'Kelvin and the Infamous Machine' stammt vom Indie-Studio Blyts und wurde Ende 2014 via Kickstarter finanziert (rund 30.000 Dollar). Mit dem Release klappte es schließlich im Sommer 2016 für Windows PC, Mac und Linux. Auf Zeitreisen, Pop-Kultur-Referenzen sowie schräge Gespräche darf man sich einstellen. Im Test sehen wir uns das bunte Comic-Adventure genauer an.
Hinein ins Zeitreise-Chaos
Zu Beginn des humorvollen Comic-Abenteuer wird die Vorgeschichte binnen weniger Sekunden zusammengefasst: Der Physiker Dr. Lupin hat eine Zeitmaschine gebaut. Doch statt Ruhm und Ehre erntet seine Erfindung nur Spott und Häme, was wohl auf das duschförmige Design zurückzuführen ist. Dem angekratzten Ego des weißhaarigen Wissenschaftlers schmeckt das überhaupt nicht. Er dreht durch und begibt sich in die Vergangenheit, um andere Genies zu sabotieren und selbst berühmt zu werden.
Einst war Dr. Lupin ein netter Kerl |
Der unfähige Assistent Kelvin und seine ziemlich kluge Arbeitskollegin Lise setzen nun alles daran, um die Veränderungen von Dr. Lupin schleunigst wieder rückgängig zu machen, ehe das Zeitgefüge endgültig im Chaos versinkt. Mit diesem Briefing starten wir ins Point&Click-Adventure. Während Kelvin durch fröhlich die Geschichte reist (er ist unsere Spielfigur) und die zum Wohl der Menschheit so manch fragwürdige Entscheidung trifft, unterstützt ihn die junge Frau vom Computer aus in der Gegenwart und beobachtet die Schritte des Widersachers.
Fokus auf Humor und Rätsel
Gefühlt geht es bei dieser Geschichte mittendrin los, als hätte man bei einem Film den ersten Akt verpasst oder bei einer Serie die Hälfte der Episoden ausgelassen. Durch die kurze Spieldauer (rund drei Stunden) bleibt nachher auch nicht viel Zeit, um wirklich in die Spielwelt einzutauchen. Im Endeffekt ist 'Kelvin and the Infamous Machine' mehr wie eine Anhäufung von Rätseln, pointierten Dialogen und teils recht amüsanten Pop-Kultur-Referenzen ('Zurück in die Zukunft', 'Herr der Ringe', 'Doctor Who'... die üblichen Verdächtigen also). Die Rahmenhandlung ist nebensächlich und die Charaktere lassen jeden Tiefgang vermissen.
Einige Gags haben einen längeren Bart, dennoch sind immer wieder witzige Pointen dabei, z.B. wenn es darum geht, mehr über Leonardo da Vincis geheime Geschäfte herauszufinden, oder Isaac Newtons Affinität für Fan-Fiction. Das Genre wird obendrein gern selbstironisch aufs Korn genommen. Auch die Rätsel sind nett inszeniert und die Entwickler sparen nicht mit Animationen, sei es nun, wenn Kelvin eine Tür in die Luft sprengt oder wenn er sich mit einer Wache ein Anstarr-Duell liefert.
Klassisch geprägte Kost
Die Story bleibt sehr auf der Strecke, Genre-Fans werden durch die Rätsel und den Humor aber dennoch nicht so schlecht bedient |
Die Rätsel erinnern stark an die Klassiker wie jene von LucasArts. Scheibenartige Tür-Codes werden entschlüsselt, fleischfressende Pflanzen gebändigt, passende Kleidungsstücke für eine Kneipe im Österreich des 19. Jahrhunderts gesucht und vieles mehr. Gestorben wird nie und der Schwierigkeitsgrad pendelt zwischen leicht und durchschnittlich schwer. Zudem steht uns ein Inventar zur Verfügung, wo Gegenstände miteinander kombinierbar sind. Point&Click-Fans werden sich bei 'Kelvin and the Infamous Machine' wahrscheinlich wohl fühlen, obgleich die Laufwege manchmal mühsam sind. Schade, dass es keine In-Game-Karte gibt.
Wer beim Erkunden der Schauplätze keine Geduld hat, der kann zur Hotspot-Anzeige greifen. Die ist nur selten notwendig ist, da die wichtigen Gegenstände ohnehin klar ersichtlich sind. Gewöhnungsbedürftig ist lediglich, dass es bei Gesprächen keine Exit-Funktion gibt. Zum Beenden klicken wir stattdessen außerhalb der Dialogoptionen irgendwo hin. Das hätte Blyts intuitiver lösen können. Dafür überzeugt die überaus lebendige englische Sprachausgabe - deutsche Untertitel sind verfügbar (die ein paar Gags auf dem Gewissen haben). Die detaillierte 2D-Grafik wartet mit einem sehr interessanten Comic-Stil auf und der Soundtrack passt sich nicht schlecht dem Setting an. Auch die Maussteuerung funktioniert tadellos.
'Kelvin and the Infamous Machine' ist ein bisschen wie ein Film, der erst mitten im zweiten Akt beginnt. Exposition der Charaktere, Inciting Incident, Plotpoint werden in wenigen Sätze hastig zusammengefasst, ehe es Sekunden später gleich mit Schauplatz eins in der Vergangenheit losgeht. Selbst den Bösewicht kennen wir vor dem Finale nur flüchtig vom Hörensagen. In etwas mehr als drei Stunden bleibt kaum Zeit, um in die Spielwelt einzutauchen. Stets beschleicht einen das Gefühl, dass ursprünglich viel mehr geplant war und es am Ende aus Zeit- und Geldgründen nur für das Notwendigste gereicht hat. Richtig rund fühlt sich die Sache also nicht an, doch das was da ist, ist immerhin unterhaltsam und in jedem Abschnitt wird spürbar, dass den Entwicklern das Genre am Herzen liegt. Humorvolle Pop-Kultur-Referenzen wurden in den vergangenen Jahren überstrapaziert, trotzdem hat mich das Spiel mehrmals zum Schmunzeln gebracht, was inzwischen gar nicht mehr so einfach ist. Die Charaktere sind für witzige Momente und nette Pointen gut. Bei den Rätseln wird zudem durchdachte Kost der klassischen Art geboten und die technische Umsetzung überzeugt. Eingefleischte Point&Click-Fans werden mit Kelvins buntem Zeitreiseabenteuer wahrscheinlich auf ihre Kosten kommen. Dem verschenkten Potenzial trauern wir dennoch nach.
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Kelvin and the Infamous Machine
- Entwickler
- Blyts
- Publisher
- Blyts
- Release
- 21. Juli 2016
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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