Psychologischer Horror von Bloober Team ('Layers of Fear', 'Blair Witch'). Das ist doch sicher wieder so ein First Person Ding? Die Trailer zeigten dann, dass es sich um Third Person handelt, einen auffälligen Art-Stil hat und auch noch verspricht, ein klassisches Adventure zu sein. Am 28. Januar war es soweit und es wurde für Xbox Series X/S und Windows PC auf den Markt gebracht. Dazu war es dann auch noch im Xbox Game Pass inkludiert. Es war Zeit das ambitionierte, polnische Projekt anzusehen.
Alles begann mit einem toten Mädchen
Marianne ist ein Medium, das mit ruhelosen Seelen kommunizieren und sie beim letzten Stück zur ewigen Ruhe begleiten kann. Sie hat außerdem einen immer wiederkehrenden Traum. Ein Mann erschießt ein junges Mädchen auf einem Steg bei einem See. "Alles begann mit einem toten Mädchen." In der Realität hat sie ebenso Probleme mit dem Tod, denn ihr Ziehvater ist tot. Er war der hiesige Leichenbestatter und sie half ihm bei seiner Arbeit. Ihre Aufgabe ist es, auch ihn das letzte Stück zu begleiten. Das wäre schon düster, aber es wird noch mehr, denn ein mysteriöser Anruf von einem Thomas reißt sie aus der Trauer: Er weiß von ihren Fähigkeiten und woher sie kommen. Er weiß außerdem von ihrem Traum und dem Sinn dahinter. Deswegen soll sie ihn im Niwa Arbeiter Resort treffen. Ein Relikt aus der Zeit des Kommunismus nahe Krakau. So beginnt die Reise zwischen zwei Welten, die Mariannes Welt völlig auf den Kopf steht.
Licht und Schatten
Schon im Trailer wurde dank des Stils klar, was uns grafisch bei 'The Medium' erwarten wird. Es ist der erste Titel, der exklusiv für Microsofts neue Konsolen erschienen ist und soll entsprechend gut aussehen. Ray Tracing, HDR und eine entsprechende Lichtstimmung passen perfekt zu Bloober Teams Plan eine postsowjetische, düstere Welt zu zeichnen. Das Ganze dauert acht bis neun Stunden und kommt mit deutschen Untertiteln sowie ausgezeichneter, englischer Sprachausgabe.
Es ist jedoch nicht nur die eine Welt, denn auch hier herrscht der Dualismus von Licht und Schatten. Es gibt neben der echten Welt noch die Parallelwelt der Geister, den sie auf die Werke des polnischen Künstlers Zdzisław Beksiński stützen. Er malte dystopische, surrealistische Werke, die eben diese Gothic-Welt rund um Leichen, Verfall und Verwesung zeigt. Technisch ist das alles zu großen Teilen ein Augen- und Ohrenschmaus. 'The Medium' empfiehlt nicht umsonst gute Kopfhörer und für die höheren Grafikstufen braucht es auch entsprechend Rechenleistung. Noch läuft es deswegen auf den Konsolen nicht 100 % rund. Das liegt vor allem an folgendem Aspekt.
Immer wieder blutet nämlich die zweite Welt die Welt von Marianne hinein. Sie als Medium steht zwischen den Welten und wenn sie diese Barriere durchbricht – z. B. über Spiegel oder durch stechende Kopfschmerzen – kann sie sowohl die reale Welt als auch die Geisterwelt gleichzeitig beeinflussen. Hier kommt ein technisches Gimmick ins Spiel, das nicht nur großartig aussieht, sondern auch das Gameplay massiv beeinflusst. Wird diese Welt zugänglich, wechselt das 'The Medium' in einen Splitscreen und Wir können Marianne in beiden Welten gleichzeitig steuern. Je nach Situation ist der Bildschirm somit horizontal oder vertikal zweigeteilt und man kann den Fokus zwischen den zwei Welten auch verschieben. So vergrößert man zum Beispiel einen Ausschnitt und verkleinert den anderen. Ebenso kann man in einer Welt nur bestimmte Dinge manipulieren, während in der anderen Welt dort nichts ist. Auch Barrieren sind so plötzlich einseitig. All das führt jedoch dazu, dass zwei Szenen parallel dargestellt werden müssen. Hier kann auch schon bei aktuellen High-End-Maschinen die Framerate manchmal in die Knie gehen.
Innovatives Gameplay trifft spannendes Rätseldesign
Besagte Zweiteilung führt dazu, dass die Rätsel sich sehr erfrischend anfühlen und man immer wortwörtlich doppelt aufpassen muss. So sind es verschlossene Türen, die zwar Marianne in der Realität den Weg versperren, aber in der Geisterwelt nicht. Normalerweise bewegt sie sich in beiden gleichzeitig, aber durch etwas Gedankenkraft kann sich ihr Geist für kurze Zeit von ihrem Körper trennen und allein losziehen. So kann die Protagonistin Seelenenergiefelder manipulieren, Gegenstände finden oder Spiegel als Portal nutzen. An wenigen Stellen müssen wir uns jedoch von einem Monster verstecken oder davonlaufen. Das sind zwar leichte Action-Elemente, die aber eher an Klassiker wie 'Baphomets Fluch 1' erinnern als tatsächlich anspruchsvoll zu sein. Der Anspruch liegt hier eher darin, herauszufinden, wohin man schleichen muss und wie man das Monster ablenkt. Reflexe braucht man keine, denn auch auf unnötige Quick-Time-Events wurde verzichtet.
Insgesamt ist das Gameplay somit altbekannt. Per Controller oder Tastatur bewegen wir Marianne durch fixe Kameras, wie man sie aus klassisches Adventures kennt. Das lässt sich recht gut steuern und ist erstaunlich gut poliert. Wir suchen also Gegenstände, sprechen in Zwischensequenzen mit anderen Nebencharakteren oder lösen Logikrätsel. Hier sind auch Highlights dabei, wie z. B. Zeitmanipulation und entsprechende Lichtgestalten, die sich durch den Raum bewegen sind ansehnlich und kommen nicht in jedem Adventure vor. Selten sind große Kopfnüsse dabei, aber einige Male musste man schon etwas nachdenken. Die üblichen Schalterrätsel auf einer größeren Konsole, um Tanks umzuleiten, zeigen, dass sie das Rätseldesign ernst nehmen aber nicht neu erfinden.
Familie, psychische Krankheiten und der postsowjetische Raum
Das Rätseldesign und die Steuerung sind also solide und alles klingt nach einem Horror-Adventure, das nur eine gute Story braucht. Das Setting stimmt jedenfalls auch, denn die zwei Welten sind spannend und bieten genügend Raum zum Erkunden. Kleine Lore- und Storyschnipsel motivieren, um vergangene Missstände im Niwa Resort zu entdecken und sich zu fragen, wer die kleine Sadness ist, die uns dort in der Geisterwelt immer wieder begegnet. Die Atmosphäre des verfallenen Sowjet-Baus ist großartig und stets bedrückend. Jump Scares gibt es keine und 'The Medium' verlässt sich auf ein bedrückendes, lauerndes Angstgefühl. Es geht um Wahnsinn und um Familientragödien.
Im schönsten Wald seit langem erfährt man so einiges über den Verfall der Sowjetunion, die erschreckenden Ereignisse im Resort und Mariannes eigene Geschichte. Ungeheuer sieht man nur spärlich und sowohl Grauen der Nazis als auch die der Sowjets sind Thema. Insgesamt ist die Geschichte somit packend und auch wendungsreich. Bis zum Schluss fieberte ich mit und freute mich auf die nächsten Erkenntnisse. Die Story ist somit gut genug, um das gesamte Spiel zu tragen. Grafik und Steuerung sind nämlich wechselhaft gut, aber insgesamt nicht störend. Bloober Team macht hier vieles richtig und liefert ein erstaunlich gutes Adventure zu Jahresbeginn.
Wieder so ein psychologisches Horror-Adventure. Die Skepsis war schon recht groß und der letzte große Hit des polnischen Entwicklungsstudios ist schon eine Weile her. Nach den ersten Spielminuten war das aber recht schnell vergessen, denn 'The Medium' weiß von Beginn an zu überzeugen. Es sieht stellenweise hervorragend aus und im schlimmsten Fall zumindest für ein Adventure ganz gut. Die Steuerung ist ebenso in Ordnung, die Rätsel sind abwechslungsreich genug. Spielmechanisch ist es also "nur" solide. Wie immer wird die Story Geschmackssache sein.
Wer aber nichts gegen eine übernatürliche Atmosphäre von 'Akte X' gemischt mit den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs und des Sowjet-Regimes danach hat, wird sich freuen. Das Design der Geisterwelt ist großartig. Die Geschichte hat mich genug gefesselt, um es in wenigen Abenden durchzuspielen. Somit bleibt trotz solidem Spiel eine echt spannende Geschichte, die es wert ist, gespielt zu werden. Einziges deutliches Manko sind die hohen Systemvoraussetzungen, die das Spiel aber über weite Strecken auch rechtfertigt. Selbst mit aktueller Hardware kann es an manchen Stellen schwer ruckeln. Alles in allem ist ‘The Medium‘ ein überraschend guter Start in das Adventure-Jahr 2021.
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The Medium
- Entwickler
- Bloober Team SA
- Publisher
- Bloober Team SA
- Release
- 28. Januar 2021
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://themediumgame.com/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- The Medium im Epic Store kaufen (Affiliate-Link)
5 Kommentare
Da ist die Perspektive deswegen eigentlich relativ egal. Die Stimmung finde ich ganz gut gelungen, aber das liegt auch zu einem großen Teil an der Optik. Die ist mit allem technischen Schnickschnack über Teile sensationell atmosphärisch.
Layers of Fear hatte für mich das Problem, das es irgendwie zu lange war. Irgendwann fühlte es sich dann relativ gleichförmig an.
Die Story-Kritik kann ich verstehen. Die wird nicht jedem gefallen und das trägt auch viel vom Spiel.
Definitiv haben sich da RPGs, Shooter, Actin-Adventures und noch so einige Genres daran bedient und so dynamischere Spiele erreicht. Uncharted würde als "Abenteuer-Film" perfekt durchgehen. Das ist in den ruhigen Elementen aber einfach ganz viel klassisches Adventure . Tomb Raider als Vorgänger ohnehin .
Hier der Link:
Runde 308: The Medium
Viel Spaß beim Hören!