Groß war die Freude, als Tim Schafer vor knapp zwei Jahren via Kickstarter eine Kampagne zur Finanzierung eines klassischen Point- & Click-Adventures mit moderner "Touch-Technologie" ins Leben rief. Der Gamedesigner, der vor der Gründung seiner eigenen Firma DoubleFine unter anderem für Titel wie 'Day of the Tentacle' verantwortlich war, wollte insgesamt 400.000 $ sammeln. Am Ende wurden es 3,3 Millionen Dollar.
Seit dem ist viel passiert und das Projekt hat wohl den Finanzrahmen gesprengt, denn der nun veröffentlichte erste Teil soll frisches Geld in die Kassen des Studios spülen, um auch den zweiten Teil des inzwischen 'Broken Age' getauften Adventures komplett zu finanzieren. Wie das Spiel, das den Kickstarter-Hype los trat gelungen ist, verraten wir Euch hier.
Dass unser Test übrigens schon jetzt erscheinen darf, liegt an der Freigabe durch DoubleFine, die ursprünglich ein Embargo bis zum 28. Januar verhängt hatten.

Völlig losgelöst von der Erde
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Broken Age erzählt die Geschichten von Vella und Shay |
In 'Broken Age' lernen wir die zwei Teenager Vella und Shay kennen. Shay lebt in einem futuristischen Raumschiff, bemuttert von einer überaus fürsorglichen KI. Doch dem Jungen, der wohl schon sein ganzes Leben in dem Raumschiff verbringt, wird langweilig. Zwar kann er auf spannenden Rettungsmissionen seine kleinen Freunde - keine gestrickte Roboter - beschützen, doch die drei ihm zur Verfügung stehenden Missionen sind einfach zu wenig für die Jahre, die er an Bord des Schiffs verbracht hat. Uns übrigens auch, nachdem wir sie zweimal durchgemacht haben. Eigentlich verwundert das, denn wer möchte nicht gern unendliche Mengen Eiscreme in sich schaufeln?
Seinem Alltagstrott entkommt Shay, als er eines Tages ein fremdes Wesen trifft, das sich im Raumschiff versteckt hat. Es fordert Shay zu einer Rettungsmission auf, die der junge Raumfahrer nur zu gern antritt, bedeutet es doch einen Ausweg aus seinem bislang tristen Alltag.
Ein Schloss, das in den Wolken liegt
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Fein herausgeputzt soll Vella dem Monster schmecken |
Vella hat ganz andere Probleme. Das Mädchen wurde auserwählt, um dem riesigen Monster Mog Chothra geopfert zu werden. Zusammen mit einigen anderen Mädchen ihres Dorfes soll sie dem Ungeheuer schmecken und für die übrigen Bewohner Sicherheit durch ein gnädiges Monster bringen. Während das ganze Dorf und auch Vellas Familie der Fütterung entgegenfiebern, hat Vella so gar keine Lust darauf, als Hauptgericht herzuhalten. Sie schmiedet einen Fluchtplan und will es mit dem Monster aufnehmen. Ihre Flucht gelingt und sie landet in einem Wolkenreich, in dem sie nicht nur Vögel, sondern auch einen Guru und seine Anhänger trifft. Doch von hier aus kann Vella nicht gegen Mog Chothra kämpfen...
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Ein mysteriöser Wolf erlöst Shay aus seinem Alltagstrott |
Während des Spiels kann beliebig zwischen Vella und Shay hin- und hergeschaltet werden, was jedoch nicht notwendig ist, denn Einfluss aufeinander haben die beiden Geschichten in der ersten Spielhälfte nicht, was sich im zweiten Teil allerdings noch ändern kann. Beide Geschichten brauchen übrigens rund je eine Viertelstunde, ehe sie so richtig in Fahrt kommen. Erst dann dürfen wir uns frei bewegen und kommen mit anderen Charakteren in Kontakt. Trotzdem kann die Geschichte von 'Broken Age' absolut überzeugen, denn der Plot kommt ohne unpassende Sprünge oder Löcher aus - sofern man sich denn auf die Regeln der Welt von 'Broken Age' einlassen kann, die eher an ein modernes Märchen erinnern. Zur gelungenen Geschichte trägt auch der Humor bei, der zwar deutlich seltener eingesetzt wird, als beispielsweise in 'Day of the Tentacle', aber dennoch überzeugen kann. Wer die Freude der Dorfbewohner über die anstehende Opferung erlebt oder sich mit dem Baum unterhalten hat, weiß was wir meinen.
Überhaupt sind die Dialoge gut geschrieben und noch besser eingesprochen, leider nur auf Englisch. Dafür aber sehr hochkarätig besetzt und auf Wunsch Deutsch untertitelt. Dabei sind anderem Jack Black, Wil Wheaton oder Elijah Wood, die für die hörenswerte Sprachausgabe sorgen. Schade ist, dass man nur selten in den Genuss der Dialoge kommt, denn eigentlich haben alle Figuren nur wenig zu sagen und werden schon nach dem ersten Gespräch zu reinen Statisten.
Kunterbuntes Kinderbuch
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Bei Zooms verpixeln die Hintergründe hin und wieder |
Neben der märchenhaften Geschichte erinnert auch die grafische Gestaltung von 'Broken Age' sehr an ein Kinderbuch. Ob der in sich stimmige Stil gefällt, liegt freilich im Auge des Betrachters. Technisch bietet das in 2D gehaltene Adventure jedoch keinen Grund zur Klage. Alle üblichen Auflösungen (beginnend bei 640 x 480) werden unterstützt und die Animationen laufen meist flüssig ab - wenn sie auch recht einfach gehalten sind. Die meisten Orte wirken dennoch sehr lebendig, nur wenige fallen qualitativ deutlich ab. Ein weiterer Wermutstropfen technischer Art sind die bei Zooms auftretenden Verpixelungen der Grafik.
Ebenfalls sehr gelungen ist der Soundtrack. Im Raumschiff erklingen tiefe orchestrale Klänge, an einem Strandabschnitt Südseemelodien und im Wolkendorf sphärische Töne - sie alle tragen einen großen Teil zur Atmosphäre bei.
Fehlt da nicht etwas?
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Auch ein Minispiel gehört zu den Aufgaben: Hier muss Shay fremde Wesen retten |
Eine abwechslungsreiche Geschichte, tolle Sprachausgabe, stimmig und technisch gute Umsetzung der Grafik - fehlen eigentlich nur noch gute Rätsel. Und das ist leider nicht nur eine Floskel, denn wirkliche Rätsel finden wir in 'Broken Age' nicht. Die Aufgaben beschränken sich darauf, Gegenstände zu finden und am richtigen Ort wieder einzusetzen. Gelegentlich darf auch im Inventar etwas zusammengebaut werden, das ist es dann aber auch schon. So kommt es zu Situationen, in denen wir einen anderen Charakter nach einem Gegenstand aus dessen Besitz fragen - und diesen auch direkt bekommen. Ohne die Genre-typischen Gegenleistungen. Nicht mal ein Dialogrätsel ist dafür erforderlich. Etwas anspruchsvoller sind dann Aufgaben, in denen eine Sternenkarte nachgewebt oder ein Texträtsel gelöst werden muss. Die entsprechende Lösung ist aber trotzdem sehr naheliegend und wird geübte Abenteurer nicht lange aufhalten. Genrekenner dürften sich also ohne großartiges Nachdenken recht schnell durch das Spiel geklickt haben, was auch daran liegt, dass es keine Funktion zum Ansehen von Objekten in der Welt gibt. Dabei bietet sich das eigentlich an von Shay mehr über das Raumschiff-Inventar zu erfahren oder Vella ihre Meinung zur Wolkenstadt zu hören. Dadurch könnten auch die Charaktere deutlich an Tiefe gewinnen.
Ähnlich geht es uns - wie schon geschrieben - mit den übrigen Charakteren, die viel zu wenig zu sagen haben. Die meisten sind so interessant, dass wir gern mehr über sie erfahren würden, doch am Ende mutieren sie viel zu schnell zu Statisten.
8-Bit-Modus
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8-Bit in Fullscreen |
Ein kleines Bonbon haben die Entwickler noch für Fans von "Retro-Optik" eingebaut: Den versteckten 8-Bit-Modus.
[Spoiler - Markiere diesen Text, um zu erfahren, wie sich der 8-Bit-Modus einschalten lässt: Einschalten lässt er sich über das Optionsmenü. Hier stellt man die Auflösung auf 640x480 und kann dann eine weitere Taste für diesen Modus zuordnen. Die Auflösung kann danach wieder hochgestellt werden. Spoiler Ende].
Darüber hinaus kann auch die Steuerung frei konfiguriert werden. Von Haus aus ist sie auf die von Tim Schafer in seiner Kickstarter-Kampagne versprochene "Touch-Technologie" ausgerichtet, alles funktioniert mit der linken Maustaste, was recht ungünstig ist. Über das Optionsmenü kann man die Maustasten frei konfigurieren und beispielsweise das Inventar per Klick aufs Mausrad öffnen lassen.
'Broken Age' macht in Hälfte eins der Geschichte vieles richtig. Die Geschichten von Shay und Vella sind interessant, wenn man erst einmal den etwas zähen Einstieg hinter sich gelassen hat und enden mit einem extrem spannenden Cliffhanger. Auch die Grafik ist stimmig, muss aufgrund des Kinderbuch-Stils aber nicht jedem gefallen. Über jeden Zweifel erhaben sind der gute Soundtrack und die hervorragenden Sprecher. Aber genügt das für ein Adventure? Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst beantworten, denn 'Broken Age' bietet auch ohne den Spieler jemals wirklich zu fordern gute Unterhaltung für etwas über drei Stunden. Wer sich jedoch nicht einfach so von Bild zu Bild klicken möchte und mehr über die Welt wissen will, in der er sich bewegt, liegt mit 'Broken Age' leider falsch.
Fazit von Matthias Glanznig:
Amerikanisches Adventure-Verständnis trifft auf den traditionsbewussten deutschen Adventure-Markt... ein Konflikt ist hier praktisch vorprogrammiert. Andererseits sehe ich die Funktion von 'Broken Age' ohnehin nicht darin, den deutschen Markt zu überzeugen, zumal es hier bereits genügend Fans gibt. Dennoch hätte ich mehrere Schwierigkeitsgrade gerade bei diesem Projekt schön gefunden, um Fans der alten Schule besser zu bedienen, zumal Double Fine während der Kickstarter-Kampagne stark auf deren Unterstützung gebaut hat. Abseits dieser Problematik hat mir 'Broken Age' ziemlich gut gefallen. Es ist zwar kein narratives Meisterwerk wie 'Grim Fandango', doch fand ich die Geschichte dichter und besser, als die meisten Lucas Arts Klassiker. Der Humor gefällt mir gewohnt gut und die Atmosphäre ist klasse. Jedoch sind die Charaktere diesmal nicht ganz so kultig, was auch daran liegen mag, dass die meisten Figuren momentan lediglich eine flüchtige Rolle spielen. Es bleibt abzuwarten, was der zweite Teil hier für uns parat hält und vielleicht kann der Schwierigkeitsgrad noch etwas zulegen.
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Broken Age
- Entwickler
- Double Fine
- Publisher
- Double Fine
- Release
- 28. April 2015
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.brokenagegame.com/
- Art
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Crowdfunding
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Broken Age im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- Broken Age bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
11 Kommentare
also mal ganz aus der wirtschaftlichen sicht...ich weiss wie teuer ton aufnahmen sind und ich weiss wie tonaufnahmen von iregendwelchen filmstars sind gerade in diesem umfang...
also sollte man sich daher nicht beschweren...
und diese episodenscheiße überhaupt in irgend einer weise tot zu diskutieren ist völliger bullshit...
die leute die tests schreiben...müssen darüber schreib weils ihr job ist...
ich bin eigentlich kein fan von der episodenvariante...aber ein zweiteiler is schon passabel...
zum ersten bringts der firma was...zum zweiten ist extra zeit den kritikern entgegen zu streben...
und zu runaway...ich fand den ersten teil echt gut...aber der zweite mainstreamsunnyboydrecksmist...plus völligst aus der luft gegriffenen rätseln konntich mir nicht antun...den dritten teil wollte ich unbedingt spielen aber hab ich niht angefangen weil die adventures ja episodisch verlaufen...wie schon erwähnt mit komplettlösung konnt ich den zweiten teil nich aushalten...aber wenn nix mehr über is an guten adventuregames dann steht das ganze definitiv noch auf der zwangsliste...weil ich denke das der dritte teil gar nicht mal so schlecht is(habn mal kurz angezockt)
p.s.: den 2. runaway hab ich bis zur hälfte gepsielt aber dann war feierabend...