Rund zwei Jahre nach der Veröffentlichung von 'The Colonel's Bequest', in dem die junge Hobby-Detektivin Laura Bow ihren ersten Auftritt hatte, veröffentlichte Sierra mit dem Adventure 'The Dagger of Amon Ra' einen Nachfolger. Diesesmal will Laura eigentlich nur Ermittlungen im Fall eines gestohlenen antiken Dolches anstellen, doch wieder sterben die Menschen um sie herum wie die Fliegen. Anlässlich der Neuveröffentlichung auf GOG haben wir auch den zweiten Teil einem Klassikertest unterzogen. Wir haben uns dafür die deutsche Version vorgenommen, die jedoch noch nicht bei GOG erhältlich ist.

Ein Dolch und die ägyptischen Götter
Laura Bow hat ihr Studium beendet und will nun die große, weite Welt sehen. Dafür macht sie sich auf ins New York der 1920er Jahre, wo sie eine Stelle als Reporterin antreten möchte. In der Großstadt angekommen, wird sie zuerst einmal ausgeraubt und wir stellen fest: Die Schönheit vom Lande ist zu naiv für die Großstadt. Unerschrocken von diesen ersten Erlebnissen stellt sie sich bei der Tageszeitung vor und bekommt auch gleich ihren ersten Reportage-Auftrag. Im Leyendecker-Museum wird eine Ausstellung über das antike Ägypten eröffnet. Im Vorfeld ist der wertvolle Dolch des Amon Ra abhanden gekommen und Niemand weiß, wer hinter dem Diebstahl steckt. Vielleicht findet Laura ja etwas heraus? Nachdem sie erste Erkundigungen in der quirligen Großstadt eingeholt hat, geht es endlich ins Museum. In dessen eindrucksvoll geschmückter Eingangshalle gibt sich die ganze Prominenz von New York ein Stelldichein: Neben dem Museumsdirektor und einigen Mitarbeitern trifft Laura auf den Polizeichef, einen Kleinkriminellen, eine reiche Gräfin und jede Menge weiterer illustrer Gestalten. Irgendjemand aus dieser bunten Runde hat doch bestimmt etwas mit dem Diebstahl zu tun! Laura nimmt sogleich die Ermittlungen auf und nimmt die Anwesenden ins Verhör.
Die Zeit verrint wie im Fluge und die Party neigt sich dem Ende, als Laura sich noch einmal im Museum umschaut. Dabei fällt ihr ein roter Fleck unter einem Sarkophag auf - Klar, der Paraoh, der darin begraben ist, muss ja tot sein. Aber warum blutet er nach hunderten von Jahren noch? Ehe sie sich versieht, steht Laura einer Leiche gegenüber - Wieder einmal - und es wird nicht der letzte Mord an dem Abend gewesen sein...
Tote pflastern ihren Weg
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Die Texte richten sich eher an ein Erwachsenes Publikum |
Laura kennt das ja schon aus ihrem vorherigen Abenteuer: Wo sie auftaucht, müssen andere Menschen sterben. So ist es auch hier und wieder läuft die Geschichte wie ein interaktives Theaterstück ab. Die einzelnen Akte sind in Zeitabschnitte unterteilt, die wiederum nach bestimmten Aktionen oder einem im Verborgenen laufenden Timer weiterschalten. Ebenfalls wie im Vorgänger 'The Colonel's Bequest' bedeutet das für uns, dass wir Aktionen, Gespräche oder andere Dinge verpassen können und dadurch nicht das beste Ende der Geschichte erreichen. Wobei man Sierra-typisch auch sehr schnell ein vorzeitges Ende "erleben" kann, denn an jeder Ecke lauern Todesfallen für Laura. Hat sie etwa beim Überqueren der Straße nicht zuerst nach rechts und links geschaut? Pech gehabt - der nächste Fahrer freut sich über eine neue Kühlerfigur. Auch im späteren Spielverlauf lauert an jeder denkbaren und noch mehr undenkbaren Ecken der Tod auf unsere junge Reporterin. Wenn sie alle Gefahren übersteht, erleben wir zusammen mit ihr eine interessante Krimigeschichte, die sich gut in die damalige Zeit einfügt und die auch einige Wendungen bietet. Wie es sich für einen guten Krimi gehört, hätte nahezu jeder ein Motiv. Und natürlich entstammen alle Charaktere auch den üblichen Klischees. Sei es die reiche alte Dame, deren Ehemänner unglücklicherweise immer kurz nach der Hochzeit versterben, ein Polizist der eher seinem Alkoholdurst als seinem Dienst nachgeht oder die hübsche junge Dame aus Paris, die allen Männern den Kopf verdreht und sich gern zu "privaten Gesprächen" mit diversen Bekanntschaften in ruhige Ecken trifft.
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Laura lauscht mehr oder weniger unauffällig den Gesprächen |
Leider hat die Geschichte ein großes Problem mit der Logik. Nach dem ersten Mord werden alle Anwesenden im Museum eingeschlossen, damit der oder die Täter nicht entkommen können. Die noch lebenden Charaktere vertreiben sich nun die Zeit damit, durch das Leyendecker-Museum zu laufen. Das macht auch Laura, die so nach und nach alle Leichen entdeckt und deswegen für die anwesenden Sicherheitskräfte zur Hauptverdächtigen wird, weil sie immer als Erste über die Toten stolpert. Nun kommt Laura also in einen Raum, in dem eine Leiche liegt (die sie auch erst dann wahrnimmt, wenn wir sie betrachten) - in dem Raum sind aber eventuell auch andere Gäste des Museums unterwegs, die von der Leiche überhaupt nichts mitbekommen und einfach weiter ihrer Wege gehen. Durch dieses Manko wird schnell und wiederholt die Immersion zerstört. Wenn Laura sich zu Beginn des Spiels beim heimlichen Belauschen recht ungeschickt anstellt, fühlt sich das ebenfalls nicht überzeugend an.
Red' mit mir!
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Die Gesprächsführung ist umständlich |
In ihrem zweiten Fall zeigt sich die Detektivin deutlich gesprächiger. Gab es in 'The Colonel's Bequest' oft nur sehr kurze Antworten, entwickeln sich jetzt ganze Dialoge mit umfassenden Informationen aus den Fragen, die Laura den anderen Anwesenden stellt. Hier zeigt sich aber auch eine sehr große Schwäche des Spiels: Die Dialogsteuerung ist extrem umständlich gehalten. Anders als im etwas jüngeren 'Gariel Knight' werden mögliche Themen nicht in Form eines Auswahlmenüs präsentiert, in dem dann auch die Gespräche ablaufen. Stattdessen klickt man mit dem Fragen-Symbol auf den gewünschten Gesprächspartner, wählt dann aus Lauras mehrseitigem Notizbuch ein Thema aus, klickt anschließend auf das "Exit"-Symbol und hört sich die Antwort an. Für die nächste Frage muss dieser Vorgang wiederholt werden. Eine mühsame Geschichte, gerade weil Laura sehr viele Fragen stellen kann. Zu Beginn des Spiels ist das noch einigermaßen spielbar, später laufen einige Gesprächspartner durch das Museum und warten nicht, bis wir mit dem Fragezeichen erneut auf sie geklickt haben. Bis wir soweit sind, kann der zu Befragende schon im nächsten Raum sein, was dann dazu führt, dass man auf manche aufschlussreiche Information lieber verzichtet.
Schicke Grafik und "moderne" Steuerung
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Die Grafik ist wirklich gelungen. |
'The Dagger of Amon Ra' bietet Grafik in schönster VGA-Pixelgrafik die damals wirklich zu begeistern wusste, was man ihr auch heute noch anmerkt. Ähnliches gilt für den Sound, der mit toller Roland-Musik und Geräuschen vom Soundblaster überzeugte. Es gab sogar ein gesungenes Lied, was damals nun wirklich noch keine Selbstverständlichkeit war. Eine englische Sprachausgabe findet sich sogar auf der CD-Fassung. Die schicke Grafik hat jedoch auch ein Problem: Viele Objekte verstecken sich so gut im Hintergrund, dass man sie nur schwer finden kann. Dazu stellt sich Laura (besonders bei Gesprächen) auch gern mal automatisch so vor andere Personen, dass nur noch eine Handvoll Pixel vom Gegenüber zu sehen sind. Wenn man nun also eine Aktion starten möchte, muss man jedes Mal ganz genau zielen.
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Laura schwebt oft in Gefahr |
In Sachen Steuerung profitiert das Adventure von der Sierra-Icon-Leiste, die alle erforderlichen Befehle am oberen Bildrand einblendet, wenn man die Maus dorthin bewegt. In der Leiste findet sich auch das Inventar, das in einem Extrakasten eine ähnliche Befehlsauswahl bietet. Wie schon erwähnt ist die Dialogsteuerung sehr umständlich gehalten und auch einige andere Designentscheidungen können schnell für Frust sorgen. So gibt es natürlich die Möglichkeit, dass Laura Gegenstände nicht eingesteckt hat und das erst kurz vor dem Finale bemerkt. Dann aber ist es zu spät, um umzukehren und das Spiel nimmt kein gutes Ende. Bei der Untersuchung der letzten Leiche darf man auch erst die Nahansicht verlassen, wenn man alles entdeckt hat, denn obwohl sich Laura nicht bewegt und auch sonst nichts passiert, kann sie im Anschluss nicht mehr in die Nahansicht zurückkehren. Auch in diesem Fall erleben wir nicht das gute Ende.
Deutsche Texte zum Abgewöhnen
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Der Saustecher... Heiligs Blechle! |
Die deutsche Lokalisation von 'The Dagger of Amon Ra' wurde von Sierra selbst durchgeführt und ist wirklich nicht sonderlich gut gelungen. Einige Charaktere haben einen Dialekt verpasst bekommen, was die Aussagen unfreiwillig komisch oder gar kryptisch erscheinen lässt, andere Worte passen vom Zusammenhang nicht. Wer aber im englischen nicht so bewandert ist, dürfte mit dieser Version trotzdem noch besser fahren.
Versionen und Verfügbarkeit
'The Dagger of Amon Ra' ist in englischer und deutscher Sprache für DOS-Rechner erschienen und lief auch auf Windows 3.1. Zusätzlich gibt es auch eine CD-Fassung mit englischer Sprachausgabe. Die kürzlich veröffentlichte (bislang rein englische) GOG-Fassung läuft problemlos auf aktuellen Windows-Versionen, ansonsten lässt sich das Spiel per ScummVM zum Laufen bringen (wenn Eure Disketten oder die CD noch funktionieren). In der originalen Box oder z.B. als Heft-CD findet man das Spiel bei ebay.
Als Kind habe ich 'The Dagger of Amon Ra' gern gespielt - allerdings nur mit Lösung, weil es einfach zu viele Dead-Ends gab. Diese Empfehlung kann man auch jetzt noch geben, denn ohne eine Hilfestellung kann Lauras zweites Abeneteuer schnell zum frustrierenden Erlebnis werden. Allzu oft wartet der Tod ungeahnt, hier hilft wie so oft nur "Safe early, safe often". Schade ist, dass die durchaus interessanten Dialoge, die sich aufgrund ihrer Themen eher an ein erwachsenes Publikum richten, nur so umständlich zustande kommen. Wenn man sich auf diese Kritikpunkte und die im Test angesprochenen Probleme mit der Logik einlassen will, erlebt man eine Krimigeschichte, die für so manche Überraschung gut ist.
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Laura Bow 2: The Dagger of Amon Ra
- Entwickler
- Sierra
- Publisher
- Sierra
- Release
- 1992
- Trailer
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7 Kommentare
4von5!
Eines der schönsten Spiele die ich gespielt habe.
Spoiler können gelesen werden, indem man die Textbox mit der Maus markiert!
Die Bewertung geht voll okay.
Der erste Teil würde von mir noch drei Punkte bekommen.
Ich mag sie. Man sollte auf jeden Fall Laura Bow anspielen. Für mich einer der besseren Oldschool Dinger.
@Tex: Zur Zeit gibts eh einen Playthrough beginnend mit Kings Quest 1, kannst gerne mitspielen.