Eidos Montréal steht aktuell durch den Verkauf an die Embracer Group im Mittelpunkt (wir berichteten). Noch vor ein paar Monaten hat das bekannte AAA-Studio mit 'Marvel's Guardians of the Galaxy' (nicht zu verwechseln mit Telltales Episoden-Adventure) einen Blockbuster für Fans von Action-Adventures mit Story gemacht und natürlich auch für Freunde der Marvel-Helden. Den finanziellen Erwartungen wurde es vermutlich nicht gerecht, denn es ist unerwartet früh im Game Pass von Microsoft gelandet. Wir haben spontan einen Blick darauf geworfen. Im Storyteller-Test erfahrt Ihr mehr darüber.

Papa Quill?
Eins vorweg: Marvel's Guardians of the Galaxy (2021) positioniert sich näher an den Comics, als an den Kino-Blockbustern. Bei der Origin-Geschichte des Teams gibt es zwar weitere Abweichungen, was bei Marvel aber nicht dramatisch stört, da es ohnehin das Multiversum mit vielen Parallelwelten gibt - man könnte sagen, wir spielen eine von vielen Versionen der Guardians.

An vernünftigen Jobs mangelt es, das Geld wird knapp. Wählerisch sein ist keine Option, wodurch wir uns schon in den ersten Minuten mit einem fragwürdigen Auftrag rund um die Beschaffung eines Monsters konfrontiert sehen. Wie so oft läuft dieser nicht nach Plan und resultiert in einer Verhaftung durch die Nova Corps. Auf deren Station hat eine Ex-Freundin von Quill das Sagen... die überraschenderweise eine Tochter hat, deren Alter zufälligerweise exakt mit der letzten gemeinsamen Nacht vor einigen Jahren zusammenpasst. Als wäre all das nicht unangenehm genug, so bricht dort plötzlich die Hölle los. Irgendwie scheint eine manipulative Sekte eine Rolle zu spielen, doch es kommt schlimmer. Bald ist die Galaxie in Gefahr und ausgerechnet die Guardians sind die letzte Hoffnung.
Die Story is zwar purer Mainstream, aber dafür recht unterhaltsam umgesetzt. Die vielen Dialoge zwischen den Marvel-Helden sind zudem spaßig und ihre Persönlichkeit wurde gut eingefangen.
Team-Building
In Marvel's Guardians of the Galaxy (2021) steht das Team-Gefüge im Scheinwerferlicht. Sowohl in den Gesprächen unterwegs und auf dem Schiff (wo Peter Quill zwischen den actionreichen Kapiteln endlich in Ruhe herumspazieren und mit der Crew kurz plaudern kann), als auch im Gefecht und beim Erkunden. Mehrfach ist es notwendig Stellung zu beziehen: schenken wir Gamora bei einem ihrer Alleingänge das Vertrauen? Beschützen wir ein süßes Weltraum-Alpaka und opfern dafür Geräte von Rocket? Auf wessen Vorschlag hören wir, um an Geld zu gelangen?

Im Kampf besteht passend zum Team-Building-Aspekt die Möglichkeit das Team per kurzer Ansprache zu motivieren, wodurch kollektiv mehr Schaden erzeugt wird. Passend zur Stimmung der Gefährten müssen wir von zwei Antwortmöglichkeiten die korrekte wählen. Es gibt hier nur ein paar verschiedene Szenarios und die korrekte Motivation ist nie sonderlich schwer zu entdecken. Was bleibt ist ein witziges Element, das sich schnell abnutzt. Mit dem Kampfsystem befassen wir uns an späterer Stelle ausführlicher.

Grafik und Sound stimmig – Gamedesign mit Luft nach oben
Grafisch hat Eidos Montréal ziemlich gute Arbeit geleistet. Marvel's Guardians of the Galaxy (2021) wirkt recht zeitgemäß, die 3D-Spielwelt ist detailliert und die Charaktere wurden lebendig animiert. Gerade in den Zwischensequenzen wirken Rocket und Co. sehr ausdrucksstark.

Überzeugend ist zuletzt die Sprachausgabe in der englischen Fassung. Die deutsche Version geht ebenfalls in Ordnung, doch hier kommt der Charakter der einzelnen Guardians weniger stark zur Geltung, insbesondere Rocket klingt teilweise zu freundlich.
Gamedesign mit Luft nach oben
Wir steuern Peter Quill direkt, der aus der 3rd-Person-Perspektive seine Teamkollegen gezielt einsetzt, sowohl im Echtzeit-Kampf, als auch Rätseln und Exploration.
Wie sieht es nun bei den Rätseln aus? Rocket ist beispielsweise klein genug um kleine Durchgänge betreten zu können und kennt sich mit Technik aus, Drax glänzt durch Kraft, Groot kann u.a. Brücken erschaffen, Gamora kann Hindernisse durchschneiden und mehr. Selbst Quill hat besondere Fähigkeiten: seine Pistole beherrscht abseits von Feuerkraft vier Elemente, passend zu den Comics. Aus Wasser kann er Eisplattformen machen oder Mechanismen unter Strom setzen.


Jeder Kampf bringt dem Team Punkte. Wurden genug gesammelt, erhalten wir einen Wächterpunkt, der nutzbar ist um eine von drei Kampf-Fähigkeiten freizuschalten. Eine vierte Superfähigkeit wird im Verlauf der Handlung verfügbar gemacht. Zwar kämpfen die anderen vier Teammitglieder selbst ohne Befehl, aber effektiv wird der Kampf erst, wenn die Kampffähigkeiten aufeinander abgestimmt sind. Manche Gegner erholen sich rasch wieder, wenn nicht genug Schaden gebündelt verursacht wird. Wieder andere heilen ihre Soldaten. Nebenbei hat unsere Spielfigur manchmal Spezialaufgaben (etwa mehrere Mechanismen aktivieren). Ist jemand auf dem Spielfeld verletzt, muss er ihn z.B. durch direkten Kontakt heilen, was angesichts der Gegnermengen nicht ungefährlich ist.
Nachdem im Laufe des Abenteuers mehr und mehr Gegner in einer Schlacht warten, kann all das chaotisch werden. Bis zu 20 Fähigkeiten halbwegs im Überblick zu behalten und ansatzweise sinnvoll einzusetzen ist womöglich mühsam. Leicht visiert man via Controller den falschen Gegner an oder ein Teammitglied verstellt plötzlich die Sicht und verhindert, dass wir einen Befehl erteilen. In diesem Fall hätte ich mir oft eine Pause-Funktion wie etwa bei 'Dragon Age'-Rollenspiel-Reihe gewünscht. Dann würde zumindest genug Zeit bleiben, um sich mit den Fähigkeiten in Ruhe zu befassen und sie gezielt einzusetzen.
Schwierigkeitsgrad, lästige Flugeinlagen und Bugs
Marvel's Guardians of the Galaxy (2021) ist selbst auf leichter Schwierigkeit nicht automatisch ein Selbstläufer. Zur Not bietet das Menü aber verschiedene Einstellungen - etwa um den erlittenen Schaden noch weiter zu reduzieren und mehr Schaden zu verursachen. Wem der leichte Schwierigkeitsgrad nicht leicht genug ist, der kann somit Anpassungen vornehmen und sich so besser auf die Story konzentrieren. Gleiches gilt für jene Spieler, die mehr Herausforderung im Kampf suchen.

Obwohl das Action-Adventure optisch einen guten Eindruck macht, leidet es immer wieder unter kleinen technischen Problemen, die durch die vielen automatischen Speicherpunkte aber nicht dramatisch ins Gewicht fallen. Mal ist das Interface im Kampf plötzlich nicht zugänglich, mal kann ein verletztes Teammitglied nicht geheilt werden, mal ist das Wächtermenü bei einem Rätsel nicht verfügbar und in einigen Situationen fällt man bei einem voreiligen Sprung durch die Texturen des Spiels. Solche und andere Probleme häufen sich im Verlauf der Geschichte.
Insbesondere im ersten Drittel war ich von 'Guardians of the Galaxy' hellauf begeistert. Die Story macht Spaß, die Team-Konversationen sind klasse und selbst die kleinen Entscheidungen sind recht nett für ein Action-Adventure. Bei den Gegnern gibt es in dieser Phase genug Abwechslung und die kleinen Rätseleinlagen zwischendurch machen Spaß. Klar, die Quicktime-Events sind von Anfang an ein Griff ins Klo, doch die kann und sollte man im Menü deaktivieren.
Im weiteren Verlauf läuft der Motor weniger rund. Statt Qualität wird im Kampf vermehrt auf Quantität bei den Gegnern gesetzt, was auf dem Schlachtfeld für chaotische Situationen sorgen kann. Durch die zusätzlichen Fähigkeiten der Guardians wird das Gameplay mit der Zeit überladen – ein klassischeres Kampfsystem mit Pause-Funktion hätte eventuell Sinn gemacht. Gefühlt sind sämtliche Level-Abschnitte ähnlich designt, wodurch sich Action und Erkundung mit der Zeit etwas abnutzen. Spaß kann es dennoch einigen machen, aber wer primär für die Story spielen möchte, den könnte die interaktive Ausrichtung stellenweise abschrecken.
Nervig sind zudem zwei Fluglevels, denn das Raumschiff steuert sich arg unintuitiv und hat mit der sonstigen Steuerung wenig zu tun. Und ja, Bugs machen sich zumindest am PC öfter bemerkbar, sie fallen dank der vielen automatischen Speicherpunkte aber nicht dramatisch ins Gewicht. Unterm Strich bleibt jedoch das Gefühl, dass diesem Titel ein, zwei Jahre mehr an Entwicklungszeit enorm gut getan hätten um Gamedesign und Technik zu optimieren. Für mich hätte es zudem ruhig viel stärker in die Rollenspiel-Richtung gehen können, denn ich vermisse optionale Nebenmissionen. Trotz ihrer strengen Linearität bleibt die sehr solide umgesetzte Story unterhaltsam und die Marvel-Charaktere wurden gut adaptiert. Was bleibt, ist also ein Spiel der gemischten Gefühle, das stark beginnt, aber sich mit der Zeit zusehends in Richtung solidem Durchschnitt bewegt.
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Marvel's Guardians of the Galaxy (2021)
- Entwickler
- Eidos Montreal
- Publisher
- Square Enix Ltd.
- Release
- 26. Oktober 2021
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://guardiansofthegalaxy.square-enix-games.com/de/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Marvel's Guardians of the Galaxy (2021) bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
- Schlagwort: Storyteller
4 Kommentare
Avengers und Guardians of the Galaxy haben laut Square Enix einen Verlust von 200 Millionen USD verursacht. Allein zum Ausgleich der Verluste sollten das mehrere Millionen Exemplare sein, die sie einkalkuliert hatten.
Das spricht dafür, dass die prognostizierten Verkaufszahlen immens hoch sein hätten sollen - und das bedeutet AAA. Denn das ist traditionell von den Publishern das Label für Spiele, die sich extrem gut verkaufen sollten.
Klar, ein bisschen Hollywood-Buchhaltung wird dabei sein, aber das passt in ähnliche Sphären wie Tomb Raider und Deus Ex, denen auch keiner den AAA-Status aberkennen würde
AA-Titel ist so was wie z.B. The Sinking City oder A Plaque Tale.
Ich wollte es auch wirklich mögen, aber für Adventure-Spieler sind die zahlreichen Kämpfe einfach zu viel und es macht auf Dauer keinen Spaß. Telltales Guardians of the Galaxy ist eindeutig die bessere Wahl und macht auch viel mehr Spaß.