Die Macher der beiden Adventure-Fortsetzungen zu 'Black Mirror' melden sich mit 'The Lost Chronicles of Zerzura' zurück. Das Spiel setzt auf ein gänzlich unverbrauchtes Setting und schickt die Spieler in eine Welt zur Zeit der großen Inquisition auf die Suche nach der verschollenen Wüstenstadt Zerzura. Wer dabei an Titel wie 'Indiana Jones and the Fate of Atlantis' denkt, liegt richtig, denn das Cranberry-Adventure wandelt auf den Spuren der großen Abenteuergeschichten. Ob sich die Suche nach der sagenumwobenen Stadt lohnt, verrät unser Test.

Der Traum vom Fliegen
Spanien im Jahr 1514. Die Bevölkerung lebt in Angst vor der Inquisition, die alle ungläubigen Bürger (und die, die sie dafür hält) einsperrt, foltert oder tötet. Zu dieser Zeit machen sich zwei Brüder im Auftrag eines Fürsten daran, eine Flugmaschine zu bauen. Die Brüder Feodor und Ramon Morales sind mit ihren Versuchen zwar schon recht weit gekommen, wirklich lange in der Luft bleiben ihre Maschinen jedoch nicht. Sehr zum Missfallen ihres Auftraggebers. Als schon wieder ein Flugversuch scheitert, bekommen die Erfinderbrüder eine Gnadenfrist von sieben Tagen. Wenn sie bis dahin kein funktionierendes Fluggerät gebaut haben, sollen ihre Taten der Inquisition verraten werden. Während Feodor sich nun in die Arbeit stürzt und fieberhaft an neuen Ideen für eine Flugmaschine arbeitet, scheint sich sein Bruder überhaupt nicht mehr für Erfindungen zu interessieren. Seine ganze Aufmerksamkeit widmet er einzig der Erforschung von historischen Artefakten aus Ägypten. Das ist auch der Grund, warum die Soldaten der Inquisition auf Ramon aufmerksam werden und ihn verhaften. Feodor, der sich selbst gerade so dem Zugriff der Glaubenskrieger entziehen kann, macht sich auf die Suche, um seinen Bruder aus dem finsteren Verlies zu retten. Sein Weg führt ihn dabei vom südlichen Spanien über Malta bis nach Tunesien, wo er einem großen Geheimnis auf die Schliche kommt und schließlich auch selbst in einem Wettlauf gegen den Tod die Stadt Zerzura finden muss.
Die Sage von der versunkenen Stadt
Die Erzählungen über die Stadt Zerzura erinnern nicht nur auf den ersten Blick an diejenigen über Atlantis. So sollen die Zerzurianer über gewaltige Macht verfügt und den Schlüssel zum ewigen Leben entdeckt haben. Aus dieser im Vergleich recht unbekannten Sage kreiert das Team rund um die Autorin Anne von Vaszary, die auch schon am Plot für 'Black Mirror' 2 und 3 mitarbeitete, eine spannende Geschichte zu einer interessanten Zeit des späten Mittelalters. Das besondere an der Epoche ist, dass es viele für uns heute selbstverständliche Dinge noch nicht gab, weil sie noch nicht erfunden wurden. Und während wir heute beispielsweise den Gebrüdern Montgolfier die Erfindung des Heißluftballons zuschreiben, wissen es Spieler von 'The Lost Chronicles of Zerzura' besser: Der erste mit heißer Luft betriebene Ballon wurde von Feodor Morales entwickelt und wir Spieler waren hautnah dabei. Denn die Idee, uns in die Rolle eines Erfinders zu versetzen, der unser Wissen zum Teil erst noch lernen muss, ist einfach genial: Die Spieler übernehmen die Rolle des Lehrers eines sehr guten Schülers genauso wie die eines Erfinders und Tüftlers oder die eines Abenteurers. Man freut sich mit Feodor, wenn er feststellt, dass warme Luft nach oben steigt, man tüftelt mit ihm zusammen am Reißbrett und man darf noch dazu ein spannendes Abenteuer mit der Suche nach Zerzura erleben.
Leider hat die Geschichte auch ein paar kleine Schwächen. Dass sich ein Bettler, dem Feodor eher zufällig begegnet, als ein dringend benötigter Arzt entpuppt oder dass uns ein Händler für eine wirklich kleine Hilfeleistung gleich ein Kamel schenkt, ist doch recht ungewöhnlich.
Wecke den Erfinder in Dir!
Die Rätsel fügen sich dementsprechend in die Welt von Feodor ein. Immer und überall dürfen wir etwas basteln, auseinandernehmen oder improvisieren und kommen uns zum Teil vor, wie ein frühzeitlicher MacGyver. Dieses Rätseldesign bringt es mit sich, dass alle Problemlösungen, die Feodor entwickelt, auch in der Realität funktionieren müssen. Das geht dann sogar so weit, dass Feodor uns gegen Ende des Spiels erklärt, warum der Öffnungsmechanismus einer speziellen Tür so funktioniert, wie er eben funktioniert. Zur Erklärung und ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten: Wir benötigen für die Türöffnung unter anderem Feuer, Wasser oder einen Blitz. Darüber hinaus haben die Entwickler darauf Wert gelegt, dass alle Rätsel auch in die Geschichte passen und sich aus der Handlung ergeben, was auch während des Spielens auffällt. Uns ist kein Rätsel in Erinnerung geblieben, das nur zum Selbstzweck im Spiel auftaucht.
Besonders schwer sind die Rätsel in 'The Lost Chronicles of Zerzura' hingegen nicht: Meist kommt man schnell auf die Lösung, was an mehreren Faktoren liegt. Die benötigten Gegenstände hat Feodor entweder bereits im Inventar oder er findet sie in der unmittelbaren Umgebung - die einzelnen Spielabschnitte umfassen selten mehr als zehn Räume. Für schwerere Aufgaben gibt es aber auch genügend Hinweise in den Dialogen oder in Feodors Notizbuch, in dem er das Spielgeschehen sorgfältig aufschreibt. Dass trotzdem auch erfahrene Abenteurer jede Menge zu tun haben, liegt an der teilweise enormen Anzahl von Hotspots, die Feodor betrachten oder manipulieren kann. Mindestens einen Blick sollte man aber immer riskieren, denn so mancher Gegenstand wird erst interessant, nachdem man ihn betrachtet hat. Damit dem Spieler kein Hotspot entgeht, haben die Entwickler natürlich auch in 'The Lost Chronicles of Zerzura' eine entsprechende Anzeige eingebaut, die sich per Tastendruck oder Mausklick aufs entsprechende Symbol aktivieren lässt. Objekte, die keine Bedeutung mehr haben, werden automatisch ausgeblendet, wodurch unnötige Kombinationsversuche ausbleiben. Damit man nicht vergebens klickt, haben die Entwickler auch den Mauscursor entsprechend gestaltet: Macht eine Kombination Sinn, färbt dieser sich Rot. Für den Fall, dass man doch einmal nicht weiter weiß, bietet das Spiel eine weitere Möglichkeit. Man kann die Inventargegenstände per Mausrad am Cursor durchschalten und so direkt feststellen, ob man einen Gegenstand im Inventar hat, den man mit einem bestimmten Hotspot benutzen kann.
Die hin und wieder auftauchenden Minispiele oder Logikrätsel lockern das Spielgeschehen angenehm auf, wiederholen sich nie und fügen sich ebenfalls sehr gut in das Spiel ein. Feodor muss beispielsweise einen Korsaren im Würfelspiel besiegen, einen Kristallschlüssel wieder zusammenbauen oder den Konstruktionsplan für seinen Heißluftballon entwerfen. Alle diese Minispiele können bei Bedarf auch übersprungen werden. In einigen Situationen kommt es auf die richtige Reaktion an. Warten wir zu lange oder wählen den falschen Weg, können Feodor und seine Begleiter auch sterben. In diesem Fall bietet das Spiel aber die Möglichkeit, einen kurz zuvor automatisch gespeicherten Spielstand zu laden und es erneut zu versuchen.
Die bereits aus den 'Black Mirror'-Titeln und aus 'Mata Hari' bekannte Engine liefert auch hier wieder gute Dienste und so geht auch in 'The Lost Chronicles of Zerzura' die Steuerung leicht und problemfrei von der Hand. Komfortfunktionen wie eine Schnellreisefunktion per Doppelklick auf einen Ausgang inklusive. Wer mag, kann beim Spielen auch gänzlich auf die Maus verzichten, denn alle Funktionen lassen sich über ein Menü am oberen Bildschirmrand erreichen, das ebenso bei Bedarf einblendet, wie das Inventar am unteren Bildrand.
Schickes Mittelalter
Die Welt des Jahres 1514 sieht wirklich hübsch aus. Die Grafiker von Cranberry hatten ja bereits bei den 'Black Mirror'-Spielen eine große Detailverliebtheit bewiesen. Hier legen sie aber nochmal zu und erreichen bei den gemalten Hintergründen, die in allen gängigen Auflösungen betrachtet werden können, eine ungeahnte Qualität. An den historischen Gebäuden erkennt man jedes Detail. Risse, Kratzer, Staub, Schmutz - an nichts wurde gespart, um die Welt realistisch darzustellen. Einen großen Teil tragen dazu auch die unzähligen Hintergrundanimationen bei, denn in jedem Bild bewegt sich auch etwas. Hier laufen Käfer durch die alten Gemäuer, da ziehen Vögel ihre Kreise vor dem Himmel, an dem sich natürlich auch die Wolken bewegen. Besonders schick wirken aber die Wassereffekte, die als Film nahtlos in die Szenerie eingebaut wurden.
Bei den Charakteranimationen haben die Entwickler im Vergleich zu den vorangegangenen Spielen ebenfalls zugelegt, dennoch halten sie nicht mit den Hintergründen mit. Zu ungelenk wirken viele der Bewegungen, was besonders dann negativ auffällt, wenn Feodor seitwärts geht. Auch der Schattenwurf der Figuren passt nicht immer. Dieses Manko wird aber durch eine Fülle von Spezialanimationen wettgemacht. So dürfen wir unseren Erfinder beispielsweise beim Fegen, Klettern oder Buddeln beobachten.
Die Zwischensequenzen präsentieren sich im Gegensatz dazu eher schlicht und gleichen so eher den einfachen Konstruktionsplänen Feodors oder den Zeichnungen in Tagebüchern von bekannten Abenteurern.
Klangvolles Mittelalter
Der gelungenen Atmosphäre zuträglich sind auch die Dialoge, die von den gut gewählten Sprechern klasse vertont wurden. Besonders Feodor nimmt man gern ab, dass er zum ersten Mal in eine für ihn völlig unbekannte Welt eintaucht und manchmal nur Staunen und Bewunderung zeigt. Glücklicherweise nutzt er dafür eine recht moderne Version der mittelalterlichen Sprache, so dass seine Worte stellenweise zwar schon recht altertümlich wirken, aber dennoch in die heutige Zeit passen. Ein weiteres Beispiel ist die Korsarentochter Jamila, die den rauen Umgang auf Piratenschiffen gewohnt ist und ein ähnliches Verhalten auch abseits von Wasser und Planken an den Tag legt, ohne dabei jedoch zu rüpelhaft aufzutreten.
Musikalische Untermalung findet man hingegen eher selten. Ganz bewusst setzen die Entwickler Musik dazu ein, um besondere Situationen zu unterstreichen. Zum Beispiel dann, wenn es brenzlig wird. Ansonsten lässt das Fehlen von dauernder Musikberieselung Spielraum für die Hintergrundgeräusche, die ebenfalls sehr gelungen sind. So genießen wir das Rauschen des Windes, das Plätschern des Wassers oder einfach mal ein Konzert der Vögel.

Mit 'The Lost Chronicles of Zerzura' beschert Cranberry uns im noch jungen Jahr einen echten Top-Titel, der ganz im Stil der Abenteuerstories wie 'Indiana Jones' oder 'Lost Horizon' daherkommt. Der Mix aus Piratengeschichte, Entdeckungsreise und Mystik garniert mit einer Prise dauernder Bedrohung erzählt einfach eine tolle Geschichte mit glaubwürdigen Charakteren und guten Rätseln, die hin und wieder allerdings etwas schwerer hätten sein können. Dennoch dürften auch erfahrene Abenteurer lange Spaß an dem Titel haben, denn 'The Lost Chronicles of Zerzura' ist fast schon ungewöhnlich lang, sofern man sich auf das Spiel einlässt und zusammen mit Feodor die neue Welt entdeckt. Und zu entdecken gibt es viel. Abgerundet wird das alles durch eine wirklich schicke Grafik, die jedoch leichte Schwächen bei den Figuren aufweist. Die Geschichte um Feodor macht auf jeden Fall Lust auf mehr Geschichten aus der Welt von Zerzura. Die würde das Ende des Spiels auch zulassen. Ob es jedoch ein Wiedersehen mit den Gebrüdern Morales geben wird, darf aktuell bezweifelt werden, denn 'The Lost Chronicles of Zerzura' scheint das letzte Adventure von Cranberry Productions zu sein.
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The Lost Chronicles of Zerzura
- Entwickler
- Cranberry Productions
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 3. Februar 2012
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Webseite
- http://www.findezerzura.de/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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