Ziemlich genau ein Jahr ist es her, seit die Kickstarter-Kampagne zu 'Unusual Findings' ins Ziel kam. Vor kurzem ist das Adventure nun veröffentlicht worden und schickt uns in die Welt der 1980er Jahre, in eine US-Kleinstadt namens Southplains. Dort leben die drei Freunde Vinny, Nick und Tony, mit denen wir zusammen in eine Welt von vor vierzig Jahren eintauchen. Ganz wie es sich gehört mit Synthwave-Musik, einer Retro-Pixel-Grafik und einer SciFi-Geschichte die irgendwie an 'Stranger Things' erinnert. Für Euch haben wir das fertige Spiel vom argentinischen Studio Epic Llama unter die Lupe genommen.
Die außerirdischen Besucher kommen
Nachdem sie den Garten der Nachbarin mit einer Natrium-Wasser-Explosion in die Luft gesprengt haben, sitzen Vinny, Nick und Tony in ihren Zimmern fest - alle drei stehen unter Hausarrest. Doch der Drang nach Freiheit ist größer und so türmen Nick und Vinny spät Abends aus ihren Zimmern. Ihr Ziel ist das Zimmer vom Technikfan Tony, der die Arrestzeit dafür genutzt hat, einen Kabelfernsehsender für Erwachsene zu knacken. In Vorfreude auf nackte Tatsachen versammeln sich die drei vor dem Fernseher, empfangen statt dem Pay-TV aber ein seltsames Signal, das sich kurze Zeit später als Notruf eines abstürzenden Raumschiffs entpuppt. Wie es der Zufall will, ist das Alien direkt im Wald am Stadtrand gestrandet - Nichts kann die Freunde davon abhalten, direkt zum Ort des Geschehens zu flitzen. Dort angekommen werden sie Zeuge, wie das Alien einen Parkranger ermordet. Erschrocken versuchen sie die Bewohner des Ortes zu warnen, doch die Erwachsenen von Southplains schenken der Geschichte der Jungs keinen Glauben. Also ist es an den drei Teenagern, eine Alieninvasion zu verhindern und die Welt zu retten.
Trio mit zwei Fäusten
Die Story von 'Unusual Findings' bietet aber mehr als die Suche nach einem Alien. Zusammen mit den drei Freunden erkunden wir nicht nur die Stadt und die umliegende Gegend sondern statten auch dem konkurrierenden Nachbarort oder streng geheimen Firmenkomplexen einen Besuch ab. Nach und nach entfaltet sich so eine Geschichte mit viel Retro-SciFi um eine große Verschwörung. Interessant und für Wiederspielwert sorgen die unterschiedlichen Lösungswege, auf die wir die Truppe schicken können. Abhängig davon, wie wir Vinny in bestimmten Situationen mit seinen Freunden reden lassen, biegt das Adventure auf einen anderen Pfad ein. Welchen wir gewählt haben, erfahren wir jedoch erst am Schluss. Es kann also sein, dass einige der im Test zu sehenden Screenshots in Eurem Spieldurchgang nicht zu sehen sind. Insbesondere das Finale, auf das das Spiel nach rund 8 Stunden zusteuert spielt sich auf jedem der drei Wege gänzlich anders. Aber auch in früheren Kapiteln gibt es Unterschiede und wir müssen Rätsel teilweise komplett anders angehen. Das führt dann beispielsweise dazu, dass sich einer der Jungs prügeln muss. Anders als in den 'Indiana Jones'-Adventures liegt dem Faustkampf aber auch ein Rätsel zugrunde, auf Geschicklichkeit kommt es also nicht an.
Drei Bengel für Rätsel
Obwohl Vinny, Nick und Tony in ihren Eigenschaften grundverschieden sind, dürfen wir nur Vinny steuern. Die beiden anderen Jungs werden zwar auch mal in den Mittelpunkt der Handlung gestellt, beispielsweise bei dem eben erwähnten Kampf oder beim Versuch eines romantischen Gesprächs. Dann steuern wir die Handlung aber trotzdem über Vinny, der seinen Freunden in Gesprächen Anweisungen gibt. Was schon hier seltsam aufgesetzt wirkt, zieht sich auch durch den Rest des Spiels und wir fragen uns, warum es drei Hauptcharaktere gibt, wenn diese dem Spiel nichts beitragen dürfen. Ja, sie haben ihre Fähigkeiten, die wir auch indirekt einsetzen müssen. Tony ist wissenschaftlich begeistert und kann chemische Formeln entschlüsseln, Nick kennt dafür jedes Auto und ist der Kerl fürs Grobe. In der Regel geben sie aber nur Kommentare zur Umgebung oder Objekten ab und bleiben damit eher Beiwerk. Echte Team-Aufgaben oder die Möglichkeit dass die Jungs sich aufteilen und unterschiedliche Orte in der Stadt bereisen, gibt es nicht.
Die verschiedenen Kapitel laufen alle nach identischem Muster ab. Die Kinder erreichen einen gänzlich neuen Ort und erhalten einen Sack voll Aufgaben. Sobald man die Startlocation verlässt, öffnet sich eine umfangreiche Karte mit weiteren Orten, an einigen davon werden die gesteckten Aufgaben erweitert oder es kommen neue hinzu. Nun geht es in mehr oder weniger loser Reihenfolge daran, die Punkte abzuarbeiten. Was fehlt ist eine ToDo-Liste. Die gab es in den Pixel-Adventures der 1980er Jahre, an denen sich 'Unusual Findings' orientiert, zwar auch nicht. Dort gab es aber auch nicht so eine Fülle gleichzeitig anstehender Tätigkeiten. Insbesondere, wenn nach dem Start eines neuen Kapitels ein paar Tage Spielpause eingelegt werden, fällt es schwer alle noch offenen Punkte zusammen zu bekommen. Dass es nur einen Speicherslot gibt, der bei jedem Ortswechsel neu abgelegt wird, macht es nicht leichter.
Als unnötig schwierig stellen sich einige der Aufgaben dar, bei denen das Spiel seine gewohnte oder erwartete Steuerung verlässt. Grundsätzlich steht uns ein Münz-Interface zur Verfügung, über das wir sprechen, nehmen oder untersuchen können. An mindestens einer Stelle im Spiel müssen wir nun einen Gegenstand anpusten. Dafür muss sich der Gegenstand vorher an einem ganz bestimmten Platz befinden und wir müssen ihn ansprechen. Probieren wir die richtige Lösung aus, solange sich der Gegenstand in unserem Inventar befindet, kommen wir an dieser Stelle nicht weiter. Zu einem anderen Zeitpunkt im Spiel müssen wir an einen Ort klicken, der keinen eigenen Hotspot besitzt. Hier eröffnet sich die Lösung nur per Zufall und wir fühlen uns an eine bestimmte Ziege aus 'Baphomets Fluch' erinnert.
Die überwiegenden Rätsel sind jedoch logisch nachvollziehbar zu lösen und bestehen aus klassischen Inventar- bzw. Dialogrätseln. Im Laufe der Kapitel füllt sich das Inventar, das als Sporttasche inszeniert ist mit allerhand Gegenständen, damit man alle zum Teil sehr gut in der Grafik versteckten Objekte auch findet, können per Mausklick auf das entsprechende Icon alle Hotspots angezeigt werden. Das würde per Tastendruck parallel zur Maussteuerung angenehmer gehen.
Ein Klick kommt selten allein
Die hübsch gepixelten Hintergründe fangen das Leben der 1980er Jahre gut ein und vermitteln die Atmosphäre von US-Kleinstädten genau so, wie wir sie aus den TV-Serien der damaligen Zeit kennen. Leider stören unglücklich platzierte Hotspots die Erkundungstour: Nahezu alle Orte, die wir über die Karten besuchen, scrollen über mehrere Bildschirme hinweg. Einzelne Objekte wie Autos, Reklameposter oder Auslagen in Schaufenstern nehmen viel Platz ein und bringen entsprechend große Hotspot-Markierungen mit. Die Jungs betreten die Orte immer von der selben Seite und wir müssen sie häufig durch den gesamten Schauplatz schicken, um einen weiteren Ort zu betreten. Dabei bleiben wir mehr als nur einmal an einem der Hotspots hängen, zu dem Vinny dann läuft. Dort wartet er auf seine Freunde, die im besten Fall noch einen Kommentar abgeben. Dieses Schauspiel wiederholt sich jedes Mal, wenn wir den Ort besuchen. Einen Weg mit der Maus durch die Location zu finden, mit dem die Jungs ohne ungewollten Stop ans andere Ende kommen, gleicht einem Geschicklichkeitsspiel. Da vermag auch der tolle 80er-Soundtrack nicht mehr zu helfen, für den sogar diverse Songs lizenziert wurden, so etwa 'You Spin Me Round (Like a Record)' von Dead Or Alive.
Die englische Sprachausgabe fällt in der Qualität etwas ab. Zu viele Charaktere wurden von den gleichen Sprechern mit verstellter Stimme eingesprochen und die Sprecher neigen oftmals zu extremen Übertreibungen. Gut gefallen haben uns die deutschen Texte, die zwar ein paar krumme Übersetzungen beinhalten, unter dem Strich aber gut gelungen sind.
Mit 'Unusual Findings' haben die Entwickler von Epic Llama ein solides Adventure abgeliefert, das vor 80er-Jahre-Charme nur so strahlt. Die SciFi-Geschichte mit leichtem Grusel und Splatter dürfte auch zartbesaitete Spielernaturen nicht zu sehr schrecken, passt aber gut in das Zeitalter des Spiels - 'Stranger Things' lässt grüßen. Leider merkt man dem Spiel an vielen Ecken die fehlende Erfahrung der Entwickler an. Sei es das nicht ausgeschöpfte Potential von drei Charakteren, die teilweise arg umständliche Wegfindung, die bei 2D-Point- & Click-Adventures sonst nie ein Problem darstellt, oder die zeitweise unrund wirkenden Rätsel - Hier bleibt leider viel Spielspaß auf der Strecke. Dass die Sprecher nicht immer passen, fällt da schon nicht mal mehr ins Gewicht. Auf der Haben-Seite findet sich eine schicke Grafik und der lobenswerte Soundtrack, die uns in die Welt der 1980er Jahre eintauchen lassen sowie drei teils komplett unterschiedliche Lösungswege, die für Wiederspielwert sorgen.
Fazit von Matthias Glanznig:
Für mich ein Spiel der gemischten Gefühle. Das Setting wurde nett umgesetzt und die Liebe zum Detail zeigt sehr deutlich, dass das Genre den Entwicklern am Herzen liegt. Auch den Humor fand ich grundsätzlich recht charmant.
In Sachen Gamedesign hakt es für mich jedoch. Manche Rätsel waren schwer nachvollziehbar und für die Hotspot-Anzeige war ich mitunter echt dankbar. In jedem Kapitel gebetsmühlenartig eine neue Einkaufsliste an Aufgaben abarbeiten zu müssen ist mir in der Form zu konstruiert. Die Begleiter hätte ich gern gezielter eingesetzt, das Münzinterface wird mir teils zu willkürlich genutzt und dass man beim Gehen per Maus ständig aufpassen muss um nicht einen Hotspot anzuklicken, das nervt auf Dauer.
Starke Ansätze sind dennoch vorhanden. Insbesondere der Prolog ist super gelungen und die recht ordentliche Story hält trotz Längen nicht schlecht bei der Stange. Das Entwicklerteam ist durchaus ein Versprechen für die Zukunft. Mit ‘Unusual Findings‘ ist aus mehreren Gründen jedoch noch nicht erhoffte große Wurf gelungen. Point-and-Click-Fans dürfen sich dennoch über solide Unterhaltung der alten Schule freuen, mit schöner Pixel-Art und vielen Anspielungen.
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Unusual Findings
- Entwickler
- EPIC LLama
- Publisher
- ESDigital Games
- Release
- 12. Oktober 2022
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://www.facebook.com/epicllamagames/
- Art
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Crowdfunding
- Sprachen
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- Systeme
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5 Kommentare
By the way: Ist kein Erstlingswerk wie ihr schreibt, Darkestville Castle ist auch von Epic Llama:
https://www.adventurecorner.de/reviews/ ... tle-review
Hoffe ich finde bald etwas Zeit dafür.