Roberta Williams, Jane Jensen – zweifellos zwei der größten Namen, die das Adventuregenre je hervorgebracht hat. Williams erkannte Jensens Ausnahmetalent in Sachen Storytelling schon früh und so ging sie bei der Planung ihres sechsten 'King´s Quest '-Teils neue Wege, indem sie erstmals eine andere Autorin, außer sich selbst, an das Schreiben das Scripts ließ und diese auch noch als Co-Designerin beschäftigte. Die Rede ist natürlich von der jungen 'Sierra'-Mitarbeiterin Jane Jensen, die sich zuvor u.a. durch ihr Script zu 'Police Quest 3' ihre Sporen verdient hatte. So sorgte das Duo 1992, im bis dahin aufwendigsten Projekt der kalifornischen Sierra-Studios, nicht nur für eines der besten Märchen-Adventures überhaupt, sondern nebenbei auch noch für den wahrscheinlichen Höhepunkt der legendären 'King´s Quest'-Reihe. Wir haben uns für Euch ins Land of the Green Isles begeben und laden Euch nun in ein Reich voller Magie, Gefahren und denkwürdiger Kreaturen ein.

Traumfrau vermisst...
Es hätte so schön sein können, da stößt Prinz Alexander von Daventry im fünften 'King´s Quest'-Teil endlich auf seine Traumfrau und dann ist die Gute wie vom Erdboden verschluckt. Nach ungewissen Monaten, in denen der Sohn von König Graham an nichts anderes denken kann, als an seine geliebte Cassima, funkelt ihr Anlitz dem Prinzen urplötzlich aus einem magischen Spiegel entgegen. Anhand der Sternenkonstellation, die Alexander in dieser Vision erkennen kann, begibt er sich auf eine monatelange Seefahrt, orientiert sich an den Sternen um endlich den Aufenthaltsort seiner Cassima zu finden. Als sein Schiff in ein schweres Unwetter gerät, strandet Alexander im Land of the Green Isles, ein aus mehreren Inseln bestehendes Reich, in dem er schnell auf die Fährte seiner Verflossenen gerät. Diese wird in einer Festung von dem niederträchtigen Großvisir Alhazred gefangen gehalten, der bereits mitten in den Hochzeitsvorbereitungen steckt und alles daran setzt, seinen Mitbuhler unter die Erde zu bringen. Will sich Alexander dem Großvisir stellen und Cassima befreien, so gilt es erst die verschiedenen Inseln zu bereisen, Freunde zu finden und allerlei Gefahren zu überstehen.Dabei trifft der Prinz auf der idyllisch-gefährlichen Inselgruppe auf faszinierende Fabelwesen, verirrt sich im Labyrinth des Minotaurus, macht in der Unterwelt die Begegnung mit dem Tod, der ihn mit einer denkwürdig-tragischen Aufgabe konfrontiert und wie sollte es anders sein, am Ende erhält Alexander endlich die Gelegenheit mit dem Großvisir um Cassima zu kämpfen.Doch ist dies lediglich ein winziger Umriss der Abenteuer, die es im Land of the Green Isles zu bestehen gibt. Weitere Einblicke in die Hintergründe des Landes der grünen Inseln verschafft ein von Jane Jensen geschriebenes Handbuch, in dem sie ausführlich über die Historie und Hintergründe der Märchenwelt erzählt. Das Auseinandersetzen mit diesen Thematiken ist größtenteils optional (mehr dazu im Verlaufe des Tests), sorgt aber durch Jensens fantasievolle Umschreibungen für einen noch größeren Bezug zur Spielwelt.
Steuerung
Wer etwas mit den klassischen Point and Click-Vertretern aus dem Hause Sierra vertraut ist, wird sich naturgemäß auch in 'King´s Quest 6' zurechtfinden. Mit der rechten Maustaste klicken wir uns durch vier Möglichkeiten mit denen wir mit der Umwelt interagieren: Laufen, Betrachten, Sprechen und ein Aktionsbutton, mit dem wir Gegenstände nehmen und Hotspots manipulieren. Haben wir vorher im Inventar einen Gegenstand vorausgewählt, taucht dieser per Rechtsklick als fünfte Interaktionsmöglichkeit auf. Mit der linken Maustaste führen wir dann die jeweilige Aktion aus bzw. steuern Alexander durch die Gegend. Wie gewohnt, können wir auch einfach die Maus an den oberen Bildschirmrand fahren, wo sämtliche dieser Optionen als optische Darstellung wiedergeben und per Linkslick anwählbar sind. Hinzukommen in der oberen Bildschirmleiste das Inventar und Menü. Im Optionsmenü befindet sich auch der Sierra-typische Punktestand, der uns grob signalisiert, wie unsere bisherigen Fortschritte im Spiel im Gesamtkontext einzuordnen sind. Etwas negativ fällt im Menü auf, dass es lediglich die Optionen Sprache oder Text gibt, aber nicht beide zusammen auswählbar sind, das wäre definitiv nicht nötig gewesen.
Verpixelt gut
Seiner Zeit war Prinz Alexanders Reise durch das Land der grünen Inseln definitiv ein optischer Blickfang, woran sich im Grunde bis heute nicht viel geändert hat. Nicht nur, dass sämtliche Hintergründe sehr schön gezeichnet wurden und in einer enormen Farbvielfalt digitalisiert wurden, die Mischung aus verschiedenen Stylistiken verleiht der stimmungsvollen 256 Farben-Pracht auch noch jede Menge Abwechslung. Von der orientalisch angehauchten Isle of the Crown, über die afrikanisch beeinflusste Isle of the Mysts, von idyllischen grünen Landschaften über finstere Sümpfe, vom Reich der Toten bis hin zu einer eigenen Version des Olymps, hier geben sich Quantität und Qualität die Klinke in die Hand. Gemein haben die einzelnen Screens auch die vielen, kleinen, liebevoll eingeflochtenen Details, die es zu entdecken gibt, ohne dass alle davon wirklich relevant für den Spielverlauf wären.
An den stark verpixelten Figuren hat der Zahn der Zeit natürlich deutlich mehr genagt, wobei in Dialogen Alexander und einige seiner Gesprächspartner (komischerweise nicht alle) in kleinen Fenstern gezeigt werden, die aus einfachen Zeichnungen, nicht aus Pixel-Sprites bestehen. Auch die ebenfalls gezeichneten Cutscenes überzeugen. Der technische Clou der damaligen Zeit verbirgt sich allerdings im aufwendigen Intro. Hier gibt es (zum Teil) vorgerenderte Umgebungen, mitsamt dreidimensionalen Kamerafahrten zu bewundern, die manch einem Adventurefan 1992 noch die Kinnlade nach unten klappen ließen.
Cassima´s Theme
Nicht nur der Plot, die Charaktere und die liebevolle Optik sorgen dafür, dass das Land of the Green Isles zu einem Ort wird, den manch Adventurespieler wohl nur ungern so schnell wieder verlassen wird, auch der exquisite Soundtrack sorgt für märchenhafte Stimmung und spult dabei eine große Bandbreite an verschiedenen Stücken ab. Romantik bzw. große Emotionen, bedrohliche Klänge, epische Märchenstücke- so verschieden die Optik und Stimmung einzelner Schauplätze, so organisch die musikalische Anpassung an selbige, besonders einige sehr schöne Klavierstücke (in der akustisch aufgemotzten CD-Version) sorgen für wohlige Gänsehaut.
Auch bei der akustischen Hintergrundkulisse kann der sechste Spross der legendären Reihe punkten: Vogelgezwitscher, Möwenschreie, Meeresrauschen, alles Dinge, die die idyllische Seite von 'King´s Quest 6' gelungen unterstreichen. Im Labyrinth des Minotaurus hingegen, sorgen bedrohliche, nicht identifizierbare Geräusche dafür, dass nicht nur das Herz unseres Helden schneller pocht.
Bei den Sprechern, des ausschließlich in englischem Ton veröffentlichten Titels hingegen, gibt es Licht und Schatten zu vermelden, obwohl zum ersten Mal -in der langen Historie der Serie- einige Profisprecher verpflichtet wurden. Während der Erzähler wie auch der Held Alexander mit guten stimmlichen Leistungen überzeugen und einige Nebencharaktere wie zb. der mit versnobbt-britischem Akzent sprechende Bücherwurm für ausgelassene Skurrilität sorgen, übertreiben es andere Sprecher etwas mit ihrem Pathos oder gekünstelten Betonungen. Letzten Endes aber, fällt dies nicht sonderlich störend ins Gewicht, da die Worte Kitsch und 'King´s Quest' ohnehin eng genug miteinander verbunden sind, um sich dieses Umstandes wegen nicht zu grämen.
Die Erforschung einer befremdlich-anziehenden Welt
Auf den fünf Inseln gilt es alles einzusacken, was nicht niet und nagelfest ist und dann später an anderer Stelle diese Items mit der Umwelt zu verwenden. Manch 'Sierra'-unerfahrener Spieler mag sich hier vielleicht einen "Snoopkey-“ herbeisehnen, denn der Detailreichtum der Landschaften macht es dem Spieler, wie von Roberta Williams und Co damals gewohnt, nicht wirklich leicht immer zu wissen, welche der vielen Details denn nun konkret für den Spielverlauf von Bedeutung sind. Für erfahrene Spieler mag jedoch gerade hier drin ein besonderer Reiz liegen.
Generell gilt: Sich alles ansehen, was möglich ist, denn nicht selten lassen einen die Beschreibungen des Erzählers weitere Schlüsse ziehen, besonders wenn es um Rätsellösungen geht. So wird neben sorgfältigem Erforschen auch vorausgesetzt, bei Dialogen ganz genau aufzupassen, denn gerade hier lassen sich oft entscheidende Tipps aufschnappen, die uns einen möglichen nächsten Schritt andeuten. Durch die Hinweisstellungen sind viele der oft anspruchsvollen Rätsel also durchaus im fairen Bereich, auch wenn es viel an spezieller Adventure-“Logik“ benötigt, um etwa darauf zu kommen, dass man mit einem Eisbergsalat einen kochenden Geysir abkühlen kann. Positiv ist die Freiheit, die dem Spieler dabei zur Seite gestellt wird. Viele Aufgaben lassen sich in einer nicht festgelegten Reihenfolge lösen, so dass wir oft erstmal an einer anderen Ecke des Spiels weitermachen können, wenn wir festhängen. Multi-Linearität bietet das Spiel auch zum Ende hin und überlässt uns dabei unterschiedliche Wege um im letzten Abschnitt zum Finale vorzustoßen.
Von Sackgassen und ungebetenen Todesfällen
Sehr viel weniger positiv ist ein Abschnitt, in dem wir in einem Labyrinth eingesperrt werden. Aus Spannungssicht eine sehr gelungene wie atmosphärisch-düstere Stelle, aus spielerischer Sicht aber, ein reiner Garant um den Spieler zu frustrieren. Zu weitläufig ist die Fläche um sich nicht viele Male zu verfransen, oder noch schlimmer, später benötigte Gegenstände nicht mitzunehmen und zu einem späteren Zeitpunkt in eine extrem fiese Sackgasse zu geraten. Mein Tipp aus leidensgeprüfter Erfahrung: Rätselehre hin oder her, hier sollte man eine Komplettlösung zu Rate ziehen, zu groß ist unter Umständen der Schaden, wenn man reichlich später, nachdem man das Labyrinth längst verlassen hat, wie bereits erwähnt, einen wichtigen Gegenstand nicht mitgenommen hat, den man im Wust aus einzelnen Räumen nicht gefunden hat. Es gibt noch die ein oder andere wirklich fiese Sackgasse, während die meisten dieser Fälle durch regelmäßiges Speichern leicht zu egalisieren sind, ohne einen großen Teil des Spiels wiederholen zu müssen. Nur die (schätzungsweise) zwei, drei ganz bösen Sackgassen, die große Teile des Spielfortschritts zu Nichte machen, wirken wie ein Pflock mitten ins Herz eines großartigen Spiels.

Funktionalität auf modernen System
Hier bietet sich standesgemäß die Dosbox an. Die inzwischen erhältliche Steam- und GOG-Version funktioniert darüber.
Verfügbarkeit
Bei Ebay oder Amazon Marketplace wird man ohne Probleme an den Titel kommen, ohne sonderlich große Summen dafür entlohnen zu müssen. Deutlich abzuraten, ist allerdings von der akustisch deutlich abgespeckten Diskettenversion. Wer die volle Dröhnung 'King´s Quest' benötigt, kann auch die Augen nach der 'King´s Quest'-Collection offen halten, die die ersten sieben Teile enthält- ganz preiswert wird man diese aber voraussichtlich nicht erstehen können. Wenn Ihr 'King´s Quest 6' ersteigert, vergewissert Euch unbedingt, dass das von Jane Jensen verfasste Handbuch "Handbook to the Land of The Green Isles“ im Lieferumfang enhalten ist, da dieses neben ausgiebigen Informationen über die Spielwelt auch als Kopierschutz fungiert und sich die gestellten Fragen an der Logikklippe nur mit dem Handbuch beantworten lassen!!!
Roberta Williams wusste, warum sie sich Jane Jensen für ihr bis dahin kostenintensivstes - wie ehrgeizigstes Projekt- an Bord holte und das Ergebnis spricht in Form des inhaltlich stärksten Spiels der Reihe für sich. Ein episches Script, voller brillanter Einfälle, mit einigen unvergesslichen Adventuremomenten, wie zb. dem Abstieg in die Unterwelt und der Begegnung mit dem Tod, faszinierende Charaktere en masse- tragisch, liebenswert, bösartig. Das Land of the Green Isles ist in der Vermischung allerlei bekannter Mythologien und Märchen, sowie liebevoller Hintergründe und stimmungsvoller Musik, ein faszinierend- atmosphärischer Ort durch und durch. Wären da nur nicht die bösen Designschnitzer, wie man sie von Roberta Williams kennt- auch wenn das Gameplay insgesamt dennoch mit einigen sehr guten und unterhaltsamen Rätseln, sowie multi-linearen Elementen punkten kann. Die meisten (!) Sackgassen, wie auch die etlichen Todesvarianten, können sich mit regelmäßigem Speichern noch gut überbrücken lassen, da man oft nicht weit zurückspringen muss. Wenn es dann aber mal soweit kommt, dass man an einem nicht wieder bereisbaren, längeren Abschnitt des Spiels, einen unscheinbaren Gegenstand nicht mitgenommen hat, der später dringend benötigt wird, ist unnötiger Frust vorprogrammiert. Bei ihrem ersten Spiel in Eigenregie 'Gabriel Knight: Sins of the Fathers', machte Jensen Schluss mit den ewigen Sackgassen, hätte sich auch Williams hierzu hinreißen lassen, wäre 'King´s Quest 6' ein Kandidat für 5 Lupen geworden, so bleibt am Ende immer noch ein hinreißender Klassiker mit Schwächen im Spieldesign und die Erkenntnis, dass die junge, hochbegabte Schülerin die zu Recht legendäre Meisterin schon damals überflügelt hatte.
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King's Quest 6: Heir Today, Gone Tomorrow
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 1992
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
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