Er ist zurück! Zum zweiten Mal und dieses Mal wird es ernst. Der Humor bleibt in 'Leisure Suit Larry: Wet Dreams Dry Twice' gleich schlüpfrig, die Grafik ist auch wie vorher. Es ist auch eine direkte Fortsetzung zum ersten Teil. Kann uns Larry also überraschen? Assemble Entertainment und CrazyBunch versprechen jedenfalls die Suche nach seiner wahren Geliebten: Faith Less. Dazu geht es in eine karibische Inselwelt, die deutlich an Guybrush Threepwoods Abenteuer in 'Monkey Island' erinnert. Funktioniert dieses Sierra und Lucas Arts Crossover? Sehen wir uns das genauer an.
Da es sich um den direkten Nachfolger von 'Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry' handelt, wird es schwierig völlig ohne Spoiler zu verbleiben. Falls Ihr Interesse am ersten Teil habt und ihn noch spielen wollt, empfehlen wir das auch zu tun, bevor Ihr diesen Teil genauer betrachtet. Die Vorgeschichte wird zu Beginn des Abenteuers jedoch kurz rekapituliert.
Alles beginnt mit einer … Hochzeit
Wie jetzt? Hochzeit gleich zu Beginn? Nachdem Larry die Villa in Cancúm in die Luft gejagt hat und so die Prophezeiung anfänglich erfüllt hat, will der alte El Rey, dass er gemäß dieser dann auch seine Tochter heiraten muss. Das klingt völlig uneigennützig! Seine große Liebe Faith Less, die geheime Chefin des Tech-Konzerns Prune, wurde durch einen mysteriösen Gegenstand ausgeknockt und ist in ein Boot gefallen. Das löste sich und Faith war verschollen. Wahrscheinlich ist sie tot.
Darauf fügt sich Larry seinem Schicksal und bereitet die Hochzeit mit der unbekannten Tochter vor. Beim Besorgen eines Catering-Dienstes, einer Gitarrensaite für die passende Musik und Larrys Hochzeitsanzug erinnert ihn die Sprachassistentin Pi seines PiPhones, dass endlich eine verschlüsselte Datei, die er von unbekannter Nummer bekam, entschlüsselt wurde. Siehe da: Mit dabei ist ein Foto von Faith, das sie nach ihrem Verschwinden zeigt. Sie lebt! Larry lässt alles stehen und liegen und will zu Faith. Die Mission rund um Geheimagenten, sexuelle Innuendos und ein LARP in einer Höhle kann beginnen.
Klingt verrückt, ist aber wie immer
Die Welt ist bunt, sie ist schräg und überall sind Penisse sowie Vulven. So kennt man Larry und so ist auch 'Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice'. Ein Floß benutzt schon mal einen Haufen rosa Damen-Unterwäsche als Segel. Die sexuell aufgeladenen Scherze sind gerne chauvinistisch, aber Pi – die Sprachassistentin des Handys – gibt Larry immer wieder Kontra. Es ist also genau das, was den Vorgänger schon ausgezeichnet hat. Hier liegt die Krux, denn es macht fast nichts Neues. Das meiste kennt man. Oft ist es nur ein kurzes Lächeln, das man dann fast schon schuldbewusst wieder schnell lässt. Die Scherze wollen großteils nicht ganz so perfekt zünden. Larry steckt noch immer halb in den 80ern und es hat sich tatsächlich einfach wenig geändert. In seltenen Fällen blitzen die geniale Zweideutigkeit und Einrahmung in die heutige Zeit hervor. Meist bleibt es aber nur mehr vom Bekannten. Es ist fast schon das typische Problem einer Fortsetzung.
Interessant ist auch, dass Pi selbst manchmal in Klischees reintappst. In einem Spiel, wo es nur so von Klischees wimmelt, ist das normalerweise weniger verwunderlich. Gerade Pi war aber im ersten Teil der Leuchtturm, der Larry ein wenig geerdet hat. Am Anfang von 'Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice' klappt das auch noch: Die Sensibilisierung auf die heutige Zeit wird mehrfach erwähnt. Im langen Mittelteil des Spiels wird das aber öfter über Bord geworfen. Es ist auch schräg, dass ein Spiel, das bewusst einen Sex-Besessenen zur Hauptfigur ernennt, genau mit dem Thema Probleme hat. Ein Charakter gehört offensichtlich der Fetisch-Szene an. Statt ihn zu inkludieren, wird er sowohl von Pi und Larry als Perversling abgetan, dem man nicht zu nahekommt. Das ist nur schade.
Solide Rätsel, die es manchmal übertriebenen
Das Gameplay ist ähnlich "traditionell" – nur hier im positiven Sinn. Während der Anfang noch eher einfach ist und der Einstieg leichtfällt, ist spätestens mit der Ankunft im Insel-Archipel das 'Monkey Island 1: The Secret of Monkey Island'-Feeling perfekt. Nicht nur das Setting, sondern auch einige Rätsel erinnern an den Klassiker von Lucas Arts. Längere Rätselketten verteilt auf mehrere Schauplätze oder andere Inseln funktionieren oft wie früher. Damit man bei den vielen gleichzeitigen Aufgaben nicht vollkommen den Überblick verliert, schreibt ein Quest-Log automatisch mit, was alles zu tun ist. Danke Pi!
Hier zeigt sich aber auch die Krux des klassischen Gameplays. Backtracking, mehrfaches Abklappern der gleichen Hotspots und teilweise sich wiederholende Aktionen machen es mühseliger als es sein muss. Gefühlt 10 Mal füllt man einen Plastikbecher und, um die Kritik zu vervollständigen, man muss leider auch etwas vom Ende verraten: Man macht ein- und dasselbe Labyrinth in zwei Varianten. Zum Haareraufen! Hier wurde teilweise ein bisschen zu viel recycelt und wiederholt. Das macht manche Teile des Spiels leider unnötig mühsam. Mit etwa elf Stunden Spielzeit ist es auch länger als der Vorgänger und hätte ruhig auf eine ähnliche Länge eingedampft werden können.
Die Sache mit der Geschichte
Gerade die Geschichte spiegelt das Auf und Ab der anderen Elemente ähnlich wider. Manche Szenen und Sequenzen sind großartig: Kannibalinnen, die die Bibel missdeuten, könnten direkt von Monty Python kommen. Der mit sexueller Energie übersprudelnde Gangnam-Style-Bösewicht hingegen nervt spätestens nach der ersten Zwischensequenz. Gerade die eher an 'Monkey Island 1: The Secret of Monkey Island' erinnernden Sequenzen funktionieren absurderweise in diesem Larry-Teil besser als die Sozialkritik – wie ein Komiker, der an in Kritik geratene deutsche Komiker mit einschlägiger politischer Haltung erinnert. Die Sozial-Kritik, die das Spiel recht häufig äußert, ist im Allgemeinen angebracht, funktioniert aber ebenso nicht so zielsicher wie früher. Teilweise wirkt sie fast schon apologetisch und erreicht nicht das, was die Autor*innen damit vorhaben – zumindest bei mir.
Allgemein sei an dieser Stelle erwähnt, dass 'Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice' sicherlich Geschmackssache ist. Aus meiner Sicht trifft das sogar mehr zu als beim Vorgänger, der einige Situationen einfach besser meisterte. Der Humor ist eigen, die Hintergrundgrafiken allesamt detailliert, aber eben geradezu mit Phallussymbolen aufgeladen. Dann wären noch Spielelemente wie das angesprochene Labyrinth, das ebenso sicher polarisieren wird. Selbst das Ende wird nicht allen gefallen. Es sind überall Details, die nicht ganz stimmen, aber es sind mehr als nur eine Handvoll.
Im Ton nichts Neues: Hervorragend
Zur Technik gibt es wie schon im Vorgänger nichts auszusetzen. Die Vertonung ist passend und hervorragend eingesprochen. Nichts wirkt gelangweilt, die Sprecher sind allesamt gut gewählt. Die Hintergrundmusik bläst hier ins selbe Horn (und hier würde Larry schon kichern). Gerade die detaillierten Hintergründe sind vollgestopft mit Anspielungen, Details und bieten stets etwas zu entdecken. Manche wirken zwar etwas überladen, aber sie sind trotzdem immer stimmig und passen zur Spielwelt. Einzig die Steuerung des Inventars bzw. des PiPhones ist nicht perfekt, denn sie überdecken gemeinsam den kompletten Bildschirm. Das ist aber ein Mangel auf sonst hohem Niveau.
Zu Bugs kam es bei mir nicht – andere hatten aber weniger Glück. Die Steam-Community-Foren zeigen hier durchaus auf, dass es vereinzelt zu Problemen kommt. Crazy Bunch und Assemble arbeitet aber noch immer fleißig am Spiel: Eine komfortablere Gamepad-Steuerung wird ebenso wie andere Sprachausgaben als Patch nachgeliefert. Die Gamepad-Steuerung macht auch noch mehr Hoffnung auf eine Konsolen-Version.
Ja, der Larry. So war eigentlich 'Leisure Suit Larry: Wet Dreams Dry Twice' von Anfang bis Ende. Es war nie völlig schlecht. Es war an Stellen wirklich Adventure-Oberklasse. Es war aber auch an Stellen unpassend oder eher mittelmäßig. Gerade das Labyrinth, das ständige Backtracking oder teilweise die Tonnen an Aufgaben, die durch die schiere Anzahl durchaus überfordernd wirken, machen das Spiel zum Teil mühsam. Wenn es jedoch zündet und der Humor stimmt, zündet es gewaltig. So bleibt es ein Wechselbad der Gefühle. Einmal musste ich lachen, verärgert aufschreien oder mich einfach frustriert zurücklehnen. Es bleibt ein handwerklich gutes Adventure, das aber in Details danebengreift. Am meisten enttäuschte mich dabei, dass der Humor an manchen Stellen die Intention doch deutlich untergrub. CrazyBunch kann Adventures. Ich glaube aber fast, dass es Zeit wird sich der nächsten Franchise zu widmen.
Zusätzliches Fazit Matthias Glanznig: Für meinen Geschmack ist 'Wet Dreams Dry Twice' ein echt gutes Point&Click-Adventure, aber ein eher schlechtes Larry-Spiel. Warum das? Während es CrazyBunch beim sehr unterhaltsamen Vorgänger ('Wet Dreams Don't Dry') gelungen ist, dem Charme des Sierra-Klassikers gerecht zu werden (trotz vieler kreativer Freiheiten), wird diesmal nahezu jede Rücksicht über Bord geworfen. Das Resultat hat aus meiner Sicht (trotz vieler positiver Eigenschaften) nicht mehr allzu viel mit der berühmten Vorlage zu tun. Nein, nicht nur deshalb, weil Larry übertrieben erfolgreich bei den Frauen ist. Auch Gamedesign und Story passen irgendwie nicht so richtig dazu. Wer Point&Click-Adventures mag, kein Problem mit den zahllosen sexuellen Anspielungen hat und die Sierra-Wurzeln der Reihe ausblendet, der könnte hier dennoch genau richtig liegen. Bleibt somit zu hoffen, dass die Entwickler dem Genre treu bleiben. Aber vielleicht sollten sie es nächstes Mal lieber mit einer eigenen IP versuchen...
-
Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice
- Entwickler
- Crazy Bunch
- Publisher
- Assemble Entertainment
- Release
- 23. Oktober 2020
- Auszeichnungen
- Adventure des Jahres • Die besten Rätsel des Jahres • Überraschungs-Hit des Jahres
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.larrysmansion.com/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- Leisure Suit Larry - Wet Dreams Dry Twice bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
7 Kommentare
Würde auch sehr gerne das Spiel spielen.
Bevor es allerdings nicht auch als PS4 Box Version erscheint, wird das bei mir nix (
Aber ja, mikej hats schon erwähnt. Laut Steam-Community-Post von Assemble und Crazy Bunch arbeiten sie derzeit mit höchster Priorität an der Controller-Steuerung. Dürfte also nicht mehr lange dauern.