„Die Rückkehr des klassischen Adventures“ – mit diesem Zitat sprang die Fachpresse vor rund eineinhalb Jahren auf den ungeahnten Erfolg von Runaway auf. Seitdem geistert die Wiederbelebung des Genres durch die Hefte. Jüngst freute sich sogar ein Redakteur der Gamestar in seiner Kolumne noch auf das Point & Click-Jahr 2004. Kurz: Die Redaktionen der Magazine scheinen dem Genre wohl gesonnen. Wie sieht die Realität aus?
Da müssten Adventures doch nun eigentlich mindestens zwei Seiten Preview, vier Seiten Test, Interview-Specials usw. in den Magazinen eingeräumt bekommen, möchte man meinen. Doch trotz der ganzen Begeisterung für ein totgesagtes Genre und der Lobhudelei sieht die Wahrheit anders aus.
Dazu muss man zunächst kein großer Insider sein, da reicht schon ein schneller Blick in die Hefte. Ein Adventure-Test auf mehr als einer Seite ist eine Seltenheit, Previews gibt es so gut wie kaum. Dass es mit der Adventure-Begeisterung nicht weit her ist, kann jeder in der aktuellen Gamestar nachlesen. Da werden die drei neuen Adventurecompany-Titel auf Briefmarkengröße abgefrühstückt und mit jeweils 2x-Prozent in den Staub des Flops getreten. Gut, Adventurecompany-Titel sind keine Musterbeispiele für die hohe Qualität des Genres. Aber das haben sie nicht verdient. (T)Raumschiff Surprise dagegen bekommt zwei Seiten zugestanden – eigentlich schön, aber man merkt die Absicht und ist verstimmt: Hier wirkt ganz eindeutig der Hype um den Film und die „Massentauglichkeit“ für die „Zielgruppe“, der sich auch in der Titelnennung widerspiegelt.
Womit wir bei den beiden Zauberwörtern sind, die PR-Beauftragte für Adventures immer wieder zu hören bekommen. Und Sätze wie: „Da ist uns noch Counterstrike Condition Zero dazwischen gerutscht“ oder „Naja, ist geil, unsere Leser interessieren sich aber mehr für Shooter“. Die Adventure-Begeisterung mag echt sein, sie schlägt sich allerdings nicht in Berichterstattung nieder und führt auch nicht zu wirklicher Auseinandersetzung mit den Spielen. Wie anders sollte man es sich erklären, dass in der aktuellen Gamestar in einer winzigen News bereits recht vernichtende Urteile über – wohlgemerkt – eine ALPHA-Version von The Moment of Silence stehen?
Wie ich aus Publisher-Kreisen erfahren habe, wird um jede News, um jede Seite Preview oder Test zu einem Adventure gefeilscht wie auf einem arabischen Basar. Mit Geld? Nein, natürlich nicht – ob die Redaktionen käuflich sind, ist mir nicht bekannt. Aber um Platz im Heft gehandelt wird zum Beispiel mit der exklusiven Demo. Wo anderen Publishern für ihren x-ten Shooter oder ihren y-ten Strategie-Titel großzügig Platz eingeräumt wird, müssen die Adventure-Publisher Platz mit exklusiven Demo-Deals „kaufen“.
Klar stehen die Verkäufe von Adventures weit hinter denen von Shootern, Strategie- oder Rollenspiel-Titeln zurück. Die Frage ist, ob das nicht auch daran liegt, dass ihnen in der so wichtigen Offline-Fachpresse nicht der Platz eingeräumt wird, der der angeblichen Begeisterung der Redakteure entspräche – und so immer nur der harte, relativ kleine Kreis der eingefleischten Adventure-Fans erreicht wird. Und der reicht bei manchem Spiel, um in die Gewinnzone zu kommen, bei größeren Produktionen jedoch nicht. Da kann man nur hoffen, dass die Publisher dennoch und trotz Raubkopien auf ihre Kosten kommen, denn sonst ist das Genre bald wirklich tot. Wir als Spieler können nur eines tun: Adventures kaufen und so in die Charts hieven – ein Garant für mehr Beachtung, mehr Coverage, mehr Erfolg für die Publisher und am Ende der Kette mehr neue Adventures. Übrigens: Die Entscheidungen in den Redaktionen fallen oft auch über die Most Wanted-Listen in den Heften – taucht dort ein Spiel auf, wird ihm mehr Beachtung geschenkt. Und diese Listen lassen sich von UNS steuern!
Wer steckt hinter Mr. X?
Mr. X ist ein langjähriger Szeneinsider und unterhält gute Kontakte zur Presse, als auch zu Publishern und Entwicklern. An dieser Stelle wird er zwar keine Staatsgeheimnisse ausplaudern, jedoch einige durchaus interessante Details über aktuelle Geschehnisse preis geben. Mr. X schreibt in regelmäßigen Abständen exklusiv für die Adventure Corner.
5 Kommentare
Sehr enttäuscht hat mich die Gamestar auch in Bazug auf Black Mirror... das erste, was ich von dem Spiel hörte (bzw. las) war der Test in der Gamestar. Das war ein ein Seiten Test mit 80 Prozent... Spannende Story, aber viele Fehler, die man nicht hätte machen sollen sagt die Gamestar kurz zusammengefasst...
Später wurde ich dann über Amazon Berichte und über die Corner drauf aufmerksam. Und stellte fest, dass viele Leute diesem Spiel, das ich in der Gamestar fast unbeachtet überlesen habe, wesentlich mehr zuschreiben.
Ich war überzeugt, kaufte es mir, spielte es wie besessen Nächtelang durch und musste feststellen, dass es eines der besten Adventures ist, die ich jemals gespielt habe.
Dann erinnerte ich mich wieder an diesen Test, den ich vor ner Zeit in der GS gelesen hatte (war das nicht Black Mirror?)... schaute rein, stellte fest, dass es Black Mirror war, dem ich da keine Beachtung geschenkt hatte. Ich las mir den Test nochmal durch und schüttelte eine Minute lang nur den Kopf, wie man so ein Spiel so abtun kann. Blätterte weiter und fand Spiele mit niedrigen 70er Wertungen, die einen 4 Seiten Test bekamen...
schwer enttäuscht...
Ich erinnere mich noch genau, wie 2000 in der Konsolen-Zeitschrift MAN!AC "Discworld Noir" total unerwartet usw. 2 Monate lang auf Platz 2 war!
Damals kannte ich es noch gar nicht und bin erst dadurch aufmerksam geworden. Und das auf Konsole, wo es doch noch erheblich weniger Adventures als auf PC gibt (oder gerade deswegen?)!
Aber anscheinend gibt es doch noch eine Art Szene, die nur auf Adventures wartet, die, wenn sie gut sind auch durchaus erfolgreich sein können.
Ich bin nach wie vor für mehr Risikobereitschaft bei den Publishern und Entwicklern, wobei erstere eher das Problem darstellen in der heutigen Zeit der Geldsucht.