeware verfügbaren Emulatoren nutzt.
'Mörder auf dem Mississippi' ist als eines der ersten Grafikadventures, die komplett auf Tastatureingaben verzichten, einer der Pioniere unter den „klassischen Adventures“. Schon daher ist es einen Blick wert. Die Geschichte um den Mord an Raleigh Cartwright III und die Verbindungen des Opfers mit den anderen Passagieren könnten direkt aus einem Agatha Christie-Roman stammen. Das ist dann auch der Grund, warum man das Spiel immer wieder spielt, ehe man endlich weiß, wer der Bösewicht ist – Allen Frustmomenten und Löchern in der Geschichte zum Trotz. Wer das Spiel beenden möchte, sollte zumindest für die Notizen unbedingt auf eine Komplettlösung zurückgreifen.
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Mörder auf dem Mississippi: The Adventures of Sir Charles Foxworth
- Entwickler
- Activision Blizzard
- Publisher
- Activision Blizzard
- Release
- 1. Januar 1986
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
5 Kommentare
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Spoiler können gelesen werden, indem man die Textbox mit der Maus markiert!
Kleine Korinthenkackerei, ansonsten schöner und interessanter Test (normalerweise taucht das Spiel in der Adventuregeschichte unter "ferner liefen" auf).
Das merkt man. Schon der Titel allein ist falsch übersetzt.