Ein gruseliges Gemäuer, Schreie im Dunkeln, finstere Mächte und knackige Rätsel sind die Bestandteile des Ego-Adventures 'Baron Wittard - Das dunkle Geheimnis von Utopia'. Besagter Baron hatte zu Lebzeiten nämlich die Idee für ein gewaltiges Gebäude, das eine ganze Stadt beherbergen sollte. Die kühnen Pläne wurden allerdings nie vollendet, denn schon während der Bauphase scheint das Projekt unter keinem guten Stern zu stehen. So zeugt jetzt nur noch eine unbewohnte Ruine von dem einstigen Prestige-Bau. Dennoch ranken sich dunkle Gerüchte um Utopia. Die lokale Presse macht sich an die Aufklärung der Vorgänge und schickt einen Fotografen in die leerstehende Stadt. Wir haben uns mit dem Fotoreporter auf den Weg gemacht und verraten in unserem Test, ob sich der Ausflug lohnt.
Willkommen in Utopia
Nachts schleicht sich ein Fotoreporter unerlaubter Weise auf das Gelände einer riesengroßen Ruine. Überall stehen noch die Baufahrzeuge, denn richtig fertig geworden ist das ehrgeizige Vorhaben des Architekten Baron Wittard nie. Eine ganze Stadt sollte in seinem Gebäude Utopia Platz finden. Doch schon während der Bauphase kommt es zu Problemen mit der Statik und auch sonst scheint etwas mit dem schaurigen Gemäuer nicht zu stimmen: In der Umgebung verschwinden unter mysteriösen Umständen reihenweise Personen. Nachdem nun der Architekt und Bauherr gestorben ist, ranken sich immer wildere Gerüchte um Utopia, denen die Presse nun nachgehen will. Der Reporter wird also von seiner Chefredakteurin beauftragt, Licht ins Dunkel zu bringen. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn schnell steht fest, dass Utopia nicht mal eben so betreten werden kann: Alle Eingänge sind verriegelt und verrammelt. Der findige Reporter gibt aber nicht so schnell auf. Er entdeckt einen Hinweis, mit dem er einen geheimen Zugang öffnen kann. So bahnt er sich seinen Weg durch einen Tunnel in die Katakomben von Utopia. Doch er scheint nicht allein zu sein: Eine Männerstimme scheint am anderen Ende des Tunnels zu telefonieren. Er berichtet seinem Gesprächspartner von einer Lichtgestalt, die immer näher kommt. Ein Schrei – danach herrscht
gespenstische Ruhe. Der Reporter hetzt durch den Tunnel, doch dort ist niemand mehr, nur ein paar Überreste deuten auf den unglücklichen Abenteurer hin. Was ist hier nur geschehen? Bei der Untersuchung der Hinterlassenschaften findet der Reporter ein Medaillon und steckt fortan selbst in großen Schwierigkeiten, denn das Medaillon stellt sich als Geist von Baron Wittard vor und erklärt dem Fotografen in kurzen Worten dessen neue Aufgabe: Er, der Fotograf, ist der Auserwählte und muss Utopia seiner wahren Bestimmung zuführen und somit eine fremde, bösartige Macht daran hindern, diese, unsere Welt zu vernichten. Eine Wahl bleibt dem Reporter nicht, denn das Medaillon macht ihm unmissverständlich klar, dass er die Räume von Utopia nicht mehr verlassen kann, ehe er die böse Macht besiegt hat. Um das zu bewerkstelligen, muss der Fotograf nur zehn magische Runensteine finden und diese in verschiedenen Maschinen in Energie umwandeln. Was sich anfangs gar nicht so schwer anhört, entpuppt sich bald zu einer sehr rätsellastigen Angelegenheit.
Nordischer Rätselmeister
Der erfahrene Abenteurer ahnt es sicher schon: Der Fotoreporter, der übrigens das gesamte Spiel über keinen Namen und keine Stimme bekommt, wird vom Spieler gesteuert. In der für ein Adventure mit Ego-Perspektive üblichen Art gilt es, die Stadt Utopia zu erkunden. Wichtigste Begleiter dabei sind ein Zettel mit Stift, denn es gibt sehr, sehr viel zu merken. Beispielsweise finden sich überall in dem Komplex verschiedene Symbole, die für eine Rätsellösung benötigt werden. Übersieht man eines der zum Teil wirklich sehr gut versteckten Symbole, kommt man nicht weiter. Für die meisten Rätsel finden sich irgendwo in Utopia Hinweise auf die richtige Lösung – in der Regel jedoch nicht in der Nähe des eigentlichen Rätsels. Wird für eine Tür ein Zutrittscode benötigt, gibt es ganz sicher auch irgendwo einen Zettel, auf dem dieser vermerkt ist. Das Problem: Der Fotoreporter besitzt weder einen Notizblock, noch kann er Zettel ins Inventar aufnehmen. Andere Hinweise sind beispielsweise irgendwo aufgezeichnet oder finden sich so gut (oder abwegig) versteckt, dass man um einige Ecken denken muss, um diese mit dem passenden Rätsel zu verbinden. Da aber auch hier nie irgendwelche Hinweise im Spiel mitgenommen werden können, bleibt dem Spieler nur der Griff zur analogen Hilfe in Form von Notizzetteln vor dem PC.
Die Rätsel selbst bewegen sich in einem breiten Schwierigkeitsspektrum aus verschiedenen Logikrätseln. Angefangen vom Schachproblem über Schalterrätsel und Schiebepuzzle bis zum Klassiker 'Türme von Hanoi' ist alles geboten. Viele der Rätsel wirken dabei leider etwas unlogisch und aufgesetzt, denn erst spät im Spiel erfahren wir vom medaillonbewohnenden Wittardgeist den Grund für die Rätsel: Der nordische Gott Odin selbst hat sie erdacht als Prüfungen für den Auserwählten. Warum Odin auf so etwas wie das Pralinenrätsel gekommen ist, in dem auf einem Teller platzierte Süßigkeiten in einer bestimmten Reihenfolge verschoben werden müssen, damit sich der Teller zur Seite bewegt und ein Geheimfach preisgibt, verrät das Medaillon hingegen nicht. Auf den Gedanken, einfach so unter den Teller zu schauen, kommt unser Fotograf allerdings auch nicht. Übrigens genauso wenig, wie er auf die naheliegende Idee kommt, seine Kamera zur Aufzeichnung von Hinweisen zu nutzen oder Hinweise einfach einzustecken. Das Inventar beherbergt nämlich nur das Medaillon und die Runensteine.
Außer den angesprochenen Rätseln gibt es leider fast nichts zu Entdecken und die Welt von Utopia bleibt dem Spieler dadurch recht verschlossen. So kann man sich sicher sein, dass jeder anklickbare Gegenstand auch eine Funktion hat, mehr als rätselrelevante Informationen werden nicht verraten. Dafür ist das Spiel nicht linear. Zwar müssen einige Rätsel gelöst werden, um nach und nach alle Bereiche Utopias freizuschalten, in welcher Reihenfolge man welche Rätsel löst und wann man welche Räume besucht, bleibt aber ganz dem Spieler überlassen. Ein weiterer Pluspunkt sind die zwei unterschiedlichen Enden, die das Spiel hat. Welches Ende man sieht, wird allerdings erst durch die letzte Entscheidung festgelegt und ergibt sich nicht aus dem Spielverlauf.
Kleinstadt oder Hochhaus?
Der begehbare Teil Utopias ist gar nicht mal so sehr groß, wie man es sich von einer ganzen Stadt vorstellt. Zehn der insgesamt 14 Stockwerke sind nicht erreichbar und auch die einzelnen Etagen selbst wirken nicht sonderlich groß, so dass man eher an ein Hochhaus, als an eine ganze Stadt denkt. Dennoch warten unterschiedlichste Räume auf eine Erkundung. Neben einem großzügigen Schwimmbad besuchen wir unter anderem ein Café, verschieden Apartments, ein Observatorium oder ein Wikingermuseum, dass neben Rätseln auch so manches interessante Detail über das Seefahrervolk bereithält. So unterschiedlich die Räume auch sind, haben sie doch alle eines gemeinsam: Sie sind fast völlig statisch. Zwar hört man beispielsweise in einem Park das Wasser plätschern, der Fluss selbst bewegt sich aber überhaupt nicht. Ähnlich verhält es sich mit allen Räumen. Außer der Lichtgestalt trifft man auf keine anderen „Lebewesen“. Durch die statische Welt geht auch viel von der Gruselatmosphäre verloren, denn flackernde Laternen allein reichen nicht für dauerhafte Gänsehaut.
Ansonsten schafft es die Grafik, das nie ganz fertiggestellte und seit einiger Zeit verlassene Gebäude stimmungsvoll in Szene zu setzen, leidet aber immer wieder unter Detailarmut. Die einzeln verstreuten Zwischensequenzen laufen als Film ab und wirken extrem verwaschen, was den Spieler regelmäßig aus der Atmosphäre zieht. Leider sorgt auch die Auflösung nicht wirklich für Freude, zumindest nicht bei Besitzern von Widescreen-Monitoren: Das Spiel kommt nämlich in der festen Auflösung von 1024x768 Bildpunkten und verzerrt entsprechend, wenn hardware- oder treiberseitig nichts anders eingestellt wird.
Herzklopfen
Die Geräuschkulisse von Utopia sorgt hingegen für etwas Spannung, auch wenn nur selten Musik eingeblendet wird. Stattdessen wird man begleitet von knirschenden Fußböden, Klopfen und manchmal klingt es sogar so, als ob irgendwo in der Ruine Kinder spielen. Manchmal schlägt dem Fotografen das Herz sogar bis zum Hals, gut hörbar für uns.
Die wenigen Synchronsprecher - außer dem Baron und dem unglücklichen Abenteurer ganz zu Beginn des Spiels erhalten wir hin und wieder Telefonanrufe unserer Kollegin – machen ihre Sache sehr gut. Schade, dass der Fotograf selbst keine Stimme hat, so gleichen die Telefonanrufe der Kollegin eher Anweisungen denn Gesprächen.
Per Klick auf langen Wegen
Die Steuerung von 'Baron Wittard' ist recht eingängig gehalten: Per Mausschwenk ist eine 360 Grad-Rundumsicht möglich, klickt man einmal mit rechts, wird die Sicht von Mauszeiger abgekoppelt und man kann das Inventar am unteren und oberen Bildrand erreichen. Während unten die Runensteine und das Medaillon gesammelt werden, findet sich oben eine ziemlich nutzlose Kamera. Im Laufe des Spiels kommt noch eine Karte dazu, über die man einmal besuchte Räume schnell wieder erreichen kann. Da einem so aber unter Umständen wichtige Informationen entgehen, sollte man diese Karte nur sehr vorsichtig einsetzen. Wandert man ohne die Karte durch Utopia, klickt man sich mit der linken Maustaste Bild für Bild vorwärts, was in der Regel auch gut funktioniert. Einige der Hotspots sind jedoch recht klein und einige Wege durch Räume etwas unpraktisch gebaut, so dass man den direkten Weg nicht immer gleich findet.
'Baron Wittard' ist das richtige Spiel für Freunde klassischer Denkaufgaben, wie man sie auch in Rätselheften erwarten würde. Wer hingegen auf Dialog- oder Inventarrätsel steht oder zur Abwechslung gern mal ein Minispiel löst, ist hier falsch. Dialoge finden in dem Sinne nicht statt, da der Fotograf das gesamte Spiel über stumm bleibt. Das Inventar dient nur zum Sammeln der benötigten zehn Runensteine. Dabei liegt so viel interessanter Krempel in Utopia herum, der aber höchstens angeschaut werden kann. Die Inventarbeschränkung ist umso ärgerlicher, da sich unter den Objekten auch immer mal wieder eine Rätsellösung versteckt. Zwangsläufig ist man als Spieler also auf eigene Notizen angewiesen. Da darüber hinaus einige Rätsel nur mit Ausprobieren gelöst werden können oder die Hinweise dermaßen abstrus versteckt wurden, dass man sie nur zufällig findet, versteckt sich auch ein gewisser Frustfaktor in den Wänden von Utopia. Auch die sich anfangs einstellende Gruselstimmung wird nicht bis zum Ende aufrechterhalten. Freunde ordentlicher Gänsehaut werden mehr Spaß an 'Amnesia' haben, während 'Baron Wittard' von den Aufgaben her ein wenig an die Rätselsammlung 'The 7th Guest' erinnert.
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Baron Wittard: Nemesis of Ragnarok
- Entwickler
- Wax Lyrical Games
- Publisher
- Mamba Games
- Release
- 18. Februar 2011
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.wittardgame.com/
- Sprachen
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- Stichwörter
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