Diesmal steht 'Full Throttle Remastered' auf dem Prüfstand. Das Biker-Adventure von LucasArts war 1995 im deutschen Sprachraum unter dem Titel 'Vollgas' bekannt. Im April 2017 hat DoubeFine dazu die dritte Remastered Edition nach 'Day of the Tentacle' und 'Grim Fandango' veröffentlicht, mit HD-Grafik, aufpolierten Soundfiles und anderen kleinen Feinheiten. Am Inhalt hat sich freilich nichts geändert. Erwarten darf man einen rasanten Point&Click-Roadmovie mit viel Story, simplen Rätseln und ein paar Action-Einlagen. Wie überzeugend diese Mischung aus heutiger Sicht ist, das verrät unser Test.

Tradition und Fortschritt
'Full Throttle' spielt in einer fiktiven Welt, in der die Menschen lieber in einem fliegenden Gefährt unterwegs sind, als mit den Rädern am Boden zu bleiben. Auf dem Asphalt treibt sich kaum noch jemand herum – abgesehen von Motorradgangs, die den eigenen Regeln folgen. Ben Throttle, seines Zeichens Boss der Polecats und Hauptfigur der Geschichte, gehört einer solchen Truppe an. Raue Stimme, muskulös, Bikerjacke, mächtiges Kinn und Dreitagesbart. Seine Rolle nimmt man ihm sofort ab. Ein Mann im Graubereich, der für seine Prinzipien notfalls die Faust einsetzt.
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Ben und Corley ahnen noch nicht, was auf sie zukommt... |
Der Wandel der Zeit scheint auch vor knallharten Bikern nicht haltzumachen: Corley Motors gilt als letzter Motorradhersteller in der Gegend. Der Besitzer Malcolm Corley ist jedoch schwer krank. Nicht jeder im Unternehmen teilt seine nostalgische Leidenschaft für Bikes und die Nachfolge ist ungeklärt. Auf dem Weg zur Fabrik beschleicht den alten Mann eine Idee: Die Polecats sollen ihm bei der jährlichen Aktionärsversammlung beistehen.
Sich als käufliche Bodyguards hergeben? Das harmoniert nicht mit Bens Biker-Prinzipien. Er lehnt ab, obwohl seine Jungs das Geld bitter notwendig hätten. Adrian Ripburger, Corleys rechte Hand, versucht ihn auf seine schleimige Art draußen umzustimmen. Als auch das misslingt, trifft Ben etwas wuchtig am Kopf. Beim Erwachen im Müllcontainer brummt ihm etwas später der Schädel. Seine Jungs sind aber längst mit Corley auf und davon. Es kommt noch schlimmer. Offenbar wurde ein Hinterhalt für sie vorbereitet und Ripburger führt Übles im Schilde. Unser Protagonist setzt nun alles daran, sie rechtzeitig einzuholen, ehe etwas Schlimmes passiert.
Filmische Präsentation, die auf Kosten der Rätsel geht
Ähnlich wie 'The Dig' setzt 'Full Throttle' stärker auf Story als die vorangegangenen Point&Click-Adventures von LucasArts. Die Roadmovie-Handlung könnte man sich gut als Film der 1990er-Jahre vorstellen und die Zwischensequenzen sind schön gemacht.
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Ben macht Bekanntschaft mit Maureen |
Bei den Point&Click-Rätseln wird bewusst ein Gang heruntergeschaltet. Komplizierte Lösungen, die sich etwa über mehrere Schauplätze erstrecken, sollte man sich nicht erhoffen. Im Inventar tummeln sich kaum Gegenstände. Wird zur Lösung ein Gegenstand von einem anderen Schauplatz benötigt, so ist das schon das höchste der Gefühle. Im adrenalingeladenen Finale ist zudem rasches Handeln wichtig. Wer etwas länger braucht, der stirbt (darf aber beliebig oft erneut sein Glück versuchen). Auch das ist nicht typisch für LucasArts. Es macht jedoch Sinn im Story-Kontext.
Angesichts des schlanken Gameplays verwundert es nicht, dass die Spielzeit mit vier bis sechs Stunden kurz ist. Schon beim Release in den 1990ern war das ein zentraler Kritikpunkt. Selbst heute noch muss man diesen anbringen. Nicht so sehr wegen der Kürze per se, sondern weil der Geschichte mehr Raum zur Entfaltung sehr gut getan hätte. Es bleibt kaum Zeit, um die Spielwelt besser kennenzulernen. Auch über die wichtigen Charaktere hätte ich gern mehr gewusst. Es ist kein Geheimnis, dass das ursprüngliche Konzept aus Budgetgründen drastisch gekürzt werden musste.
Eher zähe Action-Kost
Umstritten waren vor mehr als 20 Jahren die Action-Einlagen. Davon gibt es nicht übertrieben viele, doch sie prägen wesentliche Teile der Geschichte. Den Machern muss man zugute halten, für damalige Verhältnisse einen modernen Gameplay-Zugang gewählt zu haben. Dieser variiert mit dem Story-Kontext (ähnlich wie man es heute von Quantic Dream und Telltale Games kennt) und wagt sich immer wieder über den herkömmlichen Point&Click-Ansatz hinaus. Das fängt beim unveränderten Münzinterface an, welches passend zur Spielfigur die Möglichkeit bietet, etwas zu treten, oder die Faust einzusetzen. Zum Charakter passt das.
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Nicht jeder Biker ist mit jeder Waffe zu besiegen |
Zugleich ist festzuhalten, dass die einfach gehaltenen Biker-Straßenschlachten immer noch mäßig unterhaltsam sind, obwohl die Maussteuerung in der Neuauflage angenehmer von der Hand geht. Das Auto im Crash Derby steuert sich per Controller aber besser. Dieser Abschnitt wurde übrigens vereinfacht - vielleicht ein bisschen zu sehr: Inzwischen muss man nicht einmal mehr auf Timing achten. Die Logik dahinter wird dadurch nicht unbedingt nachvollziehbarer.
Generell scheint es, als hätte LucasArts die Action-Einlagen gern wie Rätsel gehandhabt (welche Waffe benutze ich bei welchem Biker? Wie kann ich ein Auto ausschalten, welches den Weg blockiert?). So ganz klappt das nicht. Weder damals, noch heute. Jahre später sind die Ansprüche in diesem Bereich aber gestiegen.
Würdige Remastered Version
Wie schon bei 'Grim Fandango' und 'Day of the Tentacle' will Double Fine das Rad nicht neu erfinden und bleibt dem Original treu ergeben. Die Grafiken wurden neu gezeichnet und die Soundfiles klingen besser (bei der deutschen Vertonung hat sich allerdings wenig getan). Optimiert wurde überdies die Steuerung. Allerdings eignet sich der Controller besser für die Action-Einlagen, während die Maus naturgemäß mehr mit Point&Click harmoniert.
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Das Münz-Interface ist noch genau so, wie damals |
Immerhin spart man sich durch die HD-Grafik so manches Pixelhunting und die bessere Soundqualität ist ein Plus. Dadurch kann man z.B. das rockige Intro der 'Gone Jackals' besser genießen, oder die teils sehr guten Sprecher: hervorzuheben ist in der englischen Fassung der leider verstorbene Roy Conrad, der Ben Throttle viel Persönlichkeit verleiht. Nicht vergessen darf man natürlich Mark Hamill, der einen herrlich schleimigen Ripburger auf den Bildschirm zaubert. Das Spiel enthält auch die komplett vertonte, deutsche Fassung - auch sie ist ganz gut gelungen.
Was zuletzt für die Neuauflage spricht, ist der zuschaltbare Entwicklerkommentar – u.a. mit Tim Schafer (Projektleiter des Originals und eine treibende Kraft hinter dieser Neuauflage) und dem Komponisten Peter McConnell. Geboten wird hier ein lohnenswerter Blick hinter die Kulissen, der auch immer wieder mit humorvollen Kommentaren versehen ist.
Als Jugendlicher vermochte mich 'Vollgas' nicht restlos zu überzeugen. Es fühlte sich zu kurz an und die Action-Einlagen, aber auch die Rätsel waren eher mittelprächtig. Mit Hits wie 'Fate of Atlantis' konnte es sich einfach nicht messen. Dass es dennoch unterhaltsam war, lag bei mir am unverbrauchten Setting, der Musik und der für damalige Verhältnisse filmischen Präsentation. Im spielerischen Bereich wurde immerhin etwas Neues probiert. 20 Jahre später sieht mein Fazit ähnlich aus, wobei die Remastered Edition sich immerhin flüssiger spielt und einem das Pixelhunting erspart bleibt. Double Fine hat wieder sehr gute Arbeit geleistet. Ich hatte nie das Bedürfnis, zur Ur-Fassung zurückzuschalten, da die überarbeitete Comic-Grafik sich treu an die Vorlage hält. Wer über diverse Macken hinwegsehen kann, auf den wartet ein recht spannender Roadmovie mit ansprechender Inszenierung und einem kultigen Protagonisten. Bonus-Features wie ein Entwickler-Kommentar runden den nostalgischen Trip sehr passend ab.
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Full Throttle Remastered
- Entwickler
- Double Fine
- Publisher
- Sony
- Release
- 18. April 2017
- Spielzeit
- 5 Stunden
- Trailer
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