Wir tauchen ein in eine Zeit, an die sich Adventure-Gamer der ersten Generation sicher noch erinnern können. Grafik-Adventures feierten damals ihre Premiere und das Genre war im Aufschwung. Sierra-On-Line als feste Größe startete 1987 neben 'King's Quest' und 'Space Quest' jedenfalls ihre dritte Quest-Reihe. Die Rede ist natürlich von 'Police Quest: In Pursuit of the Death Angel'. Entwickelt von bekannten Namen wie Scott Murphy, Al Lowe und Ken Williams, basiert das Grafik-Adventure bereits auf der AGI-Engine, es enthält allerdings noch die zu der Zeit typische Parser-Befehlseingabe. Das Jahr hatte ansonsten einige Veröffentlichungen zu bieten und so musste sich 'Police Quest' gegen Titel wie 'Leisure Suit Larry', 'Space Quest 2' oder das von Lucasfilm Games veröffentlichte 'Maniac Mansion' behaupten. In welchem Licht es heute steht, das schauen wir uns in diesem Klassikertest genauer an.

Lytton, Kalifornien
Die familienfreundliche Kleinstadt wird zusehends zum Drogensumpf. Der Boss eines Händlerrings hat diesen Ort zum Zentrum seiner Tätigkeiten gemacht. Man nennt ihn nur “Death Angel”. Besorgniserregend ist unter anderem, dass selbst die ansässige High School davon betroffen ist und immer mehr Schüler in die Drogen-Kriminalität hinein geraten. Marihuana und Kokain sind schnell und einfach zu bekommen. Ganz Lytton ist deshalb in Aufruhr, Diebstähle häufen sich und selbst vor Mord schrecken die Gangster nicht zurück. Nachdem Sonny Bonds, Streifenpolizist, in einige Ordnungswidrigkeiten eingegriffen hat, gerät er bei einer Verkehrskontrolle an einen gefährlichen Geschäftspartner des Drogenbosses und macht ihn dingfest. Als Bonds dem Drogendezernat zugeteilt wird, beginnt die Jagd nach dem Death Angel.
Ein realistischer Einblick in die Polizeiarbeit
Ideengeber für 'Police Quest' war der Ex-Polizist Jim Walls. Die Erfahrungen aus seinem Leben als Gesetzeshüter haben das Game also sehr geprägt. Die gewollte
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Lytton Police Department - Wir sehen Sonny Bonds im Gespräch mit zwei Kollegen |
realitätsnahe Umsetzung war so gut gelungen, dass das Spiel in den USA damals sogar zu Schulungszwecken in der Polizei-Ausbildung verwendet wurde. Der mitgelieferte “Policeman's Indoctrination Guide” informiert über die Pflichten eines Police Officers. Diese müssen vor Dienstbeginn unbedingt studiert und eingehalten werden. Der Guide enthält beispielsweise Verhaltens- und Vorgehensweisen bei Unfällen, Verkehrskontrollen, Festnahmen und vieles mehr. Verhält man sich nicht gemäß den Richtlinien, überfährt z. B. eine rote Ampel ohne Blaulicht, so bedeutet das ein vorzeitiges Ende. Solche Fehltritte gelingen einem als frisch gebackenem Polizisten sehr schnell. Wenn man unvorsichtig handelt, kann es in brenzligen Situationen auch sein, dass man niedergeschossen wird. Die Speicher-Option sollte deshalb sehr oft genutzt werden. Die Tatsache, dass das Abenteuer schnell vorbei sein kann, erzeugt bei 'Police Quest' weniger Frustation, also dann doch mehr Spannung.
Ein Tag als Sonny Bonds
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Aus der Vogelperspektive steuern wir den nächsten Einsatzort an. |
Als Sonny Bonds beginnen wir den Arbeitstag mit einem Briefing, fahren Streife und treffen uns, wie es sich für einen schwer arbeitenden Polizisten gehört, mit einem Kollegen in der Mittagspause zu einem Kaffee. Die beigelegte Karte hilft uns dabei, wichtige Lokationen und Einsatzorte ausfindig zu machen. Wir erledigen Papierkram und wohnen Gerichtsverhandlungen bei. Abgesehen davon haben wir es mit diversem Pöbel zu tun und dürfen uns ab und zu beschimpfen lassen. Sogar in einen Undercover-Auftrag werden wir im Verlauf des Spiels verwickelt. Die Vielseitigkeit der Einsätze und der zu erkennende rote Faden machen das Adventure rund um spannend, auch wenn man nicht von großer Spieltiefe oder Charakterdesign sprechen kann. Eine Portion Humor darf natürlich auch nicht fehlen. In der aktuellen Ausgabe des Lyttorn Tribune ist zu lesen, dass das Königreich Daventry aus 'King's Quest' von einem dreiköpfigen Drachen belagert wird. Die Ernsthaftigkeit jedoch überwiegt. Deutlich wird es, als im Laufe der Ermittlungen die Tochter eines Officers bei einer Überdosis ums Leben kommt.
Sierra hat bekanntlich immer gern mit dem Punkte-System gearbeitet. So auch hier. Jede wichtige Handlung streicht uns Punkte ein, wobei die Höchstpunktzahl bei 245 liegt. Um das Spiel erfolgreich zu lösen benötigt man nicht die volle Punktzahl, jedoch kann es Ansporn sein, 'Police Quest' wiederholt zu spielen, um diese zu verbessern.
Steuerung per Tastatur, ganz ohne Maus
Die Steuerung geht, außer beim Auf- und Absteigen von Treppen, leicht von der Hand. Die Pfeiltasten auf der Tastatur bewegen entweder Sonny Bonds
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Cursor hoch, Cursor rechts, Cursor hoch, Cursor rechts - so steigen wir Stufe für Stufe die Treppe hinauf |
durch die Schauplätze oder den Dienstwagen durch die Straßen von Lytton-City. Der Parser wird genutzt, um Befehle in englischer Sprache einzugeben, die Sonny befolgen muss. Eine kleine Auswahl an Verben werden bereits im Policeman's Indoctrination Guide aufgeführt um den Einstieg zu erleichtern. “Open Door”, “Look”, “Take Paper” sind einige davon. Der Großteil des Gameplays besteht allerdings daraus, kreativ nach Befehlen für den richtigen Moment zu suchen. Zwar muss hier nicht auf Grammatik geachtet werden, auf Präpositionen kann getrost verzichtet werden, doch ist leicht negativ zu bewerten, dass der Parser nur ein begrenztes Vokabular erkennt. So kann es leicht geschehen, dass der Spieler zwar die richtige Handlung erkennt, aber den falschen Befehl eingibt. Glücklicherweise gibt es heutzutage Online-Übersetzer, die einem beim Synonyme suchen aushelfen. Einige Handlungen können auch per Hotkey ausgeführt werden: “F4” beispielsweise lässt Sonny in das Auto einsteigen oder es starten, mit “Strg+D” nutzt man das Funkgerät.
Früher war alles besser...
...ein Ausspruch, den Nostalgikern oft aussprechen. Bei der Grafik und dem Sound von 'Police Quest' werden da sicherlich nur wenige zustimmen. Wir haben es mit einer niedrig auflösenden EGA-Grafik (bis zu 160 x 200) zu tun, die jedoch für diese Zeit liebevoll und detailliert daher kommt. Es mag für junge und moderne Spieler abschreckend sein, doch tatsächlich findet man sich in der Pixel-Stadt Lytton nach kurzer Eingewöhnung sehr gut zurecht. Schlimmer ist der fiepsende PC-Speaker-Sound, der glücklicherweise sehr rar gehalten ist.
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Trotz EGA-Grafik wird klar: Hierbei handelt es sich nicht um Petersilie und Puderzucker. |
Neben einer annehmbaren Titelmelodie und der musikalischen Untermalung in der Schlusssequenz, gibt es neben ein paar Soundeffekten lediglich drei bis vier besondere Momente. in denen Musik Spannung erzeugen soll. Ansonsten bleibt es angenehm still. Das kann man allerdings auch negativ empfinden.
Verschiedene Versionen und ihre Verfügbarkeit
Entwickelt für den IBM-PC, kam es auch für Apple II, Commodore Amiga und Atari ST auf den Markt. 1992 erschien ein Remake in VGA-Version. Das Original wird man in den bekannten Online-Auktions-Häusern ergattern können, als Kollektion jedoch bekommt man sogar beide Versionen von 'Police Quest I: In Pursuit of the Death Angel' inklusive den Teilen zwei, drei und vier. Die Software Dosbox sorgt für problemloses Spielen auf allen Windows-Systemen. Grundsätzlich wird man es auch mit der scummvm-Engine zum Laufen bekommen, bei mobilen Endgeräten kann es jedoch ohne entsprechende Tastatur zu Problemen kommen. Der Grund dafür ist die Funktion der Hotkeys. “F10” betätigt bei einer Verfolgungsjagd Blaulicht und Sirene und ist zwingend notwendig. Aus irgendeinem Grund gibt es für diese Betätigung auch keinen Parser-Befehl.
'Police Quest I: In Pursuit of the Death Angel' ist mit seiner veralteten Grafik und Soundqualität sicher nicht für jeden was. Wer sich jedoch damit anfreunden kann, sollte sich dieses Stück Adventure-Game-Geschichte auf jeden Fall zu Gemüte führen. Die Parser-Befehlseingabe liefert eine erfrischende Abwechslung zur Steuerung moderner Adventure. Zwar gab es weniger Rätsel im herkömmlichen Sinne und keine Gegenstände zu kombinieren wie bei 'Maniac Mansion', doch war ich sehr überrascht, wie viel Spaß mir dieser spannende Krimi-Titel machte. 'Police Quest I- In Pursuit of the Death Angel' ist definitiv ein Top-Klassiker und hat mich neugierig auf die Fortsetzungen gemacht, die ich mir mit großer Vorfreude anschauen werde. Zu erwähnen bleibt noch, dass sich das gesamte Spiel auf einem mittleren Schwierigkeitsgrad bewegt, der für Anfänger wohl etwas zu knifflig, für erfahrene Hasen aber keine zu harte Kopfnuss sein sollte.
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