2008 hat für Erik Zaring und Anders Gustafsson die Arbeit an 'The Dream Machine' begonnen. Veröffentlicht wurde das morbide Point&Click-Knet-Adventure aus Schweden in sechs Episoden mit längerer Wartezeit zwischendurch, wobei das Finale am 12. Mai 2017 zum Download bereitstand. Die komplette Spielzeit bewegt sich - soviel sei vorweggenommen - etwa im Bereich 14 bis 18 Stunden, was für ein kleines Indie-Abenteuer bemerkenswert ist. Erzählt wird eine ungewöhnliche Geschichte rund um eine Traummaschine. Ob sie Spaß macht, das sehen wir uns jetzt im Test genauer an.
Ein neuer Lebensabschnitt?
In der neuen Wohnung bereiten sich Victor und Alicia Neff auf die immer näher rückende Elternschaft vor. Viel Zeit zum Einrichten hatten sie noch nicht, wie man an den ungeöffneten Kartons erkennen kann. Immerhin vermochte das Paar die erste Nacht im geräumigen Zuhause zu verbringen. Leider wurde Victor von einem allzu vertrauten Traum heimgesucht: alleine auf einer Insel angelt er einen Fisch, bis ihn ein Wecker aus dem Schlaf holt. Man braucht kein Psychologe zu sein, um zu erahnen, dass Victor sich noch nicht bereit fühlt, Vater zu sein.
Papa in spe Victor wäre lieber auf dieser Insel |
Als hätte er mit diesem Konflikt nicht genug zu kämpfen, verdichten sich bald nach dem Frühstück die Hinweise, dass der Hausverwalter, ein gewisser Herr Morton, eine perverse Obsession für die Träume seiner Hausbewohner entwickelt hat. Eine Besessenheit, die schließlich alle Hausbewohner in tödliche Gefahr bringt... auch Alicia und ihr ungeborenes Kind. In seinem Besitz ist eine perfide Traummaschine, deren Rolle sich erst langsam erschließen soll. Bald darauf beginnt für Victor eine Reise zwischen Traum und Realität.
Originelle Geschichte der morbiden Sorte
'The Dream Machine' geht in Richtung morbides Mystery-Drama, gemischt mit SciFi und surrealen Elementen. Die stilsichere Knet-Karton-Optik trägt viel zu einer merkwürdigen Grundstimmung bei, die für gewöhnlich durch ein leicht mulmiges Gefühl begleitet wird. Insbesondere deshalb, weil man einige Dinge tun muss, bei denen man unerlaubt in die Privatsphäre anderer eindringt - teils mit radikalen Mitteln. Je nach Person gehen die besuchten Träume in andere Richtungen. Die Gameplay-Elemente des schwedischen Point&Click-Abenteuers sind dabei immer wieder vom Setting beeinflusst. Passend zu einem SciFi-Traum steht einem zum Beispiel ein Verkleinerungslaser zur Verfügung, während im Fantasy-Traum ein Zaubertrank gebraut wird.
Hintergründe und Charaktere werden mit Karton und Knetmasse kreiert |
Was an Symbolik und Metaphern ans Tageslicht kommt, sagt viel darüber aus, wie sich die träumende Person selbst sieht. So fühlt man sich beklemmt, wenn man den Traum von Alicia erlebt, Victors Frau. Bei den anderen Personen ergeht es einem nicht viel besser. Die Traumwelten sind keine Wohlfühloasen. Da kann schon ein mysteriöser Dieb Organe und Körperteile stehlen (und die Opfer lebend zurücklassen), oder man spaziert zwischendurch unfreiwillig auf Eingeweiden herum, untermalt von matschigen Geräuschen.
Mit Fortdauer der Handlung fühlt man sich zusehends wie in einem surrealen Albtraum, in dem natürlich auch Victors privater Konflikt von Bedeutung ist. 'The Dream Machine' lässt den Spieler vieles selbst interpretieren, sofern er das möchte. Es erfordert selbstverständlich keine psychologische Ausbildung, um gut unterhalten zu werden.
Faszinierende Knet-Karton-Optik
Ähnlich wie bei 'Armikrog' sind sämtliche 2D-Hintergründe und Charaktere mit Knetmasse und Karton entstanden. Bewegung passiert durch Stop-Motion-Technik, was von Aufwand her nicht zu unterschätzen ist. Humor und Slapstick sollte man sich freilich nicht erhoffen, denn der markante visuelle Stil ist stark von morbider Melancholie geprägt. An liebevoll gekneteten Details mangelt es nicht und 'The Dream Machine' braucht den Vergleich in handwerklicher Hinsicht nicht zu scheuen.
Für wichtige Details schaltet das Spiel manchmal in eine Nahaufnahme - für gewöhnlich ist das für Rätsel von Bedeutung |
The Sleeping Machine ist bemüht, die Hintergründe nicht zu statisch wirken zu lassen, weshalb kleine Animationen digital ergänzt wurden. Da qualmt der Schornstein vor sich hin, oder Pixels bilden fröhlich umherumschwirrende Pünktchen. Kosmetische Details, die dennoch belebend wirken. Davon abgesehen, wurden vorwiegend die Charaktere animiert. In jeder Episode sind vorwiegend neue Orte zu sehen. Deshalb nimmt man vielleicht eher in Kauf, dass zum Beispiel die Animationen nicht immer flüssig wirken, oder der Schatten der Spielfigur stark vereinfacht dargestellt wurde. Letztlich ist zu bedenken, dass wir es hier mit einem kleinen Indie-Projekt zu tun haben. Das Resultat ist toll gelungen, insbesondere dann, wenn man es mit dem kurzen 'Armikrog' von Pencil Test Studios vergleicht, bei dem rund eine Million Dollar investiert wurde.
Zur Atmosphäre trägt auch die akustische Vertonung bei. Eine echte Sprachausgabe gibt es keine und bei den Untertiteln bleibt nur die englische Fassung. Dafür wurde die musikalische und akustische Vertonung vortrefflich gewählt und unterstreicht die morbide Atmosphäre. Die Musik geht häufig in eine eher experimentelle Richtung, weniger melodiöse Richtung, passt sich aber stilistisch auch an das Traum-Setting an. Selbst die Soundeffekte wurden gut in die Umgebung eingebettet und lassen diese lebendiger erscheinen. Übrigens achten die Entwickler auf Barrierefreiheit und so gibt es im Menü spezielle Optionen, um bei verschiedenen Problemen auszuhelfen: Dialoge lassen sich per Voice-Synth akustisch abspielen, zuschaltbare Text-Hinweise sollen bei Hörbehinderung dienlich sein und es gibt einen Modus für Farbenblindheit.
Rätsel, die immer anspruchsvoller werden
Die Rätsel sind vielfältig, bis hin zum Cocktail-Mixen |
In spielerischer Hinsicht beginnt 'The Dream Machine' einfach und linear. Man sucht die Umgebung z.B. nach bestimmten Gegenständen an, sucht Telefonnummern, fügt zerrissene Teile einer Notiz zusammen, oder setzt einen Gegenstand aus dem Inventar ein, um an einen anderen zu gelangen. Mit jedem Kapitel werden die Herausforderungen komplexer und selbst der Umfang der Episoden nimmt eindeutig zu. Es steht außer Frage dass mit den vielen Entwicklungsjahren auch ein Erfahrungszuwachs einhergegangen ist.
In der fünften Episode wechselt man sogar beliebig zwischen zwei Träumen hin und her (linear bleibt es). Der surreale Charaktere von Träumen zwingt immer wieder zum Querdenken. Dient ein Nagel wirklich nur dazu Bilder aufzuhängen, oder steckt mehr dahinter? Was muss ich tun, um das Gehör eines sprechenden Steinkopf zu reparieren? In welcher Reihenfolge besuche ich bestimmte Schauplätze? Und natürlich darf man das Inventar mit einigen Gegenständen füllen und an Dialogen mangelt es nicht. Interessant wird es ansonsten auch, wenn man sich selbst und mit Objekten verkleinern kann und die Körpergröße variabel ist (Insektengröße, normale Größe und Riese), was wiederum für das Betreten bestimmter Bereich relevant ist. Das zwingt dazu, auf mehreren Ebenen zu denken. Die Mischung ist abwechslungsreich gelungen und mitunter richtig fordernd. Teilweise fühlte ich mich beim Knobeln wie vor 20 Jahren - im positiven Sinne.
Teils längere Laufwege
Während man sich im Wohnhaus mit den vier Etagen relativ leicht zurechtfindet, sind die Träume später mitunter stark verzweigt |
Während die Logik der Rätsel für gewöhnlich nachvollziehbar ist, wirkt die für den Point&Click-Gebrauch vielleicht nicht ideale Adobe-Flash-Spiel-Engine manchmal sperrig. Auf manchen Computer geht das Umblättern von Seiten zäh von der Hand, was insofern unpraktisch ist, weil genau das für ein Rätsel in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung ist. Auch die Suche nach Hotspots ist teilweise ein bisschen unhandlich. Wer 'The Dream Machine' über die offizielle Webseite per Browser spielen möchte, kann das tun. Für den breiten Rest gibt es eine Steam-Version.
Als lästig werden einige Abenteurer die langen Laufwege im fünften und sechsten Abschnitt empfinden, obwohl diese inhaltlich nachvollziehbar sind. Die Geschwindigkeit beim Gehen ist im Menü beschleunigbar, was die Problematik aber nicht gänzlich beseitigt. Im sechsten Kapitel fehlt mitunter auch der Feinschliff: Beispielsweise wenn man nach einem längeren Dialog nochmal auf dieselbe Person drückt und sie dann so tut, als würde man sie zum ersten Mal ansprechen. Das kommt vor, ist jedoch zu verschmerzen.
Das lange Warten hat sich gelohnt. 'The Dream Machine' ist ein morbides Meisterwerk, das von Episode zu Episode komplexer und spannender wird. Die originelle Geschichte hat einen roten Faden und hebt sich kreativ vom Spiele-Mainstream ab. An interessanten Charakteren mangelt es keineswegs. Wie viele Details in den zahlreichen liebevoll gestalteten Knet-Karton-Hintergründen versteckt sind, ist ebenso beachtlich.
Während die Rätsel sehr ansprechend gelungen sind, wirkt die Spiel-Engine (Adobe Flash) im Gameplay-Bereich manchmal etwas sperrig. Obendrein hat das letzte Kapitel beim Release bislang weniger Feinschliff, als die bisherigen Abschnitte, die über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich mit Updates versorgt wurden. Im Hinblick auf den letzten Punkt werden die Entwickler aber sicherlich bald nachbessern. Trotzdem ist 'The Dream Machine' ein hervorragendes Point&Click-Adventure für all jene, die düster-morbide Geschichten zu schätzen wissen. Sehr empfehlenswert.
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The Dream Machine
- Entwickler
- Cockroach Inc.
- Publisher
- The Sleeping Machine
- Release
- 12. Mai 2017
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.thedreammachine.se/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- The Dream Machine im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)