Sherlock Holmes ist zurück! Nach dem überzeugenden Vorgänger 'Crimes & Punishments' (immerhin unser Spiel des Jahres 2014) haben die Entwickler von Frogwares dem Detektiv und seinem Begleiter Dr. Watson eine Frischzellenkur verpasst. Beide sehen deutlich jünger aus und verhalten sich auch nicht mehr so abgeklärt wie in den Vorgängern. Ebenfalls reagiert wurde auf die von vielen Spielern geäußerte Kritik an der fehlenden deutschen Sprachausgabe, die ist nun nämlich mit an Bord. Und dann sind da noch einige Änderungen am Gamedesign, die mehr Action ins Spiel bringen sollen. Ob das der richtige Weg ist, verraten wir im Test.

Eine Tochter
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Holmes bekommt eine neue Nachbarin |
Ja, Sherlock Holmes hat eine Tochter. Die kleine Kate zieht in der Baker Street 221B ein und bringt das Leben der beiden Ermittlerfreunde gehörig durcheinander. Wer sich nun fragt, wie Sherlock Holmes, der sich bekanntermaßen nicht viel aus romantischen Beziehungen macht, an eine Tochter kommt, darf beruhigt sein. Schnell folgt eine Erklärung, die recht gut ins Bild passt. Und die kleine Kate nimmt zunächst auch keine Hauptrolle ein, für den berühmten Detektiv stehen weiterhin seine Fälle an erster Stelle. Fünf davon stehen zur Aufklärung an und führen Holmes von einer heruntergekommenen Hafenkneipe durch Elendsviertel des historischen Londons bis in einen exklusiven Privatclub - Verbrechen geschehen in jeder Gesellschaftsschicht. So unterschiedlich wie die handelnden Personen sind auch die Fälle selbst. Wir erforschen das rätselhafte Verschwinden bestimmter Personen, ermitteln den Hergang einer Massenkarambolage mit Droschken oder kümmern uns um mordende Statuen. Wie es sich für einen ordentlichen Krimi gehört, ist nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Während es im Vorgänger 'Crimes and Punishments' jedoch keine große Rahmenhandlung gab, haben die Entwickler uns nun die namensgebende Tochter des Teufels an die Hand gegeben. Ob es sich dabei um Holmes' kleine Kate handelt, die eben erst eingezogene und durchaus hübsche Nachbarin oder jemand ganz anders diesen Namen verdient, verraten wir freilich nicht.
Elementar, Watson. Watson?
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Watson, hier einmal im Vordergrund, hält sich meist sehr zurück |
Die Fälle gestalten sich spannend und sehr abwechslungsreich. Es macht Spaß, den - für uns - richtigen Täter zu überführen, denn in jedem Fall kommen mehrere Tatverdächtige zusammen. Wer letztenendes verhaftet wird oder wem wir Gnade zukommen lassen, entscheidet der Spieler selbst. Wer nun allerdings hofft, dass auch Holmes' Gefährte Watson eine größere Rolle einnimmt, dürfte enttäuscht sein. Nur selten werden wir von Holmes' Freund begleitet und nur in Ausnahmefällen dürfen wir den Arzt auch steuern. In etwa gleiche Spielanteile bekommen auch Holmes' Hund Toby und Wiggins, der Straßenjunge. Und ähnlich wie diese beiden ist auch Watson für den Rest des Spieles nicht mehr als ein bloßer Statist. Holmes selbst gibt sich in seinen neuen Fällen nicht mehr so abgeklärt, fährt schneller einmal aus der Haut und lässt sich zeitweise sogar hinters Licht führen. Das ist ungewohnt für einen ansonsten so brillianten Detektiv mit dem kühlen Kopf.
Ermittlungen im historischen London
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Die Detektivsicht hilft, verborgene Gegenstände zu finden |
Die Ermittlungen spielen sich ähnlich wie im Vorgänger. Wir sehen die Welt wahlweise über die Schulter des Detektivs oder aus der Ego-Perspektive. Wichtige Objekte und Charaktere werden uns direkt angezeigt, wenn wir in die Nähe kommen. Dennoch sind einige Objekte so gut versteckt, dass wir sie leicht übersehen können. Ob wir alles gefunden haben, verrät uns meistens unser Tagebuch, in dem wir die nächsten Ziele angezeigt bekommen. Haben wir einen Ort komplett durchsucht und alles gefunden, wird das Zwischenziel abgehakt. Bei Dialogen mit anderen Charakteren steht immer auch eine Charakterstudie an, an der die Entwickler nichts weiter geändert haben - sie funktionierte allerdings auch schon vorher gut: Mit dem Cursor scannen wir unser Gegenüber ab und finden so kleine Hinweise, die wir zum Teil auch richtig deuten müssen. Sind wir uns sicher, schließen wir die Analyse ab. Ob wir wirklich richtig lagen, verrät uns das Spiel direkt im Anschluss. Einmal getroffene Analysen lassen sich übrigens nicht mehr ändern. Abhängig davon werden weitere Gesprächspunkte freigeschaltet.
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In Gesprächen müssen wir manchmal schnell sein, um Lügen zu entlarven |
Ähnlich läuft auch die Untersuchung von Gegenständen ab. Hier und da können wir ein Objekt drehen, öffnen oder manipulieren. Gesammelte Beweise führen dann zu Schlussfolgerungen und schließlich zum Täter. Wir führen dazu wieder Synapsen zusammen und wählen aus, wer für uns der Bösewicht ist. Einige der Fälle können wir so auch abkürzen, indem wir den Erstbesten verhaften lassen - dadurch entgeht uns aber möglicherweise der richtige Täter und auf jeden Fall einige Stunden Spielspaß.
Wichtig bei der Mördersuche sind auch Holmes' Fähigkeiten: In der Detektivsicht finden wir verborgene Spuren oder versteckte Wege, im Gedankenpalast können wir fremde Orte oder vergangene Zeiten besuchen und so neue Erkenntnisse gewinnen. Fehlen darf auch nicht Holmes' Archiv oder der Labortisch - der jedoch zur Mitte des Spiels einem von Holmes' Gästen zum Opfer fällt. Wer bis zu diesem Moment keine Freude an den chemischen Experimenten hatte, dürfte dem Gast dankbar sein. Alle anderen hoffen auf eine Reparatur - die aber nicht stattfindet.
Assassins Holmes Raider
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Schleichen wird wichtig |
Als neues Spielelement setzt Frogwares auch auf Schleicheinlagen. Mal muss Wiggins unauffällig einem Verdächtigen folgen, dann muss Holmes ungesehen über einen Friedhof schleichen oder Kugeln ausweichen, die ihm um die Ohren fliegen. Immer gilt es, möglichst nicht gesehen zu werden und die Strecke zum Teil in einer bestimmten Zeit zurück zu legen. Dann wieder besuchen wir im Gedankenpalast von Holmes einen alten Tempel der Maya und fühlen uns ein wenig wie Lara Croft oder Indiana Jones. Holmes muss in diesem Tempel tödlichen Fallen ausweichen, wird beispielsweise von einem riesigen rollenden Felsen verfolgt, darf nur auf bestimmte Platten treten oder muss eine brüchige Seilbrücke überqueren. Dummerweise ändert sich beim Betreten eben dieser Brücke die Steuerung ein wenig. Das führt dazu, dass Holmes, der sich zuvor sehr präzise lenken ließ, nun schnell etwas zu weit läuft und dadurch schneller in einen Abgrund fällt als notwendig. Gerade in diesem Spielabschnitt stirbt der Detektiv am laufenden Band. Ja, tödliche Fallen gehören in Spielen zu einem Maya-Tempel dazu. Aber wenn der Detektiv diesen Tempel nur in seinem Kopf auferstehen lässt - warum teleportiert er sich dann nicht einfach direkt in den Raum, in den er am Ende gelangen will?
Quicktime und Minispiele
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Auch das gehört zum neuen Sherlock Holmes: Wir besuchen einen Maya-Tempel mit tödlichen Fallen |
Neu sind diverse Minispiele, die dem Spiel nach Entwickleraussagen mehr Dynamik verleihen sollen. Für uns Spieler heißt das: Quicktime-Events. In einer Schmiede müssen wir im richtigen Takt die linke oder rechte Maustaste drücken und halten. Beim Balancieren oder Belauschen müssen wir Tastaur und Maus in kleinen Kreisen halten. Mit etwas Übung geht das zwar recht gut von der Hand, uns werden diese Spielelemente aber deutlich zu oft eingesetzt. Im Schwereren der zwei möglichen Schwierigkeitsgrade kommt dann eine knappere Zeitbemessung hinzu. Und dann gibt es noch die Momente, in denen wir schnell ein Ziel mit der Maus treffen müssen. Während einer Kneipenschlägerei prügeln wir uns so lange durch den Mob, bis wir durch Zufall die richtige Lösung finden - ein Objekt muss bereits einige Aktionen früher vorbereitet werden, damit Holmes hier nicht erschossen wird. Hinweise gibt das Spiel darauf nicht. Wer solche Spielelemente nicht mag, kann diese auch auf Tastendruck überspringen, verzichtet dann aber möglicherweise auch auf ein paar Informationen.
Tolle Präsentation
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In der Baker Street ist ordentlich was los |
Ob einem das neue Aussehen von Holmes und Watson gefällt oder nicht, die Spielwelt und ihre Charaktere sehen wirklich beeindruckend aus. Schon der Vorgänger wusste in diesem Bereich zu überzeugen, 'The Devils Daughter' packt noch eine Schippe drauf. Schon wenn wir zum ersten Mal die Baker Street betreten, fällt auf, wie belebt die Straße ist. Überall laufen Menschen herum und gehen ihren Geschäften nach. Auch die Umgebungsgrafik sieht sehr hübsch aus. 'The Devils Daughter' muss sich so nicht hinter anderen aktuellen 3D-Titeln verstecken. Ein paar mehr Gesten hätten unserem Detektiv allerdings schon gut getan, hier sehen wir zu häufige Wiederholungen.
Im Bereich der Sprachausgabe freuen wir uns zunächst über eine komplett deutsche Lokalisation - oder zumindest fast, denn Wortfetzen, die durch die geöffneten Fenster in die Wohnung des Dektektivs hereinwehen oder Beschimpfungen von Verfolgern sind auf Englisch geblieben. Auch sind die Charaktere nicht immer überzeugend, besonders Holmes' Tochter wirkt irgendwie unpassend in ihrem Verhalten und ihrer Sprache. Dennoch ist die Übersetzung gelungen und auch die Sprecher passen oftmals gut zu ihren Rollen, wenn auch die englische Sprachausgabe im direkten Vergleich etwas besser abschneidet. Die Musik fügt sich gut in die Stimmung ein und erinnert ein wenig an das Vorbild der beliebten BBC-Serie.
Nach dem Ende von 'Crimes and Punishments' konnten wir es kaum erwarten, einen neuen Fall mit Sherlock Holmes anzugehen. So begeistert waren wir von dem gelungenen Spiel. Lediglich etwas anspruchsvollere Rätsel hätten wir uns gewünscht. Die bekommen wir auch im Nachfolger eher selten, dafür jedoch wieder fünf spannende Kriminalgeschichten, die zum Teil mit überraschenden Wendungen punkten können. Bezahlen müssen wir das mit neuen Spielelementen, die sich deutlich bei anderen populären Titeln wie 'Assassins Creed' oder 'Tomb Raider' bedienen. Aber muss das sein? Ist das die Richtung, in die ein sehr gutes Adventure gehen sollte? Ich denke nicht. Zumal die Quicktime-Events und Actioneinlagen etwas zu viel Platz einnehmen, zu oft wiederholt werden und dadurch irgendwann einfach nur noch nerven. Man bekommt den Eindruck, dass die Entwickler hier deutlich in die falsche Richtung abgebogen sind. Statt auf den Stärken der Vorgänger aufzubauen, versucht man sich an neuen Elementen, die nicht so recht zu dem Spiel passen wollen. Unter dem Strich bleibt somit ein solides Krimi-Spiel, das uns etwa zwölf Stunden gut unterhalten kann, dabei aber auch so manches graues Haar beschert. An die Qualität der Vorgänger kommt es daher trotz sehr guter Grafik und der von Spielern gewünschten deutschen Sprachausgabe aus Adventure-Sicht nicht heran.
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Sherlock Holmes 8: The Devil's Daughter
- Entwickler
- Frogwares
- Publisher
- Nacon
- Release
- 10. Juni 2016
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://sherlockholmes-games.com/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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78 Kommentare
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Semi-Spoiler:
gibt eigentlich immer 3, wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, und es ist sehr oft eher einer der letzten Verdächtigen ;D
Spoiler können gelesen werden, indem man die Textbox mit der Maus markiert!
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Zur Endszene: MinispoilerFand es noch jemand so unlogisch, was die Nachbarin alles wusste? Wen man laufen ließ und wen nicht? Wobei ich mir kaum etwas vorwerfen lassen musste: Bei der Erschießung des Lords war konnte ich den Vater letztendlich nicht überreden und der Vater des kleinen Mädchens habe ich bewusst laufen lassen. Insofern habe ich mir nichts vorzuwerfen.
War dieses Mal ein gesetzestreuer Holmes und hab alle verurteilen lassen - einzig den Lord, den hab ich erschießen lassen - trotz dessen ich eigentlich ein Gegner von Gefängnissen und Todesstrafen und ein Freund der Resozialisierung bin. Zu der Zeit aber undenkbar...
wo war da am Ende eine Anspielung auf C&P?
Spoiler können gelesen werden, indem man die Textbox mit der Maus markiert!
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Ich würde schätzen, dass die Szenen 1/4 oder sogar deutlich weniger des gesamten Spiels ausmachen, es wird insgesamt also nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Eine sieht man im Teaser-Video, wenn Wiggins sich immer wieder verstecken muss. Die zweite ist im Prinzip genau dasselbe, nur dass man Sherlock steuert, auch im ersten Fall. Im der dritten großen Szene wird man beschossen und muss schnell genug vorgegebene Tasten drücken. Das war nervig. Wenn ich die Kneipenschlägerei mitzähle, sind es vier große Actionszenen + eine, welche ich ganz offensichtlich vergessen habe (und die auch nicht jeder, je nach Entscheidung) bekommt.. Es gibt auch Fälle ganz ohne Action. Insgesamt haben mich die Szenen fluchen lassen wie einen Bierkutscher, andererseits gibt ihre Existenz durchaus Sinn und hat mich in Spielgeschehen mehr reingezogen. Es wird davor auch immer automatisch gespeichert, sodass man direkt wieder starten kann.
Der Adventureanteil überwiegt auf jeden Fall deutlich, ist fordernd und macht richtig Spaß. Ich habe übrings 3rd - Person gespielt, alleine, um Holmes anschmachten zu können.
Unabhängig davon könnte ich mir gut vorstellen, dass es sich in diesen Adventures lohnen würde, neue Fälle per DLC anzubieten.
Insofern heißt es jetzt 2-3 Jahre warten.
Edit:
Der Reveal-Trailer bei Frogwares (http://frogwares.com/) hat ja so gar nichts mit dem Spiel zu tun. Also wirklich keine einzige Szene. Oder habe ich wegen falscher Entscheidungen etwas verpasst?
Mhh, sie werden ihre Marktforschung und Analysen machen - es lohnt sich wohl eher nicht, sonst würde es folgerichtig DLCs geben. Sind sie zu teuer, würden die Kunden negativ reagieren, sind sie zu billig würde es die Entwicklungskosten (bei diesem Nischengenre) nicht wieder einspielen. Wobei ich mich eh über den relativ hohen (Normal)Preis von >40 Euro wundere. Nicht das Devils Daughter es nicht wert wäre, aber für das Genre? Ich hoffe es lohnt sich für Frogware.
Edit: Wie spielt sich denn eigentlich LA Noire im Vergleich zu den beiden letzten Sherlocks? Habe ich nämlich noch hier daheim ungespielt liegen.
Spoiler können gelesen werden, indem man die Textbox mit der Maus markiert!
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Action-Elemente sind deutlich ausgereifter, aber ebenso nur optional und Nebensache. Vor allem das Verhör und die Ermittlung ist imho aber eher Vorbild als Nachahmung, d.h. die sind sogar ein Stück besser. Vor allem die Verhöre wissen zu überzeugen und hier kann man sich wirklich falsch entscheiden und trägt auch die entsprechenden Konsequenzen.
Ein Meisterwerk eines narrativen Spiels, wo das Gameplay nur an zweitem Rang steht. Durch die immensen Kosten aber dem Untergang geweiht - leider... Team Bondi hätt ich gern nochmal gesehen!
bezüglich QT-Elemente
Genau das stört mich daran... sie machen "nur" 20-25% aus und sind vollkommen umsonst. Sie fördern weder die Immersion (Balancieren mit den zwei Daumensticks ist noch weniger immersiv wie mit dem Sixaxis-Controller zu bowlen oder Drachen zu fliegen), noch lässt es einen stärker in die Spielwelt tauchen. Nope... Nette Idee, andere Spiele machens um Welten besser. Nachsitzen und nochmal ordentlich machen oder gar ein Open World Holmes draus machen. Aber Halbe-Halbe ist dann doch ein bisschen zu wenig. Da merkt man leider die fehlende Zeit und die fehlende Erfahrung bzw. die Leute. Die Action-Sequenzen in gut und nicht ganz so repetitiv und juhee... das passt...
Dann ists sicherlich kein klassisches Adventure mehr, aber das war Holmes jetzt schon eine Weile nicht mehr
Mein Glaubwürdigkeitsproblem bestand nur fortwährend darin, ob ein Vater sich solchen Gefahren aussetzen würde.
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