Gewalt in der Familie ist üblicherweise nicht der Stoff, aus dem Computerspiele gemacht sind. Eine Ausnahme hierzu macht das kanadische Studio Minority, mit 'Papo & Yo'. Im Herbst 2012 erschien dieses 3D-Fantasy-Adventure für die PS3 als Download. Seit wenigen Monaten ist es via Steam auch für den PC (Steam) erhältlich. Im narrativen Mittelpunkt steht der Junge Quico, der in seiner Fantasie-Welt alles daran setzt, ein suchtkrankes Monster an seiner Seite zu heilen. Wie das alles mit familiärer Gewalt zusammenhängt und ob das surrealistische 3D-Abenteuer, abseits des gewagten Themas, Eure Aufmerksamkeit verdient, das nehmen wir im Test unter die Corner-Lupe.

Quico und das Monster
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Quico und das Monster... |
Der brasilianische Junge Quico hat sich in eine Traumwelt zurückgezogen. Dort lebt nur er, sein Lieblingsspielzeug Lula, das Mädchen Alejandra und ein Monster. Anfangs macht sein gewaltiger Begleiter einen harmlosen Eindruck. Ab und zu lässt er sich auf Ballspiele ein, isst gerne Früchte und seinen prallen Bauch kann Quico als Sprungbrett verwenden, um hochgelegene Plattformen zu erreichen. Der Junge hat das Monster lieb gewonnen, soviel steht fest, doch der Frieden gerät außer Rand und Band, sobald dieses Geschöpf Frösche verspeist. Dann hämmert sich eine dunkle Seite an die Oberfläche und fixiert allen Zorn auf unseren kleinen Helden und alles, was ihm lieb ist. Das geprügelte Kind gibt seinen brutalen Gefährten trotzdem nicht auf und sucht nach einem Weg der Heilung. Womöglich kann das Mädchen Alejandra helfen. Sie will beide zu einem Schamanen führen, der vielleicht die Antwort kennt. Freilich ist damit eine lange Reise verbunden.
Eine Geschichte der Gewalt
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Frösche darf das Monster nicht zwischen die Zähne bekommen |
Es braucht keine lange Grübelei, um zu erraten, wie die Symbolik von 'Papo & Yo' zu deuten ist. Schon ein Zitat zu Beginn legt die Karten auf den Tisch: Das Monster steht für den suchtkranken Vater, der dem Alkoholismus verfallen ist und im betrunkenen Zustand sein Kind prügelt. Minority-Chef Caballero greift mit seinem autobiografischen Werk übrigens auf eigene Erfahrungen zurück. Angesichts der herrschenden Brutalität, bleibt Protagonist Quico jedenfalls nur die Flucht in seine Fantasie, in der allerdings nicht nur sein liebstes Spielzeug Lula ihm gesprächig Gesellschaft leistet, sondern auch sein Vater. Er ist das Monster, das er so sehr retten möchte. Doch selbst in dieser Welt hinterlässt die Gewalt tiefe Spuren. Wie aber kann ein gemeinsames Leben mit so einem Menschen möglich sein? Eine Antwort wartet am Ende und sie ist schlüssig. Die ungewöhnliche Erzählung drückt dem Geschehen recht gekonnt den Stempel auf und gewinnt gegen Ende an Intensität. Leider hakt es im spielerischen Sektor...
Repetitive Aufgaben
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Wie bringe ich das Monster wieder zur dafür vorgesehenen Markierung? |
Abseits einer bewegenden Geschichte, hält 'Papo & Yo' einen Mix aus diversen Rätseln und Geschicklichkeitseinlagen parat. Sicherlich ist es kein Adventure im klassischen Sinne. Es ist aber auch nicht actionlastig genug, um es anderwertig zu verorten. Timing ist insbesondere dann gefragt, wenn das Monster wieder einmal in Rage gerät. Abgesehen davon bewegen sich Stressmomente im überschaubaren Rahmen und es bedarf keines Tasten-Akrobaten, um sich hier zu bewähren. Erwischt uns der cholerische Begleiter im Rausch, wird es für Quico schmerzhaft, aber ohne tödlichen Ausgang. Sterben ist zwar vereinzelt möglich, doch für den Fortschritt im Spiel hat selbst das keine Folgen, zumal wir uns unmittelbar vor dem Absturz sofort wieder ins Geschehen wagen dürfen. Das sind wohl die praktischen Vorteile einer eingebildeten Fantasie-Welt. Wer jedoch mitten in einem Kapitel abbrechen möchte, sollte sich diesen Schritt wohl überlegen, zumal die automatischen Speicherpunkte meist am Anfang eines Abschnitts liegen.
Unglücklicherweise folgen viele Herausforderungen stets demselben Muster: Wir suchen einen Weg zu einem bestimmten Ort und halten Ausschau nach diversen versteckten Mechanismen, die uns dabei helfen. Parallel dazu locken wir das Monster mittels Früchten als Köder. Läuft uns ein Frosch über den Weg und wir können dieses Geschöpf nicht rechtzeitig entfernen, dann steht uns ein Amok-Lauf des Monsters bevor, den es prompt zu besänftigen gilt. In den ersten 60 Minuten wird man dadurch passabel unterhalten, doch dieses Prinzip nutzt sich bald ab. Irgendwie hat 'Papo & Yo' schwer damit zu kämpfen, würzige neue Herausforderungen zu liefern. Wenig kreative Rätsel wie zum Beispiel eine Adaptierung des Hütchenspiels, zaubern jedenfalls höchstens ein schwaches Lächeln ins Gesicht.
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Versteckte Treppen wollen gefunden werden... |
Mehr als vier, fünf Stunden werden trotz spielerischer Wiederholungen nicht geboten. Angesichts genannter Kritikpunkte zählt 'Papo & Yo' auch kaum zu jener Sorte Abenteuer, die man hinterher gleich nochmal mit Begeisterung durchspielen möchte. Es wird von einer außergewöhnlichen Geschichte getragen und hält sich abgesehen davon höchstens durchschnittlich über Wasser. Interessante Einfälle der surrealen Sorte (gehende Häuser, Gebäude die durch kleine Kisten bewegt werden...) gibt es zwar, jedoch nicht genug, um dauerhaft über Mängel hinwegtäuschen zu können. Noch dazu reicht erstaunlich oft das schlichte Finden und Interagieren mit Hotspots, um ein Rätsel zu knacken. Mehr Komplexität wäre wünschenswert gewesen. Immerhin sind die Aufgaben aber angenehm intuitiv gestaltet und wer einmal nicht weiter weiß, kann sich notfalls einer witzigen Hilfefunktion bedienen: In jedem Abschnitt findet sich ein spezieller Karton. Stülpt sich Quico diesen über, erhält der Spieler eine bildliche Darstellung der jeweiligen Lösung.
Technisch topp... wenn auch die Steuerung zuweilen ungenau ist
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An der Grafik ist nicht viel zu rütteln! |
Das Minority AAA-Erfahrung hat (u.a. 'Need for Speed') ist vom Start weg augenscheinlich. Aus der Unreal Engine wurde so einiges herausgeholt. Die hervorragende visuelle Umsetzung ist reich an Details und schön animiert, wobei auch die stimmungsvollen Wetterveränderungen im Gedächtnis bleiben. Erstklassige Gitarrenklänge von Brian D’Oliveira runden den positiven Eindruck zudem stilsicher ab. Wenn es im technischen Sektor etwas zu kritisieren gibt, dann am ehesten die ab und zu etwas ungenaue Steuerung, wobei wir allerdings nur die PC-Fassung testen konnten und deshalb zu diesem Zeitpunkt keine Auskunft geben können, wie es sich bei der PS3-Fassung verhält. Gesteuert wird der Protagonist jedenfalls direkt mittels Gamepad oder auch via Tastatur plus Maus (also kein Point-and-Click). Wir können uns frei in der 3D-Umgebung bewegen, Dinge nehmen, benutzen und springen. Grundsätzlich ist die Bedienung leicht und unkompliziert. Übrigens beschränkt sich die Sprachausgabe vorwiegend auf brasilianisches Portugiesisch und kommt mit deutschen Untertiteln.
Für den interessanten Umgang mit einem schwierigen Thema, den berührenden Schlussteil und die tolle Präsentation würde man 'Papo & Yo' zu gerne eine hohe Wertung verpassen. Leider stottert der Motor auf spielerischer Ebene und zeigt in diesem Bereich eine maximal mittelprächtige Performance. Ansprechende Ansätze gäbe es durchaus, doch geben sich die kanadischen Entwickler von Minority für meinen Geschmack zu früh zufrieden und verlassen sich in vielen Phasen zu sehr auf Geschichte und Grafik. Teilweise geht die Rechnung auf, teilweise zieht es sich in die Länge. Ungeachtet dessen ist es aber sehr zu begrüßen, dass auch Spiele sich ernsthaft mit familiärer Gewalt auseinandersetzen. 'Papo & Yo' gelingt hier eine erfreulich zeitgemäße und persönliche Herangehensweise. Ein interessanter surreal geprägter Titel, der trotz auffälliger Schwächen positiv in Erinnerung bleibt.
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Papo + Yo
- Entwickler
- Minority
- Publisher
- Minority
- Release
- 14. August 2012
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.weareminority.com/papo-yo/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Papo + Yo im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
3 Kommentare
Macht ihr vielleicht Papo & Yo 2