Mitte der 1980er Jahre boomt das Adventure-Genre. Sowohl Pen & Paper, als auch Brettspiele und Computerspiele befassen sich immer häufiger mit der Erforschung endloser Dungeons, dem Erschlagen böser Trolle, dem Erlernen mächtiger Zaubersprüche oder dem Durchstreifen dunkler Wälder. Die Sci-Fi Community allerdings, sitzt seit George Lucas‘ 'Star Wars' ein wenig auf dem Trockenen. Zwar gibt es für Trekkies, die ihren Phaser am liebsten auf betäuben stellen, immer noch genug Nachschub im Kino und im Fernsehen, aber die Spiele um Gene Roddenberrys Franchise lassen meistens zu wünschen übrig und 'Shadowrun' wird erst in ein paar Jahren erfunden. Es liegt also in den Händen von zwei Jungs vom Andromeda, die glücklicherweise Anfang der 80er vom 'Kings Quest' Bonzen Ken Williams zusammen gebracht werden, das Science Fiction Genre für den Adventuremarkt fit zu machen. Zwei Jungs vom Andromeda? Ganz so ausgeflippt ist es dann doch nicht, denn hinter ihrem „cleveren“ Alias stecken Scott Murphy und Mark Crowe, zwei Erdlinge mit dem Ziel den Weltraum interessant zu machen. Ihr Projekt: 'Space Quest'!
Story
In der von unserer schönen Erde um etliche Lichtjahre entfernten Galaxie Earnon, gibt es einen Planeten namens Xenon, auf dem sich parallel zu unserer Welt humanoides Leben entwickelt hat. Die Menschen auf Xenon sind größtenteils friedliebend und umgänglich. Aber eine Verkettung unglücklicher Umstände scheint es nicht gut mit ihnen zu meinen. Die Sonne, die dem Planeten einst Leben schenkte, scheint auszugehen. Die damit verbundenen Probleme in der Landwirtschaft verursachen bald eine Hungersnot und das Klima des Planeten sinkt immer weiter auf eine Eiszeit zu. Das Leben auf Xenon scheint kurz vor dem Ende zu stehen, da gelingt der Wissenschaft der Durchbruch auf dem Gebiet des Terramorphings. Mit dem Star Generator soll aus einem unbewohnten Planeten des Systems eine neue Sonne gemacht und so das Leben auf Xenon für ein paar weitere Äonen gesichert werden. Jetzt ist der Star Generator auf dem Raumschiff Arcada unterwegs zu einem der toten Planeten, die Xenon neues Leben schenken sollen. Und während sich die Crew um die Instandhaltung der Wundermaschine kümmert, nimmt ein Mann den erbarmungslosen Kampf gegen den Dreck auf der Arcada auf: Roger Wilco, Weltraumputze. Als das Abenteuer beginnt, hält Roger, ganz im Sinne des Clichés „Fauler Hausmeister“, ein kleines Nickerchen in einer Abstellkammer. Eine heftige Erschütterung die das Raumschiff vibrieren lässt, reißt ihn jäh aus seinem Schlummer. Noch bevor er aus seinem Schlupfwinkel kriechen kann, ist schon fast alles zu spät. Mordgierige Aliens, die Sariens, haben die Crew ermordet und den Star Generator entwendet. Ohne die geringsten noblen Absichten wird Roger ins Abenteuer geworfen. Denn der Selbstzerstörungsmechanismus des Schiffs wurde soeben aktiviert und wenn Roger nicht schnell etwas einfällt, ist das Adventure sehr, sehr schnell zu Ende.
Gameplay
Und schon ist der Spieler mittendrin im Geschehen. Nach einer kurzen Einleitung, die über den Star Generator und die Wichtigkeit der Mission (sowie die Unwichtigkeit des Protagonisten) informiert, muss man selbst ran. Der Spieler übernimmt die Rolle von Roger Wilco, der zunächst vom Raumschiff entkommen, langfristig aber natürlich das Schicksal von Xenon in die zwei linken Hausmeisterhände nehmen muss. Die On-Board-Steuerung gestaltet sich, wie in zahlreichen anderen Sierra-Abenteuern der ersten Stunde relativ simpel. Mit den Cursortasten wird die Spielfigur über den Bildschirm bewegt. Ein erneutes Drücken der Pfeiltaste stoppt Wilco. Laden und Speichern, sowie eine An-Aus-Funktion des Sounds und den Zugriff auf die Inventarliste wird mittels Hotkeys gelöst. Jegliche Interaktion wird mittels Text Parser durchgeführt. Ausformuliert heißt das, dass der Spieler über eine Textzeile am unteren Bildschirmrand Roger Wilco Befehle gibt. Typische Aktionen könnten so lauten: 'Talk to man', 'Look around', oder 'Pick up rock'. Wer mit Point and Click Adventures á la 'Monkey Island' großgeworden ist, der wird sicher eine Weile brauchen um sich an die umständlichere Variante der Textbefehle zu gewöhnen. Oft sorgt diese Form der Steuerung für Frustration, denn die richtigen Befehle werden selten auf Anhieb gefunden und das Spiel reagiert des Öfteren mit Ignoranz auf die verzweifelten Versuche des Spielers, Roger zu einer bestimmten Tätigkeit zu bewegen.
Nicht selten endet dies im vorzeitigen Ableben der Spielfigur, denn in der Prä-Lucas-Arts-Zeit hielt man nicht viel von Abenteuern, die dem Spieler alles durchgehen lassen. Und 'Space Quest' gehört zu diesen Games. Roger wird von Aliens erschossen und fliegt mit samt Raumschiff in die Luft. Er wird ins Vakuum des Weltalls gesaugt, aufgefressen und erschlagen. Roger verdurstet, stürzt zu Tode oder stirbt durch Pech sogar bei einer Partie an einem Spielautomat. Die Todesarten sind so zahlreich und häufig, dass man als Spieler nicht umhin kommt, die Speicherfunktion von 'Space Quest' als die häufigste Aktion im Spiel zu verwenden. Dabei sollte man darauf achten, nicht einfach einen Spielstand zu überschreiben, sondern eine Vielzahl verschiedener Speicherstände mit gut verständlichem Titel anzulegen. Denn Roger stirbt nicht nur plötzlich und durch dumme Zufälle. Es kommt auch häufig vor, dass sich ein Gegenstand, der früher nicht mitgenommen wurde, später als unverzichtbar herausstellt. Da hilft kein Jammern, sondern bloß Laden. Allerdings schraubt der jederzeit lauernde Tod auch die Spannungskurve deutlich in die Höhe. Mit Anleihen an Gruselschocker wie 'Alien' wird beim Spieler ein beklemmendes Gefühl erzeugt, wenn am unteren Bildschirmrand die dezente Nachricht 'you think you hear footsteps' aufleuchtet. Da heißt es schnellst möglichst Deckung suchen, oder lieber gleich verschwinden.
Wer sich auf die antiquierte Spielmethode einlassen kann, der entdeckt schnell, dass 'Space Quest' von zahlreichen Gags und Geheimnissen durchwoben ist. Durch die Textsteuerung ist jeder neue Bildschirm tatsächlich ein absolutes Abenteuer, denn nicht nur das WAS sondern auch das WIE will erforscht werden. Wenn ich an eine Laserschranke komme und im Gepäck ein geschliffenes Stück Glas dabei habe, ist in einem Point & Click Adventure schon alles klar. Bei 'Space Quest' aber muss gründlicher gearbeitet werden. Zunächst einmal muss sich Roger Wilco an der richtigen Stelle befinden um den Laserstrahl mit dem Glasstück unterbrechen zu können. Dann will das richtige Verb gefunden werden, denn ein simples 'use glass piece with laser beam' funktioniert nicht. Das Spielgefühl, sich als Fremder in einer fremden Welt zurechtfinden zu müssen, wird durch die Text Parser Methode unterstützt. Unglücklicherweise beißt man sich dabei aber manchmal an Kleinigkeiten fest, denn die EGA-Grafik gepaart mit der äußerst unselbständigen Steuerung lässt den Spieler des Öfteren grübeln, mit was er es gerade zu tun hat. In den seltensten Fällen wird der Spieler durch 'take a look around' automatisch auf die Dinge in näherer Umgebung gelenkt, die für ihn auch interessant sind. Und so muss man schon ein wenig nachdenken, was der grüne, aus acht Pixeln bestehende Klumpen auf dem Boden wohl sein könnte. 'Pick up thing' wird nämlich nicht belohnt. Auch empfiehlt sich für den deutschen Zocker ein englisches Wörterbuch bereit zu halten, denn wer zum Beispiel nicht weiß, dass Geysir auf englisch 'geyser' geschrieben wird, der wird an einigen Rätseln keine Freude haben.
Durch die Cursortastensteuerung schleicht sich in 'Space Quest' auch ein Hauch Geschicklichkeitsspiel ein, denn obwohl das Hauptaugenmerk auf dem Lösen von Rätseln und dem Erkunden von fremdem Gelände liegt, muss man auch aufpassen wohin man tritt. Es sind schon einige Abenteurer in einem Canyon gestorben, weil sie zu arglos in der Gegend herumspazierten. Auch einen kleinen Testflug mit einem Raumgleiter wird gewagt, wobei es Steinen auszuweichen gilt. Und ballern darf man zum Schluss auch ein bißchen!
Die Story um den verschwundenen Stargenerator entfaltet sich schnell und ist interessant und spannend. Motivationstechnisch wird von dieser Seite auf jeden Fall ganze Arbeit geleistet. Rogers Abenteuer die von der Flucht aus dem Raumschiff schnell zur Erforschung eines fremden Planeten werden, sind stets mit einer gehörigen Prise Humor versehen. Die Tatsache, dass das Spiel oft abrupt und gewaltsam endet, wird da mit eingebunden. Eine fremde Welt zu erforschen ist oft gefährlich und das Spiel macht keine Anstalten den Spieler vor den Konsequenzen zu schützen. Steckt Roger seinen Kopf in eine Felsspalte und verliert daraufhin selbigen, gibt es postwendend einen bissigen Kommentar von Scott Murphy, der Rogers Enthauptung mit dem Vorwurf kommentiert, dass man eben auf einem fremden Planeten nicht so einfach seinen Kopf überall hineinstecken kann. Der Bildschirmtod wird so auf eine humoristische Art ins Spielgeschehen integriert. Da man seine Neugierde als Spieler dennoch nicht aufgeben möchte, akzeptiert man das Ableben der Spielfigur als einen Teil des Abenteuers und lernt schnell, dass akribisches Speichern der Spielfortschritte unverzichtbar ist. Denn: sterben müssen wir alle irgendwann. Nirgends ist diese alte Lebensweisheit so treffend wie in 'Space Quest'.
Grafik und Sound
Viel lässt sich zur audiovisuellen Präsentation des Weltraumabenteuers nicht sagen, denn nur die wenigsten Retrogamer werden die EGA-Grafiken von 'Space Quest I' heute noch zu schätzen wissen. In einer Zeit wo Fans des Genres von wunderschön programmierter Gruselatmosphäre wie in 'A Vampire Story' verwöhnt werden, und 'Maniac Mansion' mit seiner veralteten Grafik Kultstatus genießt, scheint es keinen Platz für den Uropa zu geben; einen Veteran aus Zeiten wo die limitierten grafischen Darstellungsmöglichkeiten tatsächlich das Lösen eines Rätsels erschweren konnten. Misst man 'Space Quest' aber an Seinesgleichen, so fällt die Liebe zum Detail auf, die in die gezeichneten Hintergründe investiert wurde. Vor allem das Innere der Arcada aus dem ersten Kapitel erzeugt durch zwei mit Aufzügen verbundene Ebenen auf dem Bildschirm eine wunderbar klaustrophobische Atmosphäre. Der exotische Planet Kerona begeistert hingegen durch seine weitverzweigte Canyonlandschaft durch die man in einer Actionsequenz auch mal mit seinem Raumgleiter düsen darf. Das Spiel schmückte sich nicht umsonst mit dem Claim 'A 3D Animated Adventure Game'. Ebenfalls positiv fallen animierte Cutscenes auf, die verschiedene Spielabschnitte miteinander verbinden. Durch das separat aufzurufende Inventar und die kleine Textzeile als einziges Aktionsmenü, wird der gesamte Bildschirm zur Darstellung des Geschehens genutzt. Kleine grafische Gags, wie der Auftritt der Blues Brothers in einer Bar oder der Entfremdung eines bekannten Spielzeug-Großmarktes (was Sierra tatsächlich eine Klage einbrachte) lassen einen darüber nachdenken ob mehr als 16 Farben und einer Auflösung von 640×350 Pixeln überhaupt notwendig ist. (Die Antwort darauf ist aber schlicht und ergreifend ja.)
Der Sound verdient deshalb Erwähnung, weil es schon eine verdammt gute Leistung ist, ein derart eingängiges Titelthema mit dem PC-Speaker zu erzeugen. Weitere musikalische Unterstützung gibt es bis zum Ende des Spiels nicht. Die Soundeffekte bewegen sich zwischen nicht weiter auffallenden Plumps- und Furzgeräuschen bis zu nervenzerfetzendem Gepiepse, dass man gottseidank abstellen kann.
Versionen und Verfügbarkeit
'Space Quest I: The Sarien Encounter', wie das Spiel mit vollem Titel heißt, wurde zuerst 1986 von Sierra (damals noch Sierra-Online) veröffentlicht. Gab es das Spiel zunächst nur als DOS-Version, kamen bald Portierungen für Macintosh, Amiga und Atari ST heraus. Ein Jahr später, zeitgleich mit dem Release des Sequels, wurde die überarbeitet Version 2.0 auf den Markt gebracht, die ein paar mehr Texte und Eastereggs enthielt.
1991 bekam das Spiel dann sein eigenes Remake. Zeitgemäß wurde die Grafik auf VGA erneuert, was das Spiel vollkommen veränderte. Statt den rustikalen EGA-Bildern wurde'Space Quest' ein Ambiente im Stil eines 1950er Jahre Science-Fiction B-Movie aufgebügelt. Die veraltete Cursorsteuerung wich einer Bedienung mittels Maus und die Textzeile wich einer Leiste von Aktions-Icons an der oberen Bildschirmkante, die neben den bekannten NIMM und SPRICH auch über abstruse Befehle wie SCHMECKE und RIECHE verfügte, die allerdings im Laufe des Spiels so gut wie nie benutzt werden. Ob diese Neuerungen den Spielspaß anheben ist fraglich. Fakt ist, dass, während die EGA-Version ein großer Erfolg war, das Remake gewaltig floppte.
Leider ist die EGA-Version schon seit langer Zeit nicht mehr im Handel erhältlich (bei einer Größe von 325kb ist das auch nicht weiter verwunderlich) und Originalkopien sind extrem rar. Aufgrund des Kultstatus vom ersten Teil stehen die Chancen aber sicher gar nicht schlecht, dass viele Adventurefans den ersten Teil auf einer Compilation CD oder einer verstaubten 3,5 Zoll Diskette zu Hause herum liegen haben. Wohlmöglich unwissentlich! Also, einfach mal den Dachboden durchforsten. Wer sich fürs Remake interessiert und keinen Ärger mit der Lizenzpolizei bekommen will, der kann sich die 'Space Quest Collection' für etwa 20 Euro bei Internetkaufhäusern bestellen, denn da drin gibt es das Adventure in VGA. Ein Programm namens 'DosBox' ermöglicht ein fehlerfreies Spielen der alten Games. Bei der Sammelbox von Vivendi ist das Programm enthalten.
Einen alten Hasen wie 'Space Quest I' objektiv zu bewerten ist nahezu unmöglich. Genauso gut könnte man eine Schreibmaschine aus dem 19. Jahrhundert mit einem modernen Textcomputer vergleichen. Maussteuerung und SCUMM-System haben das Adventure-Genre nur ein Jahr später revolutioniert und machten die Spiele um ein Vielfaches benutzerfreundlicher. Auch die Spielphilosophie des „Nicht-Sterbens“ als krasses Gegenteil des „Immer-Sterbens“ machte die Spiele zugänglicher und weniger frustrierend. Nichts desto trotz merkt man 'Space Quest I' die Liebe und Arbeit an, die in die Entwicklung gesteckt wurde. Die Story ist einfallsreich und spannend, der Humor herrlich schräg, die Charaktere erstaunlich tiefgängig. Mit Actionsequenzen, Cutscenes und Minispielen finden sich in 'Space Quest' schon damals kleine Gimmicks, die auch heute noch so manches Adventure aufpeppen sollen und die Grafik ist für damalige Verhältnisse rundum gelungen. Anders als bei 'Maniac Mansion', das nur ein Jahr später das Licht der Welt erblickte und daher als Vergleich herhalten mag, muss bei 'Space Quest' aber der Wille zum Verzicht auf jegliches Komfort vorhanden sein, damit man sich heute noch ernsthaft mit dem Spiel befassen kann. Vor allem diejenigen, die vielleicht jenseits 1990 das Licht der Welt erblickten und keinerlei nostalgische Verbindung zu Spielen wie diesem besitzen, mag manches Feature sauer aufstoßen. Aber ich wage zu behaupten, dass 'Space Quest' auch noch in zwanzig Jahren Anhänger finden wird, die sich vom häufigen Abnippeln und der unbequemen Steuerung nicht davon abbringen lassen, Roger sicher durch sämtliche Gefahren zu manövrieren um am Ende den goldenen Mop für außergewöhnliche Tapferkeit verliehen zu bekommen. Denn Tapferkeit zahlt sich immer aus. Vor allem beim Spielen eines Kultklassikers.
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