Welche Auswirkungen kann Alkoholismus auf Kinder haben und wie beeinflusst diese Abhängigkeit das Erwachsenwerden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das finnische Entwicklerstudio Platonic Partnership und produziert ein rund 90 Minuten langes storybasiertes Andventure. Wir haben 'Lydia' für Euch getestet.

Monster im Schrank
Wir spielen die kleine Lydia. Sie lebt mit ihren Eltern in einem Haus in irgendeiner Stadt. Vor dem Zu-Bett-Gehen erzählt Papa uns eine Geschichte. Papa erzählt von einer Prinzessin, die mit Mummy und Daddy zusammenwohnt und glücklich ist. Doch leider gibt es auch Monster, die die Prinzessin bezwingen muss. Welche Monster das sind, erfahren wir nicht. Wir werden unsanft von Mama unterbrochen, die Papa erinnert, dass die Gäste gleich da sind und wir jetzt ins Bett müssen. Enttäuscht gehen wir auf unser Zimmer. Aber an Schlaf ist nicht zu denken. Unsanft werden wir von dem hämmernden Beat der Party im Wohnzimmer geweckt. Und wir haben Angst.
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Lydia hat Angst |
Die Situation hat Lydia wohl schon öfter erlebt. Das kleine Mädchen hat Angst vor einem Monster, das sie nicht greifen und benennen kann. Hier wird das Thema des Spiels, die Auswirkung von Alkoholismus auf Kinder, das erste Mal aufgegriffen. Dieses Element zieht sich wie ein dunkler Schatten durch die weitere Handlung. Wir machen uns auf die Suche nach Teddy, unserem besten Freund und Begleiter. Mit ihm im Arm suchen wir nach einem sicheren Platz und finden diesen im Kleiderschrank, wo das Tor zu einer anderen Welt wartet.
Dort angekommen erwartet uns zunächst eine freundlichere Umgebung mit lachender Sonne und friedlicher Musik. Sogar unser Teddy ist lebendig geworden und erklärt uns, dass wir an diesem Ort alles tun können, was wir wollen. Er verspricht uns, dass wir keine Angst vor dem Monster haben müssen. Doch schon bald holt uns die düstere, dunkle Welt mit der bedrohlichen Musik der Party wieder ein.
Gespielt wird 'Lydia' aus der Sicht eines Kindes, springt aber in der Handlung immer wieder um einige Jahre nach vorne. In fünf Kapiteln werden wir so mit den Auswirkungen der kindlichen Ängste und des Alkoholismus von Lydias Eltern während ihres Erwachsenwerdens konfrontiert. Am Ende jedes Abschnitts kehren wir dabei zu der kleinen Lydia zurück, die sich aus Angst vor der Party und den Monstern in ihrem Schrank versteckt.
Eine bedrohliche Welt
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Ein Monster erwartet uns |
Die Grafik von 'Lydia' ist nahezu komplett in Schwarz-Weiß und Grautönen gehalten. Farbe kommt vorwiegend dann ins Spiel, wenn die Situation um Lydia an Dramatik gewinnt, oder bei Charakteren, die nicht negativ assoziiert sind. Wir treffen im Laufe des Spiels immer wieder auf Monster, die uns große Angst machen. Hier unterstützen knallige Rot- und Orangetöne gezielt die Emotionen der kleinen Protagonistin und tragen nicht nur zum bedrückenden Grundtenor des Spiels bei, sondern verdeutlichen auch eindrucksvoll die kindlichen Ängste, mit denen wir konfrontiert werden.
Die Hintergründe sind eher einfach gehalten und wenig detailreich. Die Kulisse ist nicht nur schwarz, weiß und grau, sondern auch schattig und dunkel. Die Welt ist bedrohlich und Monster lauern hier nahezu überall. Lediglich unser Teddy ist mit seinem freundlichen Lila ein ständiger Lichtblick in unserer Umgebung.
Die Sprachausgabe ist komplett in geschriebenen Dialogen gehalten und bisher nur auf Englisch verfügbar. Ein Minuspunkt ist hier die notwendige stoische Benutzung der Maus. Nach jedem Satz müssen wir einmal klicken, um den Dialog voran zu bringen. Einen Pluspunkt bekommt die Hintergrundmusik. Bedrückende Sounds und harte Beats unterstützen die Stimmung des Spiels auf eindrucksvolle Weise, ohne dabei zu aufdringlich zu sein.
Keine Wahl und verwirrende Sequenzen: das Gameplay
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Frank versperrt uns den Weg |
Ein klassisches Point-and-Click-Adventure ist 'Lydia' nicht. Die Story steht klar im Vordergrund. Rätsel gibt es kaum, lediglich Zwischensequenzen und Dialoge, in denen wir selber interagieren müssen. Die Interaktionsmöglichkeiten sind sehr beschränkt und farblich hervorgehoben, sodass die Lösung gleich klar ist. Soll man Vater zum Beispiel ablenken, leuchtet das Telefon auf und man muss lediglich die richtigen Gesprächsthemen finden, um das Ziel zu erreichen.
Die spielerischen Elemente wirken oft etwas deplatziert und erzwungen. Dialoge gibt es viele im Spiel und wir antworten nicht immer mit vorgegebenen Phrasen, sondern dürfen uns unsere Reaktion stellenweise auch in Emotionen aussuchen und z.B. ängstlich oder aggressiv reagieren. Dennoch gibt es kaum Platz für eigene Erkundung der Umgebung oder Interaktion außerhalb des vorgegebenen Rahmens.
Wer bei 'Lydia' ein umfangreiches Point-and-Click-Adventure erwartet, ist an der falschen Adresse. Mit knapp 90 Minuten Spielzeit ist es eher kurz und sticht nicht durch sein Gameplay hervor. Die Stärken des Spiels liegen in der Umsetzung des Themas und der Atmosphäre, auch wenn die Moralkeule stellenweise schon etwas zu hart nach dem Spieler schlägt. 'Lydia' ist ein schönes Intermezzo für alle, die sich mit dem Thema „Wirkung von Alkoholismus auf Kinder“ näher beschäftigen wollen und sich von der kindlich angstvollen Atmosphäre des Spiels mitreißen lassen möchten. Für eingefleischte Genre-Fans ist 'Lydia' spielerisch wahrscheinlich nicht anspruchsvoll genug.
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Lydia
- Entwickler
- Platonic Partnership
- Publisher
- Platonic Partnership
- Release
- 2. Juni 2017
- Spielzeit
- 90 Minuten
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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