„Galileo Mystery“: die vom Münchner Privatsender Pro 7 produzierte Serie, in der Moderator Aiman Abdallah spannenden Geheimnissen aus Wissenschaft und Geschichte nachgeht, ist mit Vorsicht zu genießen. Diejenigen, die zufällig vor dem Fernseher saßen, als Aiman und sein Expertenteam auf den Spuren von Bigfoot einen armen Studenten im Pelzkostüm durchs Bild jagten, um das vermeintlich echte Bildmaterial auf Authentizität zu prüfen, wissen was gemeint ist. Daher darf man es nicht verübeln, wenn der Käufer den neuen Wii-Titel 'Die Krone des Midas' ein wenig misstrauisch beäugt, auf dessen Verpackung deutlich sichtbar der „Galileo Mystery“ Schriftzug prangt. Mehr Informationen sind aber weder von Vorder- oder Rückseite der Packung zu erfahren, kein „presents“ oder „featuring“, die das Dasein des Logos in irgendeiner Form erläutern würden. Ist das Spiel im Rahmen einer Sendung erschienen? Wurde es gar vom „Galileo Mystery“-Team geschrieben oder produziert? Schon hier bietet sich dem vermeintlichen Käufer ein erstes Mysterium. Wer aufmerksam die Ecken absucht, erkennt allerdings irgendwo unten ein winziges „Published by Pro 7“, was ja dann grob den Zusammenhang zwischen den beiden Produkten erklärt. Erstes Mysterium erfolgreich gelöst! Aber darf man den Silberling auch guten Gewissens in Nintendos Spaßkonsole stecken, oder sollte man 'Midas' im Regal stehen lassen? Die Wahrheit liegt in diesem Fall nicht irgendwo dort draußen, sondern ein paar Zentimeter weiter unten. Und sie ist verdammt hässlich.

Story
Stephan ist ein eher schweigsamer, zurückhaltender Typ, dem der Job als Nachtwächter, von Jessica vermittelt wurde. Zu ihr hat er seit der Schulzeit Kontakt gehalten.“ So wird unser Protagonist, der nun zum Sicherheitspersonal eines Naturkundemuseums gehört, in dem im Spiel zu jeder Zeit einsehbaren Akten-Menü beschrieben. Da man Stephan selber steuert, muss man annehmen, dass er eine Akte seiner selbst mit sich herum trägt. Hm, komischer Typ, der Stephan. Aber, so erfahren wir weiter aus der Anleitung, „er braucht die Kohle, und dafür schlägt er sich eben auch die Nacht um die Ohren“. Naja, Faulheit kann man ihm auf jeden Fall nicht unterstellen. Und Stephan macht sich auch sofort ans Werk, rückt die Schirmmütze zurecht und schaltet die Taschenlampe ein, aber bevor er richtig angekommen ist, muss er erstmal erleben wie der geschätzte einhundert Jahre alte Vorgänger „beurlaubt“ wird. Die Wirtschaftskrise macht eben keine Ausnahmen und „junge, zurückhaltende Typen“ die „die Kohle brauchen“ kriegt man eben deutlich billiger, als ein Fossil das eher ausgestellt als eingestellt werden sollte. Der Alte mit Namen Wochnik ist daher nicht besonders guter Laune und geht ohne Stephan weitere Instruktionen für seine erste Arbeitsnacht zu geben. Die holt sich Stephan lieber bei Jessica, der adretten Kuratorin, die ihm den Job ja zugeschasst hat. Leider scheint es kein entspannter Abend für Stephan zu werden: hier bricht ein Dino zusammen, dort sieht es so aus, als hätte sich jemand unerlaubt Zutritt verschafft. Es dauert eine ganze Weile bis der neue Nachtwächter heraus bekommt, das alle dubiosen Ereignisse mit einem kostbaren Kleinod zusammen hängen, welches sich der Direktor des Museums angeeignet hat und das nun jemand zurückfordert: die Krone des Midas!
Gameplay
'Midas' spielt sich als klassisches 3D-Grafikadventure. Der Spieler übernimmt die Kontrolle von Stephan (später auch von Restauratorin Jessica), der im weiträumigen Museum dem Geheimnis der Krone des Midas und dem der Räuber, die sie stehlen wollen auf die Schliche kommen will. Man steuert den Protagonisten mit einer Kombination aus Wiimote und Nunchuck, welche ein benutzerfreundliches Handling ermöglichen. Die Spielfigur wird mittels Nunchuck-Joystick bewegt, während die Wiimote den Cursor steuert, den der Spieler auf der Suche nach Hinweisen und Gegenständen über den Bildschirm zieht. Es gibt lediglich zwei Aktionsbutton, „ansehen“ und „benutzen/nehmen“ die mit dem A- oder B-Knopf auf der Wiimote ausgelöst werden. Items werden am unteren Bildschirmrand in einer einblendbaren Leiste angesammelt. Ein Druck auf den unteren Knopf des Steuerkreuzes ermöglicht den Zugang zu einer Art Aktenordner, der Infos über sämtliche Charaktere im Spiel, eine kompetente Rätselhilfe sowie eine Übersichtskarte anbietet. Gespeichert werden kann jederzeit mit einem Druck auf den Plus-Button, während der Minus-Button die Gegenstände, mit denen man interagieren kann, auf dem Screen hervorhebt.
Alles in allem ist die Steuerung des Spiels grundsolide und würde dem Spielspaß nicht im Wege stehen. Leider ist die Steuerung auch schon das Beste an 'Die Krone des Midas', denn Spannung und/oder Story sucht man hier völlig vergebens. Für ein Drittel des Spiels ist von der Krone des Midas nicht einmal die Rede. Das heißt: ihr steuert Stephan blindlings durch das Museum und löst Rätsel deren Zusammenhang ihr nicht versteht und die daher auch die Story nicht voran treiben. Sie sind aber dennoch so ur-simpel, dass man niemals festhängt und sich gähnend von einer Knobelei zur anderen hangelt. Hier muss ein Geldschein zusammengeklebt werden, dort müssen Symbole angeordnet werden: in jedem Fall ein alter Hut. Das Spiel bemüht meist Kombinationsrätsel und Logeleien um den Spieler bei Laune zu halten, leider jedoch ohne Erfolg.
Was die 'Die Krone des Midas'so belanglos macht, ist die fast schon schmerzhafte Ignoranz, mit der Rätsel und Story nebeneinander her plätschern. Im Grunde werden ja alle Register gezogen. Es gibt Schachrätsel, Hieroglyphenrätsel, Zahlenkombinationsrätsel, Spuren finden, Knöpfe drücken und nichts von alledem fügt sich in die Story ein. Alles ist lediglich Mittel zum Zweck. Wenn es dann auch noch in so eine entsetzlich schlechte Grafik verpackt wird, dann ist ein Griff zum Sudoku-Block oder zum Kreuzworträtsel immer die erste Wahl. Auch für jüngere Kids.
Aber auch losgelöst betrachtet, ist die Dramaturgie von 'Midas' unterstes Niveau. Die Gespräche, die Stephan mit seinen Mitmenschen führt und die, ganz klassisch, mittels Dialogauswahlverfahren ablaufen, wirken aufgesetzt und ungelenk. Oft werden dem Spieler Sätze zur Auswahl angeboten, welche auf Rätsel und Gegebenheiten zielen, die noch überhaupt nicht thematisiert wurden. Schlampiges Programmieren lässt den Spieler hier vorweg greifen, was die dünne Story eigentlich noch aufbauen wollte. Es ist eine Katastrophe.
Audio und Video
Mit der Vertonung von Stephans großem Abenteuer wurde sich auf jeden Fall Mühe gegeben und mit Marius Clarén oder Tom Vogt wurden auch professionelle Voice Talents engagiert, die man als Synchronstimme einiger Hollywood-Größen kennt. Aber die Qualität schwankt doch beträchtlich, reicht von überzeugend enthusiastischer Performance bis hin zu „hier mimt ein 17 Jähriger einen 80 Jährigen“.
Die Dialoge selbst sind ebenfalls ein eher schmerzhaftes Thema, da sich durch das gesamte Spiel obskur schlechte Oneliner ziehen, die weder Sinn noch Spaß machen. Ein Beispiel: Stephan betrachtet eine Palme, die möglicherweise als Klettergerüst zum Erreichen eines hoch gelegenen Fensters dienen könnte. Seine einzige Reaktion auf das Pressen des „Look“-Buttons ist allerdings: „Selbst wenn die Palme Kokosnüsse hätte, wären die aus Plastik!“ Ein anderes Mal steht er vor dem Model eines Asteroiden. Der einzige abrufbare Kommentar, den man Stephans Lippen entlocken kann ist: „Im Fitnessstudio wäre das ein Punching-Ball.“ Mit einem Wort: arm.
Die Musik ist ein nicht enden wollender, nervender Klangbrei, dem es fast nie gelingt bestimmte Szenen zu unterstützen oder Emotionen zu verstärken, sondern der permanent „mysteriös“ wirken soll, dabei immer gleichlaut ist und den man nach gewisser (sehr kurzer) Zeit dringend abschalten möchte und leider nicht kann. Und das ist keine Haarspalterei. Nicht eine Grundregel für den erfolgreichen Einsatz von Musik zur Verstärkung eines bewegten Bildes wurde hier befolgt. Warum soviel Musik? Würde man sich hier auf ein Thema beschränken, auf sparsame, aber gezielte Einsätze, auf minimale Stakkato-Untermalung, es würde alles besser funktionieren als das hier. Darüber hinaus wirken die Geräusche über weite Strecken so, als hätte ein Mitarbeiter sie mit dem Mund fabriziert.
Von allen Dingen die bei 'Midas' falsch laufen, ist aber keins so auffällig und enttäuschend wie die optische Präsentation. Selbst wenn auf Nintendos Spaßkonsole Niemand ein opulentes Grafik-Feuerwerk erwartet, selbst wenn man seine Erwartungen schon auf ein Minimum herunter geschraubt hat, dürfte wohl jeder Spieler beim Anblick dieses Wurfes von SevenOne Media entgeistert die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Vergleiche mit der Ur-Version von 'Alone in the Dark' sind nicht unangebracht. 'Midas' hat Playstation 1-Niveau, nicht mehr. Grob gerenderte Sprites, die eckigsten Hintergründe seit Erfindung der Vektorgrafik und jämmerlich animierte Protagonisten, die teilweise gleich Marionetten durch das Museum stolpern, verderben selbst dem gutmütigsten und anspruchlosesten Gamer die Laune. Ein besonderer Gag ist der 480p-Modus. Durch Progressive Scan soll, laut Anleitung, die qualitativ hochwertigste Bilddarstellung geboten werden. Das Ergebnis ist lächerlich, und von der normalen 480i-Darstellung kaum zu unterscheiden. Das Wort „hochwertig“ liest sich schon fast höhnisch. Die Cutszenen werden samt und sonders in Spiel-Grafik dargestellt. Man möchte weinen.
Auch wenn es nichts mehr rettet, so sei doch mildernd gesagt, dass, wäre das Spiel für die Playstation 1 erschienen, die grafische Präsentation durchaus in Ordnung ginge, denn die 3D-Kamera inszeniert das Geschehen ordentlich und befindet sich meistens genau da wo sie sein soll, bietet dem Spieler also zu jeder Zeit ein übersichtliches Bild dessen, was dieser gerade betrachten will.
Das Spiel präsentiert sich als herzloses Produkt, das aufgrund schwerer Mängel in allen Bereichen keinen Spieler überzeugen kann. Man mag nicht einmal auf die zehn bis zwanzig Jahre älteren Titel verweisen, die 'Midas' in jeglicher Hinsicht übertreffen, denn mit ihnen hat das Spiel wenig gemeinsam. Liest man die Artikel über Thomas Ebeling, Chef von Pro7Sat.1, dessen oberstes Gebot „Better Output at Lower Cost“ auf Powerpointfolien den Mitarbeitern präsentiert wird und der Pro7 als Kleidungsmarke, Softwarehaus und Elektronikhersteller in diversen Sparten etablieren will, dann ist einem sofort klar, warum 'Die Krone des Midas' so ist wie es ist. Die durchschnittliche Spielzeit von 10 Stunden ist da auch schon egal, denn solange möchte 'Midas' niemand spielen. Gott sei Dank haben wir als Spieler noch den freien Willen und jede Menge Konkurrenzprodukte, welche dieses Spiel so überflüssig machen wie eine Informationssendung, die uns einen armen Studenten als Bigfoot verkaufen will.
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Galileo Mystery: Die Krone des Midas
- Entwickler
- Midway Games GmbH
- Publisher
- Midway Games GmbH
- Release
- 22. Oktober 2009
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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