Ende 2016 startete Draw Me A Pixel eine Kickstarter-Kampagne für 'There Is No Game: Wrong Dimension', bei dem es u.a. darum geht, auf humorvolle Art und Weise die vierte Wand zwischen Spiel und Spieler zu durchbrechen. Das Crowdfunding-Ziel wurde klar verfehlt und der Name schien gewissermaßen Programm zu sein. Damit weit gefehlt: Vier Jahre später meldete sich das kleine Indie-Studio überraschend mit dem fertigen Projekt zurück (für Windows PC, Mac und mobile Geräte - inklusive deutscher Untertitel). Das Resultat kann sich sehen lassen. Und wie!
Hier gibt es nichts zu spielen?
Ein Spiel, das keines mehr sein soll? Mit dieser ungewöhnlichen Ausgangslage beginnt 'There Is No Game' und weist den Spieler gleich mehrfach eindringlich darauf hin, doch lieber das Programm zu verlassen (bevorzugt ohne eine Rückerstattung zu fordern) und ein Buch zu lesen, oder dergleichen.
Auf dem Programm steht hier ein Indie-Abenteuer bei dem es zweifellos besser ist, sich vorher nicht zu gründlich zu informieren und das Geschehen einfach wirken zu lassen. Wir sehen zunächst nur einen Titelbildschirm ohne konkrete Instruktionen. Statt zum Spielen zu motivieren legt uns das depressive Computerspiel (Mr. Spiel) Hindernisse in den Weg oder schummelt, um uns zum Aufhören zu bewegen. Allerdings macht sich irgendwann ein boshafter Glitch breit (genannt Mr. Glitch), der Mr. Spiel und den Spieler in eine andere Spieldimension befördert.
Nur so viel, im Laufe der Geschichte lernen wir Mr. Spiel allmählich besser kennen. Es gelangt immer mehr über dessen Kummer ans Tageslicht und was dazu geführt hat. In diesem überaus vielschichtigen Adventure werden zugleich gewisse Spieletrends auf kluge Art und Weise auf die Schippe genommen. Mehr möchten wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen.
Unverbrauchtes Gameplay
Das Point&Click-Adventure 'There Is No Game' geht interaktiv einen recht ungewöhnlichen Weg. Der Spieler muss um die Ecke denken, um neue Wege zu finden, die eine Interaktion mit der Spieloberfläche erlauben. Gesteuert wird das 2D-Vergnügen per Maus. Wir klicken alles an, finden durch eifriges Herumprobieren Schwachstellen (sei es nur ein schlecht aufgehängter Schriftzug) und sorgen für ein Durcheinander, um so etwas wie ein Spiel zu erzwingen.
Die Rätsel sind unterschiedlicher Natur: Per Drag-and-Drop kann man z.B. einen Buchstaben den Bildschirm hochziehen und dann fallen lassen, um für ein Beben zu sorgen. Manche Objekte verkleinern/vergrößern zudem Gegenstände. Das spielt z.B. für einen Rätsel-Kampf eine Rolle, wo Timing wichtig ist (keine Sorge, um Sterben muss man sich dabei keine Sorgen machen). Aufpoppende Werbung kann versteckte Hinweise enthalten, ein Objekt im Text oder Benutzerinterface lässt sich irgendwie zweckentfremden...
Das Gameplay bleibt variabel und verzichtet zumeist auf Routinen. Dennoch bleibt die Knobelei intuitiv und kurzweilig, selbst wenn die Lösung eventuell nicht immer einfach ist. Wer nicht weiter weiß, kann jederzeit auf die In-Game-Rätselhilfe zurückgreifen (und dafür kurz mal ausgebuht werden). Die gesamte Spieldauer bewegt sich schätzungsweise im Bereich zwischen 5 und 6 Stunden und fühlt sich im Hinblick auf die Story genau richtig an.
Charmanter Pixel-Look, kultige Vertonung
In grafischer Hinsicht setzt Draw Me A Pixel auf verschiedene 2D-Pixel-Szenarien. Was mit einem einfachen Titelbildschirm oder einer „falschen“ Betriebssystemoberfläche beginnt, artet bald in diverse Richtungen aus: bis hin zum kurzen Top-Down-Rollenspiel und einer Szene aus einem Comic-Adventure. Trotz einfacher Mittel ist der visuelle Stil stimmig gelungen und passt hervorragend zum Thema.
Begleitet wird das witzig-charmante Spielerlebnis durch zahlreiche Kommentare von Mr. Spiel. Dieser hat einen eigenwilligen, aber amüsant klingenden Akzent und wurde vom aus Frankreich stammenden Chef-Entwickler Pascal Cammisotto vertont. Zusätzlich zur englischen Sprachausgabe stehen deutsche Untertitel zur Auswahl, die den Humor mehr als zufriedenstellend transportieren.
Über weite Strecken wirkt es tatsächlich so, als würde das Spiel mit dem Spieler kommunizieren. Die daraus entstehende Dynamik ist erfrischend lebhaft, selbst wenn das Spiel hin und wieder eine kleine Nervensäge sein kann und erstaunlich selten die Klappe hält. Ein kunterbunter Soundtrack darf zuletzt natürlich nicht fehlen. Dieser passt aus unserer Sicht sehr stimmig zum Geschehen und bietet sogar den einen oder anderen potenziellen Ohrwurm.
Übrigens
Das Grundprinzip von 'There Is No Game' baut auf einem 2015 erschienenen kurzen Game Jam-Adventure des Indie-Studios auf. Auf Steam findet Ihr es hier. Das fertige Projekt hat sich im Vergleich dazu aber deutlich weiterentwickelt.
Schade, dass ausgerechnet diese Spiele-Perle bei Kickstarter eine Bruchlandung erleiden musste. Draw Me A Pixles 'There Is No Game: Wrong Dimension' arbeitet mit einfachen technischen Mitteln, nutzt diese aber ausgesprochen kreativ, um eine vielschichtige und originelle Story zu vermitteln.
In mancher Hinsicht erinnert die Erzählweise an Hits wie 'The Stanley Parable' oder 'Bastion', die Story geht freilich eigene Wege. Kritikpunkte musste ich bei diesem humorvollen Mix mit der Lupe suchen. Der Mittelteil hätte vielleicht einen Ticken kürzer sein können, doch das ist Meckern auf sehr hohem Niveau. Und klar, diese Art Meta-Erzählung ist vermutlich nichts für Spieler, die eine klassische Geschichte mit strukturiertem Gameplay bevorzugen. Teils muss man Herumprobieren, denn das gehört zum narrativen Konzept.
Wem es hingegen Spaß bereitet, Spiele nicht nur oberflächlich betrachten, der liegt bei diesem klug durchdachten Indie-Titel goldrichtig. Ich für meinen Teil wurde großartig unterhalten - so gut wie schon lange nicht mehr. Sehr empfehlenswert!
Fazit von Peter Färberböck: Man kann das Fazit kurz machen: Großartig. Oder länger: 'There Is No Game: Wrong Dimension' ist einmal oder sogar mehrere Male um die Ecke gedacht. So spielt es sich von Anfang bis Ende. Zu Beginn war ich skeptisch, weil es die Meta-Keule geradezu bewusst schwingt. Das kann nicht gut gehen und irgendwann müssen die guten Ideen, die Draw me a Pixel von den ersten Momenten hat, doch ausgehen, oder? Fehlanzeige. Es bleibt über die ganzen sechs Stunden kreativ und erzählt eine Geschichte über Spiele.
Das Adventure hatte einige Kopfnüsse parat und schaffte es, mich mehrfach laut zum Lachen zu bringen. Somit war es für mich sehr unterhaltsam und machte mich nachdenklich zugleich. Es ist sicherlich eine der herausragenden Erfahrungen der letzten Jahre. Insgesamt ist es satirischer Blick auf Spiele und zerlegt Spielmechaniken bewusst und fordert auf, mit denen das Spiel kaputt zu machen. Großartig.
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There Is No Game: Wrong Dimension
- Entwickler
- Draw Me A Pixel
- Publisher
- Draw Me A Pixel
- Release
- 6. August 2020
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award • Adventure des Jahres Redaktionswahl
- Spielzeit
- Etwa bis zu 6 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.drawmeapixel.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- There Is No Game: Wrong Dimension im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
9 Kommentare
Ja, ich finde es lohnt sich. Mal ein erfrischend anderer Zugang und ein sehr kreativer Humor.
Es sieht auf jeden Fall interessant aus. Ich hab auf jeden Fall Bock.