Tim Schafer hatte 2005 mit 'Psychonauts' bewiesen, dass er es nicht scheut, Innovationen einzugehen. Dazu war es zu der Zeit wahrscheinlich eines der abgedrehtesten Spiele überhaupt. Bei der Spielepresse kam es hervorragend an, aber wirtschaftlich war es zumindest zum Launch eine kleine Katastrophe. Als er dann mit Double Fine die Marke wieder kaufte, waren plötzlich die Verkäufe im Jahr 2015 deutlich besser: 1,2 Millionen. Nicht verwunderlich, dass der Geheimtipp irgendwann einmal einen Nachfolger bekommen sollte. Mit 'Psychonauts 2' war es am 25. August dann so weit. Ob das Jump & Run mit ganz viel Story in die großen Fußstapfen treten kann oder gar auch ein Storyteller-Highlight sein könnte, könnt Ihr im folgenden Test lesen.
Vom verrückten Arzt, Doppel-Agenten und der bösen Hexe Maligula
Die Hexe Maligula ist die alles dominierende Bösewichtin. Groß ist sie auch.Es geht direkt mit den Ereignissen von 'Psychonauts' weiter. Das bedeutet aber nicht, dass man den ersten Spiel gespielt haben muss, denn es wird kurz erklärt, was bisher geschah. Jedenfalls ist unser Held Raz im Geist des verrückten Dr. Loboto und versucht für die Psi-Agententruppe der Psychonauts herauszufinden, woher Loboto den Auftrag bekam, die Agenten zu unterminieren. Wir brauchen immerhin einen neuen Bösewicht! Im Geist sieht Raz eine riesige, leuchtende Gestalt. Eine Art Hexe: Maligula! Sie ist auch verantwortlich, dass Raz nicht mit Wasser in Berührung kommen darf, denn seine Familie wurde durch die von ihr beschworenen Fluten dezimiert. Der Anführer der Psychonauts Truman Zanotto wurde jedoch auch bewusstlos aufgefunden. Ihm scheint sein Geist bzw. sein Hirn gestohlen worden zu sein. Den Agenten ist klar, dass es sich nur um einen Insider handeln kann. Die Psychonauts müssen von einem Doppelagent infiltriert sein. Oh… aber da wäre noch das Wichtigste: Offiziell ist Raz noch gar kein Psychonaut. Deswegen darf er jetzt als Praktikant anfangen. Es gibt viel zu tun.
Abgedrehte Story trifft noch abgedrehtere Level
Das ... Leveldesign ... ist ... atemberaubend ...Das klingt alles verwirrend. So geballt in diesem Tempo ist es das tatsächlich auch. In 'Psychonauts 2' wird das aber relativ behutsam und Schritt für Schritt enthüllt. Wir steuern Raz durch die Geschichte, lernen alte Bekannte und auch neue Freunde (oder Feinde?) kennen. Dieses Mal dreht sich alles um die Gründung der Psychonauts. Das Gründungsmitglied Ford Cruller traf er schon im ersten Teil. Der „wohnt“ aber mittlerweile in Razputins Verstand und kann nur durch frisch gebratenen Speck aus dem Ohr gelockt werden. Die anderen müssen wir wieder zusammenfinden, denn Maligula stellt eine Gefahr dar, die nur im Teamwork gebannt werden kann. Dabei ist sie (noch) tot. Die Deluginists (von „delusional“, dt. wahnhaft) wollen Sie jedoch per verbotenem Buch und darin geschriebener Nekromantie wiederbeleben. Je tiefer man in die Geschichte von 'Psychonauts 2' vordringt, desto mehr Details kommen ans Licht. Das ist großartig! Wenn man sich auf die Geschichte einlässt, findet man immer mehr Details, Anspielungen (z. B. auf Agentenfilme) oder Storyfetzen. Die Geschichte reichert sich immer weiter an.
... und abwechslungsreich. Überall sind Dinge versteckt, die man immer im Laufe des Spiels sammeln kann. Erkunden ist nicht nur für Upgrades, sondern auch ästhetisch lohnenswert.Entgegen dem ersten Spiel ist es dieses Mal nicht mehr so drastisch in Level aufgeteilt, sondern öffnet sich nach einer Weile immer wieder in kleinere Hub-Welten, die zum Erkunden und Entdecken von Sammelobjekten einladen. Das macht hier einerseits Spaß und ist andererseits auch sinnvoll, denn die Power-ups stärken Razputin spürbar. Man kann sich fragen, warum das denn so viel Spaß macht? In anderen Spielen ist das Sammeln doch völlig öde? Hier kommt das Prinzip von Mario wie in 'Super Mario Odyssey' zum Tragen. Die Welten sind so interessant gestaltet, dass man sie gern erkundet. So wechselt einmal die Perspektive in ein 2D-Buchlevel, es spielt plötzlich in einem grün, überwucherten Urwald oder in einer quietschbunten, übersättigten Welt im Drogenrausch der 1970er Jahre inklusive Comic-Look dank Cel-Shading. Das sind nur ein paar Beispiele, die besonders plakativ sind. Jede Welt sieht aber tatsächlich völlig anders aus und folgt teilweise auch anderen Gesetzen. 'Psychonauts 2' sprudelt vor Kreativität.
Das Erreichen einzelner optionaler Gegenstände erfordert aber auch Skill(s): Wir müssen erst Raz und seine Fähigkeiten beherrschen lernen. Wie in Metroidvania Spielen ähnlich den großartigen 'Ori and the Blind Forest', 'Ori and the Will of the Wisps' oder 'Iconoclasts' lernt man die Fähigkeiten nach und nach. Man kann am Anfang gar nicht alles in den Leveln (meist dem Verstand einzelner Personen) oder in den Hub-Welten entdecken. Dazu braucht es meist Fähigkeiten, die wir eben nach und nach freischalten. So bleibt immer alles übersichtlich, aber das Spiel ködert uns, dass es da noch was gibt, was sich lohnt. Das klingt völlig banal, funktioniert aber in 'Psychonauts 2' hervorragend. Hauptgründe sind die motivierende Story, die liebevoll geschriebenen Charaktere und das Gameplay.
Ein Springen-und-Laufen-und-Kämpfen Spiel
Auch Bosskämpfe fehlen nicht. Die sind selten schwer, dafür immer etwas abwechslungsreich.Das Jump & Run 'Psychonauts 2' hat also narrativen Fokus, setzt viel auf Erkundung – auch durch Jump & Run Mechaniken – und hat auch keinen geringen Teil an Kampfsequenzen. Kämpfe basieren dabei stets auf einem Schere-Stein-Papier-Prinzip. Im Laufe des Spiels erhält man für Rasputin mehrere Fähigkeiten. Neben Nahkampf-Angriffen sind das Telekinese, ein PSI-Schlag, Pyrokinese, Schweben, Hellsehen und mentale Verbindung. Einige klingen im Kampf weniger hilfreich, aber das ist nur am ersten Blick so. Es gibt immer eine einzelne Fähigkeit, die besonders stark gegenüber manchen Gegner ist und eine, die besonders nutzlos ist. Das Spiel wird dabei aber nie unfair oder unschaffbar schwer. Selbst Bosskämpfe haben mit großzügigen Checkpoints kaum Frustpotenzial. 'Psychonauts 2' spielt sich erstaunlich fluffig und gemütlich. Dazu gibt es über die Zugänglichkeitseinstellungen ein ganzes Arsenal an Anpassungen (z. B. Unverwundbarkeit), die auch dafür gedacht sind, wenn man sich zurücklehnen möchte oder aufgrund von Beeinträchtigungen z. B. größere Untertitel benötigt.
Rätsel bedeuten meistens Erkunden und Dinge finden oder erst per Spielmechaniken erreichen. Hier fahren wir per Floß von Insel zu Insel, um einen Gestrandeten zu befreien. 'Monkey Island'-Erinnerungen inklusive.Das Gameplay wird aber auch immer wieder durch Minispiele oder kleinere Rätseleinlagen aufgelockert. Oft werden Rätsel darüber definiert, wie schwierig es ist, an die Stelle eines Schlüsselobjekts zu gelangen. An manchen Stellen muss man aber um die Ecke denken und weniger mit Geschickt springen, um an Orte zu gelangen. Trotz des dynamischen Gameplays hat es also auch einige Momente zum Nachdenken und grübeln. Die Rätsel kann man insgesamt aber mit üblichen umgebungsbedingten Rätseln umschreiben. Minispiele, wie das Nachkochen von Rezepten sind die Ausnahme und fügen sich aber auch in diesem Fall in einer Koch-Gameshow perfekt in die Umgebung ein. Je nach Gründlichkeit warten 20 bis 30 Stunden pure Abwechslung auf Euch.
Sound und Grafik passen perfekt
Die Agentenfilm-Ästhetik der 60er-Jahre ist nicht nur im Setting und in der Inszenierung zu spüren, sondern auch in der Musik.Auf die Inszenierung bin ich beim Leveldesign schon kurz eingegangen. Die Lichtstimmungen, die Kreativität und die teilweise völlige Absurdität haben einen ganz besonderen Charme. Es ist teilweise so abstrus und verrückt, dass man nur staunen kann, was Double Fine uns hier auftischt. Das bedeutet aber nie, dass man kopfschüttelnd ausmachen möchte – im Gegenteil. Es bleibt spannend und jeder kurze Ladebildschirm lässt gespannt hoffen, was dann wieder kommt. Der Ton passt sich ebenso großartig in das Spiel. Die Sprachausgabe gibt es zwar nur auf Englisch, diese kommt aber gewohnt herausragend vertont daher. Perfekt. Besser geht nicht. Deutsche Untertitel sind dabei. Musik und Soundeffekte sind auch absolut oberstes Level: Das ist auf AAA-Niveau produziert, obwohl eben nicht auf zigtausende Polygone und vermeintlichen Photorealismus gesetzt wird.
Wie der Name bei 'Psychonauts 2' schon andeutet, geht es hier um so einige Themen der psychischen Gesundheit. Sie werden zwar auf künstlerische und humorvolle Weise gepackt, aber nicht umsonst steht gleich beim Start des Spiels eine ausführliche Warnung, was für Traumata hier aufgerissen werden können. Das soll hier abschließend noch stehen. Ach ja: Wer eine Zahnphobie hat – nicht vor Zahnärzt*innen, sondern vor Zähnen – wird sich in den ersten Levels schwertun. Dort springt man auf Gaumen, Zähnen und Zungen herum.
Wow. Ich mag Mario nicht sonderlich, schätze aber an der Serie, dass da rein spielmechanisch sehr viel sehr richtig gemacht wird. 'Psychonauts 2' kommt für mich ziemlich nah ran. Neben den beiden erwähnten 'Ori'-Spielen ist das für mich die absolute Oberklasse im Jump & Run Sektor. Ähnlich wie bei 'Ori' kommt wieder ein starker Fokus auf das Storytelling zum Vorschein. Hier ist er aber noch deutlicher und noch besser. Die Geschichte ist stets augenzwinkernd erzählt, reißt so einige schwer verdauliche Themen auf, aber geht damit dann erstaunlich souverän um. Die Story reißt mit, sie ist traurig und bringt zum Lachen. Die großartige Inszenierung und das herausragende Level-Design zeigen, was in 'Psychonauts 2' drinsteckt. Typisch für Double Fine ist dabei einiges schon recht plakativ, aber das Spiel funktioniert hier einfach trotzdem. Großartig. Ich will mehr und ich kann auch dank den Zugänglichkeitsoptionen das Spiel wirklich Euch allen ans Herz legen. Spielt rein, schaut es euch ein. Los!
Hat das eigentlich sonst noch jemand gespielt?
Würde mich schon interessieren, ob das nur für mich so brillant rüberkommt, oder es anderen auch so geht.
Gemeinsam mit der genannten Ori-Reihe und mit abstrichen Iconoclasts zähl ich Psychonauts 2 echt zu den besten Jump & Runs (oder bei den ersteren eher Metroidvanias. Psychonauts ist das nur zum Teil). Mit der echt gut und witzig erzählten Geschichte dann noch besser .
Nach dem eher mauen Broken Age vertraue ich Double Fine wieder ein bisschen mehr.
Ich nicht, werde es mir anhand meine trostlosen finanziellen Lage aber sofort kaufen, sobald es einen guten Sale gibt. Habe bisher auch fast ausnahmslos nur absolut positives gehört. Habe so richtig Bock auf nen gutes Jumpn Run. Meine PS 5 braucht dringend neues Futter ^^
Ich nicht, werde es mir anhand meine trostlosen finanziellen Lage aber sofort kaufen, sobald es einen guten Sale gibt. Habe bisher auch fast ausnahmslos nur absolut positives gehört. Habe so richtig Bock auf nen gutes Jumpn Run. Meine PS 5 braucht dringend neues Futter ^^
Ich weiß... ich mache zu viel unbezahlte Werbung. Aber das Xbox Game Pass Abo würd im Testabo im ersten Monat nur 1€ kosten. Da ist es dabei. Wenn man dann zeitgerecht storniert, wird es auch nicht verlängert (ab dann nämlich 9,99 €) https://www.xbox.com/de-AT/xbox-game-pass/pc-games
Kann aber verstehen, wenn man die Abo-Services nicht gaaanz so gern mag
3 Kommentare
Würde mich schon interessieren, ob das nur für mich so brillant rüberkommt, oder es anderen auch so geht.
Gemeinsam mit der genannten Ori-Reihe und mit abstrichen Iconoclasts zähl ich Psychonauts 2 echt zu den besten Jump & Runs (oder bei den ersteren eher Metroidvanias. Psychonauts ist das nur zum Teil). Mit der echt gut und witzig erzählten Geschichte dann noch besser
Nach dem eher mauen Broken Age vertraue ich Double Fine wieder ein bisschen mehr.
https://www.xbox.com/de-AT/xbox-game-pass/pc-games
Kann aber verstehen, wenn man die Abo-Services nicht gaaanz so gern mag